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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Ein Brief Goethes

der Briefabteilung der Weimarer Allsgabe abgedruckt worden ist. In der
herzlichsten Weise nimmt er hier Anteil an dem leidenden Zustand eines ihrer
Kinder, freut sich ihres Urteils über einige seiner neuern Sachen, indem er
betont, "wie wert" ihm "der Beifall von gefühlvollen, geistreichen Freundinnen
sei." Sartorius war soeben bei ihm gewesen; scherzhaft heißt es mit Bezug
darauf: "Glauben Sie nicht alles Böse, was er von mir sagt. Zwar wenn
er erzählt, daß ich gesagt habe: er solle, wenn er wiederkommt, die Frau Ge¬
vatterin nicht mitbringen, so kann ich das nicht leugnen; es haben aber diese
Worte einen mystischen Sinn und dürfen nicht nach dem Buchstaben ge¬
nommen werden."

Das Mitgeteilte wird den freundschaftlich vertrauten Ton unsers Briefs
in genügender Weise verständlich machen; einige weitere Daten sollen auch
seine einzelnen Andeutungen und Voraussetzungen beleuchten. Am 24. August
1828 starb Sartorius, mitten in umfassenden Arbeiten für eine neue Auflage
seines Hauptwerth, der Geschichte des Hanseatischen Bundes, das zum erstenmal
in drei Bänden in den Jahren 1802 bis 1808 erschienen war. In späterer
Zeit griff er dasselbe Thema noch einmal auf und bereicherte durch das
größere Entgegenkommen der Archive sein urkundliches Material derart, daß
er sei" ursprüngliches Werk vollkommen umzugestalten beschloß. Die Vollendung
der Arbeit sollte er nicht erleben: bei seinem Tode lag erst ein geringer Teil
im Druck vor. Zu Ende geführt wurde sie durch den Hamburger Archivar
Lappenberg, dem die Witwe in dem erwähnten Lebensbild des Gatten ihren
Dank zollt. Unter dem Titel "Urkundliche Geschichte des Ursprungs der
deutscheu Hanse" erschien das zweibändige neue Werk im Jahre 1830 bei
Friedrich Perthes in Hamburg. Diese Bünde nun sind es ohne Zweifel, auf
die sich Goethe in unserm Briefe bezieht. Die Verlagsbuchhandlung war
freilich nicht in der Lage, mir den Zeitpunkt des Erscheinens genauer zu be¬
stimmen; durch den Hamburger Brand seien nicht nur die Lagervorräte,
soudern auch die Geschäftsbücher umgekommen, aus denen sich das Gewünschte
konstatieren ließe. Doch fand ich im "Hamburgischen Korrespondenten" schon
unterm 9. Juni des Jahres 1830 eine freudige Anzeige und Begrüßung des
Werks, sodaß also Goethe die ihm von Sartoriussens Witwe überreichten
Bände am 12. August sehr Wohl durchgelesen haben konnte. Möglich, daß
bei der "würdigen Sendung," für die er dankt, auch die gleichfalls 1830 er¬
schienene Lebensbeschreibung von ihrer Hand war. Doch bietet der Brief
keinen bestimmte" Anhalt für diese Vermutung, und über das Erscheinen dieser
Schrift konnte ich nichts Näheres in Erfahrung bringen.

In seineu letzten Jahren hatte Sartorius das Lehnsgut Waltershmiscn



Nachträglich teilt mir die Direktion des Goethe-Schillerarchws freundlichst mit, daß
das Archiv auch das Schreiben besitzt, das die Sendung der Frau Sartorius begleitete. Hier
ist gesagt, daß sie "das letzte Werk" ihres Gatten schicke, also die urkundliche Geschichte des
Ursprungs der deutsche" Hanse.
Ein Brief Goethes

der Briefabteilung der Weimarer Allsgabe abgedruckt worden ist. In der
herzlichsten Weise nimmt er hier Anteil an dem leidenden Zustand eines ihrer
Kinder, freut sich ihres Urteils über einige seiner neuern Sachen, indem er
betont, „wie wert" ihm „der Beifall von gefühlvollen, geistreichen Freundinnen
sei." Sartorius war soeben bei ihm gewesen; scherzhaft heißt es mit Bezug
darauf: „Glauben Sie nicht alles Böse, was er von mir sagt. Zwar wenn
er erzählt, daß ich gesagt habe: er solle, wenn er wiederkommt, die Frau Ge¬
vatterin nicht mitbringen, so kann ich das nicht leugnen; es haben aber diese
Worte einen mystischen Sinn und dürfen nicht nach dem Buchstaben ge¬
nommen werden."

Das Mitgeteilte wird den freundschaftlich vertrauten Ton unsers Briefs
in genügender Weise verständlich machen; einige weitere Daten sollen auch
seine einzelnen Andeutungen und Voraussetzungen beleuchten. Am 24. August
1828 starb Sartorius, mitten in umfassenden Arbeiten für eine neue Auflage
seines Hauptwerth, der Geschichte des Hanseatischen Bundes, das zum erstenmal
in drei Bänden in den Jahren 1802 bis 1808 erschienen war. In späterer
Zeit griff er dasselbe Thema noch einmal auf und bereicherte durch das
größere Entgegenkommen der Archive sein urkundliches Material derart, daß
er sei« ursprüngliches Werk vollkommen umzugestalten beschloß. Die Vollendung
der Arbeit sollte er nicht erleben: bei seinem Tode lag erst ein geringer Teil
im Druck vor. Zu Ende geführt wurde sie durch den Hamburger Archivar
Lappenberg, dem die Witwe in dem erwähnten Lebensbild des Gatten ihren
Dank zollt. Unter dem Titel „Urkundliche Geschichte des Ursprungs der
deutscheu Hanse" erschien das zweibändige neue Werk im Jahre 1830 bei
Friedrich Perthes in Hamburg. Diese Bünde nun sind es ohne Zweifel, auf
die sich Goethe in unserm Briefe bezieht. Die Verlagsbuchhandlung war
freilich nicht in der Lage, mir den Zeitpunkt des Erscheinens genauer zu be¬
stimmen; durch den Hamburger Brand seien nicht nur die Lagervorräte,
soudern auch die Geschäftsbücher umgekommen, aus denen sich das Gewünschte
konstatieren ließe. Doch fand ich im „Hamburgischen Korrespondenten" schon
unterm 9. Juni des Jahres 1830 eine freudige Anzeige und Begrüßung des
Werks, sodaß also Goethe die ihm von Sartoriussens Witwe überreichten
Bände am 12. August sehr Wohl durchgelesen haben konnte. Möglich, daß
bei der „würdigen Sendung," für die er dankt, auch die gleichfalls 1830 er¬
schienene Lebensbeschreibung von ihrer Hand war. Doch bietet der Brief
keinen bestimmte» Anhalt für diese Vermutung, und über das Erscheinen dieser
Schrift konnte ich nichts Näheres in Erfahrung bringen.

In seineu letzten Jahren hatte Sartorius das Lehnsgut Waltershmiscn



Nachträglich teilt mir die Direktion des Goethe-Schillerarchws freundlichst mit, daß
das Archiv auch das Schreiben besitzt, das die Sendung der Frau Sartorius begleitete. Hier
ist gesagt, daß sie „das letzte Werk" ihres Gatten schicke, also die urkundliche Geschichte des
Ursprungs der deutsche» Hanse.
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[0386] Ein Brief Goethes der Briefabteilung der Weimarer Allsgabe abgedruckt worden ist. In der herzlichsten Weise nimmt er hier Anteil an dem leidenden Zustand eines ihrer Kinder, freut sich ihres Urteils über einige seiner neuern Sachen, indem er betont, „wie wert" ihm „der Beifall von gefühlvollen, geistreichen Freundinnen sei." Sartorius war soeben bei ihm gewesen; scherzhaft heißt es mit Bezug darauf: „Glauben Sie nicht alles Böse, was er von mir sagt. Zwar wenn er erzählt, daß ich gesagt habe: er solle, wenn er wiederkommt, die Frau Ge¬ vatterin nicht mitbringen, so kann ich das nicht leugnen; es haben aber diese Worte einen mystischen Sinn und dürfen nicht nach dem Buchstaben ge¬ nommen werden." Das Mitgeteilte wird den freundschaftlich vertrauten Ton unsers Briefs in genügender Weise verständlich machen; einige weitere Daten sollen auch seine einzelnen Andeutungen und Voraussetzungen beleuchten. Am 24. August 1828 starb Sartorius, mitten in umfassenden Arbeiten für eine neue Auflage seines Hauptwerth, der Geschichte des Hanseatischen Bundes, das zum erstenmal in drei Bänden in den Jahren 1802 bis 1808 erschienen war. In späterer Zeit griff er dasselbe Thema noch einmal auf und bereicherte durch das größere Entgegenkommen der Archive sein urkundliches Material derart, daß er sei« ursprüngliches Werk vollkommen umzugestalten beschloß. Die Vollendung der Arbeit sollte er nicht erleben: bei seinem Tode lag erst ein geringer Teil im Druck vor. Zu Ende geführt wurde sie durch den Hamburger Archivar Lappenberg, dem die Witwe in dem erwähnten Lebensbild des Gatten ihren Dank zollt. Unter dem Titel „Urkundliche Geschichte des Ursprungs der deutscheu Hanse" erschien das zweibändige neue Werk im Jahre 1830 bei Friedrich Perthes in Hamburg. Diese Bünde nun sind es ohne Zweifel, auf die sich Goethe in unserm Briefe bezieht. Die Verlagsbuchhandlung war freilich nicht in der Lage, mir den Zeitpunkt des Erscheinens genauer zu be¬ stimmen; durch den Hamburger Brand seien nicht nur die Lagervorräte, soudern auch die Geschäftsbücher umgekommen, aus denen sich das Gewünschte konstatieren ließe. Doch fand ich im „Hamburgischen Korrespondenten" schon unterm 9. Juni des Jahres 1830 eine freudige Anzeige und Begrüßung des Werks, sodaß also Goethe die ihm von Sartoriussens Witwe überreichten Bände am 12. August sehr Wohl durchgelesen haben konnte. Möglich, daß bei der „würdigen Sendung," für die er dankt, auch die gleichfalls 1830 er¬ schienene Lebensbeschreibung von ihrer Hand war. Doch bietet der Brief keinen bestimmte» Anhalt für diese Vermutung, und über das Erscheinen dieser Schrift konnte ich nichts Näheres in Erfahrung bringen. In seineu letzten Jahren hatte Sartorius das Lehnsgut Waltershmiscn Nachträglich teilt mir die Direktion des Goethe-Schillerarchws freundlichst mit, daß das Archiv auch das Schreiben besitzt, das die Sendung der Frau Sartorius begleitete. Hier ist gesagt, daß sie „das letzte Werk" ihres Gatten schicke, also die urkundliche Geschichte des Ursprungs der deutsche» Hanse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/386>, abgerufen am 05.06.2024.