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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Pfandbriefverbände und ihre Erfolge

Mitglieds, sondern mich der Höhe seines Mitgliedergnthabens. Dies ist eine
wesentlich andre Einrichtung als bei den Landschaften, Die Nationalbank zu
Stettin, eine Hypothekenbank ans dieser genossenschaftlichen Grundlage, ist zwar
eine eingetragne Genossenschaft, sie hat aber die Fehler sowohl der Genossen-
schaft wie die der Aktiengesellschaft, ohne die Vorteile dieser. Denn die Ver¬
fügung über ein nicht entziehbares großes Kapital fehlte ihr; sie geriet darum
auch zu allererst in Schwierigkeit und Not.

Die Rechtsform der Genossenschaft nach dem Genvssenschaftsgesetz ist
auch nur für den persönlichen Kredit geschaffen und hat sich nur ans diesem
Gebiet große Verdienste erworben. Zum Jmmobiliar- oder Hypothekarkredit
ist sie nicht geeignet. Man hat dies auch nachgerade in den Genvssenschafts-
kreisen selbst eingesehen, nachdem einige Genossenschaften nur wegen Mangels
an dieser Einsicht jämmerlich zu Grunde gegangen sind.

Wenn es also etwas ganz wesentliches für einen Pfandbriefverband ist,
daß er nnr aus Hypothekenschnldnern oder Kreditsuchenden besteht, so sehe ich
doch anch, wie ich zu Anfang hervorgehoben habe, etwas für das praktische
Leben ganz wesentliches in dem Umstände, daß die Landschaften nur un¬
kündbare Ainvrtisationshypotheken gewähren und nur Pfandbriefe ausgeben,
die von den Inhabern nicht gekündigt werden können. Denn nur dadurch
haben sie in Wirklichkeit die großen Erfolge für die Hypothekenschuldner er¬
reichen können, wenn auch theoretisch dieser Umstand vielleicht nnr nebensächlich
erscheinen möchte.

Aber auch für die Theorie erscheint der weitere Umstand nicht neben¬
sächlich, daß der Hypothekenschuldner von der Landschaft in der Regel nicht
bares Geld, sondern nur Pfandbriefe erhält, die er für eigne Rechnung verkaufe"
muß. Hieraus ergiebt sich als weitere Folge, daß bei den richtig ausgebildeten
Landschaften auch regelmüßig der Schuldner seine Hypothek sowohl in bar als
mich in Pfcmdbriefeu (desselben Zinsfußes natürlich) abzutragen berechtigt ist.
Sind also z. B. die Pfandbriefe stark über 100 gestiegen, so wird der Schuldner
seine Schuld in hur abzahlen, und die Landschaft wird die Pfandbriefe zur
Einlösung aufrufen und zum vollen Nennbetrage einlösen, der Schuldner brnncht
also nicht mehr als seine volle Schuld zu zahlen.

Sind dagegen die Pfandbriefe stark nnter 100 gesunken, so wird dein
Schuldner die Abtragung der Schuld dadurch wesentlich erleichtert, daß er die
Pfandbriefe billig (wie z. B. jetzt die dreiprozentigen) aufkaufen und zu ihrem
holten Nennwert, also für 100 zur Abtragung seiner Schuld der Landschaft
übergeben kann. Dies ermöglicht unter Umständen auch eine schnellere Amor¬
tisation der Schuld, es verhindert aber auch ein allzutiefes Sinken der Pfand¬
briefe, weil ja dann der Schuldner diese zur Abtragung seiner Schuld auf¬
kaufen wird. Alles das braucht natürlich der Schuldner nicht selbst z"
macheu, sondern das besorgt für ihn und für seine Rechnung die betreffende
landschaftliche Bank oder ein andrer Bankier, sodaß er in Wirklichkeit die
Pfandbriefe gar nicht sieht und in die Hände bekommt. Die Kehrseite von


Grenzboten !!! 1S01 50
Die Pfandbriefverbände und ihre Erfolge

Mitglieds, sondern mich der Höhe seines Mitgliedergnthabens. Dies ist eine
wesentlich andre Einrichtung als bei den Landschaften, Die Nationalbank zu
Stettin, eine Hypothekenbank ans dieser genossenschaftlichen Grundlage, ist zwar
eine eingetragne Genossenschaft, sie hat aber die Fehler sowohl der Genossen-
schaft wie die der Aktiengesellschaft, ohne die Vorteile dieser. Denn die Ver¬
fügung über ein nicht entziehbares großes Kapital fehlte ihr; sie geriet darum
auch zu allererst in Schwierigkeit und Not.

Die Rechtsform der Genossenschaft nach dem Genvssenschaftsgesetz ist
auch nur für den persönlichen Kredit geschaffen und hat sich nur ans diesem
Gebiet große Verdienste erworben. Zum Jmmobiliar- oder Hypothekarkredit
ist sie nicht geeignet. Man hat dies auch nachgerade in den Genvssenschafts-
kreisen selbst eingesehen, nachdem einige Genossenschaften nur wegen Mangels
an dieser Einsicht jämmerlich zu Grunde gegangen sind.

Wenn es also etwas ganz wesentliches für einen Pfandbriefverband ist,
daß er nnr aus Hypothekenschnldnern oder Kreditsuchenden besteht, so sehe ich
doch anch, wie ich zu Anfang hervorgehoben habe, etwas für das praktische
Leben ganz wesentliches in dem Umstände, daß die Landschaften nur un¬
kündbare Ainvrtisationshypotheken gewähren und nur Pfandbriefe ausgeben,
die von den Inhabern nicht gekündigt werden können. Denn nur dadurch
haben sie in Wirklichkeit die großen Erfolge für die Hypothekenschuldner er¬
reichen können, wenn auch theoretisch dieser Umstand vielleicht nnr nebensächlich
erscheinen möchte.

Aber auch für die Theorie erscheint der weitere Umstand nicht neben¬
sächlich, daß der Hypothekenschuldner von der Landschaft in der Regel nicht
bares Geld, sondern nur Pfandbriefe erhält, die er für eigne Rechnung verkaufe»
muß. Hieraus ergiebt sich als weitere Folge, daß bei den richtig ausgebildeten
Landschaften auch regelmüßig der Schuldner seine Hypothek sowohl in bar als
mich in Pfcmdbriefeu (desselben Zinsfußes natürlich) abzutragen berechtigt ist.
Sind also z. B. die Pfandbriefe stark über 100 gestiegen, so wird der Schuldner
seine Schuld in hur abzahlen, und die Landschaft wird die Pfandbriefe zur
Einlösung aufrufen und zum vollen Nennbetrage einlösen, der Schuldner brnncht
also nicht mehr als seine volle Schuld zu zahlen.

Sind dagegen die Pfandbriefe stark nnter 100 gesunken, so wird dein
Schuldner die Abtragung der Schuld dadurch wesentlich erleichtert, daß er die
Pfandbriefe billig (wie z. B. jetzt die dreiprozentigen) aufkaufen und zu ihrem
holten Nennwert, also für 100 zur Abtragung seiner Schuld der Landschaft
übergeben kann. Dies ermöglicht unter Umständen auch eine schnellere Amor¬
tisation der Schuld, es verhindert aber auch ein allzutiefes Sinken der Pfand¬
briefe, weil ja dann der Schuldner diese zur Abtragung seiner Schuld auf¬
kaufen wird. Alles das braucht natürlich der Schuldner nicht selbst z»
macheu, sondern das besorgt für ihn und für seine Rechnung die betreffende
landschaftliche Bank oder ein andrer Bankier, sodaß er in Wirklichkeit die
Pfandbriefe gar nicht sieht und in die Hände bekommt. Die Kehrseite von


Grenzboten !!! 1S01 50
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[0401] Die Pfandbriefverbände und ihre Erfolge Mitglieds, sondern mich der Höhe seines Mitgliedergnthabens. Dies ist eine wesentlich andre Einrichtung als bei den Landschaften, Die Nationalbank zu Stettin, eine Hypothekenbank ans dieser genossenschaftlichen Grundlage, ist zwar eine eingetragne Genossenschaft, sie hat aber die Fehler sowohl der Genossen- schaft wie die der Aktiengesellschaft, ohne die Vorteile dieser. Denn die Ver¬ fügung über ein nicht entziehbares großes Kapital fehlte ihr; sie geriet darum auch zu allererst in Schwierigkeit und Not. Die Rechtsform der Genossenschaft nach dem Genvssenschaftsgesetz ist auch nur für den persönlichen Kredit geschaffen und hat sich nur ans diesem Gebiet große Verdienste erworben. Zum Jmmobiliar- oder Hypothekarkredit ist sie nicht geeignet. Man hat dies auch nachgerade in den Genvssenschafts- kreisen selbst eingesehen, nachdem einige Genossenschaften nur wegen Mangels an dieser Einsicht jämmerlich zu Grunde gegangen sind. Wenn es also etwas ganz wesentliches für einen Pfandbriefverband ist, daß er nnr aus Hypothekenschnldnern oder Kreditsuchenden besteht, so sehe ich doch anch, wie ich zu Anfang hervorgehoben habe, etwas für das praktische Leben ganz wesentliches in dem Umstände, daß die Landschaften nur un¬ kündbare Ainvrtisationshypotheken gewähren und nur Pfandbriefe ausgeben, die von den Inhabern nicht gekündigt werden können. Denn nur dadurch haben sie in Wirklichkeit die großen Erfolge für die Hypothekenschuldner er¬ reichen können, wenn auch theoretisch dieser Umstand vielleicht nnr nebensächlich erscheinen möchte. Aber auch für die Theorie erscheint der weitere Umstand nicht neben¬ sächlich, daß der Hypothekenschuldner von der Landschaft in der Regel nicht bares Geld, sondern nur Pfandbriefe erhält, die er für eigne Rechnung verkaufe» muß. Hieraus ergiebt sich als weitere Folge, daß bei den richtig ausgebildeten Landschaften auch regelmüßig der Schuldner seine Hypothek sowohl in bar als mich in Pfcmdbriefeu (desselben Zinsfußes natürlich) abzutragen berechtigt ist. Sind also z. B. die Pfandbriefe stark über 100 gestiegen, so wird der Schuldner seine Schuld in hur abzahlen, und die Landschaft wird die Pfandbriefe zur Einlösung aufrufen und zum vollen Nennbetrage einlösen, der Schuldner brnncht also nicht mehr als seine volle Schuld zu zahlen. Sind dagegen die Pfandbriefe stark nnter 100 gesunken, so wird dein Schuldner die Abtragung der Schuld dadurch wesentlich erleichtert, daß er die Pfandbriefe billig (wie z. B. jetzt die dreiprozentigen) aufkaufen und zu ihrem holten Nennwert, also für 100 zur Abtragung seiner Schuld der Landschaft übergeben kann. Dies ermöglicht unter Umständen auch eine schnellere Amor¬ tisation der Schuld, es verhindert aber auch ein allzutiefes Sinken der Pfand¬ briefe, weil ja dann der Schuldner diese zur Abtragung seiner Schuld auf¬ kaufen wird. Alles das braucht natürlich der Schuldner nicht selbst z» macheu, sondern das besorgt für ihn und für seine Rechnung die betreffende landschaftliche Bank oder ein andrer Bankier, sodaß er in Wirklichkeit die Pfandbriefe gar nicht sieht und in die Hände bekommt. Die Kehrseite von Grenzboten !!! 1S01 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/401>, abgerufen am 17.06.2024.