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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Pfandbriefverbände und ihre Erfolge

diesem allem ist allerdings, daß der Schuldner bei Eingehung der Hypothek
nicht deren vollen Nennbetrag in bar erhält, wenn es ihm nämlich nicht ge¬
lingt, die Pfandbriefe zu 100 oder darüber zu verkaufen. Stehn z. B, die
ihm gegebnen Pfandbriefe nur 95, so erhält er durch deren Verkauf 5 Prozent
oder ein Zwanzigstel weniger, als der Knpitalbetrag der Hypothek ausmacht
und als er wahrscheinlich braucht. Die meisten Landschaften haben jedoch
auch hier dem Schuldner dadurch zu helfen gewußt, daß sie ihm ebenso, wie
bei Konvertierung der Pfandbriefe, bis zu 10 Prozent des Hypotheteubetrags
als persönliches Zuschußdarlehu verschaffen oder gewähren, das wieder zunächst
durch die Amortisationsbeiträge getilgt wird, bevor mit der Amortisation der
Hypothek selbst begonnen wird.

Die Landschaften sind uümlich im Interesse des Schuldners und auch des
Pfaudbriesiuhabers mit Recht dafür bemüht, immer möglichst niedrig verzins¬
liche Pfandbriefe auszugeben, also solche, die unter 100 stehn. Auf die Weise
braucht der Schuldner weniger Zinsen zu zahlen, und der Pfnndbriefiuhaber
ist ziemlich sicher davor, daß sein Papier bald aufgerufen wird, um zum Neun-
wert eingelöst zu werden. Denn so lange das Papier unter 100 steht, wird
man das verständigerweise unterlassen und lieber es billiger auf der Börse,
also dem Geldmarkt, aufkaufen oder durch einen Bankier aufkaufen lassen.
Das Interesse des Hypothekeuschuldners und des PfandbricfinhaberS läßt sich
also oft vereinbaren. Die Hypothekenbanken sind dagegen bemüht, möglichst
über 100 stehende Pfandbriefe, also hochverzinsliche auszugeben, denn da der
Verkauf der Pfandbriefe für Rechnung der Bank geschieht, so hat sie einen
Vorteil -- Gewinn --, wenn es ihr gelingt, die Pfandbriefe über 100 zu
verkaufen. Wenn aber die Pfandbriefe unter 100 stehn, und sie soll dein
Schuldner das volle Hypothekendarlehn in bar gewähren, so hat sie Verluste,
und diese können so bedeutend sein, daß sie lieber von jeder Beleihung ab¬
sieht, ja bei einer gewissen Ungewißheit des Geldmarktes absehen muß. Dabei
kommt ferner wesentlich in Betracht, daß die über 100 stehenden Papiere nicht
so leicht zum Kauf ausgeboten werden, und die Bank darum nicht genötigt
wird, sie sobald wieder auszulaufen.

Jedenfalls läßt sich leicht nachweisen, daß die Landschaften bei der Aus¬
gabe von Pfandbriefen die unter 100 stehenden bevorzugen, während die
Hypothekenbanken dies nicht thun, ja nicht thun können. Schon hieraus er¬
giebt sich mit Notwendigkeit, daß sich der Schuldner der Pfandbriefverbünde
durchschnittlich eines niedrigern Zinsfußes erfreuen wird, als der Schuldner
der Hypothekenbanken, sogar wenn die Pfandbriefe beider Institute an der
Börse gleich hoch im Kurse bewertet werden sollten. Das ist aber keineswegs
der Fall, im Gegenteil kann man wohl annehmen, daß die Pfandbriefe eines
Pfandbriefverbandes, der nur müudelsichere Hypotheken unter Amortisations-
zwang beleibt, in der Regel besser im Kurse stehn werden als die Pfandbriefe
vou Hypothekenbanken, deren Hypotheken nicht denselben Ruf genießen.

So findet man denn auch, daß die Landschaften zahlreich dreiprozentige


Die Pfandbriefverbände und ihre Erfolge

diesem allem ist allerdings, daß der Schuldner bei Eingehung der Hypothek
nicht deren vollen Nennbetrag in bar erhält, wenn es ihm nämlich nicht ge¬
lingt, die Pfandbriefe zu 100 oder darüber zu verkaufen. Stehn z. B, die
ihm gegebnen Pfandbriefe nur 95, so erhält er durch deren Verkauf 5 Prozent
oder ein Zwanzigstel weniger, als der Knpitalbetrag der Hypothek ausmacht
und als er wahrscheinlich braucht. Die meisten Landschaften haben jedoch
auch hier dem Schuldner dadurch zu helfen gewußt, daß sie ihm ebenso, wie
bei Konvertierung der Pfandbriefe, bis zu 10 Prozent des Hypotheteubetrags
als persönliches Zuschußdarlehu verschaffen oder gewähren, das wieder zunächst
durch die Amortisationsbeiträge getilgt wird, bevor mit der Amortisation der
Hypothek selbst begonnen wird.

Die Landschaften sind uümlich im Interesse des Schuldners und auch des
Pfaudbriesiuhabers mit Recht dafür bemüht, immer möglichst niedrig verzins¬
liche Pfandbriefe auszugeben, also solche, die unter 100 stehn. Auf die Weise
braucht der Schuldner weniger Zinsen zu zahlen, und der Pfnndbriefiuhaber
ist ziemlich sicher davor, daß sein Papier bald aufgerufen wird, um zum Neun-
wert eingelöst zu werden. Denn so lange das Papier unter 100 steht, wird
man das verständigerweise unterlassen und lieber es billiger auf der Börse,
also dem Geldmarkt, aufkaufen oder durch einen Bankier aufkaufen lassen.
Das Interesse des Hypothekeuschuldners und des PfandbricfinhaberS läßt sich
also oft vereinbaren. Die Hypothekenbanken sind dagegen bemüht, möglichst
über 100 stehende Pfandbriefe, also hochverzinsliche auszugeben, denn da der
Verkauf der Pfandbriefe für Rechnung der Bank geschieht, so hat sie einen
Vorteil — Gewinn —, wenn es ihr gelingt, die Pfandbriefe über 100 zu
verkaufen. Wenn aber die Pfandbriefe unter 100 stehn, und sie soll dein
Schuldner das volle Hypothekendarlehn in bar gewähren, so hat sie Verluste,
und diese können so bedeutend sein, daß sie lieber von jeder Beleihung ab¬
sieht, ja bei einer gewissen Ungewißheit des Geldmarktes absehen muß. Dabei
kommt ferner wesentlich in Betracht, daß die über 100 stehenden Papiere nicht
so leicht zum Kauf ausgeboten werden, und die Bank darum nicht genötigt
wird, sie sobald wieder auszulaufen.

Jedenfalls läßt sich leicht nachweisen, daß die Landschaften bei der Aus¬
gabe von Pfandbriefen die unter 100 stehenden bevorzugen, während die
Hypothekenbanken dies nicht thun, ja nicht thun können. Schon hieraus er¬
giebt sich mit Notwendigkeit, daß sich der Schuldner der Pfandbriefverbünde
durchschnittlich eines niedrigern Zinsfußes erfreuen wird, als der Schuldner
der Hypothekenbanken, sogar wenn die Pfandbriefe beider Institute an der
Börse gleich hoch im Kurse bewertet werden sollten. Das ist aber keineswegs
der Fall, im Gegenteil kann man wohl annehmen, daß die Pfandbriefe eines
Pfandbriefverbandes, der nur müudelsichere Hypotheken unter Amortisations-
zwang beleibt, in der Regel besser im Kurse stehn werden als die Pfandbriefe
vou Hypothekenbanken, deren Hypotheken nicht denselben Ruf genießen.

So findet man denn auch, daß die Landschaften zahlreich dreiprozentige


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[0402] Die Pfandbriefverbände und ihre Erfolge diesem allem ist allerdings, daß der Schuldner bei Eingehung der Hypothek nicht deren vollen Nennbetrag in bar erhält, wenn es ihm nämlich nicht ge¬ lingt, die Pfandbriefe zu 100 oder darüber zu verkaufen. Stehn z. B, die ihm gegebnen Pfandbriefe nur 95, so erhält er durch deren Verkauf 5 Prozent oder ein Zwanzigstel weniger, als der Knpitalbetrag der Hypothek ausmacht und als er wahrscheinlich braucht. Die meisten Landschaften haben jedoch auch hier dem Schuldner dadurch zu helfen gewußt, daß sie ihm ebenso, wie bei Konvertierung der Pfandbriefe, bis zu 10 Prozent des Hypotheteubetrags als persönliches Zuschußdarlehu verschaffen oder gewähren, das wieder zunächst durch die Amortisationsbeiträge getilgt wird, bevor mit der Amortisation der Hypothek selbst begonnen wird. Die Landschaften sind uümlich im Interesse des Schuldners und auch des Pfaudbriesiuhabers mit Recht dafür bemüht, immer möglichst niedrig verzins¬ liche Pfandbriefe auszugeben, also solche, die unter 100 stehn. Auf die Weise braucht der Schuldner weniger Zinsen zu zahlen, und der Pfnndbriefiuhaber ist ziemlich sicher davor, daß sein Papier bald aufgerufen wird, um zum Neun- wert eingelöst zu werden. Denn so lange das Papier unter 100 steht, wird man das verständigerweise unterlassen und lieber es billiger auf der Börse, also dem Geldmarkt, aufkaufen oder durch einen Bankier aufkaufen lassen. Das Interesse des Hypothekeuschuldners und des PfandbricfinhaberS läßt sich also oft vereinbaren. Die Hypothekenbanken sind dagegen bemüht, möglichst über 100 stehende Pfandbriefe, also hochverzinsliche auszugeben, denn da der Verkauf der Pfandbriefe für Rechnung der Bank geschieht, so hat sie einen Vorteil — Gewinn —, wenn es ihr gelingt, die Pfandbriefe über 100 zu verkaufen. Wenn aber die Pfandbriefe unter 100 stehn, und sie soll dein Schuldner das volle Hypothekendarlehn in bar gewähren, so hat sie Verluste, und diese können so bedeutend sein, daß sie lieber von jeder Beleihung ab¬ sieht, ja bei einer gewissen Ungewißheit des Geldmarktes absehen muß. Dabei kommt ferner wesentlich in Betracht, daß die über 100 stehenden Papiere nicht so leicht zum Kauf ausgeboten werden, und die Bank darum nicht genötigt wird, sie sobald wieder auszulaufen. Jedenfalls läßt sich leicht nachweisen, daß die Landschaften bei der Aus¬ gabe von Pfandbriefen die unter 100 stehenden bevorzugen, während die Hypothekenbanken dies nicht thun, ja nicht thun können. Schon hieraus er¬ giebt sich mit Notwendigkeit, daß sich der Schuldner der Pfandbriefverbünde durchschnittlich eines niedrigern Zinsfußes erfreuen wird, als der Schuldner der Hypothekenbanken, sogar wenn die Pfandbriefe beider Institute an der Börse gleich hoch im Kurse bewertet werden sollten. Das ist aber keineswegs der Fall, im Gegenteil kann man wohl annehmen, daß die Pfandbriefe eines Pfandbriefverbandes, der nur müudelsichere Hypotheken unter Amortisations- zwang beleibt, in der Regel besser im Kurse stehn werden als die Pfandbriefe vou Hypothekenbanken, deren Hypotheken nicht denselben Ruf genießen. So findet man denn auch, daß die Landschaften zahlreich dreiprozentige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/402>, abgerufen am 17.06.2024.