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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Unstern

Das Bild machte uns lachen.

Sagt man nicht, der Admiral Drysen "volle das Fräulein Johanna heiraten?
fragte ich dann.

Gerade deshalb hätte ich so sehr gewünscht, daß der Schiefrich käme und sie
nähme, begann Stürmer wieder. In den habe ich doch ein gewisses Vertrauen;
er ist noch ein bischen tappig, aber sie würde schon was aus ihm macheu. Der
Admiral hingegen ist mir unheimlich. Sehen Sie nur, wie er das Mädchen wieder
anstarrt. Klapperschlange und Kolibri!

Für eine Klapperschlange sieht er noch sehr gut aus, bemerkte ich.

Er scheint übrigens auch Nichtkolibris bezaubern zu wollen, fügte der Friedens¬
richter hinzu. Da erzählte mir neulich der Mann vom Zoll, daß ein Kollege von
ihm ein seltsames Geschäft angeboten bekommen habe. Er sollte eine große Stein¬
lieferung für die Rheinbauverwaltung übernehmen, mit der Sicherheit, die Liefe¬
rung sofort weiter vergeben zu können um 3000 bis 4000 Thaler billiger.

Wir schüttelten die Köpfe.

Hoffentlich bietet er nicht dein Postdirektor dasselbe Geschäft an, meinte Stürmer;
das könnte mich doch empören.

Deu schützt sein Beamtenhochmut, tröstete der Friedensrichter. Wem ich aber
in diesem Augenblick eine gute Finanzoperation am meisten gönnte, das Ware der
Major.

Wir waren im besten Zuge, auf solche Weise die Schärfe unsrer Zungen an
unsern Nebenmenschen zu erprobe", da kam auf einmal Schiefrich heran. Lieber
Herr Kollege, sagte er zu mir, ich habe morgen nachmittag eine Sache am Handels¬
gericht; es ist bloß ein Wechsel, wird jedenfalls VÄMt-Urteil zu nehmen sein.
Haben Sie die Güte, das für mich zu thun. Ich schicke Ihnen die Akten mit
Substitutionsvollmacht.

Sehr wohl; heiraten Sie morgen?

Nein. Aber wir haben soeben einen Ausflug verabredet, zu Wagen nach
Vilmarsheim und an den Rhein.

Die ganze deutsche Flotte?

Ja; Drysen läßt uns dann im Dienstboot ein Stück auf dem Rhein fahren,
es wird sehr schön.

Na, viel Vergnügen; aber die zwei- bis dreihundert Klienten werden sich
morgen wundern, Sie nicht bei der Hand zu finden, mitten in der Woche!

Darauf kaun ich jetzt keine Rücksicht nehmen.

Aha, Fräulein Strademanu, flüsterte der Friedensrichter, ich wünsche Glück.

Noch nicht ganz, sagte Schiefrich bescheiden und ging zum großen Tisch
zurück.

Wir andern brachen auf. Über den Vogesen war Wetterleuchten.




Am andern Abend kam Schiefrich zu mir. Wie ists gewesen? fragte ich ihn
und wollte hinzusetzen: Sind Sie verlobt? Da sah ich sein verstörtes Gesicht und
hielt inne. Nun, setzen Sie sich nur, sagte ich, da er immer noch schwieg; was
hat es denn gegeben? Endlich saß er und begann feierlich: Ich komme zu Ihnen
als dem ältern Kollegen.

Das stimmt, es macht, glaube ich, gerade ein Jahr aus.

Sie müssen sich der Sache annehmen. Die Ehre des Advokatenstandes ist
beleidigt.

Ists so schlimm?


Unstern

Das Bild machte uns lachen.

Sagt man nicht, der Admiral Drysen »volle das Fräulein Johanna heiraten?
fragte ich dann.

Gerade deshalb hätte ich so sehr gewünscht, daß der Schiefrich käme und sie
nähme, begann Stürmer wieder. In den habe ich doch ein gewisses Vertrauen;
er ist noch ein bischen tappig, aber sie würde schon was aus ihm macheu. Der
Admiral hingegen ist mir unheimlich. Sehen Sie nur, wie er das Mädchen wieder
anstarrt. Klapperschlange und Kolibri!

Für eine Klapperschlange sieht er noch sehr gut aus, bemerkte ich.

Er scheint übrigens auch Nichtkolibris bezaubern zu wollen, fügte der Friedens¬
richter hinzu. Da erzählte mir neulich der Mann vom Zoll, daß ein Kollege von
ihm ein seltsames Geschäft angeboten bekommen habe. Er sollte eine große Stein¬
lieferung für die Rheinbauverwaltung übernehmen, mit der Sicherheit, die Liefe¬
rung sofort weiter vergeben zu können um 3000 bis 4000 Thaler billiger.

Wir schüttelten die Köpfe.

Hoffentlich bietet er nicht dein Postdirektor dasselbe Geschäft an, meinte Stürmer;
das könnte mich doch empören.

Deu schützt sein Beamtenhochmut, tröstete der Friedensrichter. Wem ich aber
in diesem Augenblick eine gute Finanzoperation am meisten gönnte, das Ware der
Major.

Wir waren im besten Zuge, auf solche Weise die Schärfe unsrer Zungen an
unsern Nebenmenschen zu erprobe», da kam auf einmal Schiefrich heran. Lieber
Herr Kollege, sagte er zu mir, ich habe morgen nachmittag eine Sache am Handels¬
gericht; es ist bloß ein Wechsel, wird jedenfalls VÄMt-Urteil zu nehmen sein.
Haben Sie die Güte, das für mich zu thun. Ich schicke Ihnen die Akten mit
Substitutionsvollmacht.

Sehr wohl; heiraten Sie morgen?

Nein. Aber wir haben soeben einen Ausflug verabredet, zu Wagen nach
Vilmarsheim und an den Rhein.

Die ganze deutsche Flotte?

Ja; Drysen läßt uns dann im Dienstboot ein Stück auf dem Rhein fahren,
es wird sehr schön.

Na, viel Vergnügen; aber die zwei- bis dreihundert Klienten werden sich
morgen wundern, Sie nicht bei der Hand zu finden, mitten in der Woche!

Darauf kaun ich jetzt keine Rücksicht nehmen.

Aha, Fräulein Strademanu, flüsterte der Friedensrichter, ich wünsche Glück.

Noch nicht ganz, sagte Schiefrich bescheiden und ging zum großen Tisch
zurück.

Wir andern brachen auf. Über den Vogesen war Wetterleuchten.




Am andern Abend kam Schiefrich zu mir. Wie ists gewesen? fragte ich ihn
und wollte hinzusetzen: Sind Sie verlobt? Da sah ich sein verstörtes Gesicht und
hielt inne. Nun, setzen Sie sich nur, sagte ich, da er immer noch schwieg; was
hat es denn gegeben? Endlich saß er und begann feierlich: Ich komme zu Ihnen
als dem ältern Kollegen.

Das stimmt, es macht, glaube ich, gerade ein Jahr aus.

Sie müssen sich der Sache annehmen. Die Ehre des Advokatenstandes ist
beleidigt.

Ists so schlimm?


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[0526] Unstern Das Bild machte uns lachen. Sagt man nicht, der Admiral Drysen »volle das Fräulein Johanna heiraten? fragte ich dann. Gerade deshalb hätte ich so sehr gewünscht, daß der Schiefrich käme und sie nähme, begann Stürmer wieder. In den habe ich doch ein gewisses Vertrauen; er ist noch ein bischen tappig, aber sie würde schon was aus ihm macheu. Der Admiral hingegen ist mir unheimlich. Sehen Sie nur, wie er das Mädchen wieder anstarrt. Klapperschlange und Kolibri! Für eine Klapperschlange sieht er noch sehr gut aus, bemerkte ich. Er scheint übrigens auch Nichtkolibris bezaubern zu wollen, fügte der Friedens¬ richter hinzu. Da erzählte mir neulich der Mann vom Zoll, daß ein Kollege von ihm ein seltsames Geschäft angeboten bekommen habe. Er sollte eine große Stein¬ lieferung für die Rheinbauverwaltung übernehmen, mit der Sicherheit, die Liefe¬ rung sofort weiter vergeben zu können um 3000 bis 4000 Thaler billiger. Wir schüttelten die Köpfe. Hoffentlich bietet er nicht dein Postdirektor dasselbe Geschäft an, meinte Stürmer; das könnte mich doch empören. Deu schützt sein Beamtenhochmut, tröstete der Friedensrichter. Wem ich aber in diesem Augenblick eine gute Finanzoperation am meisten gönnte, das Ware der Major. Wir waren im besten Zuge, auf solche Weise die Schärfe unsrer Zungen an unsern Nebenmenschen zu erprobe», da kam auf einmal Schiefrich heran. Lieber Herr Kollege, sagte er zu mir, ich habe morgen nachmittag eine Sache am Handels¬ gericht; es ist bloß ein Wechsel, wird jedenfalls VÄMt-Urteil zu nehmen sein. Haben Sie die Güte, das für mich zu thun. Ich schicke Ihnen die Akten mit Substitutionsvollmacht. Sehr wohl; heiraten Sie morgen? Nein. Aber wir haben soeben einen Ausflug verabredet, zu Wagen nach Vilmarsheim und an den Rhein. Die ganze deutsche Flotte? Ja; Drysen läßt uns dann im Dienstboot ein Stück auf dem Rhein fahren, es wird sehr schön. Na, viel Vergnügen; aber die zwei- bis dreihundert Klienten werden sich morgen wundern, Sie nicht bei der Hand zu finden, mitten in der Woche! Darauf kaun ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Aha, Fräulein Strademanu, flüsterte der Friedensrichter, ich wünsche Glück. Noch nicht ganz, sagte Schiefrich bescheiden und ging zum großen Tisch zurück. Wir andern brachen auf. Über den Vogesen war Wetterleuchten. Am andern Abend kam Schiefrich zu mir. Wie ists gewesen? fragte ich ihn und wollte hinzusetzen: Sind Sie verlobt? Da sah ich sein verstörtes Gesicht und hielt inne. Nun, setzen Sie sich nur, sagte ich, da er immer noch schwieg; was hat es denn gegeben? Endlich saß er und begann feierlich: Ich komme zu Ihnen als dem ältern Kollegen. Das stimmt, es macht, glaube ich, gerade ein Jahr aus. Sie müssen sich der Sache annehmen. Die Ehre des Advokatenstandes ist beleidigt. Ists so schlimm?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/526>, abgerufen am 16.06.2024.