Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie entsteh" pfandbriefverdände?

von dem König die Bedingung gestellt, daß sich alle Rittergüter Schlesiens
mit ihrem ganzen Grundbesitz für die Schulden der Landschaft für verhaftet
erklärten. Damals mochten wohl alle Rittergutsbesitzer Schlesiens in Not
und sehr kreditbedürftig gewesen sein. Jedenfalls ging man auf die harte Be¬
dingung ein, und es wurden durch Gesetz alle Rittergüter Schlesiens für die
Schulden der Landschaft für verhaftet erklärt, ganz gleichgiltig, ob ihre Besitzer
den Kredit der Landschaft durch Aufnahme einer Pfandbriefhypothek in Anspruch
nahmen oder nicht. Man bezeichnete diese Verhaftung mit "Generalgnrcmtie."

Das Gesetz spricht darum "von inkorporierten Gütern" und von den
"Kreditverbundnen." Allerdings war damals diese Solidarhaft wieder in andrer
Weise schmackhafter gemacht. Die Landschaft gab damals nicht wie jetzt nur
Pfandbriefe aus, auf denen lediglich die Landschaft als Schuldner steht, sondern
die damaligen Pfandbriefe waren wirkliche Hypothekenbriefe auf den Inhaber
-- sogenannte Güterpfandbriefe --, sie enthielten genau das Gut verzeichnet,
das für sie an erster Stelle oder zunächst verhaftet war. Der Eigentümer des
Guts war deshalb auch verpflichtet, diese bestimmten Pfandbriefe, die ihm ge¬
geben waren, wieder einzulösen, was durch Aufruf in den Zeitungen bewirkt
wurde.

Als nun Friedrich der Große, nachdem sich die Landschaft in Schlesien
als segensreich bewährt hatte, sie auf die Mark übertragen wollte, stellte er
hier dieselbe Bedingung. Jedoch die märkischen Rittergutsbesitzer gingen nicht
darauf ein, sie wollten nur eine Solidarhaft für die Güter mit in Kauf nehmen,
die wirklich eine Pfandbriefhypothek aufnahmen. Der König fügte sich schließlich,
nachdem man wohl in Schlesien die Erfahrung gemacht hatte, daß es auch
hier ohne diese weitergehende Solidarhaft gegangen wäre.^)

In der Provinz Brandenburg sind deshalb bei der Ritterschaft, wie hier
die Landschaft für die Rittergüter genannt wurde, nur die Rittergüter ver¬
haftet, die eine Pfandbriefschnld aufgenommen haben und verschulden. Diese
strenge, wenn auch gemilderte Solidarhaft, die unter Friedrich dem Großen
als etwas notwendiges und wesentliches beibehalten wurde, mag im Laufe der
Zeit wohl nie in Anspruch genommen worden sein, denn entstanden Verluste,
so waren dafür die ersparten und bestimmten Reserven wohl meist ausreichend.
War die Not sehr groß, so ist schließlich doch noch in andrer Weise Hilfe ge¬
schafft worden.

Im Laufe der Zeit ist man schließlich zu der Überzeugung gekommen, daß
man vou dieser Solidarhaft absehen könne, ohne die Sicherheit der Pfandbriefe
dadurch zu gefährden. Allerdings hat man sich gescheut, diese Solidarhaft,
wo sie einmal bestand, abzuschaffen, man ist aber bei den neugegründeten Land¬
schaften nicht mehr auf sie zurückgegangen, abgesehen vou dem 1865 geschaffnen
Kreditinstitut der Ober- und Niederlausitz, das für die Pfandbriefe verhaftet



-) Vergl, Götz, Schlesische Landschaft, Breslau, 1886, und Herden-Buschen, Landschaften
und Hypotheken-Aktienbanken, Schöneberg-Berlin, 1900.
Grenzl'öden IN 1901 75
Wie entsteh» pfandbriefverdände?

von dem König die Bedingung gestellt, daß sich alle Rittergüter Schlesiens
mit ihrem ganzen Grundbesitz für die Schulden der Landschaft für verhaftet
erklärten. Damals mochten wohl alle Rittergutsbesitzer Schlesiens in Not
und sehr kreditbedürftig gewesen sein. Jedenfalls ging man auf die harte Be¬
dingung ein, und es wurden durch Gesetz alle Rittergüter Schlesiens für die
Schulden der Landschaft für verhaftet erklärt, ganz gleichgiltig, ob ihre Besitzer
den Kredit der Landschaft durch Aufnahme einer Pfandbriefhypothek in Anspruch
nahmen oder nicht. Man bezeichnete diese Verhaftung mit „Generalgnrcmtie."

Das Gesetz spricht darum „von inkorporierten Gütern" und von den
„Kreditverbundnen." Allerdings war damals diese Solidarhaft wieder in andrer
Weise schmackhafter gemacht. Die Landschaft gab damals nicht wie jetzt nur
Pfandbriefe aus, auf denen lediglich die Landschaft als Schuldner steht, sondern
die damaligen Pfandbriefe waren wirkliche Hypothekenbriefe auf den Inhaber
— sogenannte Güterpfandbriefe —, sie enthielten genau das Gut verzeichnet,
das für sie an erster Stelle oder zunächst verhaftet war. Der Eigentümer des
Guts war deshalb auch verpflichtet, diese bestimmten Pfandbriefe, die ihm ge¬
geben waren, wieder einzulösen, was durch Aufruf in den Zeitungen bewirkt
wurde.

Als nun Friedrich der Große, nachdem sich die Landschaft in Schlesien
als segensreich bewährt hatte, sie auf die Mark übertragen wollte, stellte er
hier dieselbe Bedingung. Jedoch die märkischen Rittergutsbesitzer gingen nicht
darauf ein, sie wollten nur eine Solidarhaft für die Güter mit in Kauf nehmen,
die wirklich eine Pfandbriefhypothek aufnahmen. Der König fügte sich schließlich,
nachdem man wohl in Schlesien die Erfahrung gemacht hatte, daß es auch
hier ohne diese weitergehende Solidarhaft gegangen wäre.^)

In der Provinz Brandenburg sind deshalb bei der Ritterschaft, wie hier
die Landschaft für die Rittergüter genannt wurde, nur die Rittergüter ver¬
haftet, die eine Pfandbriefschnld aufgenommen haben und verschulden. Diese
strenge, wenn auch gemilderte Solidarhaft, die unter Friedrich dem Großen
als etwas notwendiges und wesentliches beibehalten wurde, mag im Laufe der
Zeit wohl nie in Anspruch genommen worden sein, denn entstanden Verluste,
so waren dafür die ersparten und bestimmten Reserven wohl meist ausreichend.
War die Not sehr groß, so ist schließlich doch noch in andrer Weise Hilfe ge¬
schafft worden.

Im Laufe der Zeit ist man schließlich zu der Überzeugung gekommen, daß
man vou dieser Solidarhaft absehen könne, ohne die Sicherheit der Pfandbriefe
dadurch zu gefährden. Allerdings hat man sich gescheut, diese Solidarhaft,
wo sie einmal bestand, abzuschaffen, man ist aber bei den neugegründeten Land¬
schaften nicht mehr auf sie zurückgegangen, abgesehen vou dem 1865 geschaffnen
Kreditinstitut der Ober- und Niederlausitz, das für die Pfandbriefe verhaftet



-) Vergl, Götz, Schlesische Landschaft, Breslau, 1886, und Herden-Buschen, Landschaften
und Hypotheken-Aktienbanken, Schöneberg-Berlin, 1900.
Grenzl'öden IN 1901 75
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0601" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235773"/>
          <fw type="header" place="top"> Wie entsteh» pfandbriefverdände?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2463" prev="#ID_2462"> von dem König die Bedingung gestellt, daß sich alle Rittergüter Schlesiens<lb/>
mit ihrem ganzen Grundbesitz für die Schulden der Landschaft für verhaftet<lb/>
erklärten. Damals mochten wohl alle Rittergutsbesitzer Schlesiens in Not<lb/>
und sehr kreditbedürftig gewesen sein. Jedenfalls ging man auf die harte Be¬<lb/>
dingung ein, und es wurden durch Gesetz alle Rittergüter Schlesiens für die<lb/>
Schulden der Landschaft für verhaftet erklärt, ganz gleichgiltig, ob ihre Besitzer<lb/>
den Kredit der Landschaft durch Aufnahme einer Pfandbriefhypothek in Anspruch<lb/>
nahmen oder nicht. Man bezeichnete diese Verhaftung mit &#x201E;Generalgnrcmtie."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2464"> Das Gesetz spricht darum &#x201E;von inkorporierten Gütern" und von den<lb/>
&#x201E;Kreditverbundnen." Allerdings war damals diese Solidarhaft wieder in andrer<lb/>
Weise schmackhafter gemacht. Die Landschaft gab damals nicht wie jetzt nur<lb/>
Pfandbriefe aus, auf denen lediglich die Landschaft als Schuldner steht, sondern<lb/>
die damaligen Pfandbriefe waren wirkliche Hypothekenbriefe auf den Inhaber<lb/>
&#x2014; sogenannte Güterpfandbriefe &#x2014;, sie enthielten genau das Gut verzeichnet,<lb/>
das für sie an erster Stelle oder zunächst verhaftet war. Der Eigentümer des<lb/>
Guts war deshalb auch verpflichtet, diese bestimmten Pfandbriefe, die ihm ge¬<lb/>
geben waren, wieder einzulösen, was durch Aufruf in den Zeitungen bewirkt<lb/>
wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2465"> Als nun Friedrich der Große, nachdem sich die Landschaft in Schlesien<lb/>
als segensreich bewährt hatte, sie auf die Mark übertragen wollte, stellte er<lb/>
hier dieselbe Bedingung. Jedoch die märkischen Rittergutsbesitzer gingen nicht<lb/>
darauf ein, sie wollten nur eine Solidarhaft für die Güter mit in Kauf nehmen,<lb/>
die wirklich eine Pfandbriefhypothek aufnahmen. Der König fügte sich schließlich,<lb/>
nachdem man wohl in Schlesien die Erfahrung gemacht hatte, daß es auch<lb/>
hier ohne diese weitergehende Solidarhaft gegangen wäre.^)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2466"> In der Provinz Brandenburg sind deshalb bei der Ritterschaft, wie hier<lb/>
die Landschaft für die Rittergüter genannt wurde, nur die Rittergüter ver¬<lb/>
haftet, die eine Pfandbriefschnld aufgenommen haben und verschulden. Diese<lb/>
strenge, wenn auch gemilderte Solidarhaft, die unter Friedrich dem Großen<lb/>
als etwas notwendiges und wesentliches beibehalten wurde, mag im Laufe der<lb/>
Zeit wohl nie in Anspruch genommen worden sein, denn entstanden Verluste,<lb/>
so waren dafür die ersparten und bestimmten Reserven wohl meist ausreichend.<lb/>
War die Not sehr groß, so ist schließlich doch noch in andrer Weise Hilfe ge¬<lb/>
schafft worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2467" next="#ID_2468"> Im Laufe der Zeit ist man schließlich zu der Überzeugung gekommen, daß<lb/>
man vou dieser Solidarhaft absehen könne, ohne die Sicherheit der Pfandbriefe<lb/>
dadurch zu gefährden. Allerdings hat man sich gescheut, diese Solidarhaft,<lb/>
wo sie einmal bestand, abzuschaffen, man ist aber bei den neugegründeten Land¬<lb/>
schaften nicht mehr auf sie zurückgegangen, abgesehen vou dem 1865 geschaffnen<lb/>
Kreditinstitut der Ober- und Niederlausitz, das für die Pfandbriefe verhaftet</p><lb/>
          <note xml:id="FID_59" place="foot"> -) Vergl, Götz, Schlesische Landschaft, Breslau, 1886, und Herden-Buschen, Landschaften<lb/>
und Hypotheken-Aktienbanken, Schöneberg-Berlin, 1900.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzl'öden IN 1901 75</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0601] Wie entsteh» pfandbriefverdände? von dem König die Bedingung gestellt, daß sich alle Rittergüter Schlesiens mit ihrem ganzen Grundbesitz für die Schulden der Landschaft für verhaftet erklärten. Damals mochten wohl alle Rittergutsbesitzer Schlesiens in Not und sehr kreditbedürftig gewesen sein. Jedenfalls ging man auf die harte Be¬ dingung ein, und es wurden durch Gesetz alle Rittergüter Schlesiens für die Schulden der Landschaft für verhaftet erklärt, ganz gleichgiltig, ob ihre Besitzer den Kredit der Landschaft durch Aufnahme einer Pfandbriefhypothek in Anspruch nahmen oder nicht. Man bezeichnete diese Verhaftung mit „Generalgnrcmtie." Das Gesetz spricht darum „von inkorporierten Gütern" und von den „Kreditverbundnen." Allerdings war damals diese Solidarhaft wieder in andrer Weise schmackhafter gemacht. Die Landschaft gab damals nicht wie jetzt nur Pfandbriefe aus, auf denen lediglich die Landschaft als Schuldner steht, sondern die damaligen Pfandbriefe waren wirkliche Hypothekenbriefe auf den Inhaber — sogenannte Güterpfandbriefe —, sie enthielten genau das Gut verzeichnet, das für sie an erster Stelle oder zunächst verhaftet war. Der Eigentümer des Guts war deshalb auch verpflichtet, diese bestimmten Pfandbriefe, die ihm ge¬ geben waren, wieder einzulösen, was durch Aufruf in den Zeitungen bewirkt wurde. Als nun Friedrich der Große, nachdem sich die Landschaft in Schlesien als segensreich bewährt hatte, sie auf die Mark übertragen wollte, stellte er hier dieselbe Bedingung. Jedoch die märkischen Rittergutsbesitzer gingen nicht darauf ein, sie wollten nur eine Solidarhaft für die Güter mit in Kauf nehmen, die wirklich eine Pfandbriefhypothek aufnahmen. Der König fügte sich schließlich, nachdem man wohl in Schlesien die Erfahrung gemacht hatte, daß es auch hier ohne diese weitergehende Solidarhaft gegangen wäre.^) In der Provinz Brandenburg sind deshalb bei der Ritterschaft, wie hier die Landschaft für die Rittergüter genannt wurde, nur die Rittergüter ver¬ haftet, die eine Pfandbriefschnld aufgenommen haben und verschulden. Diese strenge, wenn auch gemilderte Solidarhaft, die unter Friedrich dem Großen als etwas notwendiges und wesentliches beibehalten wurde, mag im Laufe der Zeit wohl nie in Anspruch genommen worden sein, denn entstanden Verluste, so waren dafür die ersparten und bestimmten Reserven wohl meist ausreichend. War die Not sehr groß, so ist schließlich doch noch in andrer Weise Hilfe ge¬ schafft worden. Im Laufe der Zeit ist man schließlich zu der Überzeugung gekommen, daß man vou dieser Solidarhaft absehen könne, ohne die Sicherheit der Pfandbriefe dadurch zu gefährden. Allerdings hat man sich gescheut, diese Solidarhaft, wo sie einmal bestand, abzuschaffen, man ist aber bei den neugegründeten Land¬ schaften nicht mehr auf sie zurückgegangen, abgesehen vou dem 1865 geschaffnen Kreditinstitut der Ober- und Niederlausitz, das für die Pfandbriefe verhaftet -) Vergl, Götz, Schlesische Landschaft, Breslau, 1886, und Herden-Buschen, Landschaften und Hypotheken-Aktienbanken, Schöneberg-Berlin, 1900. Grenzl'öden IN 1901 75

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/601
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/601>, abgerufen am 13.05.2024.