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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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nennen der ausgegebnen Heimat auch in der Ferne festgehalten haben. Das
Gleiche gilt auch von "Khnnst," denn Ortschaften dieses Namens lassen sich
mich bei Meißen, Luder, Nimptsch nachweisen und bezeichnen die Straße",
ans denen das langsame Vorschieben der Deutschen nach Osten erfolgte. Nicht
minder sind aber Sitten und Sagen nach dein neuen Lande mitgebracht worden,
wie folgende Thatsache beweist. Als man sich 1898 in dem Lütticher Kohlen¬
revier rüstete, die Entdeckung der fossilen Erde vor siebenhundert Jahren festlich
zu begehn, da wurde auch der alten Bergwerkssagcn gedacht, die sich an dieses
Ereignis von ungeahnter Bedeutung knüpfen. Im Jahre 1198 kam, so be¬
richten die Chroniken, zu einem Schmiede Hnllos in Plennevaulx bei Lüttich
ein eisgrauer Mann Namens Angelus und forderte ihn auf, in dem nahen
Mönchenwalde nach dem brennbaren Gesteine zu graben. Hnllos that es,
wurde dadurch der Wohlthäter der ganze" Gegend, und deshalb soll die fran¬
zösische Sprache seine That verewigt haben, indem sie aus seinem Namen
eine neue Bezeichnung für die Kohle ableitete: ig. douills. Das ist natürlich
nur eine der zahllosen ethnologischen Tüfteleien, durch die man in den Sinn
dunkler Worte einzudringen versucht; denn thatsächlich ist das deutsche "Kohle"
das Stammwort für la liouills. Wichtiger ist, daß dieser Unbekannte Angelus
heißt; und ein Trüger desselben Namens spielt bei der Entdeckung der Kupfer¬
schiefer- und Magnetcisensteinlnger von Schmiedeberg und Kupferberg und bei
der Gründling dieser Städte eine Rolle. In dem Phönix Redivivns der
Herzogtümer Schweidnitz-Jener (1665) berichtet naso, in beiden Orten seien
1154 und 1156 die Erzlager von dem berühmten Bergmeister Laurentius
Angel aufgefunden worden. Daß damit kein Bergmeister, sondern mir der
heilige Laurentius in Wirklichkeit gemeint sein kann, ergiebt sich unwider-
leglich daraus, daß ihm die Koppeukapelle geweiht ist. So sind, nur wenig
verändert, Traditionen von der Maas bis zu den Sudeten gewandert, und auch
ein Zwischenglied läßt sich noch einschieben. Der Goldsucher Engelmann, der
in den Harzsagen öfters erscheint, ist keine andre Person als der Angelus der
Lütticher, der Laurentius Angel unsrer schlesischen Sage: der wohlthätige Engel,
in dem die Bergleute den Zufall verkörperten, der so oft gerade zur Entdeckung
der in den Tiefen der Erde verborgnen Schätze geführt hat.

So wäre es also bei diesem Zusammenhang Schlesiens mit den mittlern
und westlichen Landschaften Deutschlands nicht ganz von der Hand zu weisen,
wollte man in der Erzählung von Kunigunde eine echte Wandersage erkennen.
Vielleicht ist es möglich, mehr Licht in diese noch nicht ganz geklärte Frage
zu bringen, wenn sich feststellen ließe, aus welcher Quelle Fischer geschöpft
hat, und welches die ursprüngliche Form der Überlieferung ist; denn auf¬
fallend ist es, daß die einzelnen Berichte starke Abweichungen enthalten.
Fischer selbst nennt keinen Gewährsmann, nur bemerkt er da, wo er von der
Geschichte der Burg erzählt, er habe eine Handschrift benutzt, die auf dem
Kyncist liege. Weder das Schaffgotschische Kameralamt in Hermsdorf, noch das
Archiv in Warmbrunn kennt ein derartiges Manuskript, und auch wenn es


nennen der ausgegebnen Heimat auch in der Ferne festgehalten haben. Das
Gleiche gilt auch von „Khnnst," denn Ortschaften dieses Namens lassen sich
mich bei Meißen, Luder, Nimptsch nachweisen und bezeichnen die Straße»,
ans denen das langsame Vorschieben der Deutschen nach Osten erfolgte. Nicht
minder sind aber Sitten und Sagen nach dein neuen Lande mitgebracht worden,
wie folgende Thatsache beweist. Als man sich 1898 in dem Lütticher Kohlen¬
revier rüstete, die Entdeckung der fossilen Erde vor siebenhundert Jahren festlich
zu begehn, da wurde auch der alten Bergwerkssagcn gedacht, die sich an dieses
Ereignis von ungeahnter Bedeutung knüpfen. Im Jahre 1198 kam, so be¬
richten die Chroniken, zu einem Schmiede Hnllos in Plennevaulx bei Lüttich
ein eisgrauer Mann Namens Angelus und forderte ihn auf, in dem nahen
Mönchenwalde nach dem brennbaren Gesteine zu graben. Hnllos that es,
wurde dadurch der Wohlthäter der ganze» Gegend, und deshalb soll die fran¬
zösische Sprache seine That verewigt haben, indem sie aus seinem Namen
eine neue Bezeichnung für die Kohle ableitete: ig. douills. Das ist natürlich
nur eine der zahllosen ethnologischen Tüfteleien, durch die man in den Sinn
dunkler Worte einzudringen versucht; denn thatsächlich ist das deutsche „Kohle"
das Stammwort für la liouills. Wichtiger ist, daß dieser Unbekannte Angelus
heißt; und ein Trüger desselben Namens spielt bei der Entdeckung der Kupfer¬
schiefer- und Magnetcisensteinlnger von Schmiedeberg und Kupferberg und bei
der Gründling dieser Städte eine Rolle. In dem Phönix Redivivns der
Herzogtümer Schweidnitz-Jener (1665) berichtet naso, in beiden Orten seien
1154 und 1156 die Erzlager von dem berühmten Bergmeister Laurentius
Angel aufgefunden worden. Daß damit kein Bergmeister, sondern mir der
heilige Laurentius in Wirklichkeit gemeint sein kann, ergiebt sich unwider-
leglich daraus, daß ihm die Koppeukapelle geweiht ist. So sind, nur wenig
verändert, Traditionen von der Maas bis zu den Sudeten gewandert, und auch
ein Zwischenglied läßt sich noch einschieben. Der Goldsucher Engelmann, der
in den Harzsagen öfters erscheint, ist keine andre Person als der Angelus der
Lütticher, der Laurentius Angel unsrer schlesischen Sage: der wohlthätige Engel,
in dem die Bergleute den Zufall verkörperten, der so oft gerade zur Entdeckung
der in den Tiefen der Erde verborgnen Schätze geführt hat.

So wäre es also bei diesem Zusammenhang Schlesiens mit den mittlern
und westlichen Landschaften Deutschlands nicht ganz von der Hand zu weisen,
wollte man in der Erzählung von Kunigunde eine echte Wandersage erkennen.
Vielleicht ist es möglich, mehr Licht in diese noch nicht ganz geklärte Frage
zu bringen, wenn sich feststellen ließe, aus welcher Quelle Fischer geschöpft
hat, und welches die ursprüngliche Form der Überlieferung ist; denn auf¬
fallend ist es, daß die einzelnen Berichte starke Abweichungen enthalten.
Fischer selbst nennt keinen Gewährsmann, nur bemerkt er da, wo er von der
Geschichte der Burg erzählt, er habe eine Handschrift benutzt, die auf dem
Kyncist liege. Weder das Schaffgotschische Kameralamt in Hermsdorf, noch das
Archiv in Warmbrunn kennt ein derartiges Manuskript, und auch wenn es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/86>, abgerufen am 23.05.2024.