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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Die ungarischen und die böhmischen Wahlen

über durch Eintreten für das Nativnalitätengesetz, durchzudringen. Die höchst be¬
scheidne Forderung beider, daß das Nationalitätengesetz aufrecht erhalten und ge¬
wissenhaft durchgeführt werde, hat schon genügt, sie bei den Chauvinisten in den
Geruch des Pangermanismus zu bringen. Die in Südungarn zweifellos vorhandne
und sich ausdehnende deutsche Bewegung scheint auch dem Ministerpräsidenten recht
unangenehm zu sein. Doch wird er sich schon mit Rücksicht auf das Verhältnis zum
Deutschen Reiche in diese natürliche Entwicklung fügen müssen, die sich vollständig
im gesetzlichen Rahmen hält, und die mit Gewaltmaßregeln unterdrücken zu wollen
mit der bisher so erfolgreich geübte" SzeAschen Klugheit ganz unvereinbar wäre.

Im großen und ganzen kann der Ministerpräsident mit dem Ergebnis wohl
zufrieden sein. Mit den agrarischen Gliedern der Regierungspartei wird er ohne
übermäßige Zugeständnisse ans Kosten der liberalen Tendenz allen bisherigen Er¬
fahrungen nach jedenfalls auch im guten fertig zu werden versteh".

Ganz anders stellt sich der Verlauf und das Ergebnis der Wahlen zum böhmischen
Landtage dar. Sie sind bezeichnet durch eine monatelang betriebne heftige Wahl¬
agitation sowohl im deutschen wie im tschechischen Lager. Die Jnngtschechen, die
im Kampf gegen die Ausglcichspnnktationen des Jahres 1890 nahezu alle Alt¬
tschechen aus dem Sattel gehoben hatten, waren unter Baden! und Thun regie¬
rungsfähig geworden und hatten mehr diplomatisches Wasser in ihren oppositionellen
Wein gethan, als den von ihnen selbst zu immer neuern Anforderungen aufgesetzten
Wählern lieb war. Als sie nun fühlten, daß der Boden der Volkstümlichkeit unter
ihnen Ivauke, suchten sie sich durch Wahlkomprvmisse mit deu Alttfcheche" und sogar
mit den Tschechischradikalen wenigstens in, einem Teile ihrer Wahlbezirke zu behaupten.
Aber unter agrarischen Banner war ihnen eine gewaltige Opposition erwachsen.

Leider entspann sich ein noch erbitterterer Kampf um die Mandate zwischen
den Altdeutschen einerseits und den Deutschfvrtschrittlichen und "Deutschvölkischen"
andrerseits. Die von schönerer und Wolfs geführte Gruppe beschuldigt die beiden
andern der nationalen Lauheit und leitet daraus die Berechtigung ub, sie in ge¬
radezu maßloser Weise zu bekämpfen. Und um nicht als einfache Mandatsjäger
zu erscheinen, mußten die Radikalen auch einen Unterschied im politischen Programm
aufstellen. Sie fanden ihn in der Verwerfung der früher als Mittel einer rein¬
lichen Scheidung und als Gewähr des deutschen Besitzstands mich von ihnen selbst
geforderten genanen nationalen Zweiteilung Böhmens. Daß auch die Tschechen,
selbstverständlich im Interesse ihrer seit drei Jahrzehnten mit so großem Erfolge
betriebne" Ausbreituugspolitik, diese "Landeszerreißnng" auf das schärfste be¬
kämpfen, hindert die Altdeutschen nicht, sich auf denselben Standpunkt zu stellen,
freilich mit der Begründung, daß von einem ehemaligen deutschen Bundeslande auch
nicht das kleinste Stück dem Tschechentnm zu ausschließlichem Besitz überlassen werden
dürfe, daß man vielmehr mit allen Kräften zu einer Wiedergermanisiernng ganz
Böhmens schreiten müsse. Die Zweiteilung wurde als unvereinbar mit der auch
von der Fortschrittspartei und von der Volkspartei geforderten gesetzlichen Fest-
stellung der deutschen Staatssprache erklärt. Da der Führer der deutscheu Volks-
Pnrtei in Böhmen, der Vizepräsident des Reichsrath Prade, sich dem von den Alt¬
deutschen gegen die Fortschrittlichen begonnenen Vernichtnngskampfe nicht anschließen,
verdiente Vorkämpfer des böhmischen Deutschtums nicht von ehrgeizigen radikalen
Mandatswerbcrn verdrängen lassen wollte -- obwohl bei den vorangegangnen Wahlen
die Volkspartei Hand in Hand mit den Altdeutsche" gegen die Fortschrittspartei
in die Schranken getreten war --, wurde auch Prade von schönerer und Wolff in
Acht und Bann erklärt, und alle aufrichtigen Freunde des Deutschtums mußten zu
ihrem tiefen Bedauern einen vielfach mit vergifteten Waffen geführten, gehässigen
Wahlkampf Deutscher gegen Deutsche beklagen, der natürlich niemand größere Freude
bereitete als deu Tschechen


Die ungarischen und die böhmischen Wahlen

über durch Eintreten für das Nativnalitätengesetz, durchzudringen. Die höchst be¬
scheidne Forderung beider, daß das Nationalitätengesetz aufrecht erhalten und ge¬
wissenhaft durchgeführt werde, hat schon genügt, sie bei den Chauvinisten in den
Geruch des Pangermanismus zu bringen. Die in Südungarn zweifellos vorhandne
und sich ausdehnende deutsche Bewegung scheint auch dem Ministerpräsidenten recht
unangenehm zu sein. Doch wird er sich schon mit Rücksicht auf das Verhältnis zum
Deutschen Reiche in diese natürliche Entwicklung fügen müssen, die sich vollständig
im gesetzlichen Rahmen hält, und die mit Gewaltmaßregeln unterdrücken zu wollen
mit der bisher so erfolgreich geübte» SzeAschen Klugheit ganz unvereinbar wäre.

Im großen und ganzen kann der Ministerpräsident mit dem Ergebnis wohl
zufrieden sein. Mit den agrarischen Gliedern der Regierungspartei wird er ohne
übermäßige Zugeständnisse ans Kosten der liberalen Tendenz allen bisherigen Er¬
fahrungen nach jedenfalls auch im guten fertig zu werden versteh».

Ganz anders stellt sich der Verlauf und das Ergebnis der Wahlen zum böhmischen
Landtage dar. Sie sind bezeichnet durch eine monatelang betriebne heftige Wahl¬
agitation sowohl im deutschen wie im tschechischen Lager. Die Jnngtschechen, die
im Kampf gegen die Ausglcichspnnktationen des Jahres 1890 nahezu alle Alt¬
tschechen aus dem Sattel gehoben hatten, waren unter Baden! und Thun regie¬
rungsfähig geworden und hatten mehr diplomatisches Wasser in ihren oppositionellen
Wein gethan, als den von ihnen selbst zu immer neuern Anforderungen aufgesetzten
Wählern lieb war. Als sie nun fühlten, daß der Boden der Volkstümlichkeit unter
ihnen Ivauke, suchten sie sich durch Wahlkomprvmisse mit deu Alttfcheche» und sogar
mit den Tschechischradikalen wenigstens in, einem Teile ihrer Wahlbezirke zu behaupten.
Aber unter agrarischen Banner war ihnen eine gewaltige Opposition erwachsen.

Leider entspann sich ein noch erbitterterer Kampf um die Mandate zwischen
den Altdeutschen einerseits und den Deutschfvrtschrittlichen und „Deutschvölkischen"
andrerseits. Die von schönerer und Wolfs geführte Gruppe beschuldigt die beiden
andern der nationalen Lauheit und leitet daraus die Berechtigung ub, sie in ge¬
radezu maßloser Weise zu bekämpfen. Und um nicht als einfache Mandatsjäger
zu erscheinen, mußten die Radikalen auch einen Unterschied im politischen Programm
aufstellen. Sie fanden ihn in der Verwerfung der früher als Mittel einer rein¬
lichen Scheidung und als Gewähr des deutschen Besitzstands mich von ihnen selbst
geforderten genanen nationalen Zweiteilung Böhmens. Daß auch die Tschechen,
selbstverständlich im Interesse ihrer seit drei Jahrzehnten mit so großem Erfolge
betriebne» Ausbreituugspolitik, diese „Landeszerreißnng" auf das schärfste be¬
kämpfen, hindert die Altdeutschen nicht, sich auf denselben Standpunkt zu stellen,
freilich mit der Begründung, daß von einem ehemaligen deutschen Bundeslande auch
nicht das kleinste Stück dem Tschechentnm zu ausschließlichem Besitz überlassen werden
dürfe, daß man vielmehr mit allen Kräften zu einer Wiedergermanisiernng ganz
Böhmens schreiten müsse. Die Zweiteilung wurde als unvereinbar mit der auch
von der Fortschrittspartei und von der Volkspartei geforderten gesetzlichen Fest-
stellung der deutschen Staatssprache erklärt. Da der Führer der deutscheu Volks-
Pnrtei in Böhmen, der Vizepräsident des Reichsrath Prade, sich dem von den Alt¬
deutschen gegen die Fortschrittlichen begonnenen Vernichtnngskampfe nicht anschließen,
verdiente Vorkämpfer des böhmischen Deutschtums nicht von ehrgeizigen radikalen
Mandatswerbcrn verdrängen lassen wollte — obwohl bei den vorangegangnen Wahlen
die Volkspartei Hand in Hand mit den Altdeutsche» gegen die Fortschrittspartei
in die Schranken getreten war —, wurde auch Prade von schönerer und Wolff in
Acht und Bann erklärt, und alle aufrichtigen Freunde des Deutschtums mußten zu
ihrem tiefen Bedauern einen vielfach mit vergifteten Waffen geführten, gehässigen
Wahlkampf Deutscher gegen Deutsche beklagen, der natürlich niemand größere Freude
bereitete als deu Tschechen


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[0307] Die ungarischen und die böhmischen Wahlen über durch Eintreten für das Nativnalitätengesetz, durchzudringen. Die höchst be¬ scheidne Forderung beider, daß das Nationalitätengesetz aufrecht erhalten und ge¬ wissenhaft durchgeführt werde, hat schon genügt, sie bei den Chauvinisten in den Geruch des Pangermanismus zu bringen. Die in Südungarn zweifellos vorhandne und sich ausdehnende deutsche Bewegung scheint auch dem Ministerpräsidenten recht unangenehm zu sein. Doch wird er sich schon mit Rücksicht auf das Verhältnis zum Deutschen Reiche in diese natürliche Entwicklung fügen müssen, die sich vollständig im gesetzlichen Rahmen hält, und die mit Gewaltmaßregeln unterdrücken zu wollen mit der bisher so erfolgreich geübte» SzeAschen Klugheit ganz unvereinbar wäre. Im großen und ganzen kann der Ministerpräsident mit dem Ergebnis wohl zufrieden sein. Mit den agrarischen Gliedern der Regierungspartei wird er ohne übermäßige Zugeständnisse ans Kosten der liberalen Tendenz allen bisherigen Er¬ fahrungen nach jedenfalls auch im guten fertig zu werden versteh». Ganz anders stellt sich der Verlauf und das Ergebnis der Wahlen zum böhmischen Landtage dar. Sie sind bezeichnet durch eine monatelang betriebne heftige Wahl¬ agitation sowohl im deutschen wie im tschechischen Lager. Die Jnngtschechen, die im Kampf gegen die Ausglcichspnnktationen des Jahres 1890 nahezu alle Alt¬ tschechen aus dem Sattel gehoben hatten, waren unter Baden! und Thun regie¬ rungsfähig geworden und hatten mehr diplomatisches Wasser in ihren oppositionellen Wein gethan, als den von ihnen selbst zu immer neuern Anforderungen aufgesetzten Wählern lieb war. Als sie nun fühlten, daß der Boden der Volkstümlichkeit unter ihnen Ivauke, suchten sie sich durch Wahlkomprvmisse mit deu Alttfcheche» und sogar mit den Tschechischradikalen wenigstens in, einem Teile ihrer Wahlbezirke zu behaupten. Aber unter agrarischen Banner war ihnen eine gewaltige Opposition erwachsen. Leider entspann sich ein noch erbitterterer Kampf um die Mandate zwischen den Altdeutschen einerseits und den Deutschfvrtschrittlichen und „Deutschvölkischen" andrerseits. Die von schönerer und Wolfs geführte Gruppe beschuldigt die beiden andern der nationalen Lauheit und leitet daraus die Berechtigung ub, sie in ge¬ radezu maßloser Weise zu bekämpfen. Und um nicht als einfache Mandatsjäger zu erscheinen, mußten die Radikalen auch einen Unterschied im politischen Programm aufstellen. Sie fanden ihn in der Verwerfung der früher als Mittel einer rein¬ lichen Scheidung und als Gewähr des deutschen Besitzstands mich von ihnen selbst geforderten genanen nationalen Zweiteilung Böhmens. Daß auch die Tschechen, selbstverständlich im Interesse ihrer seit drei Jahrzehnten mit so großem Erfolge betriebne» Ausbreituugspolitik, diese „Landeszerreißnng" auf das schärfste be¬ kämpfen, hindert die Altdeutschen nicht, sich auf denselben Standpunkt zu stellen, freilich mit der Begründung, daß von einem ehemaligen deutschen Bundeslande auch nicht das kleinste Stück dem Tschechentnm zu ausschließlichem Besitz überlassen werden dürfe, daß man vielmehr mit allen Kräften zu einer Wiedergermanisiernng ganz Böhmens schreiten müsse. Die Zweiteilung wurde als unvereinbar mit der auch von der Fortschrittspartei und von der Volkspartei geforderten gesetzlichen Fest- stellung der deutschen Staatssprache erklärt. Da der Führer der deutscheu Volks- Pnrtei in Böhmen, der Vizepräsident des Reichsrath Prade, sich dem von den Alt¬ deutschen gegen die Fortschrittlichen begonnenen Vernichtnngskampfe nicht anschließen, verdiente Vorkämpfer des böhmischen Deutschtums nicht von ehrgeizigen radikalen Mandatswerbcrn verdrängen lassen wollte — obwohl bei den vorangegangnen Wahlen die Volkspartei Hand in Hand mit den Altdeutsche» gegen die Fortschrittspartei in die Schranken getreten war —, wurde auch Prade von schönerer und Wolff in Acht und Bann erklärt, und alle aufrichtigen Freunde des Deutschtums mußten zu ihrem tiefen Bedauern einen vielfach mit vergifteten Waffen geführten, gehässigen Wahlkampf Deutscher gegen Deutsche beklagen, der natürlich niemand größere Freude bereitete als deu Tschechen

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/307>, abgerufen am 14.06.2024.