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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

Man wars zufrieden. Der Herr Direktor freilich wollte nichts gewisses ver¬
sprechen, ober er versprach die Sache zu erwogen.

Soweit waren die Verhandlungen gediehen, als Doktor Duttmüller zurückkam
und Bericht erstattete. Der Mann lebte noch, er hatte weder Arm noch Bein ge¬
brochen, dagegen müßte ein bedeutender Cvllapsus konstatiert werden. Doch nahm
Doktor Duttmüller als gewiß an, daß er den Mann durchbringen werde. Er hatte
vor der Hand stündlich 0,5 Gramm salichlsaures Natron verordnet, wollte aber
im Laufe der Nacht nochmals nach dem Patienten sehen.

Dieser Bericht machte tiefen Eindruck. Vor allem erschien der Collapsus als
eine gefährliche und unheimliche Sache. Der Doktor schien mit viel Umsicht und
Gewissenhaftigkeit gehandelt zu haben, ganz anders als Doktor Blume, der in einem
ähnlichen Falle, als ein Knecht vom Heuwagen gefalle" war, zu der verzweifelten
Gattin gesagt hatte: Heute nicht, gebt dem Kerl ein Glas Wasser und legt ihn in
sein versoffnes Bett. ".Hieran schloß sich nun der Vorschlag des Schulzen, der im
Namen der Gemeinde also sprach: Was ich sagen wollte, Herr Doktor, Sie müssen
es aber nicht übel nehmen, wir haben hier in Holzweißig doch keinen Doktor, und
bei den vielen Menschen und Schachtern und dem Werke konnte sich hier ganz
gut ein Doktor ernähren. Wie wäre das nun, wenn Sie hier blieben und sich
einmieteten? Happichs Oberstnbc wäre wohl zu haben, und wir gaben Ihnen acht¬
hundert Mark aus der Krankettkasse für den Kassenarzt. Wir konnten anch --
Hier räusperte er sich und brach ab.

Doktor Duttmüller that sehr überrascht. Er hatte nicht daran gedacht, eine
Landpraxis zu übernehmen. Er wollte eigentlich in eine große Stadt, und ihm
als einem Schüler von Geheimrat Forstmann könne es dort nicht fehlen, meinte
er. Andreas Happich hatte aber sein Faß noch nicht zugeschlagen, so war alles im
Reinen. Duttmüller hatte die Oberstube Happichs gemietet, und die Gemeinde
hatte Dnttmüller auf die besondre Empfehlung des Braumeisters als Kassenarzt
engagiert. Beim Abschiede reichte Gockel dem Doktor seine Rechte und schüttelte
des Doktors Hand mit väterlicher Herzlichkeit.

Am andern Tage früh beizeiten sah man Doktor Duttmüller im medizinischen
Amtsschritte zu seinem Patienten nach dem Werke gehn. Er fand ihn außer Bett,
damit beschäftigt, sich eine Pfeife zu stopfen. Dies wurde jedoch nicht geduldet.
Der Patient mußte wieder ins Bett und wurde zu vierundzwanzig Stunden abso¬
luter Ruhe verurteilt, um etwaigen Folgen einer etwaigen Gehirnerschütterung vor¬
zubeugen. Darauf wurde eine neue gründliche Untersuchung von Knochen, Lunge
und Leber vorgenommen und eine neue Medizin verschrieben, die ein Eilbote aus
der Apotheke holen mußte. Dieses Geschäft hatte gilt eine Stunde in Anspruch
genommen. Auf dem Rückwege sprach der Doktor ein paar alte Frauen an, hob ein
Kind aus dem Riuustciue und entließ es mit hygienischen Ratschlägen und hielt ein
längeres, wissenschaftliches Gespräch über Krankheitserreger mit dem Herrn Kantor.
Zu Hause angckvmme" bestellte er sich bei einer Handlung in Braunfels eine elek¬
trische Nachtglocke und bei einer andern ein großes blankes Messingschild mit der
Inschrift: or. L. Dnttmüller, praktischer Arzt und Geburtshelfer. Sprechstunde
früh von acht bis zehn Uhr. Darauf schrieb er an seine Mutter.

Liebe Alte. Du wirst überrascht sei", zu erfahren, daß ich mich hier in tzolz-
U'eißig als Arzt niedergelassen habe. Ich wäre lieber in eine große Stadt ge¬
gangen, lind ich würde zweifellos dort reüssiert haben, wenn es mög ich Ware dort
ein oder zwei Jahr von der Stange zu leben. Dazu reichen freilich deine Mittel
"'ehe aus, und ich bringe das Opfer, mich hier zu etablieren. Es lst ja nicht aus¬
geschlossen, später uoch'wo anders hinzugehn. Jetzt wirst du mich also von der
Tasche los. Zuvor mußt du aber noch einmal ordentlich bluten. Ich muß die
Ausstattung eines Wartezimmers, eines Wohnzimmers und eines Schlafzimmers
haben. Dies muß ich sogleich haben, wenn ich anfange zu praktizieren. Die Möbel
müssen elegant sein. Pferde und Wagen kaun ich mir noch nicht anschaffen, in-


Doktor Duttmüller und sein Freund

Man wars zufrieden. Der Herr Direktor freilich wollte nichts gewisses ver¬
sprechen, ober er versprach die Sache zu erwogen.

Soweit waren die Verhandlungen gediehen, als Doktor Duttmüller zurückkam
und Bericht erstattete. Der Mann lebte noch, er hatte weder Arm noch Bein ge¬
brochen, dagegen müßte ein bedeutender Cvllapsus konstatiert werden. Doch nahm
Doktor Duttmüller als gewiß an, daß er den Mann durchbringen werde. Er hatte
vor der Hand stündlich 0,5 Gramm salichlsaures Natron verordnet, wollte aber
im Laufe der Nacht nochmals nach dem Patienten sehen.

Dieser Bericht machte tiefen Eindruck. Vor allem erschien der Collapsus als
eine gefährliche und unheimliche Sache. Der Doktor schien mit viel Umsicht und
Gewissenhaftigkeit gehandelt zu haben, ganz anders als Doktor Blume, der in einem
ähnlichen Falle, als ein Knecht vom Heuwagen gefalle» war, zu der verzweifelten
Gattin gesagt hatte: Heute nicht, gebt dem Kerl ein Glas Wasser und legt ihn in
sein versoffnes Bett. ".Hieran schloß sich nun der Vorschlag des Schulzen, der im
Namen der Gemeinde also sprach: Was ich sagen wollte, Herr Doktor, Sie müssen
es aber nicht übel nehmen, wir haben hier in Holzweißig doch keinen Doktor, und
bei den vielen Menschen und Schachtern und dem Werke konnte sich hier ganz
gut ein Doktor ernähren. Wie wäre das nun, wenn Sie hier blieben und sich
einmieteten? Happichs Oberstnbc wäre wohl zu haben, und wir gaben Ihnen acht¬
hundert Mark aus der Krankettkasse für den Kassenarzt. Wir konnten anch —
Hier räusperte er sich und brach ab.

Doktor Duttmüller that sehr überrascht. Er hatte nicht daran gedacht, eine
Landpraxis zu übernehmen. Er wollte eigentlich in eine große Stadt, und ihm
als einem Schüler von Geheimrat Forstmann könne es dort nicht fehlen, meinte
er. Andreas Happich hatte aber sein Faß noch nicht zugeschlagen, so war alles im
Reinen. Duttmüller hatte die Oberstube Happichs gemietet, und die Gemeinde
hatte Dnttmüller auf die besondre Empfehlung des Braumeisters als Kassenarzt
engagiert. Beim Abschiede reichte Gockel dem Doktor seine Rechte und schüttelte
des Doktors Hand mit väterlicher Herzlichkeit.

Am andern Tage früh beizeiten sah man Doktor Duttmüller im medizinischen
Amtsschritte zu seinem Patienten nach dem Werke gehn. Er fand ihn außer Bett,
damit beschäftigt, sich eine Pfeife zu stopfen. Dies wurde jedoch nicht geduldet.
Der Patient mußte wieder ins Bett und wurde zu vierundzwanzig Stunden abso¬
luter Ruhe verurteilt, um etwaigen Folgen einer etwaigen Gehirnerschütterung vor¬
zubeugen. Darauf wurde eine neue gründliche Untersuchung von Knochen, Lunge
und Leber vorgenommen und eine neue Medizin verschrieben, die ein Eilbote aus
der Apotheke holen mußte. Dieses Geschäft hatte gilt eine Stunde in Anspruch
genommen. Auf dem Rückwege sprach der Doktor ein paar alte Frauen an, hob ein
Kind aus dem Riuustciue und entließ es mit hygienischen Ratschlägen und hielt ein
längeres, wissenschaftliches Gespräch über Krankheitserreger mit dem Herrn Kantor.
Zu Hause angckvmme» bestellte er sich bei einer Handlung in Braunfels eine elek¬
trische Nachtglocke und bei einer andern ein großes blankes Messingschild mit der
Inschrift: or. L. Dnttmüller, praktischer Arzt und Geburtshelfer. Sprechstunde
früh von acht bis zehn Uhr. Darauf schrieb er an seine Mutter.

Liebe Alte. Du wirst überrascht sei», zu erfahren, daß ich mich hier in tzolz-
U'eißig als Arzt niedergelassen habe. Ich wäre lieber in eine große Stadt ge¬
gangen, lind ich würde zweifellos dort reüssiert haben, wenn es mög ich Ware dort
ein oder zwei Jahr von der Stange zu leben. Dazu reichen freilich deine Mittel
"'ehe aus, und ich bringe das Opfer, mich hier zu etablieren. Es lst ja nicht aus¬
geschlossen, später uoch'wo anders hinzugehn. Jetzt wirst du mich also von der
Tasche los. Zuvor mußt du aber noch einmal ordentlich bluten. Ich muß die
Ausstattung eines Wartezimmers, eines Wohnzimmers und eines Schlafzimmers
haben. Dies muß ich sogleich haben, wenn ich anfange zu praktizieren. Die Möbel
müssen elegant sein. Pferde und Wagen kaun ich mir noch nicht anschaffen, in-


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[0167] Doktor Duttmüller und sein Freund Man wars zufrieden. Der Herr Direktor freilich wollte nichts gewisses ver¬ sprechen, ober er versprach die Sache zu erwogen. Soweit waren die Verhandlungen gediehen, als Doktor Duttmüller zurückkam und Bericht erstattete. Der Mann lebte noch, er hatte weder Arm noch Bein ge¬ brochen, dagegen müßte ein bedeutender Cvllapsus konstatiert werden. Doch nahm Doktor Duttmüller als gewiß an, daß er den Mann durchbringen werde. Er hatte vor der Hand stündlich 0,5 Gramm salichlsaures Natron verordnet, wollte aber im Laufe der Nacht nochmals nach dem Patienten sehen. Dieser Bericht machte tiefen Eindruck. Vor allem erschien der Collapsus als eine gefährliche und unheimliche Sache. Der Doktor schien mit viel Umsicht und Gewissenhaftigkeit gehandelt zu haben, ganz anders als Doktor Blume, der in einem ähnlichen Falle, als ein Knecht vom Heuwagen gefalle» war, zu der verzweifelten Gattin gesagt hatte: Heute nicht, gebt dem Kerl ein Glas Wasser und legt ihn in sein versoffnes Bett. ".Hieran schloß sich nun der Vorschlag des Schulzen, der im Namen der Gemeinde also sprach: Was ich sagen wollte, Herr Doktor, Sie müssen es aber nicht übel nehmen, wir haben hier in Holzweißig doch keinen Doktor, und bei den vielen Menschen und Schachtern und dem Werke konnte sich hier ganz gut ein Doktor ernähren. Wie wäre das nun, wenn Sie hier blieben und sich einmieteten? Happichs Oberstnbc wäre wohl zu haben, und wir gaben Ihnen acht¬ hundert Mark aus der Krankettkasse für den Kassenarzt. Wir konnten anch — Hier räusperte er sich und brach ab. Doktor Duttmüller that sehr überrascht. Er hatte nicht daran gedacht, eine Landpraxis zu übernehmen. Er wollte eigentlich in eine große Stadt, und ihm als einem Schüler von Geheimrat Forstmann könne es dort nicht fehlen, meinte er. Andreas Happich hatte aber sein Faß noch nicht zugeschlagen, so war alles im Reinen. Duttmüller hatte die Oberstube Happichs gemietet, und die Gemeinde hatte Dnttmüller auf die besondre Empfehlung des Braumeisters als Kassenarzt engagiert. Beim Abschiede reichte Gockel dem Doktor seine Rechte und schüttelte des Doktors Hand mit väterlicher Herzlichkeit. Am andern Tage früh beizeiten sah man Doktor Duttmüller im medizinischen Amtsschritte zu seinem Patienten nach dem Werke gehn. Er fand ihn außer Bett, damit beschäftigt, sich eine Pfeife zu stopfen. Dies wurde jedoch nicht geduldet. Der Patient mußte wieder ins Bett und wurde zu vierundzwanzig Stunden abso¬ luter Ruhe verurteilt, um etwaigen Folgen einer etwaigen Gehirnerschütterung vor¬ zubeugen. Darauf wurde eine neue gründliche Untersuchung von Knochen, Lunge und Leber vorgenommen und eine neue Medizin verschrieben, die ein Eilbote aus der Apotheke holen mußte. Dieses Geschäft hatte gilt eine Stunde in Anspruch genommen. Auf dem Rückwege sprach der Doktor ein paar alte Frauen an, hob ein Kind aus dem Riuustciue und entließ es mit hygienischen Ratschlägen und hielt ein längeres, wissenschaftliches Gespräch über Krankheitserreger mit dem Herrn Kantor. Zu Hause angckvmme» bestellte er sich bei einer Handlung in Braunfels eine elek¬ trische Nachtglocke und bei einer andern ein großes blankes Messingschild mit der Inschrift: or. L. Dnttmüller, praktischer Arzt und Geburtshelfer. Sprechstunde früh von acht bis zehn Uhr. Darauf schrieb er an seine Mutter. Liebe Alte. Du wirst überrascht sei», zu erfahren, daß ich mich hier in tzolz- U'eißig als Arzt niedergelassen habe. Ich wäre lieber in eine große Stadt ge¬ gangen, lind ich würde zweifellos dort reüssiert haben, wenn es mög ich Ware dort ein oder zwei Jahr von der Stange zu leben. Dazu reichen freilich deine Mittel "'ehe aus, und ich bringe das Opfer, mich hier zu etablieren. Es lst ja nicht aus¬ geschlossen, später uoch'wo anders hinzugehn. Jetzt wirst du mich also von der Tasche los. Zuvor mußt du aber noch einmal ordentlich bluten. Ich muß die Ausstattung eines Wartezimmers, eines Wohnzimmers und eines Schlafzimmers haben. Dies muß ich sogleich haben, wenn ich anfange zu praktizieren. Die Möbel müssen elegant sein. Pferde und Wagen kaun ich mir noch nicht anschaffen, in-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/167>, abgerufen am 14.05.2024.