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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Doktor Vuttmüller und sein Freund

keinen genau nach Gewichtsteilen feststellen und sich zum Frühstück alles verordnen
lassen, auf was sie Appetit hatte. Auch die Brandeisen hatte eine Belehrung über
gewisse schwierige und seltne Fälle von Muskelentzündungen erhalten und war mit
einer großen Pulte Medizin und einer großen Büchse voll Salbe getröstet worden.
Hierzu kamen Fälle von Scharlach und Diphtherie, Lungenentzündungen und Ty-
Phoiden in merkwürdigen Komplikationen. Doktor Duttmüller hatte offenbar Glück.
Fälle, die in der Klinik zu den Seltenheiten gehörten, liefen ihm hier von selbst
unter die Hand. Und er hatte auch eine glückliche Hand, denn er hatte auch die
schwierigsten Fälle in überraschend kurzer Zeit geheilt oder wenigstens zur Besserung
gebracht. So wenigstens redete er es sich und seineu Patienten vor.

Doktor Duttmüller, das müssen wir ihm lassen, gab sich die größte Mühe. Er
war ganz anders als der alte Blume, der sich immer erst rufen ließ, ehe er kam,
dann ein paarmal Hnm! sagte und dann urteilte, es sei nichts zu machen, oder man
müsse es abwarten, oder höchstens ein Hausmittel verordnete. Als ob man dazu
einen Arzt kommen lasse. Das könne man allein. Doktor Duttmüller hielt es für
seine Pflicht, dem Patienten eine ausführliche Erläuterung seines Krankheitsfalles
zu geben und darzulegen, warum man dies oder das Mittel nehme, und was dieses
Mittel bewirken solle, oder daß jenes das neuste und wirksamste sei. Er kam auch
unermüdlich wieder, so lange es sich irgend verlohnte, und hatte jedesmal etwas
neues anzuordnen und zu verschreiben. Das hatten die Leute gern. Sie fühlten
es ordentlich, wie die Medizin hier oder da anschlug, oder wie sie die Natur angriff
und den Krankheitsstoff auftrieb. Sie lobten den neuen Doktor sehr, ja über die
Grenzen von ssolzweißig hinaus in die benachbarten Dörfer drang sein Ruhm. Es
währte auch nicht lange, so kamen auch von auswärts Boten, die seine Hilfe
forderten. Diese Hilfe abzulehnen oder die Leute an den Doktor Blume zu verweisen,
den sie doch nicht mochten, hätte er für sittlich verwerflich gehalten. Und so fuhr er
denn auch <ins die benachbarten Dörfer.

Leider nicht im eignen Wagen, sondern in Happichs alter Pastorenkutsche mit
Happichs altem Franz, einem Kavalleriepferde von würdigem Alter davor und einem
halbwüchsigen Jungen als zweifelhaften Kutscher auf dem Bocke. Es ist einmal in
der Welt so, es ist nichts vollkommen. Auch der schöne Holzweißiger Anfang war
es nicht, es fehlte an einem Doktorwagen, der doch, wenn die Sache einigermaßen
korrekt sein soll, vor der Thür stehn muß, wenn der Doktor im Hause ist, ein
stummer und zugleich beredter Zeuge der waltenden Wissenschaft. Es war vor
der Hand auch keine Aussicht vorhanden, zu einem eignen Wagen zu kommen.

Der Doktor empfand diesen Mangel niemals bittrer als in dem Augenblick,
wo er sich anschickte, seinem Kollegen und Konkurrenten, dem Doktor Blume in
Rodersdorf, seinen nachbarlichen Besuch zu machen. Er hielt es, nachdem er schon
seit Monaten in Holzweißig wohnte, für anständig, diesen Besuch nicht länger auf¬
zuschieben, besonders da Herr Bernhard Schulz, der in dem Kreise der Gäste im
Blauen Hechte zu Braunfels für den Mann der guten Form gehalten wurde,
unmaßgeblicherweise dazu riet. Jetzt wäre es nun schön gewesen, statt der Pastoren¬
kutsche, des alten Franz und eines Kutschers, den man nicht für voll rechnen konnte,
eignem Wagen mit eignem Kutscher und Pferde vorzufahren.

Nachdem sich Duttmüller sorgfältig gekleidet hatte -- er war im Zweifel ge¬
wesen, ob zu dieser Gelegenheit die Beinkleider aufzustreifen waren oder nicht --,
nachdem er seinen Cylinder aufgesetzt und Happichs Dörcher noch einige Weisungen
gegeben hatte, was zu geschehn habe, wenn in seiner Abwesenheit Arm- oder Bein¬
brüche vorkommen sollten, bestieg er seinen Wagen, lehnte sich vornehm zurück und
knöpfte seine brandroten Handschuhe zu. Huo! sagte der halbwüchsige Kutscher und
hieb auf den alten Franz ein, der auch endlich zu dem Entschlüsse kam, sich zu
bewegen. Die Gäste in Happichs Gasthofe waren ans Fenster getreten und sahen zu.

Wer ist denn das? fragte der Aklumer Fleischer.

Das ist unser neuer Doktor, erwiderte Happich, ein sehr kluger Mann, wie


Grenzboten I I90L 34
Doktor Vuttmüller und sein Freund

keinen genau nach Gewichtsteilen feststellen und sich zum Frühstück alles verordnen
lassen, auf was sie Appetit hatte. Auch die Brandeisen hatte eine Belehrung über
gewisse schwierige und seltne Fälle von Muskelentzündungen erhalten und war mit
einer großen Pulte Medizin und einer großen Büchse voll Salbe getröstet worden.
Hierzu kamen Fälle von Scharlach und Diphtherie, Lungenentzündungen und Ty-
Phoiden in merkwürdigen Komplikationen. Doktor Duttmüller hatte offenbar Glück.
Fälle, die in der Klinik zu den Seltenheiten gehörten, liefen ihm hier von selbst
unter die Hand. Und er hatte auch eine glückliche Hand, denn er hatte auch die
schwierigsten Fälle in überraschend kurzer Zeit geheilt oder wenigstens zur Besserung
gebracht. So wenigstens redete er es sich und seineu Patienten vor.

Doktor Duttmüller, das müssen wir ihm lassen, gab sich die größte Mühe. Er
war ganz anders als der alte Blume, der sich immer erst rufen ließ, ehe er kam,
dann ein paarmal Hnm! sagte und dann urteilte, es sei nichts zu machen, oder man
müsse es abwarten, oder höchstens ein Hausmittel verordnete. Als ob man dazu
einen Arzt kommen lasse. Das könne man allein. Doktor Duttmüller hielt es für
seine Pflicht, dem Patienten eine ausführliche Erläuterung seines Krankheitsfalles
zu geben und darzulegen, warum man dies oder das Mittel nehme, und was dieses
Mittel bewirken solle, oder daß jenes das neuste und wirksamste sei. Er kam auch
unermüdlich wieder, so lange es sich irgend verlohnte, und hatte jedesmal etwas
neues anzuordnen und zu verschreiben. Das hatten die Leute gern. Sie fühlten
es ordentlich, wie die Medizin hier oder da anschlug, oder wie sie die Natur angriff
und den Krankheitsstoff auftrieb. Sie lobten den neuen Doktor sehr, ja über die
Grenzen von ssolzweißig hinaus in die benachbarten Dörfer drang sein Ruhm. Es
währte auch nicht lange, so kamen auch von auswärts Boten, die seine Hilfe
forderten. Diese Hilfe abzulehnen oder die Leute an den Doktor Blume zu verweisen,
den sie doch nicht mochten, hätte er für sittlich verwerflich gehalten. Und so fuhr er
denn auch <ins die benachbarten Dörfer.

Leider nicht im eignen Wagen, sondern in Happichs alter Pastorenkutsche mit
Happichs altem Franz, einem Kavalleriepferde von würdigem Alter davor und einem
halbwüchsigen Jungen als zweifelhaften Kutscher auf dem Bocke. Es ist einmal in
der Welt so, es ist nichts vollkommen. Auch der schöne Holzweißiger Anfang war
es nicht, es fehlte an einem Doktorwagen, der doch, wenn die Sache einigermaßen
korrekt sein soll, vor der Thür stehn muß, wenn der Doktor im Hause ist, ein
stummer und zugleich beredter Zeuge der waltenden Wissenschaft. Es war vor
der Hand auch keine Aussicht vorhanden, zu einem eignen Wagen zu kommen.

Der Doktor empfand diesen Mangel niemals bittrer als in dem Augenblick,
wo er sich anschickte, seinem Kollegen und Konkurrenten, dem Doktor Blume in
Rodersdorf, seinen nachbarlichen Besuch zu machen. Er hielt es, nachdem er schon
seit Monaten in Holzweißig wohnte, für anständig, diesen Besuch nicht länger auf¬
zuschieben, besonders da Herr Bernhard Schulz, der in dem Kreise der Gäste im
Blauen Hechte zu Braunfels für den Mann der guten Form gehalten wurde,
unmaßgeblicherweise dazu riet. Jetzt wäre es nun schön gewesen, statt der Pastoren¬
kutsche, des alten Franz und eines Kutschers, den man nicht für voll rechnen konnte,
eignem Wagen mit eignem Kutscher und Pferde vorzufahren.

Nachdem sich Duttmüller sorgfältig gekleidet hatte — er war im Zweifel ge¬
wesen, ob zu dieser Gelegenheit die Beinkleider aufzustreifen waren oder nicht —,
nachdem er seinen Cylinder aufgesetzt und Happichs Dörcher noch einige Weisungen
gegeben hatte, was zu geschehn habe, wenn in seiner Abwesenheit Arm- oder Bein¬
brüche vorkommen sollten, bestieg er seinen Wagen, lehnte sich vornehm zurück und
knöpfte seine brandroten Handschuhe zu. Huo! sagte der halbwüchsige Kutscher und
hieb auf den alten Franz ein, der auch endlich zu dem Entschlüsse kam, sich zu
bewegen. Die Gäste in Happichs Gasthofe waren ans Fenster getreten und sahen zu.

Wer ist denn das? fragte der Aklumer Fleischer.

Das ist unser neuer Doktor, erwiderte Happich, ein sehr kluger Mann, wie


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[0273] Doktor Vuttmüller und sein Freund keinen genau nach Gewichtsteilen feststellen und sich zum Frühstück alles verordnen lassen, auf was sie Appetit hatte. Auch die Brandeisen hatte eine Belehrung über gewisse schwierige und seltne Fälle von Muskelentzündungen erhalten und war mit einer großen Pulte Medizin und einer großen Büchse voll Salbe getröstet worden. Hierzu kamen Fälle von Scharlach und Diphtherie, Lungenentzündungen und Ty- Phoiden in merkwürdigen Komplikationen. Doktor Duttmüller hatte offenbar Glück. Fälle, die in der Klinik zu den Seltenheiten gehörten, liefen ihm hier von selbst unter die Hand. Und er hatte auch eine glückliche Hand, denn er hatte auch die schwierigsten Fälle in überraschend kurzer Zeit geheilt oder wenigstens zur Besserung gebracht. So wenigstens redete er es sich und seineu Patienten vor. Doktor Duttmüller, das müssen wir ihm lassen, gab sich die größte Mühe. Er war ganz anders als der alte Blume, der sich immer erst rufen ließ, ehe er kam, dann ein paarmal Hnm! sagte und dann urteilte, es sei nichts zu machen, oder man müsse es abwarten, oder höchstens ein Hausmittel verordnete. Als ob man dazu einen Arzt kommen lasse. Das könne man allein. Doktor Duttmüller hielt es für seine Pflicht, dem Patienten eine ausführliche Erläuterung seines Krankheitsfalles zu geben und darzulegen, warum man dies oder das Mittel nehme, und was dieses Mittel bewirken solle, oder daß jenes das neuste und wirksamste sei. Er kam auch unermüdlich wieder, so lange es sich irgend verlohnte, und hatte jedesmal etwas neues anzuordnen und zu verschreiben. Das hatten die Leute gern. Sie fühlten es ordentlich, wie die Medizin hier oder da anschlug, oder wie sie die Natur angriff und den Krankheitsstoff auftrieb. Sie lobten den neuen Doktor sehr, ja über die Grenzen von ssolzweißig hinaus in die benachbarten Dörfer drang sein Ruhm. Es währte auch nicht lange, so kamen auch von auswärts Boten, die seine Hilfe forderten. Diese Hilfe abzulehnen oder die Leute an den Doktor Blume zu verweisen, den sie doch nicht mochten, hätte er für sittlich verwerflich gehalten. Und so fuhr er denn auch <ins die benachbarten Dörfer. Leider nicht im eignen Wagen, sondern in Happichs alter Pastorenkutsche mit Happichs altem Franz, einem Kavalleriepferde von würdigem Alter davor und einem halbwüchsigen Jungen als zweifelhaften Kutscher auf dem Bocke. Es ist einmal in der Welt so, es ist nichts vollkommen. Auch der schöne Holzweißiger Anfang war es nicht, es fehlte an einem Doktorwagen, der doch, wenn die Sache einigermaßen korrekt sein soll, vor der Thür stehn muß, wenn der Doktor im Hause ist, ein stummer und zugleich beredter Zeuge der waltenden Wissenschaft. Es war vor der Hand auch keine Aussicht vorhanden, zu einem eignen Wagen zu kommen. Der Doktor empfand diesen Mangel niemals bittrer als in dem Augenblick, wo er sich anschickte, seinem Kollegen und Konkurrenten, dem Doktor Blume in Rodersdorf, seinen nachbarlichen Besuch zu machen. Er hielt es, nachdem er schon seit Monaten in Holzweißig wohnte, für anständig, diesen Besuch nicht länger auf¬ zuschieben, besonders da Herr Bernhard Schulz, der in dem Kreise der Gäste im Blauen Hechte zu Braunfels für den Mann der guten Form gehalten wurde, unmaßgeblicherweise dazu riet. Jetzt wäre es nun schön gewesen, statt der Pastoren¬ kutsche, des alten Franz und eines Kutschers, den man nicht für voll rechnen konnte, eignem Wagen mit eignem Kutscher und Pferde vorzufahren. Nachdem sich Duttmüller sorgfältig gekleidet hatte — er war im Zweifel ge¬ wesen, ob zu dieser Gelegenheit die Beinkleider aufzustreifen waren oder nicht —, nachdem er seinen Cylinder aufgesetzt und Happichs Dörcher noch einige Weisungen gegeben hatte, was zu geschehn habe, wenn in seiner Abwesenheit Arm- oder Bein¬ brüche vorkommen sollten, bestieg er seinen Wagen, lehnte sich vornehm zurück und knöpfte seine brandroten Handschuhe zu. Huo! sagte der halbwüchsige Kutscher und hieb auf den alten Franz ein, der auch endlich zu dem Entschlüsse kam, sich zu bewegen. Die Gäste in Happichs Gasthofe waren ans Fenster getreten und sahen zu. Wer ist denn das? fragte der Aklumer Fleischer. Das ist unser neuer Doktor, erwiderte Happich, ein sehr kluger Mann, wie Grenzboten I I90L 34

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/273>, abgerufen am 29.05.2024.