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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Gregors X, Hdi verlouluin ihnen aber dann auf, wenn der Papst außerhalb
des Sitzes der Kurie gestorben ist.

Wie erst längere Zeit nach seinem Tode in der Öffentlichkeit bekannt ge¬
worden ist, hat Pius IX. drei Bullen und außerdem noch ein Reglement in
italienischer Sprache über die Papstwahl erlassen. Diese Vorschriften, die nur
für die erste und die zweite Wahl nach seinem Tode gelten sollten, enthalten
jedoch über den Ort des Konklaves so gut wie nichts neues. Pius selbst
wünschte nicht, daß die Wahl in Rom geschehn solle, da er fürchtete, es könnten
dort nach seinein Ableben schlimme Stürme das Konklave stören oder wenigstens
die rasche Erledigung der Wahl hindern. Aber er hat sich doch wohlweislich
vor einem ausdrücklichen Verbot, die Wahl in Rom abzuhalten, gehütet.
Als nun die Kardinale nach seinem Heimgange zur Beratung über diese Frage
zusammentraten, sprach sich die überwiegende Mehrheit, wohl unter dem Ein¬
druck seines Wunsches, in der ersten Sitzung dahin aus, daß es unmöglich
sei, zur Vornahme der Wahl in Rom zu bleibe". Es wurden dabei Malta,
München, Madrid und Avignon als geeignete Orte in Vorschlag gebracht.
Jedoch schon in der Sitzung um folgenden Tage trat ein völliger Um¬
schwung in den Ansichten der Kardinäle hervor, indem mit großer Majorität
Nom als Sitz des Konklaves, aus dem Leo XIII. als Papst hervorging, ge¬
wählt wurde.

Wird nun auch die nächste Papstwahl in Nom vorgenommen werden?
Oder werden die Kardinäle gezwungen sein, sich zu diesem Zweck an einen
andern Ort, vielleicht außerhalb Italiens, zu begeben? Um diese Frage zu
beantworten, müssen wir die Gründe ins Auge fassen, die im Jahre 1878
nach dem Tode des Papstes für sie bestimmend waren, das Konklave in Nom
abzuhalten.

Es liegt auf der Hand, daß das Kardinalkollegium mit diesem Beschluß
in einen gewissen Widerspruch trat zu der von Pius IX. unablässig wieder¬
holten Behauptung, wonach er seit dem Verlust der weltlichen Macht an der
freien Ausübung seines hohen Amts behindert sein wollte. Denn wenn das
zutraf, dann mußten doch erst recht die Sicherheit und die Unabhängigkeit des
Konklaves in Rom gefährdet erscheinen. Durch die Vornahme der Papstwahl
in Nom aber gab man zu erkennen, daß man trotz aller gegenteiligen Ver¬
sicherungen volles Vertrauen in die Haltung Italiens setze. Um diesen Ein¬
druck abzuschwächen, erließen die .Kardinäle ein Rundschreiben an die Mächte,
das von Kardinal Franchi entworfen war. Hierin heben sie zunächst hervor,
sie seien schon durch die geleisteten Eide verpflichtet, ans die Wiederherstellung
des Kirchenstaats zu dringen, und hätten diese Eide nach dem Ableben des Papstes
erneuert. Wenn sie aber trotz der Unsicherheit ihrer Lage in Nom diese Stadt
als Ort für das Konklave bestimmt hätten, so sei es deshalb geschehn, weil
das Übersiedeln nach einem andern, sichern Ort die Wahl verzögern würde,
während doch das Wohl der Kirche eine schnelle Besetzung des heiligen Stuhls
verlange. Es darf wohl als unzweifelhaft angenommen werden, daß der hier
von den Kardinälen angegebne Grund nicht der entscheidende für ihren Ent¬
schluß gewesen ist. Gewiß mag hierbei die Absicht, jeden Aufschub zu ver-


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Gregors X, Hdi verlouluin ihnen aber dann auf, wenn der Papst außerhalb
des Sitzes der Kurie gestorben ist.

Wie erst längere Zeit nach seinem Tode in der Öffentlichkeit bekannt ge¬
worden ist, hat Pius IX. drei Bullen und außerdem noch ein Reglement in
italienischer Sprache über die Papstwahl erlassen. Diese Vorschriften, die nur
für die erste und die zweite Wahl nach seinem Tode gelten sollten, enthalten
jedoch über den Ort des Konklaves so gut wie nichts neues. Pius selbst
wünschte nicht, daß die Wahl in Rom geschehn solle, da er fürchtete, es könnten
dort nach seinein Ableben schlimme Stürme das Konklave stören oder wenigstens
die rasche Erledigung der Wahl hindern. Aber er hat sich doch wohlweislich
vor einem ausdrücklichen Verbot, die Wahl in Rom abzuhalten, gehütet.
Als nun die Kardinale nach seinem Heimgange zur Beratung über diese Frage
zusammentraten, sprach sich die überwiegende Mehrheit, wohl unter dem Ein¬
druck seines Wunsches, in der ersten Sitzung dahin aus, daß es unmöglich
sei, zur Vornahme der Wahl in Rom zu bleibe». Es wurden dabei Malta,
München, Madrid und Avignon als geeignete Orte in Vorschlag gebracht.
Jedoch schon in der Sitzung um folgenden Tage trat ein völliger Um¬
schwung in den Ansichten der Kardinäle hervor, indem mit großer Majorität
Nom als Sitz des Konklaves, aus dem Leo XIII. als Papst hervorging, ge¬
wählt wurde.

Wird nun auch die nächste Papstwahl in Nom vorgenommen werden?
Oder werden die Kardinäle gezwungen sein, sich zu diesem Zweck an einen
andern Ort, vielleicht außerhalb Italiens, zu begeben? Um diese Frage zu
beantworten, müssen wir die Gründe ins Auge fassen, die im Jahre 1878
nach dem Tode des Papstes für sie bestimmend waren, das Konklave in Nom
abzuhalten.

Es liegt auf der Hand, daß das Kardinalkollegium mit diesem Beschluß
in einen gewissen Widerspruch trat zu der von Pius IX. unablässig wieder¬
holten Behauptung, wonach er seit dem Verlust der weltlichen Macht an der
freien Ausübung seines hohen Amts behindert sein wollte. Denn wenn das
zutraf, dann mußten doch erst recht die Sicherheit und die Unabhängigkeit des
Konklaves in Rom gefährdet erscheinen. Durch die Vornahme der Papstwahl
in Nom aber gab man zu erkennen, daß man trotz aller gegenteiligen Ver¬
sicherungen volles Vertrauen in die Haltung Italiens setze. Um diesen Ein¬
druck abzuschwächen, erließen die .Kardinäle ein Rundschreiben an die Mächte,
das von Kardinal Franchi entworfen war. Hierin heben sie zunächst hervor,
sie seien schon durch die geleisteten Eide verpflichtet, ans die Wiederherstellung
des Kirchenstaats zu dringen, und hätten diese Eide nach dem Ableben des Papstes
erneuert. Wenn sie aber trotz der Unsicherheit ihrer Lage in Nom diese Stadt
als Ort für das Konklave bestimmt hätten, so sei es deshalb geschehn, weil
das Übersiedeln nach einem andern, sichern Ort die Wahl verzögern würde,
während doch das Wohl der Kirche eine schnelle Besetzung des heiligen Stuhls
verlange. Es darf wohl als unzweifelhaft angenommen werden, daß der hier
von den Kardinälen angegebne Grund nicht der entscheidende für ihren Ent¬
schluß gewesen ist. Gewiß mag hierbei die Absicht, jeden Aufschub zu ver-


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[0362] Zur nächsten j)apstwcchl Gregors X, Hdi verlouluin ihnen aber dann auf, wenn der Papst außerhalb des Sitzes der Kurie gestorben ist. Wie erst längere Zeit nach seinem Tode in der Öffentlichkeit bekannt ge¬ worden ist, hat Pius IX. drei Bullen und außerdem noch ein Reglement in italienischer Sprache über die Papstwahl erlassen. Diese Vorschriften, die nur für die erste und die zweite Wahl nach seinem Tode gelten sollten, enthalten jedoch über den Ort des Konklaves so gut wie nichts neues. Pius selbst wünschte nicht, daß die Wahl in Rom geschehn solle, da er fürchtete, es könnten dort nach seinein Ableben schlimme Stürme das Konklave stören oder wenigstens die rasche Erledigung der Wahl hindern. Aber er hat sich doch wohlweislich vor einem ausdrücklichen Verbot, die Wahl in Rom abzuhalten, gehütet. Als nun die Kardinale nach seinem Heimgange zur Beratung über diese Frage zusammentraten, sprach sich die überwiegende Mehrheit, wohl unter dem Ein¬ druck seines Wunsches, in der ersten Sitzung dahin aus, daß es unmöglich sei, zur Vornahme der Wahl in Rom zu bleibe». Es wurden dabei Malta, München, Madrid und Avignon als geeignete Orte in Vorschlag gebracht. Jedoch schon in der Sitzung um folgenden Tage trat ein völliger Um¬ schwung in den Ansichten der Kardinäle hervor, indem mit großer Majorität Nom als Sitz des Konklaves, aus dem Leo XIII. als Papst hervorging, ge¬ wählt wurde. Wird nun auch die nächste Papstwahl in Nom vorgenommen werden? Oder werden die Kardinäle gezwungen sein, sich zu diesem Zweck an einen andern Ort, vielleicht außerhalb Italiens, zu begeben? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die Gründe ins Auge fassen, die im Jahre 1878 nach dem Tode des Papstes für sie bestimmend waren, das Konklave in Nom abzuhalten. Es liegt auf der Hand, daß das Kardinalkollegium mit diesem Beschluß in einen gewissen Widerspruch trat zu der von Pius IX. unablässig wieder¬ holten Behauptung, wonach er seit dem Verlust der weltlichen Macht an der freien Ausübung seines hohen Amts behindert sein wollte. Denn wenn das zutraf, dann mußten doch erst recht die Sicherheit und die Unabhängigkeit des Konklaves in Rom gefährdet erscheinen. Durch die Vornahme der Papstwahl in Nom aber gab man zu erkennen, daß man trotz aller gegenteiligen Ver¬ sicherungen volles Vertrauen in die Haltung Italiens setze. Um diesen Ein¬ druck abzuschwächen, erließen die .Kardinäle ein Rundschreiben an die Mächte, das von Kardinal Franchi entworfen war. Hierin heben sie zunächst hervor, sie seien schon durch die geleisteten Eide verpflichtet, ans die Wiederherstellung des Kirchenstaats zu dringen, und hätten diese Eide nach dem Ableben des Papstes erneuert. Wenn sie aber trotz der Unsicherheit ihrer Lage in Nom diese Stadt als Ort für das Konklave bestimmt hätten, so sei es deshalb geschehn, weil das Übersiedeln nach einem andern, sichern Ort die Wahl verzögern würde, während doch das Wohl der Kirche eine schnelle Besetzung des heiligen Stuhls verlange. Es darf wohl als unzweifelhaft angenommen werden, daß der hier von den Kardinälen angegebne Grund nicht der entscheidende für ihren Ent¬ schluß gewesen ist. Gewiß mag hierbei die Absicht, jeden Aufschub zu ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/362>, abgerufen am 31.05.2024.