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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Geschwollen

So hatte z. B. Goethe -- das können auch seine leidenschaftlichsten Bewundrer
nicht bestreiten -- die allerschönsten Anlagen zum Gecken, zum Kleidernarren, zu
jeder Form hochmütiger und rücksichtsloser Eitelkeit, Besondre Arten seiner ent¬
zückendsten Gedichte scheinen ihm im geschwollnen Zustand am besten gelungen zu
sein, auch seine Helden Tasso, Egiuont und Faust sind oft in fast unbequemer Weise
geschwollen. Aber vor dem Fall ins Lächerliche, dem die Geschwollenheit des
weniger begabten Mannes in so bedenklicher Weise ausgesetzt ist, bewahrt Goethe"
und seine Helden die hohe geistige Bedeutung, die unablässig schlichtet, ordnet und
zähmt, und° die es macht, daß einem das ehrbare Dahinschreiten der vor deu Wagen
gespannten Pantherkatzen doppelt edel und verdienstlich erscheint, weil man die
Bestien bei einigen mit urwüchsiger Wildheit und Grazie ausgeführten Sprüngen
hat beobachten können.

Einem vorübergehenden Anfalle von Geschwollenhcit dürfte kaum irgend welche
Pathologische Bedeutung beizumessen sein. Wo er sich einstellt, setzt er zwar natür¬
lich immer eine leichte Befangenheit des Urteils und eine gewisse Eitelkeit voraus,
aber dafür sind wir Menschen. Ganz vorurteilsfrei ist so leicht keiner, und das
Selbstgefühl ist uns auch schwerlich gegeben, damit es leer ausgehe. Weniger
harmlos gestaltet sich die Sache, wenn die Geschwollenheit, wie bet dem Bürger¬
meister von Zaardmn, chronisch wird: Dieses Aug, wie ein Flambeau!

Wir mochten über die chronische Geschwollenheit, die unsre geselligen Zustande
zu dem macht, was sie sind, am liebsten nichts sagen. Es giebt Bilder, die besser
nicht entrollt, Schleier, die besser nicht gelüftet werden. Versehen wir es vielleicht
gleich in den ersten Erziehnngsjahren? Sind der Wunsch und die Überzeugung,
mehr oder besser als dieser und jener zu sein -- Triebkräfte, die offenbar der
stalaktirenförmigen Entwicklung unsers gesellige" Lebens zu Grunde liegen --, schuld
darau? Liegt die Veranlassung in der mneisen- und schmeißfliegenartigcn Äber-
fnllnng, die einen zu ersticken droht, sobald man sich einem zu teilenden Gute oder
einem zu genießenden Vergnügen mich mir von weitem zu nähern sucht? Wir
wissen es acht. Sogar die Porträts auf den Ausstellungen sehen aus ihren auf
"apart aussehen" berechneten Rahmen geschwollen auf uns herab, und das Er¬
scheinen der "Anleitung zum imponierender Auftreten" läßt uus hoffen, daß wir
den Gipfel der Erbärmlichkeit um so ziemlich erreicht haben, und daß also der
Augenblick nicht mehr fern ist, wo abermals die großen Wasser erfreuliche Wandlung
bringen werden.

Die berufsmäßige Geschwolleuheit gehört mehr der Vergangenheit an. Prä¬
sidenten, Generale, Duodezfürsten, Professoren, Pastoren, Büttel und Profoße glaubten
damit nur zu thun, was ihres Amtes war. Vielleicht war auch der Gedanke so
übel nicht: es wäre sonst für die Zwecke einer würdevollen "Repräsentation" oft¬
mals kaum mehr übrig geblieben als der liebe Körper, der den Wämsern, Rocken,
Mänteln und Roben als Kleiderstock diente. Konnten jene Jahrhunderte als Zeiten
bezeichnet werden, wo die Regierten nicht viel langten und die Regierenden gar
nichts, so hat sich das, soweit die Regierenden dabei in Frage kommen, erstaunlich
geändert. Je größer der Kreis ist, dem sie vorstehn, um so vorurteilsfreier und
zugänglicher, um so gebildeter und einsichtiger sind sie. Statt ihrer zeigen sich
uns heutzutage die Vertreter des Volks und des Pöbels und diese selbst in einer
berufsmäßige" Geschwollenheit, die deu Reiz jugendlichen Ungestüms und bären¬
hafter Tölpelhaftigkeit für sich hat, "ut die wir auch fürs Auge der schwächlichen,
altmodisch gewordnen suffisance der heutigentags noch vorhandnen, wenig zahl¬
reichen Hofmarschälle Kalb vorziehn.

Und nun endlich die dekorative Geschwvllenheit, die den fürstliche" Leibkutscher,
°en Thürhüter des herrschaftliche" Palais, den Leichenbitter, den militärischen Gra¬
dierten jeden Rangs, den kostümierte" Uttgnr", Türken oder Bergschotten, den
^hnrgierten in, Vierspänner, den Fahnenträger, den Bräutigam, den Jubilar "ziert."
^er getraute sich da etwas von Eitelkeit oder Überschätze" "ebeusächlicher Dinge


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Geschwollen

So hatte z. B. Goethe — das können auch seine leidenschaftlichsten Bewundrer
nicht bestreiten — die allerschönsten Anlagen zum Gecken, zum Kleidernarren, zu
jeder Form hochmütiger und rücksichtsloser Eitelkeit, Besondre Arten seiner ent¬
zückendsten Gedichte scheinen ihm im geschwollnen Zustand am besten gelungen zu
sein, auch seine Helden Tasso, Egiuont und Faust sind oft in fast unbequemer Weise
geschwollen. Aber vor dem Fall ins Lächerliche, dem die Geschwollenheit des
weniger begabten Mannes in so bedenklicher Weise ausgesetzt ist, bewahrt Goethe»
und seine Helden die hohe geistige Bedeutung, die unablässig schlichtet, ordnet und
zähmt, und° die es macht, daß einem das ehrbare Dahinschreiten der vor deu Wagen
gespannten Pantherkatzen doppelt edel und verdienstlich erscheint, weil man die
Bestien bei einigen mit urwüchsiger Wildheit und Grazie ausgeführten Sprüngen
hat beobachten können.

Einem vorübergehenden Anfalle von Geschwollenhcit dürfte kaum irgend welche
Pathologische Bedeutung beizumessen sein. Wo er sich einstellt, setzt er zwar natür¬
lich immer eine leichte Befangenheit des Urteils und eine gewisse Eitelkeit voraus,
aber dafür sind wir Menschen. Ganz vorurteilsfrei ist so leicht keiner, und das
Selbstgefühl ist uns auch schwerlich gegeben, damit es leer ausgehe. Weniger
harmlos gestaltet sich die Sache, wenn die Geschwollenheit, wie bet dem Bürger¬
meister von Zaardmn, chronisch wird: Dieses Aug, wie ein Flambeau!

Wir mochten über die chronische Geschwollenheit, die unsre geselligen Zustande
zu dem macht, was sie sind, am liebsten nichts sagen. Es giebt Bilder, die besser
nicht entrollt, Schleier, die besser nicht gelüftet werden. Versehen wir es vielleicht
gleich in den ersten Erziehnngsjahren? Sind der Wunsch und die Überzeugung,
mehr oder besser als dieser und jener zu sein — Triebkräfte, die offenbar der
stalaktirenförmigen Entwicklung unsers gesellige» Lebens zu Grunde liegen —, schuld
darau? Liegt die Veranlassung in der mneisen- und schmeißfliegenartigcn Äber-
fnllnng, die einen zu ersticken droht, sobald man sich einem zu teilenden Gute oder
einem zu genießenden Vergnügen mich mir von weitem zu nähern sucht? Wir
wissen es acht. Sogar die Porträts auf den Ausstellungen sehen aus ihren auf
„apart aussehen" berechneten Rahmen geschwollen auf uns herab, und das Er¬
scheinen der „Anleitung zum imponierender Auftreten" läßt uus hoffen, daß wir
den Gipfel der Erbärmlichkeit um so ziemlich erreicht haben, und daß also der
Augenblick nicht mehr fern ist, wo abermals die großen Wasser erfreuliche Wandlung
bringen werden.

Die berufsmäßige Geschwolleuheit gehört mehr der Vergangenheit an. Prä¬
sidenten, Generale, Duodezfürsten, Professoren, Pastoren, Büttel und Profoße glaubten
damit nur zu thun, was ihres Amtes war. Vielleicht war auch der Gedanke so
übel nicht: es wäre sonst für die Zwecke einer würdevollen „Repräsentation" oft¬
mals kaum mehr übrig geblieben als der liebe Körper, der den Wämsern, Rocken,
Mänteln und Roben als Kleiderstock diente. Konnten jene Jahrhunderte als Zeiten
bezeichnet werden, wo die Regierten nicht viel langten und die Regierenden gar
nichts, so hat sich das, soweit die Regierenden dabei in Frage kommen, erstaunlich
geändert. Je größer der Kreis ist, dem sie vorstehn, um so vorurteilsfreier und
zugänglicher, um so gebildeter und einsichtiger sind sie. Statt ihrer zeigen sich
uns heutzutage die Vertreter des Volks und des Pöbels und diese selbst in einer
berufsmäßige» Geschwollenheit, die deu Reiz jugendlichen Ungestüms und bären¬
hafter Tölpelhaftigkeit für sich hat, »ut die wir auch fürs Auge der schwächlichen,
altmodisch gewordnen suffisance der heutigentags noch vorhandnen, wenig zahl¬
reichen Hofmarschälle Kalb vorziehn.

Und nun endlich die dekorative Geschwvllenheit, die den fürstliche» Leibkutscher,
°en Thürhüter des herrschaftliche» Palais, den Leichenbitter, den militärischen Gra¬
dierten jeden Rangs, den kostümierte» Uttgnr», Türken oder Bergschotten, den
^hnrgierten in, Vierspänner, den Fahnenträger, den Bräutigam, den Jubilar „ziert."
^er getraute sich da etwas von Eitelkeit oder Überschätze» «ebeusächlicher Dinge


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[0225] Geschwollen So hatte z. B. Goethe — das können auch seine leidenschaftlichsten Bewundrer nicht bestreiten — die allerschönsten Anlagen zum Gecken, zum Kleidernarren, zu jeder Form hochmütiger und rücksichtsloser Eitelkeit, Besondre Arten seiner ent¬ zückendsten Gedichte scheinen ihm im geschwollnen Zustand am besten gelungen zu sein, auch seine Helden Tasso, Egiuont und Faust sind oft in fast unbequemer Weise geschwollen. Aber vor dem Fall ins Lächerliche, dem die Geschwollenheit des weniger begabten Mannes in so bedenklicher Weise ausgesetzt ist, bewahrt Goethe» und seine Helden die hohe geistige Bedeutung, die unablässig schlichtet, ordnet und zähmt, und° die es macht, daß einem das ehrbare Dahinschreiten der vor deu Wagen gespannten Pantherkatzen doppelt edel und verdienstlich erscheint, weil man die Bestien bei einigen mit urwüchsiger Wildheit und Grazie ausgeführten Sprüngen hat beobachten können. Einem vorübergehenden Anfalle von Geschwollenhcit dürfte kaum irgend welche Pathologische Bedeutung beizumessen sein. Wo er sich einstellt, setzt er zwar natür¬ lich immer eine leichte Befangenheit des Urteils und eine gewisse Eitelkeit voraus, aber dafür sind wir Menschen. Ganz vorurteilsfrei ist so leicht keiner, und das Selbstgefühl ist uns auch schwerlich gegeben, damit es leer ausgehe. Weniger harmlos gestaltet sich die Sache, wenn die Geschwollenheit, wie bet dem Bürger¬ meister von Zaardmn, chronisch wird: Dieses Aug, wie ein Flambeau! Wir mochten über die chronische Geschwollenheit, die unsre geselligen Zustande zu dem macht, was sie sind, am liebsten nichts sagen. Es giebt Bilder, die besser nicht entrollt, Schleier, die besser nicht gelüftet werden. Versehen wir es vielleicht gleich in den ersten Erziehnngsjahren? Sind der Wunsch und die Überzeugung, mehr oder besser als dieser und jener zu sein — Triebkräfte, die offenbar der stalaktirenförmigen Entwicklung unsers gesellige» Lebens zu Grunde liegen —, schuld darau? Liegt die Veranlassung in der mneisen- und schmeißfliegenartigcn Äber- fnllnng, die einen zu ersticken droht, sobald man sich einem zu teilenden Gute oder einem zu genießenden Vergnügen mich mir von weitem zu nähern sucht? Wir wissen es acht. Sogar die Porträts auf den Ausstellungen sehen aus ihren auf „apart aussehen" berechneten Rahmen geschwollen auf uns herab, und das Er¬ scheinen der „Anleitung zum imponierender Auftreten" läßt uus hoffen, daß wir den Gipfel der Erbärmlichkeit um so ziemlich erreicht haben, und daß also der Augenblick nicht mehr fern ist, wo abermals die großen Wasser erfreuliche Wandlung bringen werden. Die berufsmäßige Geschwolleuheit gehört mehr der Vergangenheit an. Prä¬ sidenten, Generale, Duodezfürsten, Professoren, Pastoren, Büttel und Profoße glaubten damit nur zu thun, was ihres Amtes war. Vielleicht war auch der Gedanke so übel nicht: es wäre sonst für die Zwecke einer würdevollen „Repräsentation" oft¬ mals kaum mehr übrig geblieben als der liebe Körper, der den Wämsern, Rocken, Mänteln und Roben als Kleiderstock diente. Konnten jene Jahrhunderte als Zeiten bezeichnet werden, wo die Regierten nicht viel langten und die Regierenden gar nichts, so hat sich das, soweit die Regierenden dabei in Frage kommen, erstaunlich geändert. Je größer der Kreis ist, dem sie vorstehn, um so vorurteilsfreier und zugänglicher, um so gebildeter und einsichtiger sind sie. Statt ihrer zeigen sich uns heutzutage die Vertreter des Volks und des Pöbels und diese selbst in einer berufsmäßige» Geschwollenheit, die deu Reiz jugendlichen Ungestüms und bären¬ hafter Tölpelhaftigkeit für sich hat, »ut die wir auch fürs Auge der schwächlichen, altmodisch gewordnen suffisance der heutigentags noch vorhandnen, wenig zahl¬ reichen Hofmarschälle Kalb vorziehn. Und nun endlich die dekorative Geschwvllenheit, die den fürstliche» Leibkutscher, °en Thürhüter des herrschaftliche» Palais, den Leichenbitter, den militärischen Gra¬ dierten jeden Rangs, den kostümierte» Uttgnr», Türken oder Bergschotten, den ^hnrgierten in, Vierspänner, den Fahnenträger, den Bräutigam, den Jubilar „ziert." ^er getraute sich da etwas von Eitelkeit oder Überschätze» «ebeusächlicher Dinge Grenzboten U 1S02 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/225>, abgerufen am 15.05.2024.