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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttinüllcr und sein Freund

Exzellenz Marschall? War auf einer Nordlandsfahrt begriffen. War es denn gar
nicht möglich, eine Hilfe zu beschaffen? Vor ihm saß Ellen. Er sah sie nicht an,
aber er fühlte es, daß ihre Augen mit Vertrauen auf ihm ruhten. Die arme
kleine Ellen. Mit Aork hatte er nicht viel Mitleid, mochte er aufessen, was er
sich eingebrockt hatte, aber -- Tante Ellen! Er hatte das Geld. Er hatte in
der letzten Zeit das Mehrfache der Summe mit Leichtigkeit verdient. Er war voll¬
ständig freier Herr über sein Vermögen und niemand verantwortlich. Es ist eine
große Dummheit, die ich begehe, sagte er zu sich, aber warum soll der Mensch nicht
auch einmal dumm sei"? -- Herr von Nienhagen, fuhr er laut fort. Ich habe
einige Kuxe von Heinrichshall. Sie sind in den Händen meiner Mutter. Ver¬
kaufen kann ich sie nicht, denn sie haben noch immer stark steigende Tendenz, und
ich würde den Vorteil davon verlieren, wenn ich verkaufen wollte. Aber man
kann einige verpfänden, um darauf eine Zahlung von zehntausend Mark zu erhalten.
Sie haben keine Stunde zu versäumen. Gehn Sie nicht wieder in das Dorf zurück,
gehn Sie gleich von hier nach Altar, reisen Sie nach Hannover zu meiner Mutter
und dann nach Berlin. Dann können Sie morgen früh das Geld in der Hand
und alles geordnet haben, wenn Sie zu Ihrem Oberst müssen.

Damit riß er ein Blatt von seinem Notizblock ab und schrieb ein Paar Zeilen
an seine Mutter.

Es war merkwürdig, zu sehen, wie das Leben in Aork zurückkehrte. Er dankte
wortreich, nannte Wandrer seinen lieben Freund und sogar Kameraden, obgleich es
Wandrer nur bis zum Vizefeldwebel gebracht hatte, und versprach, alles bestens
regeln zu wollen, und Wandrer könne sich felsenfest auf seine Ehrenhaftigkeit ver¬
lassen.

Aber erst noch eins, sagte Ellen, du mußt mir es in die Hand versprechen,
daß du nie wieder eine Karte anrührst.

Work versprach es und eilte davon wie auf Flügeln. Wandrer und Ellen
blieben zurück. Ellen ergriff in überströmenden Danke mit beiden Händen die
Rechte Wandrers und rief: Wie kauu ich Ihnen jemals genug denken für das,
was Sie an meinem Bruder gethan haben! Und auch an mir, denn ich machte
mir schwere Vorwürfe, daß ich Ihnen mitgeteilt hatte, Dort spiele, und daß Sie
dann den Direktor gewarnt haben könnten.

Aber ich habe ja keinem Menschen ein Wort gesagt, erwiderte Wandrer; es
war anch gar nicht nötig, Wenzel wußte viel besser Bescheid als wir.

Sie wandten sich zum Gehn und schritten stumm nebeneinander her. -- Herr
Wandrer, sagte Ellen nach einer Weile, ich weiß, was Sie jetzt denken. Sie deuteln
Es ist aber doch eine große Dummheit, die ich gemacht habe.

Wandrer lachte. Es stimmt, Fräulein Ellen, sagte er, aber ich bin nicht böse
darüber. Als ich Ihrem Herrn Bruder die Kuxe gab, wußte ich, daß es -- nach
dem Urteil kluger Leute -- eine Dummheit war; es war also eine bewußte Dumm¬
heit. Ich gestehe auch, daß es mir einigermaßen fatal sein würde, wenn Wenzel
etwas von der Sache erführe, und daß ich mich ärgern würde, wenn er mich mit
mitleidigem Hohn ans den Augenwinkeln ansahe. Aber, wissen Sie, Fräulein Ellen,
eine Dummheit zur rechten Zeit ist noch lange nicht das schlechteste, was man
machen kann. Alle unsre Tugenden sind in den Augen des den Nutzen berechnenden
Verstandes Dummheiten. Columbus, als er auszog, den Seeweg nach Indien zu
finden, wußte nicht, was er für eine Dummheit unternahm. Und war doch ein
großer Mann. Ist der nun nicht noch größer, der eine bewußte Dummheit be¬
geht? Nein, im Ernst, Fräulein Ellen. Das, worüber wir uns in unserm Leben
zu freuen haben, sind nicht immer unsre klug überlegten Handlungen, sondern unsre
Dummheiten, ich meine das, was man thut, dem weltklugen Verstand zum Trotz.
Und meinen Sie denn, daß es angeht, jemand gegen seinen Willen aus dem Wasser
zu ziehn und ihn auf dem Lande erfrieren zu lassen? Wenn wir Dort die Pistole
aus der Hand nahmen, mußten wir ihm auch helfen.


Doktor Duttinüllcr und sein Freund

Exzellenz Marschall? War auf einer Nordlandsfahrt begriffen. War es denn gar
nicht möglich, eine Hilfe zu beschaffen? Vor ihm saß Ellen. Er sah sie nicht an,
aber er fühlte es, daß ihre Augen mit Vertrauen auf ihm ruhten. Die arme
kleine Ellen. Mit Aork hatte er nicht viel Mitleid, mochte er aufessen, was er
sich eingebrockt hatte, aber — Tante Ellen! Er hatte das Geld. Er hatte in
der letzten Zeit das Mehrfache der Summe mit Leichtigkeit verdient. Er war voll¬
ständig freier Herr über sein Vermögen und niemand verantwortlich. Es ist eine
große Dummheit, die ich begehe, sagte er zu sich, aber warum soll der Mensch nicht
auch einmal dumm sei»? — Herr von Nienhagen, fuhr er laut fort. Ich habe
einige Kuxe von Heinrichshall. Sie sind in den Händen meiner Mutter. Ver¬
kaufen kann ich sie nicht, denn sie haben noch immer stark steigende Tendenz, und
ich würde den Vorteil davon verlieren, wenn ich verkaufen wollte. Aber man
kann einige verpfänden, um darauf eine Zahlung von zehntausend Mark zu erhalten.
Sie haben keine Stunde zu versäumen. Gehn Sie nicht wieder in das Dorf zurück,
gehn Sie gleich von hier nach Altar, reisen Sie nach Hannover zu meiner Mutter
und dann nach Berlin. Dann können Sie morgen früh das Geld in der Hand
und alles geordnet haben, wenn Sie zu Ihrem Oberst müssen.

Damit riß er ein Blatt von seinem Notizblock ab und schrieb ein Paar Zeilen
an seine Mutter.

Es war merkwürdig, zu sehen, wie das Leben in Aork zurückkehrte. Er dankte
wortreich, nannte Wandrer seinen lieben Freund und sogar Kameraden, obgleich es
Wandrer nur bis zum Vizefeldwebel gebracht hatte, und versprach, alles bestens
regeln zu wollen, und Wandrer könne sich felsenfest auf seine Ehrenhaftigkeit ver¬
lassen.

Aber erst noch eins, sagte Ellen, du mußt mir es in die Hand versprechen,
daß du nie wieder eine Karte anrührst.

Work versprach es und eilte davon wie auf Flügeln. Wandrer und Ellen
blieben zurück. Ellen ergriff in überströmenden Danke mit beiden Händen die
Rechte Wandrers und rief: Wie kauu ich Ihnen jemals genug denken für das,
was Sie an meinem Bruder gethan haben! Und auch an mir, denn ich machte
mir schwere Vorwürfe, daß ich Ihnen mitgeteilt hatte, Dort spiele, und daß Sie
dann den Direktor gewarnt haben könnten.

Aber ich habe ja keinem Menschen ein Wort gesagt, erwiderte Wandrer; es
war anch gar nicht nötig, Wenzel wußte viel besser Bescheid als wir.

Sie wandten sich zum Gehn und schritten stumm nebeneinander her. — Herr
Wandrer, sagte Ellen nach einer Weile, ich weiß, was Sie jetzt denken. Sie deuteln
Es ist aber doch eine große Dummheit, die ich gemacht habe.

Wandrer lachte. Es stimmt, Fräulein Ellen, sagte er, aber ich bin nicht böse
darüber. Als ich Ihrem Herrn Bruder die Kuxe gab, wußte ich, daß es — nach
dem Urteil kluger Leute — eine Dummheit war; es war also eine bewußte Dumm¬
heit. Ich gestehe auch, daß es mir einigermaßen fatal sein würde, wenn Wenzel
etwas von der Sache erführe, und daß ich mich ärgern würde, wenn er mich mit
mitleidigem Hohn ans den Augenwinkeln ansahe. Aber, wissen Sie, Fräulein Ellen,
eine Dummheit zur rechten Zeit ist noch lange nicht das schlechteste, was man
machen kann. Alle unsre Tugenden sind in den Augen des den Nutzen berechnenden
Verstandes Dummheiten. Columbus, als er auszog, den Seeweg nach Indien zu
finden, wußte nicht, was er für eine Dummheit unternahm. Und war doch ein
großer Mann. Ist der nun nicht noch größer, der eine bewußte Dummheit be¬
geht? Nein, im Ernst, Fräulein Ellen. Das, worüber wir uns in unserm Leben
zu freuen haben, sind nicht immer unsre klug überlegten Handlungen, sondern unsre
Dummheiten, ich meine das, was man thut, dem weltklugen Verstand zum Trotz.
Und meinen Sie denn, daß es angeht, jemand gegen seinen Willen aus dem Wasser
zu ziehn und ihn auf dem Lande erfrieren zu lassen? Wenn wir Dort die Pistole
aus der Hand nahmen, mußten wir ihm auch helfen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/237>, abgerufen am 15.05.2024.