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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

dann an, welche Gründe für die Nichtberufuug maßgebend gewesen seien, und
dabei soll auch der Umstand, daß der Beamte in einer Mischehe lebt, eine Rolle
gespielt haben. Neulich wurde ein katholischer Geistlicher in eine Krankenanstalt
zu einem Schwerkranken gerufen. Er verlangte, daß sich die Protestantischen
Krankenschwestern entfernen sollten, später mußte er sich dann entschuldigen; einem
nicht klerikalen Abgeordneten wurde wegen seiner politischen Richtung die Aufnahme
seines Sohnes in ein öffentliches von Klerikern geleitetes Erziehungspensionat ver¬
weigert -- das siud nur einzelne Erscheinungen.

Solche religiöse Unduldsamkeit zeigt sich auch in der Konfcssionsschnüffelei,
die die regierende Partei, das Zentrum, neuerdings im Landtag an den Tag
legt. Dieses Forsche" nach der Konfession der Staatsbeamten begann mit einem
Antrage wegen der Anstellung israelitischer Staatsdienstbewerber im Justizstaats-
dienste, und die Staatsregierung legte darauf eine Statistik über die im Justizstaats-
dieuste angestellten Jsraeliten vor. Man mag über die Anstellung israelitischer Be¬
werber denken, wie man will -- in Bayern nimmt weder die innere Verwaltung noch
die Finnuzverwaltung jüdische Bewerber, uur die Justizverwaltung ist das Aufnahme-
rescrvotr --, jedenfalls haben die jüdischen Staatsdienstbewerber die gesetzliche
Gleichberechtigung für sich. Aber die Vorlage derartiger Statistiker kann Konse¬
quenzen ziehn. Jetzt schon, wird von dem Kultusreferenten in der Abgeordneten¬
kammer die Vorlegung einer Statistik über die Konfession der Universitätslehrer
verlangt, und das Zentrum mochte, wie es scheint, protestantische norddeutsche
Universitätsprofessoren fernhalten. Wie lange wird es dauern, dann verlangt das
Zentrum eine Statistik, wie viel protestantische Richter und Beamte in den katho¬
lischen Provinzen Bayerns, d. h. in Altbayern amtieren. Aber gerade aus den prote-
stantischen Teilen des Landes kommen viele tüchtige Staatsbeamte, und man braucht
kein Lobredner Frankens zu sein, wenn man behauptet, daß dort das geistige Leben
rühriger sei als in einzelnen Teilen Altbaycrns. So viel man hört, soll übrigens
auch jetzt schon in der Verwaltung ein "traquistisches System durchgeführt sein,
und sollen an die Spitze von Bezirksämtern mit überwiegend katholischer Bevölkerung
nur katholische Verwaltungsbeamte gesetzt werden. Ich habe vorhin erwähnt, daß
die herrschende Partei in der bayrische" Abgeordnetenkammer, das Zentrum, die
Neigung hat, in die Exekutive, in die ausschließlichen Rechte der Krone, über¬
zugreifen. Zu diesen .Kronrechten gehört aber meines Erachtens auch die An¬
stellung der Staatsbeamten, auf die eine Partei staatsrechtlich keinen Einfluß üben
kann. Ein xriueixiis obsta, ist hier immer besser als ein Nachgeben, denn bekanntlich
wächst der Appetit beim Speisen, und das Zentrum wird sich uicht mit dem gebotnen
Finger begnügen, sondern die ganze Hand verlangen. Das alles sind konfessionelle
und staatsrechtliche Ein- und Ausblicke, die nicht jedermann erfreuen werden.

Mau wird fragen, warum ich gerade in den Grenzboten diese "Partikulari¬
stischen" Sachen vortrage, aber die Grenzboten sind immer des Reiches getreue
Freunde gewesen. Kurz nach den bayrischen Landtagswahlen im Jahre 1899
erschien im Wiener Vaterland ein wahrscheinlich aus bayrischen Zentrumskreisen
dorthin abgelagerter Artikel, daß Bayern, wie auch der Plan des Zentrums¬
führers Windthorst gewesen sei, die katholische Vormacht in Deutschland sein müsse.
Offiziell haben sich zwar die bayrischen Ultramontanen mit dem Verhältnisse
Bayerns zum Deutschen Reich abgefunden -- Pailleron spricht in seinem Lustspiel
"Die Welt, in der man sich langweilt" von einer angesäuerten Liebe: so möchte
ich die Zuneigung unsrer Ultramontane" zum Deutschen Reiche diagnostizieren; für
die Beziehungen Bayerns zum Deutschen Reiche aber wird es immerhin von Ein¬
fluß sein, wenn das Zentrum unumschränkt in Bayern herrschen wird. Eine
Lösung des staatsrechtlichen Verhältnisses ist selbstverständlich ausgeschlossen, aber
Velleitäten und partikularistische Neigungen können sich zeigen, denn man darf nie
vergessen, daß das Zentrum eine "Söldnertruppe" im Dienste des Vatikans ist,
und dieser liebt das Deutsche Reich nicht.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

dann an, welche Gründe für die Nichtberufuug maßgebend gewesen seien, und
dabei soll auch der Umstand, daß der Beamte in einer Mischehe lebt, eine Rolle
gespielt haben. Neulich wurde ein katholischer Geistlicher in eine Krankenanstalt
zu einem Schwerkranken gerufen. Er verlangte, daß sich die Protestantischen
Krankenschwestern entfernen sollten, später mußte er sich dann entschuldigen; einem
nicht klerikalen Abgeordneten wurde wegen seiner politischen Richtung die Aufnahme
seines Sohnes in ein öffentliches von Klerikern geleitetes Erziehungspensionat ver¬
weigert — das siud nur einzelne Erscheinungen.

Solche religiöse Unduldsamkeit zeigt sich auch in der Konfcssionsschnüffelei,
die die regierende Partei, das Zentrum, neuerdings im Landtag an den Tag
legt. Dieses Forsche» nach der Konfession der Staatsbeamten begann mit einem
Antrage wegen der Anstellung israelitischer Staatsdienstbewerber im Justizstaats-
dienste, und die Staatsregierung legte darauf eine Statistik über die im Justizstaats-
dieuste angestellten Jsraeliten vor. Man mag über die Anstellung israelitischer Be¬
werber denken, wie man will — in Bayern nimmt weder die innere Verwaltung noch
die Finnuzverwaltung jüdische Bewerber, uur die Justizverwaltung ist das Aufnahme-
rescrvotr —, jedenfalls haben die jüdischen Staatsdienstbewerber die gesetzliche
Gleichberechtigung für sich. Aber die Vorlage derartiger Statistiker kann Konse¬
quenzen ziehn. Jetzt schon, wird von dem Kultusreferenten in der Abgeordneten¬
kammer die Vorlegung einer Statistik über die Konfession der Universitätslehrer
verlangt, und das Zentrum mochte, wie es scheint, protestantische norddeutsche
Universitätsprofessoren fernhalten. Wie lange wird es dauern, dann verlangt das
Zentrum eine Statistik, wie viel protestantische Richter und Beamte in den katho¬
lischen Provinzen Bayerns, d. h. in Altbayern amtieren. Aber gerade aus den prote-
stantischen Teilen des Landes kommen viele tüchtige Staatsbeamte, und man braucht
kein Lobredner Frankens zu sein, wenn man behauptet, daß dort das geistige Leben
rühriger sei als in einzelnen Teilen Altbaycrns. So viel man hört, soll übrigens
auch jetzt schon in der Verwaltung ein »traquistisches System durchgeführt sein,
und sollen an die Spitze von Bezirksämtern mit überwiegend katholischer Bevölkerung
nur katholische Verwaltungsbeamte gesetzt werden. Ich habe vorhin erwähnt, daß
die herrschende Partei in der bayrische» Abgeordnetenkammer, das Zentrum, die
Neigung hat, in die Exekutive, in die ausschließlichen Rechte der Krone, über¬
zugreifen. Zu diesen .Kronrechten gehört aber meines Erachtens auch die An¬
stellung der Staatsbeamten, auf die eine Partei staatsrechtlich keinen Einfluß üben
kann. Ein xriueixiis obsta, ist hier immer besser als ein Nachgeben, denn bekanntlich
wächst der Appetit beim Speisen, und das Zentrum wird sich uicht mit dem gebotnen
Finger begnügen, sondern die ganze Hand verlangen. Das alles sind konfessionelle
und staatsrechtliche Ein- und Ausblicke, die nicht jedermann erfreuen werden.

Mau wird fragen, warum ich gerade in den Grenzboten diese „Partikulari¬
stischen" Sachen vortrage, aber die Grenzboten sind immer des Reiches getreue
Freunde gewesen. Kurz nach den bayrischen Landtagswahlen im Jahre 1899
erschien im Wiener Vaterland ein wahrscheinlich aus bayrischen Zentrumskreisen
dorthin abgelagerter Artikel, daß Bayern, wie auch der Plan des Zentrums¬
führers Windthorst gewesen sei, die katholische Vormacht in Deutschland sein müsse.
Offiziell haben sich zwar die bayrischen Ultramontanen mit dem Verhältnisse
Bayerns zum Deutschen Reich abgefunden — Pailleron spricht in seinem Lustspiel
„Die Welt, in der man sich langweilt" von einer angesäuerten Liebe: so möchte
ich die Zuneigung unsrer Ultramontane» zum Deutschen Reiche diagnostizieren; für
die Beziehungen Bayerns zum Deutschen Reiche aber wird es immerhin von Ein¬
fluß sein, wenn das Zentrum unumschränkt in Bayern herrschen wird. Eine
Lösung des staatsrechtlichen Verhältnisses ist selbstverständlich ausgeschlossen, aber
Velleitäten und partikularistische Neigungen können sich zeigen, denn man darf nie
vergessen, daß das Zentrum eine „Söldnertruppe" im Dienste des Vatikans ist,
und dieser liebt das Deutsche Reich nicht.


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[0405] Maßgebliches und Unmaßgebliches dann an, welche Gründe für die Nichtberufuug maßgebend gewesen seien, und dabei soll auch der Umstand, daß der Beamte in einer Mischehe lebt, eine Rolle gespielt haben. Neulich wurde ein katholischer Geistlicher in eine Krankenanstalt zu einem Schwerkranken gerufen. Er verlangte, daß sich die Protestantischen Krankenschwestern entfernen sollten, später mußte er sich dann entschuldigen; einem nicht klerikalen Abgeordneten wurde wegen seiner politischen Richtung die Aufnahme seines Sohnes in ein öffentliches von Klerikern geleitetes Erziehungspensionat ver¬ weigert — das siud nur einzelne Erscheinungen. Solche religiöse Unduldsamkeit zeigt sich auch in der Konfcssionsschnüffelei, die die regierende Partei, das Zentrum, neuerdings im Landtag an den Tag legt. Dieses Forsche» nach der Konfession der Staatsbeamten begann mit einem Antrage wegen der Anstellung israelitischer Staatsdienstbewerber im Justizstaats- dienste, und die Staatsregierung legte darauf eine Statistik über die im Justizstaats- dieuste angestellten Jsraeliten vor. Man mag über die Anstellung israelitischer Be¬ werber denken, wie man will — in Bayern nimmt weder die innere Verwaltung noch die Finnuzverwaltung jüdische Bewerber, uur die Justizverwaltung ist das Aufnahme- rescrvotr —, jedenfalls haben die jüdischen Staatsdienstbewerber die gesetzliche Gleichberechtigung für sich. Aber die Vorlage derartiger Statistiker kann Konse¬ quenzen ziehn. Jetzt schon, wird von dem Kultusreferenten in der Abgeordneten¬ kammer die Vorlegung einer Statistik über die Konfession der Universitätslehrer verlangt, und das Zentrum mochte, wie es scheint, protestantische norddeutsche Universitätsprofessoren fernhalten. Wie lange wird es dauern, dann verlangt das Zentrum eine Statistik, wie viel protestantische Richter und Beamte in den katho¬ lischen Provinzen Bayerns, d. h. in Altbayern amtieren. Aber gerade aus den prote- stantischen Teilen des Landes kommen viele tüchtige Staatsbeamte, und man braucht kein Lobredner Frankens zu sein, wenn man behauptet, daß dort das geistige Leben rühriger sei als in einzelnen Teilen Altbaycrns. So viel man hört, soll übrigens auch jetzt schon in der Verwaltung ein »traquistisches System durchgeführt sein, und sollen an die Spitze von Bezirksämtern mit überwiegend katholischer Bevölkerung nur katholische Verwaltungsbeamte gesetzt werden. Ich habe vorhin erwähnt, daß die herrschende Partei in der bayrische» Abgeordnetenkammer, das Zentrum, die Neigung hat, in die Exekutive, in die ausschließlichen Rechte der Krone, über¬ zugreifen. Zu diesen .Kronrechten gehört aber meines Erachtens auch die An¬ stellung der Staatsbeamten, auf die eine Partei staatsrechtlich keinen Einfluß üben kann. Ein xriueixiis obsta, ist hier immer besser als ein Nachgeben, denn bekanntlich wächst der Appetit beim Speisen, und das Zentrum wird sich uicht mit dem gebotnen Finger begnügen, sondern die ganze Hand verlangen. Das alles sind konfessionelle und staatsrechtliche Ein- und Ausblicke, die nicht jedermann erfreuen werden. Mau wird fragen, warum ich gerade in den Grenzboten diese „Partikulari¬ stischen" Sachen vortrage, aber die Grenzboten sind immer des Reiches getreue Freunde gewesen. Kurz nach den bayrischen Landtagswahlen im Jahre 1899 erschien im Wiener Vaterland ein wahrscheinlich aus bayrischen Zentrumskreisen dorthin abgelagerter Artikel, daß Bayern, wie auch der Plan des Zentrums¬ führers Windthorst gewesen sei, die katholische Vormacht in Deutschland sein müsse. Offiziell haben sich zwar die bayrischen Ultramontanen mit dem Verhältnisse Bayerns zum Deutschen Reich abgefunden — Pailleron spricht in seinem Lustspiel „Die Welt, in der man sich langweilt" von einer angesäuerten Liebe: so möchte ich die Zuneigung unsrer Ultramontane» zum Deutschen Reiche diagnostizieren; für die Beziehungen Bayerns zum Deutschen Reiche aber wird es immerhin von Ein¬ fluß sein, wenn das Zentrum unumschränkt in Bayern herrschen wird. Eine Lösung des staatsrechtlichen Verhältnisses ist selbstverständlich ausgeschlossen, aber Velleitäten und partikularistische Neigungen können sich zeigen, denn man darf nie vergessen, daß das Zentrum eine „Söldnertruppe" im Dienste des Vatikans ist, und dieser liebt das Deutsche Reich nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/405>, abgerufen am 15.05.2024.