Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Doktor Duttmüller u"d sein Freund

Wagen und einen hinter dem Wagen, Von dem landrätlichen Wagen aus war
um allerdings nichts besonders Bedrohliches zu bemerken. Der Herr Landrnt stieg
bei dem Herrn Oberstleutnant ab, küßte der gnädigen Frau die Hand und ver¬
sicherte ihr, daß für sie und den Fronhof absolut nichts zu befürchten sei. Die
gnädige Frau war aber doch sehr besorgt über Ellen, die noch immer in Heinrichs¬
hall war, über den Doktor Dnttmüller, dessen Beruf thu zwang, mit "diesen Leuten"
zu Verkehren, und ihre Melonen, die bei einem Aufruhr leicht zertreten werden
konnten. Und es sei ja schrecklich, daß man ohne Begleitung nicht einmal die Dorf¬
straße hinauf gehn könne. Ob es nicht möglich sei, eine Kompagnie Soldaten nach
Holzweißig zu legen. Das war nun freilich nicht möglich, aber der Herr Landrat
versprach, wenn es wirklich zu Ruhestörungen kommen sollte, einen Zug Husaren zu
senden. Der Herr Oberstleutnant möchte nur telegraphieren.

Auf dem Werke sah es überaus kriegerisch aus. Drillhose hatte den Mnsik-
dirigeutenstab niedergelegt und war Kriegsminister geworden, ja der Archimedes
des Werkes, der erfinderischen Geistes Verteidigungsbanten anlegte und Verteidigungs¬
maschinen ersann. Er hatte den Gewehrschrank des Direktors geplündert und alles
zusammengebracht, was an Knall- und Hauinstrumenten im Werke zu finden war.
Es war nicht gerade viel. Darauf machte er, von einigen Bergleuten begleitet, bei
Nacht und Nebel eine Expedition zum Försterhause und brachte von dort eine alte
riesige Scheibenbüchse, eine Reiterpistole und ein Jagdgewehr mit, das ganz schön
war, aber ebensoviel Feuer nach hinten wie nach vorn gab. Diese Gewehre wurden
unter die zuverlässigsten Leute in der Belegschaft verteilt. Die andern wurden
mit Brechstangen, Hämmern und Lanzen, deren Spitzen Drillhose eigenhändig
geschmiedet hatte, bewaffnet. Pulver und Blei gab es im Werke genug, woraus
Drillhose einen Überfluß von Patronen verfertigte. Damit noch nicht zufrieden,
baute er aus Snrdinenbüchsen, die er mit Draht umwickelte und mit Pulver und
Steinen füllte, Haudgranaten. -- Nehmen Sie sich nur in acht, sagte Wandrer,
daß Ihre Knallerbsen Ihnen nicht selber an den Kopf fliegen. -- Aber das
Meisterstück Drillhvses, auf das er sehr stolz war, war eine Wallbüchse, die er aus
einem Stück Stahlrohr und des jungen Wenzels Armbrust gebaut hatte. Diese
Wallbüchse hatte zwar kein Schloß, sondern mußte mit der Lunte abgebrannt werden,
auch war damit schwerlich viel zu treffen, aber man konnte mit Bestimmtheit an¬
nehmen, daß das Ding gewaltig knallen und somit einen großen moralischen Ein¬
druck machen werde.

Inzwischen verging ein Tag wie der andre. Täglich kam der Gendarm
Krntzenstein, band sein Pferd an die Barriere und setzte sich in der Kantine nieder,
uni sein drittes Frühstück in Empfang zu nehmen; täglich erschien Stüwel, der
Briefbote, um amtlich seine Briefschaften, nußermntlich allerlei Mordgeschichten ans
Holzweißig und Siebendorf auszukramen. Täglich stellte sich Rosa, eskortiert von
ihrem Bergmann ein, um sich nach Ellen zu erkundigen, Wandrer hatte schwere
Tage. Er kam Tag und Nacht nicht zur Ruhe, er hatte das Geschäft weiter zu
führen, die Kunden, die auf ihr Kali warten mußten, zu vertrösten und die Gesell¬
schaft, die täglich neue Besorgnisse hegte, zu beruhigen, die Arbeit, soweit von ihr
die Rede sein konnte, im Gange zu erhalten, für alles und jedes zu sorgen, den
Direktor zu besuchen, Lydia zu trösten und mit Ellen zu plaudern -- nicht doch!
nicht zu plaudern, sondern mit ihr über die Führung der Geschäfte zu ver¬
handeln.

Es War am denkwürdigen achten September, als die zur Arbeit kommenden
Hausbesitzer aus Holzweißig die Nachricht mitbrachten, heute solle das Werk gestürmt
werden. In ganz Holzweißig sei es bekannt, und gestern abend sei es beschlossen
worden. Ju der That war am Abend vorher eine Arbeiterversammlung gewesen,
und es war zu ernsten Differenzen gekommen. Die Arbeiter waren unzufrieden,
weil die Streikgelder nur in ungenügenden Summen einkamen und sehr unregel¬
mäßig verteilt wurden. Wenn das so weitergehe, so wurde dem Ausschüsse vor-


Doktor Duttmüller u»d sein Freund

Wagen und einen hinter dem Wagen, Von dem landrätlichen Wagen aus war
um allerdings nichts besonders Bedrohliches zu bemerken. Der Herr Landrnt stieg
bei dem Herrn Oberstleutnant ab, küßte der gnädigen Frau die Hand und ver¬
sicherte ihr, daß für sie und den Fronhof absolut nichts zu befürchten sei. Die
gnädige Frau war aber doch sehr besorgt über Ellen, die noch immer in Heinrichs¬
hall war, über den Doktor Dnttmüller, dessen Beruf thu zwang, mit „diesen Leuten"
zu Verkehren, und ihre Melonen, die bei einem Aufruhr leicht zertreten werden
konnten. Und es sei ja schrecklich, daß man ohne Begleitung nicht einmal die Dorf¬
straße hinauf gehn könne. Ob es nicht möglich sei, eine Kompagnie Soldaten nach
Holzweißig zu legen. Das war nun freilich nicht möglich, aber der Herr Landrat
versprach, wenn es wirklich zu Ruhestörungen kommen sollte, einen Zug Husaren zu
senden. Der Herr Oberstleutnant möchte nur telegraphieren.

Auf dem Werke sah es überaus kriegerisch aus. Drillhose hatte den Mnsik-
dirigeutenstab niedergelegt und war Kriegsminister geworden, ja der Archimedes
des Werkes, der erfinderischen Geistes Verteidigungsbanten anlegte und Verteidigungs¬
maschinen ersann. Er hatte den Gewehrschrank des Direktors geplündert und alles
zusammengebracht, was an Knall- und Hauinstrumenten im Werke zu finden war.
Es war nicht gerade viel. Darauf machte er, von einigen Bergleuten begleitet, bei
Nacht und Nebel eine Expedition zum Försterhause und brachte von dort eine alte
riesige Scheibenbüchse, eine Reiterpistole und ein Jagdgewehr mit, das ganz schön
war, aber ebensoviel Feuer nach hinten wie nach vorn gab. Diese Gewehre wurden
unter die zuverlässigsten Leute in der Belegschaft verteilt. Die andern wurden
mit Brechstangen, Hämmern und Lanzen, deren Spitzen Drillhose eigenhändig
geschmiedet hatte, bewaffnet. Pulver und Blei gab es im Werke genug, woraus
Drillhose einen Überfluß von Patronen verfertigte. Damit noch nicht zufrieden,
baute er aus Snrdinenbüchsen, die er mit Draht umwickelte und mit Pulver und
Steinen füllte, Haudgranaten. — Nehmen Sie sich nur in acht, sagte Wandrer,
daß Ihre Knallerbsen Ihnen nicht selber an den Kopf fliegen. — Aber das
Meisterstück Drillhvses, auf das er sehr stolz war, war eine Wallbüchse, die er aus
einem Stück Stahlrohr und des jungen Wenzels Armbrust gebaut hatte. Diese
Wallbüchse hatte zwar kein Schloß, sondern mußte mit der Lunte abgebrannt werden,
auch war damit schwerlich viel zu treffen, aber man konnte mit Bestimmtheit an¬
nehmen, daß das Ding gewaltig knallen und somit einen großen moralischen Ein¬
druck machen werde.

Inzwischen verging ein Tag wie der andre. Täglich kam der Gendarm
Krntzenstein, band sein Pferd an die Barriere und setzte sich in der Kantine nieder,
uni sein drittes Frühstück in Empfang zu nehmen; täglich erschien Stüwel, der
Briefbote, um amtlich seine Briefschaften, nußermntlich allerlei Mordgeschichten ans
Holzweißig und Siebendorf auszukramen. Täglich stellte sich Rosa, eskortiert von
ihrem Bergmann ein, um sich nach Ellen zu erkundigen, Wandrer hatte schwere
Tage. Er kam Tag und Nacht nicht zur Ruhe, er hatte das Geschäft weiter zu
führen, die Kunden, die auf ihr Kali warten mußten, zu vertrösten und die Gesell¬
schaft, die täglich neue Besorgnisse hegte, zu beruhigen, die Arbeit, soweit von ihr
die Rede sein konnte, im Gange zu erhalten, für alles und jedes zu sorgen, den
Direktor zu besuchen, Lydia zu trösten und mit Ellen zu plaudern — nicht doch!
nicht zu plaudern, sondern mit ihr über die Führung der Geschäfte zu ver¬
handeln.

Es War am denkwürdigen achten September, als die zur Arbeit kommenden
Hausbesitzer aus Holzweißig die Nachricht mitbrachten, heute solle das Werk gestürmt
werden. In ganz Holzweißig sei es bekannt, und gestern abend sei es beschlossen
worden. Ju der That war am Abend vorher eine Arbeiterversammlung gewesen,
und es war zu ernsten Differenzen gekommen. Die Arbeiter waren unzufrieden,
weil die Streikgelder nur in ungenügenden Summen einkamen und sehr unregel¬
mäßig verteilt wurden. Wenn das so weitergehe, so wurde dem Ausschüsse vor-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0562" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237848"/>
          <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller u»d sein Freund</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2824" prev="#ID_2823"> Wagen und einen hinter dem Wagen, Von dem landrätlichen Wagen aus war<lb/>
um allerdings nichts besonders Bedrohliches zu bemerken. Der Herr Landrnt stieg<lb/>
bei dem Herrn Oberstleutnant ab, küßte der gnädigen Frau die Hand und ver¬<lb/>
sicherte ihr, daß für sie und den Fronhof absolut nichts zu befürchten sei. Die<lb/>
gnädige Frau war aber doch sehr besorgt über Ellen, die noch immer in Heinrichs¬<lb/>
hall war, über den Doktor Dnttmüller, dessen Beruf thu zwang, mit &#x201E;diesen Leuten"<lb/>
zu Verkehren, und ihre Melonen, die bei einem Aufruhr leicht zertreten werden<lb/>
konnten. Und es sei ja schrecklich, daß man ohne Begleitung nicht einmal die Dorf¬<lb/>
straße hinauf gehn könne. Ob es nicht möglich sei, eine Kompagnie Soldaten nach<lb/>
Holzweißig zu legen. Das war nun freilich nicht möglich, aber der Herr Landrat<lb/>
versprach, wenn es wirklich zu Ruhestörungen kommen sollte, einen Zug Husaren zu<lb/>
senden. Der Herr Oberstleutnant möchte nur telegraphieren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2825"> Auf dem Werke sah es überaus kriegerisch aus. Drillhose hatte den Mnsik-<lb/>
dirigeutenstab niedergelegt und war Kriegsminister geworden, ja der Archimedes<lb/>
des Werkes, der erfinderischen Geistes Verteidigungsbanten anlegte und Verteidigungs¬<lb/>
maschinen ersann. Er hatte den Gewehrschrank des Direktors geplündert und alles<lb/>
zusammengebracht, was an Knall- und Hauinstrumenten im Werke zu finden war.<lb/>
Es war nicht gerade viel. Darauf machte er, von einigen Bergleuten begleitet, bei<lb/>
Nacht und Nebel eine Expedition zum Försterhause und brachte von dort eine alte<lb/>
riesige Scheibenbüchse, eine Reiterpistole und ein Jagdgewehr mit, das ganz schön<lb/>
war, aber ebensoviel Feuer nach hinten wie nach vorn gab. Diese Gewehre wurden<lb/>
unter die zuverlässigsten Leute in der Belegschaft verteilt. Die andern wurden<lb/>
mit Brechstangen, Hämmern und Lanzen, deren Spitzen Drillhose eigenhändig<lb/>
geschmiedet hatte, bewaffnet. Pulver und Blei gab es im Werke genug, woraus<lb/>
Drillhose einen Überfluß von Patronen verfertigte. Damit noch nicht zufrieden,<lb/>
baute er aus Snrdinenbüchsen, die er mit Draht umwickelte und mit Pulver und<lb/>
Steinen füllte, Haudgranaten. &#x2014; Nehmen Sie sich nur in acht, sagte Wandrer,<lb/>
daß Ihre Knallerbsen Ihnen nicht selber an den Kopf fliegen. &#x2014; Aber das<lb/>
Meisterstück Drillhvses, auf das er sehr stolz war, war eine Wallbüchse, die er aus<lb/>
einem Stück Stahlrohr und des jungen Wenzels Armbrust gebaut hatte. Diese<lb/>
Wallbüchse hatte zwar kein Schloß, sondern mußte mit der Lunte abgebrannt werden,<lb/>
auch war damit schwerlich viel zu treffen, aber man konnte mit Bestimmtheit an¬<lb/>
nehmen, daß das Ding gewaltig knallen und somit einen großen moralischen Ein¬<lb/>
druck machen werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2826"> Inzwischen verging ein Tag wie der andre. Täglich kam der Gendarm<lb/>
Krntzenstein, band sein Pferd an die Barriere und setzte sich in der Kantine nieder,<lb/>
uni sein drittes Frühstück in Empfang zu nehmen; täglich erschien Stüwel, der<lb/>
Briefbote, um amtlich seine Briefschaften, nußermntlich allerlei Mordgeschichten ans<lb/>
Holzweißig und Siebendorf auszukramen. Täglich stellte sich Rosa, eskortiert von<lb/>
ihrem Bergmann ein, um sich nach Ellen zu erkundigen, Wandrer hatte schwere<lb/>
Tage. Er kam Tag und Nacht nicht zur Ruhe, er hatte das Geschäft weiter zu<lb/>
führen, die Kunden, die auf ihr Kali warten mußten, zu vertrösten und die Gesell¬<lb/>
schaft, die täglich neue Besorgnisse hegte, zu beruhigen, die Arbeit, soweit von ihr<lb/>
die Rede sein konnte, im Gange zu erhalten, für alles und jedes zu sorgen, den<lb/>
Direktor zu besuchen, Lydia zu trösten und mit Ellen zu plaudern &#x2014; nicht doch!<lb/>
nicht zu plaudern, sondern mit ihr über die Führung der Geschäfte zu ver¬<lb/>
handeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2827" next="#ID_2828"> Es War am denkwürdigen achten September, als die zur Arbeit kommenden<lb/>
Hausbesitzer aus Holzweißig die Nachricht mitbrachten, heute solle das Werk gestürmt<lb/>
werden. In ganz Holzweißig sei es bekannt, und gestern abend sei es beschlossen<lb/>
worden. Ju der That war am Abend vorher eine Arbeiterversammlung gewesen,<lb/>
und es war zu ernsten Differenzen gekommen. Die Arbeiter waren unzufrieden,<lb/>
weil die Streikgelder nur in ungenügenden Summen einkamen und sehr unregel¬<lb/>
mäßig verteilt wurden.  Wenn das so weitergehe, so wurde dem Ausschüsse vor-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0562] Doktor Duttmüller u»d sein Freund Wagen und einen hinter dem Wagen, Von dem landrätlichen Wagen aus war um allerdings nichts besonders Bedrohliches zu bemerken. Der Herr Landrnt stieg bei dem Herrn Oberstleutnant ab, küßte der gnädigen Frau die Hand und ver¬ sicherte ihr, daß für sie und den Fronhof absolut nichts zu befürchten sei. Die gnädige Frau war aber doch sehr besorgt über Ellen, die noch immer in Heinrichs¬ hall war, über den Doktor Dnttmüller, dessen Beruf thu zwang, mit „diesen Leuten" zu Verkehren, und ihre Melonen, die bei einem Aufruhr leicht zertreten werden konnten. Und es sei ja schrecklich, daß man ohne Begleitung nicht einmal die Dorf¬ straße hinauf gehn könne. Ob es nicht möglich sei, eine Kompagnie Soldaten nach Holzweißig zu legen. Das war nun freilich nicht möglich, aber der Herr Landrat versprach, wenn es wirklich zu Ruhestörungen kommen sollte, einen Zug Husaren zu senden. Der Herr Oberstleutnant möchte nur telegraphieren. Auf dem Werke sah es überaus kriegerisch aus. Drillhose hatte den Mnsik- dirigeutenstab niedergelegt und war Kriegsminister geworden, ja der Archimedes des Werkes, der erfinderischen Geistes Verteidigungsbanten anlegte und Verteidigungs¬ maschinen ersann. Er hatte den Gewehrschrank des Direktors geplündert und alles zusammengebracht, was an Knall- und Hauinstrumenten im Werke zu finden war. Es war nicht gerade viel. Darauf machte er, von einigen Bergleuten begleitet, bei Nacht und Nebel eine Expedition zum Försterhause und brachte von dort eine alte riesige Scheibenbüchse, eine Reiterpistole und ein Jagdgewehr mit, das ganz schön war, aber ebensoviel Feuer nach hinten wie nach vorn gab. Diese Gewehre wurden unter die zuverlässigsten Leute in der Belegschaft verteilt. Die andern wurden mit Brechstangen, Hämmern und Lanzen, deren Spitzen Drillhose eigenhändig geschmiedet hatte, bewaffnet. Pulver und Blei gab es im Werke genug, woraus Drillhose einen Überfluß von Patronen verfertigte. Damit noch nicht zufrieden, baute er aus Snrdinenbüchsen, die er mit Draht umwickelte und mit Pulver und Steinen füllte, Haudgranaten. — Nehmen Sie sich nur in acht, sagte Wandrer, daß Ihre Knallerbsen Ihnen nicht selber an den Kopf fliegen. — Aber das Meisterstück Drillhvses, auf das er sehr stolz war, war eine Wallbüchse, die er aus einem Stück Stahlrohr und des jungen Wenzels Armbrust gebaut hatte. Diese Wallbüchse hatte zwar kein Schloß, sondern mußte mit der Lunte abgebrannt werden, auch war damit schwerlich viel zu treffen, aber man konnte mit Bestimmtheit an¬ nehmen, daß das Ding gewaltig knallen und somit einen großen moralischen Ein¬ druck machen werde. Inzwischen verging ein Tag wie der andre. Täglich kam der Gendarm Krntzenstein, band sein Pferd an die Barriere und setzte sich in der Kantine nieder, uni sein drittes Frühstück in Empfang zu nehmen; täglich erschien Stüwel, der Briefbote, um amtlich seine Briefschaften, nußermntlich allerlei Mordgeschichten ans Holzweißig und Siebendorf auszukramen. Täglich stellte sich Rosa, eskortiert von ihrem Bergmann ein, um sich nach Ellen zu erkundigen, Wandrer hatte schwere Tage. Er kam Tag und Nacht nicht zur Ruhe, er hatte das Geschäft weiter zu führen, die Kunden, die auf ihr Kali warten mußten, zu vertrösten und die Gesell¬ schaft, die täglich neue Besorgnisse hegte, zu beruhigen, die Arbeit, soweit von ihr die Rede sein konnte, im Gange zu erhalten, für alles und jedes zu sorgen, den Direktor zu besuchen, Lydia zu trösten und mit Ellen zu plaudern — nicht doch! nicht zu plaudern, sondern mit ihr über die Führung der Geschäfte zu ver¬ handeln. Es War am denkwürdigen achten September, als die zur Arbeit kommenden Hausbesitzer aus Holzweißig die Nachricht mitbrachten, heute solle das Werk gestürmt werden. In ganz Holzweißig sei es bekannt, und gestern abend sei es beschlossen worden. Ju der That war am Abend vorher eine Arbeiterversammlung gewesen, und es war zu ernsten Differenzen gekommen. Die Arbeiter waren unzufrieden, weil die Streikgelder nur in ungenügenden Summen einkamen und sehr unregel¬ mäßig verteilt wurden. Wenn das so weitergehe, so wurde dem Ausschüsse vor-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/562
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/562>, abgerufen am 31.05.2024.