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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vom neunten internationalen Kongreß gegen den Alkoholismus
in Bremen am 14. bis 19. April 1963. Veranstaltungen und Unternehmungen
gegen den Alkohol sind unpopulär. Ju Prosa und in Poesie ist man gegen die
"Bremer Übertreibungen" zu Felde gezogen.

Es gehört heute sicher noch ein Quantum persönlichen Muth dazu, sich zur
Zahl der Alkoholgegner zu bekennen. Die manchenorts beklagten "Übertreibungen"
wären nicht vorgekommen, wenn man nicht glaubte, gerade durch eine grelle Be¬
leuchtung der Verhältnisse die Aufmerksamkeit auf das so überaus schwer zu be¬
kämpfende und mannigfach komplizierte Übel des Alkoholismus zu lenken. Es handelt
sich beim Alkoholismus um eine die Volkskraft in ihren Wurzeln bedrohende Er¬
scheinung. Eine immer wichtigere Rolle spielen hygienische Forderungen, seitdem
man in wachsendem Maße die Abhängigkeitsbedingungen der im Staats- und
Wirtschaftsleben tätigen Menschen von ihrer Gesundheit, ihrem gesamten physischen
und psychischen Zustand aufdeckt.

Diese Abhängigkeit tritt heute auch in ganz andrer Weise hervor, als jemals
in frühern Zeiten, denn unser Leben stellt, wie Graf Posadowsky in der Er¬
öffnungsrede des Kongresses richtig bemerkt hat, an die Genauigkeit und Pünkt¬
lichkeit, an die Dauer und Intensität unsrer Leistungen ganz andre Anforderungen
als frühere Zeiten. Während sich unser Leben heute vorwiegend im Treiben der
großen Städte und in ungesunder Stubenluft abspielt, ist es einseitiger geworden
und nutzt mehr die geistigen als die physischen Kräfte ab. Professor Forel wies in
seinem Referat "Der Mensch und die Narkose" gerade auf diese erhöhte Anstrengung
des Gehirns beim heutigen Menschen hin. Andrerseits kann es nicht geleugnet
werden, daß unsre Anregungen namentlich durch die Kunst verfeinerter und mannig¬
facher, durch den Sport gesunder, durch die zahlreich sich ergebenden geistigen Inter¬
essen vielseitiger geworden sind. Besonders dankenswert war in Anknüpfung an
diesen Gedanken der vorzügliche Vortrag vou Professor Behrens (Düsseldorf) über
Alkohol und Kunst. Man kann mit Recht sagen, daß während heute einerseits
der Alkoholgenuß schädigender, er andrerseits entbehrlicher geworden ist. Professor
Bergmann (Stockholm) suchte in einer historischen Skizze nachzuweisen, daß früher
das Trinken nicht so weit verbreitet und regelmäßig war wie heute, da die Pro¬
duktionsmethode und der Verkehr in Verbindung mit der Reklame sehr viel mehr
Trinkgelegenheit schaffen. Das trifft ganz besonders für die Bierproduktiou zu. Der
Präsident des Kongresses, Jrrenanstaltsdirektor Dr. Delbrück, wies an einer ein¬
gehenden Statistik nach, daß gerade der Konsum des Biers, dessen Fabrikation
mehr technische Fortschritte gemacht hat als die Brauutwcinerzeuguug, i" allen
Ländern steigt, während der des Branntweins, sofern er nicht zunimmt, zumeist
stationär geblieben ist. Bloß in den skandinavischen Ländern ist dank einer Mono¬
polisierung des Branntweinhandels durch die Ls-als^s (gemeinnützige Gesellschaften),
das bekannte "Gotenburger System," der Branntweinverbrauch stark zurückgegangen.
Trotzdem hat der Branntwein mit einer hohen Zahl am gesamten Alkoholkonsum
Anteil; doch ist es bezeichnend, daß gerade die Länder, wo vorzugsweise Bier und
Wein genossen werden, wie Bayern und Frankreich, trotz des geringern Anteils, den
der Branntweinverbrauch einnimmt, einen weitaus höhern Alkoholkonsum für den
Kopf der Bevölkerung ausweisen, als die Staaten mit verhältnismäßig hohem
Branntweingenuß.

Dr. Keferstein (Göttingen) wies auf die Schädlichkeit des Biers hin, von
dem zur Erreichung der gewünschten Narkose größere Mengen genossen werden,
wobei zu der gewöhnlichen Alkoholschädiguug noch die nachteilige Aufnahme großer
Flüssigkeitsmengen, sowie die andrer schädlicher Bestandteile des Biers (Lupuliu)
treten. In einem Teile Böhmens erkrankt eine ebenso große Anzahl Menschen
an Säuferwahnsinn durch das Biertrinken wie durch den Branntweingenuß, und
in eiuer Trinkerheilanstalt Norddeutschlands zählte der Referent von 149 behan¬
delten Kranken 41, die durch Schnaps, 30, die durch Wem, und 78, also mehr als


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vom neunten internationalen Kongreß gegen den Alkoholismus
in Bremen am 14. bis 19. April 1963. Veranstaltungen und Unternehmungen
gegen den Alkohol sind unpopulär. Ju Prosa und in Poesie ist man gegen die
„Bremer Übertreibungen" zu Felde gezogen.

Es gehört heute sicher noch ein Quantum persönlichen Muth dazu, sich zur
Zahl der Alkoholgegner zu bekennen. Die manchenorts beklagten „Übertreibungen"
wären nicht vorgekommen, wenn man nicht glaubte, gerade durch eine grelle Be¬
leuchtung der Verhältnisse die Aufmerksamkeit auf das so überaus schwer zu be¬
kämpfende und mannigfach komplizierte Übel des Alkoholismus zu lenken. Es handelt
sich beim Alkoholismus um eine die Volkskraft in ihren Wurzeln bedrohende Er¬
scheinung. Eine immer wichtigere Rolle spielen hygienische Forderungen, seitdem
man in wachsendem Maße die Abhängigkeitsbedingungen der im Staats- und
Wirtschaftsleben tätigen Menschen von ihrer Gesundheit, ihrem gesamten physischen
und psychischen Zustand aufdeckt.

Diese Abhängigkeit tritt heute auch in ganz andrer Weise hervor, als jemals
in frühern Zeiten, denn unser Leben stellt, wie Graf Posadowsky in der Er¬
öffnungsrede des Kongresses richtig bemerkt hat, an die Genauigkeit und Pünkt¬
lichkeit, an die Dauer und Intensität unsrer Leistungen ganz andre Anforderungen
als frühere Zeiten. Während sich unser Leben heute vorwiegend im Treiben der
großen Städte und in ungesunder Stubenluft abspielt, ist es einseitiger geworden
und nutzt mehr die geistigen als die physischen Kräfte ab. Professor Forel wies in
seinem Referat „Der Mensch und die Narkose" gerade auf diese erhöhte Anstrengung
des Gehirns beim heutigen Menschen hin. Andrerseits kann es nicht geleugnet
werden, daß unsre Anregungen namentlich durch die Kunst verfeinerter und mannig¬
facher, durch den Sport gesunder, durch die zahlreich sich ergebenden geistigen Inter¬
essen vielseitiger geworden sind. Besonders dankenswert war in Anknüpfung an
diesen Gedanken der vorzügliche Vortrag vou Professor Behrens (Düsseldorf) über
Alkohol und Kunst. Man kann mit Recht sagen, daß während heute einerseits
der Alkoholgenuß schädigender, er andrerseits entbehrlicher geworden ist. Professor
Bergmann (Stockholm) suchte in einer historischen Skizze nachzuweisen, daß früher
das Trinken nicht so weit verbreitet und regelmäßig war wie heute, da die Pro¬
duktionsmethode und der Verkehr in Verbindung mit der Reklame sehr viel mehr
Trinkgelegenheit schaffen. Das trifft ganz besonders für die Bierproduktiou zu. Der
Präsident des Kongresses, Jrrenanstaltsdirektor Dr. Delbrück, wies an einer ein¬
gehenden Statistik nach, daß gerade der Konsum des Biers, dessen Fabrikation
mehr technische Fortschritte gemacht hat als die Brauutwcinerzeuguug, i« allen
Ländern steigt, während der des Branntweins, sofern er nicht zunimmt, zumeist
stationär geblieben ist. Bloß in den skandinavischen Ländern ist dank einer Mono¬
polisierung des Branntweinhandels durch die Ls-als^s (gemeinnützige Gesellschaften),
das bekannte „Gotenburger System," der Branntweinverbrauch stark zurückgegangen.
Trotzdem hat der Branntwein mit einer hohen Zahl am gesamten Alkoholkonsum
Anteil; doch ist es bezeichnend, daß gerade die Länder, wo vorzugsweise Bier und
Wein genossen werden, wie Bayern und Frankreich, trotz des geringern Anteils, den
der Branntweinverbrauch einnimmt, einen weitaus höhern Alkoholkonsum für den
Kopf der Bevölkerung ausweisen, als die Staaten mit verhältnismäßig hohem
Branntweingenuß.

Dr. Keferstein (Göttingen) wies auf die Schädlichkeit des Biers hin, von
dem zur Erreichung der gewünschten Narkose größere Mengen genossen werden,
wobei zu der gewöhnlichen Alkoholschädiguug noch die nachteilige Aufnahme großer
Flüssigkeitsmengen, sowie die andrer schädlicher Bestandteile des Biers (Lupuliu)
treten. In einem Teile Böhmens erkrankt eine ebenso große Anzahl Menschen
an Säuferwahnsinn durch das Biertrinken wie durch den Branntweingenuß, und
in eiuer Trinkerheilanstalt Norddeutschlands zählte der Referent von 149 behan¬
delten Kranken 41, die durch Schnaps, 30, die durch Wem, und 78, also mehr als


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[0690] Maßgebliches und Unmaßgebliches Vom neunten internationalen Kongreß gegen den Alkoholismus in Bremen am 14. bis 19. April 1963. Veranstaltungen und Unternehmungen gegen den Alkohol sind unpopulär. Ju Prosa und in Poesie ist man gegen die „Bremer Übertreibungen" zu Felde gezogen. Es gehört heute sicher noch ein Quantum persönlichen Muth dazu, sich zur Zahl der Alkoholgegner zu bekennen. Die manchenorts beklagten „Übertreibungen" wären nicht vorgekommen, wenn man nicht glaubte, gerade durch eine grelle Be¬ leuchtung der Verhältnisse die Aufmerksamkeit auf das so überaus schwer zu be¬ kämpfende und mannigfach komplizierte Übel des Alkoholismus zu lenken. Es handelt sich beim Alkoholismus um eine die Volkskraft in ihren Wurzeln bedrohende Er¬ scheinung. Eine immer wichtigere Rolle spielen hygienische Forderungen, seitdem man in wachsendem Maße die Abhängigkeitsbedingungen der im Staats- und Wirtschaftsleben tätigen Menschen von ihrer Gesundheit, ihrem gesamten physischen und psychischen Zustand aufdeckt. Diese Abhängigkeit tritt heute auch in ganz andrer Weise hervor, als jemals in frühern Zeiten, denn unser Leben stellt, wie Graf Posadowsky in der Er¬ öffnungsrede des Kongresses richtig bemerkt hat, an die Genauigkeit und Pünkt¬ lichkeit, an die Dauer und Intensität unsrer Leistungen ganz andre Anforderungen als frühere Zeiten. Während sich unser Leben heute vorwiegend im Treiben der großen Städte und in ungesunder Stubenluft abspielt, ist es einseitiger geworden und nutzt mehr die geistigen als die physischen Kräfte ab. Professor Forel wies in seinem Referat „Der Mensch und die Narkose" gerade auf diese erhöhte Anstrengung des Gehirns beim heutigen Menschen hin. Andrerseits kann es nicht geleugnet werden, daß unsre Anregungen namentlich durch die Kunst verfeinerter und mannig¬ facher, durch den Sport gesunder, durch die zahlreich sich ergebenden geistigen Inter¬ essen vielseitiger geworden sind. Besonders dankenswert war in Anknüpfung an diesen Gedanken der vorzügliche Vortrag vou Professor Behrens (Düsseldorf) über Alkohol und Kunst. Man kann mit Recht sagen, daß während heute einerseits der Alkoholgenuß schädigender, er andrerseits entbehrlicher geworden ist. Professor Bergmann (Stockholm) suchte in einer historischen Skizze nachzuweisen, daß früher das Trinken nicht so weit verbreitet und regelmäßig war wie heute, da die Pro¬ duktionsmethode und der Verkehr in Verbindung mit der Reklame sehr viel mehr Trinkgelegenheit schaffen. Das trifft ganz besonders für die Bierproduktiou zu. Der Präsident des Kongresses, Jrrenanstaltsdirektor Dr. Delbrück, wies an einer ein¬ gehenden Statistik nach, daß gerade der Konsum des Biers, dessen Fabrikation mehr technische Fortschritte gemacht hat als die Brauutwcinerzeuguug, i« allen Ländern steigt, während der des Branntweins, sofern er nicht zunimmt, zumeist stationär geblieben ist. Bloß in den skandinavischen Ländern ist dank einer Mono¬ polisierung des Branntweinhandels durch die Ls-als^s (gemeinnützige Gesellschaften), das bekannte „Gotenburger System," der Branntweinverbrauch stark zurückgegangen. Trotzdem hat der Branntwein mit einer hohen Zahl am gesamten Alkoholkonsum Anteil; doch ist es bezeichnend, daß gerade die Länder, wo vorzugsweise Bier und Wein genossen werden, wie Bayern und Frankreich, trotz des geringern Anteils, den der Branntweinverbrauch einnimmt, einen weitaus höhern Alkoholkonsum für den Kopf der Bevölkerung ausweisen, als die Staaten mit verhältnismäßig hohem Branntweingenuß. Dr. Keferstein (Göttingen) wies auf die Schädlichkeit des Biers hin, von dem zur Erreichung der gewünschten Narkose größere Mengen genossen werden, wobei zu der gewöhnlichen Alkoholschädiguug noch die nachteilige Aufnahme großer Flüssigkeitsmengen, sowie die andrer schädlicher Bestandteile des Biers (Lupuliu) treten. In einem Teile Böhmens erkrankt eine ebenso große Anzahl Menschen an Säuferwahnsinn durch das Biertrinken wie durch den Branntweingenuß, und in eiuer Trinkerheilanstalt Norddeutschlands zählte der Referent von 149 behan¬ delten Kranken 41, die durch Schnaps, 30, die durch Wem, und 78, also mehr als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/690>, abgerufen am 22.05.2024.