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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis von Mari'guy

lackierten Holzwänden der Kutschengehäuse herausgebrochen und in den Kot ge¬
treten habe.

Bei diesen Worten zog der Erzähler eine im Feuer vergoldete ovale Bronze-
Plakette aus der Tasche und warf sie auf den Tisch.

Das habe ich, sagte er, bevor ich den Tuilerienhof verließ, aus dem Schmutze
aufgelesen und mir zur Erinnerung an den 10. August 1792 mitgebracht.

Marigny nahm das Metallplättchen in die Hand und betrachtete es nach¬
denklich. Die drei bourbonischen Lilien, die reliefartig auf dem horizontal schraf¬
fierten Grunde lagen und in der Tasche des wackern Hessen blankgescheuert worden
waren, strahlten Heller denn je in der Sonne des Spätsommertnges. Aber in den
vertieften Lilien ließ sich noch eine schwache Spur vou graubrauner Erde er¬
kennen -- Erde nur, aber Erde von Frankreich, Erde von Paris, ein paar win¬
zige Körnchen von dem heiligen Boden, auf dem ein König die Sünden seiner
Ahnen durch das Ertragen von tausend und aber tausend Demütigungen reichlich,
mehr als reichlich gesühnt hatte!

Was verlangen Sie für dieses Stückchen Metall? fragte der Marquis, die
Reliquie behutsam aus der Hand legend.

Es ist mir nicht feil, mein Herr, entgegnete der Kurier, indem er die könig¬
lichen Lilien am Aufschläge seines Ärmels mit großem Aufwands von Kraft abrich,
als bedürften sie noch einer stärkern Politur; solche Andenken verkauft mau nicht.
Übrigens will ich das Ding meiner Frau mitbringen, die kann es als Brosche
tragen. Man braucht nur auf der Rückseite eine Nadel einlöten zu lassen.

Eigentum des Königs von Frankreich zum Schmuck einer deutschen Bürgers¬
frau entweihtI Zum erstenmal kam dem alten Aristokraten die ganze Schwere von
Ludwigs des Sechzehnten unerhörtem Schicksal in diesem Augenblick zum Bewußtsein.
Was alle Schreckensnachrichten der Zeitungen und Briefe ans der Heimat nicht
vermocht hatten, gelang dem elenden Stückchen Metall: es trieb Marigny die
Tränen in die Augen. Und er schämte sich dieser Tränen nicht, er wandte sich
ab und weinte wie ein Kind, weinte um seinen König und um sein armes Vater¬
land, weinte um seine eigne entschwundne Jugend und weinte um die Tränen
selbst, die er hier in ohnmächtigem Zorn und Kummer vergießen mußte. In dieser
Stunde drückte ihn zum erstenmal die Last des Alters und das Gefühl selner Un¬
fähigkeit, den Degen zu führen, aber in dieser Stunde erhielt auch das schwache,
gebrechliche Gefäß seines Körpers einen neuen Inhalt: die Seele eines Helden.

Der biedre Hesse, von der unerwarteten Wirkung seiner Erzählung peinlich
überrascht, wußte in seiner Verlegenheit nichts besseres zu tun, als dem schluch¬
zenden alten Herrn kräftig auf den Rücken zu klopfen, ganz in der Weise, wie man
einem Menschen, der dem Ersticken nahe ist, gewaltsam zur Reaktion seiner Lungen
gegen den in die Luftwege eingedrungnen Fremdkörper zu verhelfen sucht. Als er
hiermit keinen Erfolg erzielte, rief er den Wirt, weil er seine Zeche bezahlen und
fortgehn wollte. Aber Marigny deutete durch Gesten an, daß der Kurier sein
Gast sei, und bestellte unbekümmert um dessen Proteste noch eine Flasche Ingel-
heimer, die sie dann schweigend miteinander austraukeu.

Seit diesem Tage wurde der alte Edelmann das lähmende Gefühl, ein Über¬
flüssiger auf dieser Welt zu sein, nicht mehr los. Zum Unglück hatte er jetzt auch
genügend Zeit, seinen trüben Gedanken nachzuhängen, denn in der kurfürstlichen
Küche gab es nach der Abreise der hohen Gäste für ihn nichts mehr zu tun.
Clemens Wenzeslaus, sonst ein Verehrer der Tafelfreuden, hatte auf die Nachricht
von den Erfolgen der revolutionären Truppen am Oberrhein seinen sonst so ge¬
segneten Appetit zum größten Teil eingebüßt und begnügte sich seit der Einnahme
von Speier durch Custtne mit vier höchst einfachen Gnügen, vou denen nach der
Überrumplung von Worms durch Neuwinger sogar noch einer gestrichen wurde.
Und als dann die niederschmetternde Nachricht kam, daß die Reichstruppen in
Mainz bei einem falschen Alarm auseinandergelaufeu seien, und daß Studenten


Der Marquis von Mari'guy

lackierten Holzwänden der Kutschengehäuse herausgebrochen und in den Kot ge¬
treten habe.

Bei diesen Worten zog der Erzähler eine im Feuer vergoldete ovale Bronze-
Plakette aus der Tasche und warf sie auf den Tisch.

Das habe ich, sagte er, bevor ich den Tuilerienhof verließ, aus dem Schmutze
aufgelesen und mir zur Erinnerung an den 10. August 1792 mitgebracht.

Marigny nahm das Metallplättchen in die Hand und betrachtete es nach¬
denklich. Die drei bourbonischen Lilien, die reliefartig auf dem horizontal schraf¬
fierten Grunde lagen und in der Tasche des wackern Hessen blankgescheuert worden
waren, strahlten Heller denn je in der Sonne des Spätsommertnges. Aber in den
vertieften Lilien ließ sich noch eine schwache Spur vou graubrauner Erde er¬
kennen — Erde nur, aber Erde von Frankreich, Erde von Paris, ein paar win¬
zige Körnchen von dem heiligen Boden, auf dem ein König die Sünden seiner
Ahnen durch das Ertragen von tausend und aber tausend Demütigungen reichlich,
mehr als reichlich gesühnt hatte!

Was verlangen Sie für dieses Stückchen Metall? fragte der Marquis, die
Reliquie behutsam aus der Hand legend.

Es ist mir nicht feil, mein Herr, entgegnete der Kurier, indem er die könig¬
lichen Lilien am Aufschläge seines Ärmels mit großem Aufwands von Kraft abrich,
als bedürften sie noch einer stärkern Politur; solche Andenken verkauft mau nicht.
Übrigens will ich das Ding meiner Frau mitbringen, die kann es als Brosche
tragen. Man braucht nur auf der Rückseite eine Nadel einlöten zu lassen.

Eigentum des Königs von Frankreich zum Schmuck einer deutschen Bürgers¬
frau entweihtI Zum erstenmal kam dem alten Aristokraten die ganze Schwere von
Ludwigs des Sechzehnten unerhörtem Schicksal in diesem Augenblick zum Bewußtsein.
Was alle Schreckensnachrichten der Zeitungen und Briefe ans der Heimat nicht
vermocht hatten, gelang dem elenden Stückchen Metall: es trieb Marigny die
Tränen in die Augen. Und er schämte sich dieser Tränen nicht, er wandte sich
ab und weinte wie ein Kind, weinte um seinen König und um sein armes Vater¬
land, weinte um seine eigne entschwundne Jugend und weinte um die Tränen
selbst, die er hier in ohnmächtigem Zorn und Kummer vergießen mußte. In dieser
Stunde drückte ihn zum erstenmal die Last des Alters und das Gefühl selner Un¬
fähigkeit, den Degen zu führen, aber in dieser Stunde erhielt auch das schwache,
gebrechliche Gefäß seines Körpers einen neuen Inhalt: die Seele eines Helden.

Der biedre Hesse, von der unerwarteten Wirkung seiner Erzählung peinlich
überrascht, wußte in seiner Verlegenheit nichts besseres zu tun, als dem schluch¬
zenden alten Herrn kräftig auf den Rücken zu klopfen, ganz in der Weise, wie man
einem Menschen, der dem Ersticken nahe ist, gewaltsam zur Reaktion seiner Lungen
gegen den in die Luftwege eingedrungnen Fremdkörper zu verhelfen sucht. Als er
hiermit keinen Erfolg erzielte, rief er den Wirt, weil er seine Zeche bezahlen und
fortgehn wollte. Aber Marigny deutete durch Gesten an, daß der Kurier sein
Gast sei, und bestellte unbekümmert um dessen Proteste noch eine Flasche Ingel-
heimer, die sie dann schweigend miteinander austraukeu.

Seit diesem Tage wurde der alte Edelmann das lähmende Gefühl, ein Über¬
flüssiger auf dieser Welt zu sein, nicht mehr los. Zum Unglück hatte er jetzt auch
genügend Zeit, seinen trüben Gedanken nachzuhängen, denn in der kurfürstlichen
Küche gab es nach der Abreise der hohen Gäste für ihn nichts mehr zu tun.
Clemens Wenzeslaus, sonst ein Verehrer der Tafelfreuden, hatte auf die Nachricht
von den Erfolgen der revolutionären Truppen am Oberrhein seinen sonst so ge¬
segneten Appetit zum größten Teil eingebüßt und begnügte sich seit der Einnahme
von Speier durch Custtne mit vier höchst einfachen Gnügen, vou denen nach der
Überrumplung von Worms durch Neuwinger sogar noch einer gestrichen wurde.
Und als dann die niederschmetternde Nachricht kam, daß die Reichstruppen in
Mainz bei einem falschen Alarm auseinandergelaufeu seien, und daß Studenten


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[0180] Der Marquis von Mari'guy lackierten Holzwänden der Kutschengehäuse herausgebrochen und in den Kot ge¬ treten habe. Bei diesen Worten zog der Erzähler eine im Feuer vergoldete ovale Bronze- Plakette aus der Tasche und warf sie auf den Tisch. Das habe ich, sagte er, bevor ich den Tuilerienhof verließ, aus dem Schmutze aufgelesen und mir zur Erinnerung an den 10. August 1792 mitgebracht. Marigny nahm das Metallplättchen in die Hand und betrachtete es nach¬ denklich. Die drei bourbonischen Lilien, die reliefartig auf dem horizontal schraf¬ fierten Grunde lagen und in der Tasche des wackern Hessen blankgescheuert worden waren, strahlten Heller denn je in der Sonne des Spätsommertnges. Aber in den vertieften Lilien ließ sich noch eine schwache Spur vou graubrauner Erde er¬ kennen — Erde nur, aber Erde von Frankreich, Erde von Paris, ein paar win¬ zige Körnchen von dem heiligen Boden, auf dem ein König die Sünden seiner Ahnen durch das Ertragen von tausend und aber tausend Demütigungen reichlich, mehr als reichlich gesühnt hatte! Was verlangen Sie für dieses Stückchen Metall? fragte der Marquis, die Reliquie behutsam aus der Hand legend. Es ist mir nicht feil, mein Herr, entgegnete der Kurier, indem er die könig¬ lichen Lilien am Aufschläge seines Ärmels mit großem Aufwands von Kraft abrich, als bedürften sie noch einer stärkern Politur; solche Andenken verkauft mau nicht. Übrigens will ich das Ding meiner Frau mitbringen, die kann es als Brosche tragen. Man braucht nur auf der Rückseite eine Nadel einlöten zu lassen. Eigentum des Königs von Frankreich zum Schmuck einer deutschen Bürgers¬ frau entweihtI Zum erstenmal kam dem alten Aristokraten die ganze Schwere von Ludwigs des Sechzehnten unerhörtem Schicksal in diesem Augenblick zum Bewußtsein. Was alle Schreckensnachrichten der Zeitungen und Briefe ans der Heimat nicht vermocht hatten, gelang dem elenden Stückchen Metall: es trieb Marigny die Tränen in die Augen. Und er schämte sich dieser Tränen nicht, er wandte sich ab und weinte wie ein Kind, weinte um seinen König und um sein armes Vater¬ land, weinte um seine eigne entschwundne Jugend und weinte um die Tränen selbst, die er hier in ohnmächtigem Zorn und Kummer vergießen mußte. In dieser Stunde drückte ihn zum erstenmal die Last des Alters und das Gefühl selner Un¬ fähigkeit, den Degen zu führen, aber in dieser Stunde erhielt auch das schwache, gebrechliche Gefäß seines Körpers einen neuen Inhalt: die Seele eines Helden. Der biedre Hesse, von der unerwarteten Wirkung seiner Erzählung peinlich überrascht, wußte in seiner Verlegenheit nichts besseres zu tun, als dem schluch¬ zenden alten Herrn kräftig auf den Rücken zu klopfen, ganz in der Weise, wie man einem Menschen, der dem Ersticken nahe ist, gewaltsam zur Reaktion seiner Lungen gegen den in die Luftwege eingedrungnen Fremdkörper zu verhelfen sucht. Als er hiermit keinen Erfolg erzielte, rief er den Wirt, weil er seine Zeche bezahlen und fortgehn wollte. Aber Marigny deutete durch Gesten an, daß der Kurier sein Gast sei, und bestellte unbekümmert um dessen Proteste noch eine Flasche Ingel- heimer, die sie dann schweigend miteinander austraukeu. Seit diesem Tage wurde der alte Edelmann das lähmende Gefühl, ein Über¬ flüssiger auf dieser Welt zu sein, nicht mehr los. Zum Unglück hatte er jetzt auch genügend Zeit, seinen trüben Gedanken nachzuhängen, denn in der kurfürstlichen Küche gab es nach der Abreise der hohen Gäste für ihn nichts mehr zu tun. Clemens Wenzeslaus, sonst ein Verehrer der Tafelfreuden, hatte auf die Nachricht von den Erfolgen der revolutionären Truppen am Oberrhein seinen sonst so ge¬ segneten Appetit zum größten Teil eingebüßt und begnügte sich seit der Einnahme von Speier durch Custtne mit vier höchst einfachen Gnügen, vou denen nach der Überrumplung von Worms durch Neuwinger sogar noch einer gestrichen wurde. Und als dann die niederschmetternde Nachricht kam, daß die Reichstruppen in Mainz bei einem falschen Alarm auseinandergelaufeu seien, und daß Studenten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/180>, abgerufen am 13.06.2024.