die meisten selbst als Anfang nicht wollten gelten lassen." Trotzdem schwärmte er keineswegs ohne weiteres für den Konstitutionalismus, überhaupt uicht für irgendwelches politische Prinzip. "Es ist nicht das Prinzip, das selig macht, schrieb er am 13. Februar 1848, sondern alles hängt davon ab, daß mit einer weit über den Parteien stehenden Weisheit die Entfaltung aller noch schlummernden oder gehemmten Kräfte sicher fortgeleitet wird." Das unge¬ stüme Vorwärtsdrängen und die absprechende Beurteilung des schon Erreichten war seinen! maßvollen Sinne gründlich zuwider. "Wir haben doch in Preußen die freiesten und geordnetsten Preßvcrhältnisse, die rückhaltloseste Anerkennung des persönlichen Verdienstes in allen Stünden und Altern, die sorgsamste Pflege aller höhern menschlichen Interessen ohne Beeinträchtigung der materiellen. Endlich, was das Wichtigste, die Regierung mit ihrem Haupte an der Spitze will nichts als weitere Entfaltung der staatlichen Einrichtungen, es besteht durchaus keine Starrheit, kein gehässiger Gegensatz."
Wenig Wochen spater sollte er erleben, daß "der wahnsinnige Taumel, welcher von der Seine her unser Volk angesteckt hat," alles mit sich fortriß. Aus den stürmischen Wochen seit dem verhängnisvollen 18. März 1848 sind nur wenig kurze Briefe und einige Tagebuchnotizen von Ernst Curtius vor¬ handen, dafür entschädigen einige längere Briefe seines Bruders Georg. Denn Ernst wurde natürlich in das Schicksal der prinzlichen Familie mit hinein¬ gerissen. "In der Nacht des 18., schrieb er am 23. März, da Berlin zum Schlachtfelde wurde, wurden wir, die Familie des Prinzen von Preußen, obdachlos (durch die Wegnahme seines Palais als "Nationaleigentum") und gelangten uur nach den abenteuerlichsten Kreuz- und Querzügen hierher nach Potsdam." Am 20. ging die Flucht weiter nach dem festen Spandau, am 21. fuhr der Prinz mit seiner Gemahlin nach der still verborgnen Pfauen- insel, wo er in den traurigsten Verhältnissen, als ein gehetzter Flüchtling, seinen 51. Geburtstag beging. Während er dann weiter über Hamburg nach England ging, blieb seine Gemahlin mit ihren Kindern im Potsdamer Stadt¬ schlosse. Hier fand Georg am 21. "in großen, altmodischen Zimmern" den Bruder, den General (von Unruh), die Generalin und die Prinzen. "Der Anblick war erschütternd. Am meisten gefaßt fand ich den Prinzen; er war tief bewegt, aber in einer festen, schönen Stimmung. Der General und die Generalin waren noch ganz in alten Täuschungen befangen. Ernst ist noch sehr erschüttert, aber unsre Mitteilungen haben ihn doch beruhigt." Freilich war er in Potsdam "unter lauter Emigranten und Offizieren, deren ver¬ bissene Stimmung das Unglücklichste und Nichtsnutzigste von der Welt ist. Natürlich ist Ernsts Lage nnter diesen Umstünden sehr betrübt; er kann nicht handeln, er muß harren und das edle Gemüt seines Prinzen fortwährend pflegen, daß uicht Haß und Erbitterung die jugendliche Seele verstimmt" (Georg Curtius am 25. März). Von Potsdam aus sah Curtius die Dinge in Berlin, wohin er uur zuweilen ans Stunden tum, immer in einer gewissen Entfernung und doch gewissermaßen, von innen heraus. Kein Zweifel, daß sich in den Worten seiner seit dem Mai wieder zahlreichern Briefe mich die Stimmung seiner Umgebung spiegelt, die auf ihn einwirkte; aber auch er hat
Kronprinz Friedrich und Lrnst Lurtins
die meisten selbst als Anfang nicht wollten gelten lassen." Trotzdem schwärmte er keineswegs ohne weiteres für den Konstitutionalismus, überhaupt uicht für irgendwelches politische Prinzip. „Es ist nicht das Prinzip, das selig macht, schrieb er am 13. Februar 1848, sondern alles hängt davon ab, daß mit einer weit über den Parteien stehenden Weisheit die Entfaltung aller noch schlummernden oder gehemmten Kräfte sicher fortgeleitet wird." Das unge¬ stüme Vorwärtsdrängen und die absprechende Beurteilung des schon Erreichten war seinen! maßvollen Sinne gründlich zuwider. „Wir haben doch in Preußen die freiesten und geordnetsten Preßvcrhältnisse, die rückhaltloseste Anerkennung des persönlichen Verdienstes in allen Stünden und Altern, die sorgsamste Pflege aller höhern menschlichen Interessen ohne Beeinträchtigung der materiellen. Endlich, was das Wichtigste, die Regierung mit ihrem Haupte an der Spitze will nichts als weitere Entfaltung der staatlichen Einrichtungen, es besteht durchaus keine Starrheit, kein gehässiger Gegensatz."
Wenig Wochen spater sollte er erleben, daß „der wahnsinnige Taumel, welcher von der Seine her unser Volk angesteckt hat," alles mit sich fortriß. Aus den stürmischen Wochen seit dem verhängnisvollen 18. März 1848 sind nur wenig kurze Briefe und einige Tagebuchnotizen von Ernst Curtius vor¬ handen, dafür entschädigen einige längere Briefe seines Bruders Georg. Denn Ernst wurde natürlich in das Schicksal der prinzlichen Familie mit hinein¬ gerissen. „In der Nacht des 18., schrieb er am 23. März, da Berlin zum Schlachtfelde wurde, wurden wir, die Familie des Prinzen von Preußen, obdachlos (durch die Wegnahme seines Palais als »Nationaleigentum«) und gelangten uur nach den abenteuerlichsten Kreuz- und Querzügen hierher nach Potsdam." Am 20. ging die Flucht weiter nach dem festen Spandau, am 21. fuhr der Prinz mit seiner Gemahlin nach der still verborgnen Pfauen- insel, wo er in den traurigsten Verhältnissen, als ein gehetzter Flüchtling, seinen 51. Geburtstag beging. Während er dann weiter über Hamburg nach England ging, blieb seine Gemahlin mit ihren Kindern im Potsdamer Stadt¬ schlosse. Hier fand Georg am 21. „in großen, altmodischen Zimmern" den Bruder, den General (von Unruh), die Generalin und die Prinzen. „Der Anblick war erschütternd. Am meisten gefaßt fand ich den Prinzen; er war tief bewegt, aber in einer festen, schönen Stimmung. Der General und die Generalin waren noch ganz in alten Täuschungen befangen. Ernst ist noch sehr erschüttert, aber unsre Mitteilungen haben ihn doch beruhigt." Freilich war er in Potsdam „unter lauter Emigranten und Offizieren, deren ver¬ bissene Stimmung das Unglücklichste und Nichtsnutzigste von der Welt ist. Natürlich ist Ernsts Lage nnter diesen Umstünden sehr betrübt; er kann nicht handeln, er muß harren und das edle Gemüt seines Prinzen fortwährend pflegen, daß uicht Haß und Erbitterung die jugendliche Seele verstimmt" (Georg Curtius am 25. März). Von Potsdam aus sah Curtius die Dinge in Berlin, wohin er uur zuweilen ans Stunden tum, immer in einer gewissen Entfernung und doch gewissermaßen, von innen heraus. Kein Zweifel, daß sich in den Worten seiner seit dem Mai wieder zahlreichern Briefe mich die Stimmung seiner Umgebung spiegelt, die auf ihn einwirkte; aber auch er hat
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Kronprinz Friedrich und Lrnst Lurtins
die meisten selbst als Anfang nicht wollten gelten lassen." Trotzdem schwärmte
er keineswegs ohne weiteres für den Konstitutionalismus, überhaupt uicht für
irgendwelches politische Prinzip. „Es ist nicht das Prinzip, das selig macht,
schrieb er am 13. Februar 1848, sondern alles hängt davon ab, daß mit
einer weit über den Parteien stehenden Weisheit die Entfaltung aller noch
schlummernden oder gehemmten Kräfte sicher fortgeleitet wird." Das unge¬
stüme Vorwärtsdrängen und die absprechende Beurteilung des schon Erreichten
war seinen! maßvollen Sinne gründlich zuwider. „Wir haben doch in Preußen
die freiesten und geordnetsten Preßvcrhältnisse, die rückhaltloseste Anerkennung
des persönlichen Verdienstes in allen Stünden und Altern, die sorgsamste
Pflege aller höhern menschlichen Interessen ohne Beeinträchtigung der materiellen.
Endlich, was das Wichtigste, die Regierung mit ihrem Haupte an der Spitze
will nichts als weitere Entfaltung der staatlichen Einrichtungen, es besteht
durchaus keine Starrheit, kein gehässiger Gegensatz."
Wenig Wochen spater sollte er erleben, daß „der wahnsinnige Taumel,
welcher von der Seine her unser Volk angesteckt hat," alles mit sich fortriß.
Aus den stürmischen Wochen seit dem verhängnisvollen 18. März 1848 sind
nur wenig kurze Briefe und einige Tagebuchnotizen von Ernst Curtius vor¬
handen, dafür entschädigen einige längere Briefe seines Bruders Georg. Denn
Ernst wurde natürlich in das Schicksal der prinzlichen Familie mit hinein¬
gerissen. „In der Nacht des 18., schrieb er am 23. März, da Berlin zum
Schlachtfelde wurde, wurden wir, die Familie des Prinzen von Preußen,
obdachlos (durch die Wegnahme seines Palais als »Nationaleigentum«) und
gelangten uur nach den abenteuerlichsten Kreuz- und Querzügen hierher nach
Potsdam." Am 20. ging die Flucht weiter nach dem festen Spandau, am
21. fuhr der Prinz mit seiner Gemahlin nach der still verborgnen Pfauen-
insel, wo er in den traurigsten Verhältnissen, als ein gehetzter Flüchtling,
seinen 51. Geburtstag beging. Während er dann weiter über Hamburg nach
England ging, blieb seine Gemahlin mit ihren Kindern im Potsdamer Stadt¬
schlosse. Hier fand Georg am 21. „in großen, altmodischen Zimmern" den
Bruder, den General (von Unruh), die Generalin und die Prinzen. „Der
Anblick war erschütternd. Am meisten gefaßt fand ich den Prinzen; er war
tief bewegt, aber in einer festen, schönen Stimmung. Der General und die
Generalin waren noch ganz in alten Täuschungen befangen. Ernst ist noch
sehr erschüttert, aber unsre Mitteilungen haben ihn doch beruhigt." Freilich
war er in Potsdam „unter lauter Emigranten und Offizieren, deren ver¬
bissene Stimmung das Unglücklichste und Nichtsnutzigste von der Welt ist.
Natürlich ist Ernsts Lage nnter diesen Umstünden sehr betrübt; er kann nicht
handeln, er muß harren und das edle Gemüt seines Prinzen fortwährend
pflegen, daß uicht Haß und Erbitterung die jugendliche Seele verstimmt"
(Georg Curtius am 25. März). Von Potsdam aus sah Curtius die Dinge
in Berlin, wohin er uur zuweilen ans Stunden tum, immer in einer gewissen
Entfernung und doch gewissermaßen, von innen heraus. Kein Zweifel, daß
sich in den Worten seiner seit dem Mai wieder zahlreichern Briefe mich die
Stimmung seiner Umgebung spiegelt, die auf ihn einwirkte; aber auch er hat
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/20>, abgerufen am 18.05.2024.
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