Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.Notwendigkeit der Abänderung des Börsengesetzes vom 22. Juni hebt, sofern die einander entgegengesetzten Spekulationen auf Steigen und auf Ich habe geglaubt, bei diesen: bekanntlich wunden Punkte im Kommissions¬ Möge unsre Gesetzgebung, indem sie durch eine fast unbeschränkte Aner¬ Notwendigkeit der Abänderung des Börsengesetzes vom 22. Juni hebt, sofern die einander entgegengesetzten Spekulationen auf Steigen und auf Ich habe geglaubt, bei diesen: bekanntlich wunden Punkte im Kommissions¬ Möge unsre Gesetzgebung, indem sie durch eine fast unbeschränkte Aner¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242100"/> <fw type="header" place="top"> Notwendigkeit der Abänderung des Börsengesetzes vom 22. Juni</fw><lb/> <p xml:id="ID_75" prev="#ID_74"> hebt, sofern die einander entgegengesetzten Spekulationen auf Steigen und auf<lb/> Fallen kompensiert werden. Auch für kleinere Bankiers wird sich manchmal<lb/> Gelegenheit zur Kompensation bieten, wenn sie mit andern kleinen Bankiers<lb/> im Kartell stehn. Überdies folgt aus der Natur der Sache, das; der Bankier,<lb/> der die Börse besucht »ut nicht wie der Kunde hasardieren will, manchmal in<lb/> der Lage sein wird, sich zu einem günstigern Ultimokurse, als er dem Klienten<lb/> in Rechnung gestellt hat, zu decken, wenn er im Laufe des Monats die Gelegen¬<lb/> heit abwartet. Auch Wermuth (Börsengesetz, Guttentagsche Sammlung, Ein¬<lb/> leitung, S. 20, Arm.) nimmt an, daß sich der .Kommissionär vor Absendung<lb/> der Anssührungsanzeige manchmal nicht an der Börse deckt. Ferner ist fol¬<lb/> gendes zu erwägen: Der Kommissionär kann, wenn auch nicht allein, so doch<lb/> im Verein mit andern, die dasselbe Interesse haben, auf den Börsenkurs ein¬<lb/> wirken. Sind z. B, weil eine steigende Tendenz bestand, von vielen Seiten<lb/> Aufträge zum Einkauf von Effekten auf Ultimo eingegangen, so würden die<lb/> Bankiers, wenn sie sich sofort beim Selbsteintritt an der Börse deckten, die<lb/> Hauffe befördern. Unterlassen sie das einstweilen, so wird leichter ein Rück¬<lb/> schlag eintreten, und sie können dann zu einem billigern Preise einkaufen. Ent¬<lb/> sprechend im umgekehrten Falle, wenn die Kundschaft ans Fallen spekuliert hat,<lb/> und zahlreiche Auftrüge zum Verkaufe eingelaufen find. Mit einem Worte, der<lb/> Kommissionär, der vor dein Selbsteintritt als Vertrauensmann dem Kunden Rat<lb/> erteilt hat, verwandelt sich beim Terminhaudel infolge des Selbsteiutritts in<lb/> einen Gegner des Kunden und kann in Versuchung kommen, gegen das Interesse<lb/> des Kunden zu handeln. Eine Täuschung des Kunden wäre erschwert, wenn<lb/> der Kunde immer erführe, in welcher Weise sich sein Bankier gedeckt hat oder<lb/> decken will.</p><lb/> <p xml:id="ID_76"> Ich habe geglaubt, bei diesen: bekanntlich wunden Punkte im Kommissions¬<lb/> handel etwas länger verweilen zu müssen, weil sich die Beteiligung des Privat¬<lb/> kapitals an der Spekulation zum überwiegenden Teile im Wege des Kommissions¬<lb/> geschäfts vollzieht. Bei der Frage also, ob es geraten sei, im Interesse einer<lb/> „starken Börse" den Registerzwang in einer sich der Aufhebung annähernden<lb/> Weise abzuschwächen, müssen besonders die wirtschaftlichen Vorteile und Nach¬<lb/> teile des Kommissionshandels mit Sctbsteintritt bei Zeitgeschäften ins Auge<lb/> gefaßt werden. Gegenwärtig muß ich es nur versagen, auf diese schwierige, in<lb/> den Motiven des Börsengesetzes erörterte, aber durch das Gesetz nicht befriedigend<lb/> gelöste Frage näher einzugehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_77"> Möge unsre Gesetzgebung, indem sie durch eine fast unbeschränkte Aner¬<lb/> kennung der Nechtswirkscnnkeit der Differenzgeschäfte dem Vorwurf, daß sie den<lb/> Wortbruch begünstige, zu entgehn meint, sich nicht dem begründeten Vorwurf<lb/> aussetzen, daß sie die den wirtschaftlichen Sinn des Volkes untergrabende Spiel-<lb/> sucht, statt sie nach Möglichkeit zu bekämpfen, befördere.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Notwendigkeit der Abänderung des Börsengesetzes vom 22. Juni
hebt, sofern die einander entgegengesetzten Spekulationen auf Steigen und auf
Fallen kompensiert werden. Auch für kleinere Bankiers wird sich manchmal
Gelegenheit zur Kompensation bieten, wenn sie mit andern kleinen Bankiers
im Kartell stehn. Überdies folgt aus der Natur der Sache, das; der Bankier,
der die Börse besucht »ut nicht wie der Kunde hasardieren will, manchmal in
der Lage sein wird, sich zu einem günstigern Ultimokurse, als er dem Klienten
in Rechnung gestellt hat, zu decken, wenn er im Laufe des Monats die Gelegen¬
heit abwartet. Auch Wermuth (Börsengesetz, Guttentagsche Sammlung, Ein¬
leitung, S. 20, Arm.) nimmt an, daß sich der .Kommissionär vor Absendung
der Anssührungsanzeige manchmal nicht an der Börse deckt. Ferner ist fol¬
gendes zu erwägen: Der Kommissionär kann, wenn auch nicht allein, so doch
im Verein mit andern, die dasselbe Interesse haben, auf den Börsenkurs ein¬
wirken. Sind z. B, weil eine steigende Tendenz bestand, von vielen Seiten
Aufträge zum Einkauf von Effekten auf Ultimo eingegangen, so würden die
Bankiers, wenn sie sich sofort beim Selbsteintritt an der Börse deckten, die
Hauffe befördern. Unterlassen sie das einstweilen, so wird leichter ein Rück¬
schlag eintreten, und sie können dann zu einem billigern Preise einkaufen. Ent¬
sprechend im umgekehrten Falle, wenn die Kundschaft ans Fallen spekuliert hat,
und zahlreiche Auftrüge zum Verkaufe eingelaufen find. Mit einem Worte, der
Kommissionär, der vor dein Selbsteintritt als Vertrauensmann dem Kunden Rat
erteilt hat, verwandelt sich beim Terminhaudel infolge des Selbsteiutritts in
einen Gegner des Kunden und kann in Versuchung kommen, gegen das Interesse
des Kunden zu handeln. Eine Täuschung des Kunden wäre erschwert, wenn
der Kunde immer erführe, in welcher Weise sich sein Bankier gedeckt hat oder
decken will.
Ich habe geglaubt, bei diesen: bekanntlich wunden Punkte im Kommissions¬
handel etwas länger verweilen zu müssen, weil sich die Beteiligung des Privat¬
kapitals an der Spekulation zum überwiegenden Teile im Wege des Kommissions¬
geschäfts vollzieht. Bei der Frage also, ob es geraten sei, im Interesse einer
„starken Börse" den Registerzwang in einer sich der Aufhebung annähernden
Weise abzuschwächen, müssen besonders die wirtschaftlichen Vorteile und Nach¬
teile des Kommissionshandels mit Sctbsteintritt bei Zeitgeschäften ins Auge
gefaßt werden. Gegenwärtig muß ich es nur versagen, auf diese schwierige, in
den Motiven des Börsengesetzes erörterte, aber durch das Gesetz nicht befriedigend
gelöste Frage näher einzugehn.
Möge unsre Gesetzgebung, indem sie durch eine fast unbeschränkte Aner¬
kennung der Nechtswirkscnnkeit der Differenzgeschäfte dem Vorwurf, daß sie den
Wortbruch begünstige, zu entgehn meint, sich nicht dem begründeten Vorwurf
aussetzen, daß sie die den wirtschaftlichen Sinn des Volkes untergrabende Spiel-
sucht, statt sie nach Möglichkeit zu bekämpfen, befördere.
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