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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Vater und Mutter

Schätzung unsrer eignen Leistungen, wie sie von dem Verfasser des Artikels
schroff einander gegenüber gestellt werden, liegt die Meinung in der Mitte,
die dein Verdienste beider gerecht wird und deshalb nicht bestrebt sein kann,
das Vaterländische um irgend eines besondern Zweckes willen als unscheinbare
Folie für überschätzte ausländische Edelsteine zu verwenden. Die Damen Otto-
Peters, Schmidt und Lange dürften dem Verfasser das Auge für die Vorzüge
der einheimischen Frauenbildung unempfänglich gemacht haben, während sie
ihm die fremdländischen Bestrebungen in bengalischer Beleuchtung erscheinen
lassen. Wenn der von ihnen verfolgte Zweck der von dem Verfasser des Ar¬
tikels angegebne ist, "die Frauen in erster Linie zu ihrem ersten, ernstesten
und für die Gesellschaft weitaus wichtigsten Beruf, dem der Mutter, fähig zu
machen," so kann man ihnen nur aus vollstem Herzen gute Verrichtung
wünschen, aber ein solcher Geleitwnnsch entspringt nicht, wie das bei dem
Verfasser des Artikels der Fall zu sein scheint, aus der Meinung, daß die
deutsche Frau gegenwärtig zur Ausfüllung dieses heiligen Berufs minder fähig
als ihre ausländischen Schwestern oder gar uufühiger wäre, er hat uur den
Sinn, daß einen, auch aus den Bestrebungen der Frauenbewegung ein Vor¬
wärts und Aufwärts eutgegentönt, dessen Verwirklichung für das Vaterland
nur segensreich sein kann.

Wenn der Verfasser des Artikels, um der Sache auf den Grund zu gehn,
auch die Meinung des Auslands nochmals befragen Null, so wird er nnter
hundert Fällen neunundnennzigmal zu hören bekommen, daß die vom Aus¬
land gemachten Anstrengungen, die ihm so sehr imponieren, und von deren
analoger wunderbarer Wirkung bei uns er --


Ein großer Borsatz scheint im Anfang toll --

die moderne deutsche Mutter zu erwarten scheint, sämtlich den Zweck hatten,
nicht hinter den deutschen Leistungen ans demselben Gebiete zurückzubleiben,
und wie man bisweilen sagen horte, die Erziehung der Töchter auch der höhern
Stäude von dem überall, wo es sich um Forschung und Erziehung handelt,
w tke krönt strebenden Deutschland frei und unabhängig zu machen. Und ein
sachverständiger, mitten im praktischen Leben stehender deutscher Professor sollte
sich dieser unverblümten Anerkennung deutscher Erziehungsresultate gegenüber
solange durch beredte Sirenen Hokuspokus vormachen lassen, bis er mit

Wagner saate-

Das kann man doch kaum glauben und noch weniger wünschen.

Und die französischen Frauen, die wegen ihrer geistigen Ausbildung den
unsern als unerreichbares Muster vorgestellt werden, wie steht es mit ihnen?
Hat der Verfasser des Artikels nie in französischen Kreisen gelebt? Ich brauche
"Abt hinzuzufügen, in guten und besten französischen Kreisen, denn das ver¬
steht sich, damit Gleichartiges verglichen werden kann, von selbst. Elegant,
klug, gebildet, haushälterisch, geschmackvoll, unermüdlich ist ja die französische


Vater und Mutter

Schätzung unsrer eignen Leistungen, wie sie von dem Verfasser des Artikels
schroff einander gegenüber gestellt werden, liegt die Meinung in der Mitte,
die dein Verdienste beider gerecht wird und deshalb nicht bestrebt sein kann,
das Vaterländische um irgend eines besondern Zweckes willen als unscheinbare
Folie für überschätzte ausländische Edelsteine zu verwenden. Die Damen Otto-
Peters, Schmidt und Lange dürften dem Verfasser das Auge für die Vorzüge
der einheimischen Frauenbildung unempfänglich gemacht haben, während sie
ihm die fremdländischen Bestrebungen in bengalischer Beleuchtung erscheinen
lassen. Wenn der von ihnen verfolgte Zweck der von dem Verfasser des Ar¬
tikels angegebne ist, „die Frauen in erster Linie zu ihrem ersten, ernstesten
und für die Gesellschaft weitaus wichtigsten Beruf, dem der Mutter, fähig zu
machen," so kann man ihnen nur aus vollstem Herzen gute Verrichtung
wünschen, aber ein solcher Geleitwnnsch entspringt nicht, wie das bei dem
Verfasser des Artikels der Fall zu sein scheint, aus der Meinung, daß die
deutsche Frau gegenwärtig zur Ausfüllung dieses heiligen Berufs minder fähig
als ihre ausländischen Schwestern oder gar uufühiger wäre, er hat uur den
Sinn, daß einen, auch aus den Bestrebungen der Frauenbewegung ein Vor¬
wärts und Aufwärts eutgegentönt, dessen Verwirklichung für das Vaterland
nur segensreich sein kann.

Wenn der Verfasser des Artikels, um der Sache auf den Grund zu gehn,
auch die Meinung des Auslands nochmals befragen Null, so wird er nnter
hundert Fällen neunundnennzigmal zu hören bekommen, daß die vom Aus¬
land gemachten Anstrengungen, die ihm so sehr imponieren, und von deren
analoger wunderbarer Wirkung bei uns er —


Ein großer Borsatz scheint im Anfang toll —

die moderne deutsche Mutter zu erwarten scheint, sämtlich den Zweck hatten,
nicht hinter den deutschen Leistungen ans demselben Gebiete zurückzubleiben,
und wie man bisweilen sagen horte, die Erziehung der Töchter auch der höhern
Stäude von dem überall, wo es sich um Forschung und Erziehung handelt,
w tke krönt strebenden Deutschland frei und unabhängig zu machen. Und ein
sachverständiger, mitten im praktischen Leben stehender deutscher Professor sollte
sich dieser unverblümten Anerkennung deutscher Erziehungsresultate gegenüber
solange durch beredte Sirenen Hokuspokus vormachen lassen, bis er mit

Wagner saate-

Das kann man doch kaum glauben und noch weniger wünschen.

Und die französischen Frauen, die wegen ihrer geistigen Ausbildung den
unsern als unerreichbares Muster vorgestellt werden, wie steht es mit ihnen?
Hat der Verfasser des Artikels nie in französischen Kreisen gelebt? Ich brauche
"Abt hinzuzufügen, in guten und besten französischen Kreisen, denn das ver¬
steht sich, damit Gleichartiges verglichen werden kann, von selbst. Elegant,
klug, gebildet, haushälterisch, geschmackvoll, unermüdlich ist ja die französische


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[0643] Vater und Mutter Schätzung unsrer eignen Leistungen, wie sie von dem Verfasser des Artikels schroff einander gegenüber gestellt werden, liegt die Meinung in der Mitte, die dein Verdienste beider gerecht wird und deshalb nicht bestrebt sein kann, das Vaterländische um irgend eines besondern Zweckes willen als unscheinbare Folie für überschätzte ausländische Edelsteine zu verwenden. Die Damen Otto- Peters, Schmidt und Lange dürften dem Verfasser das Auge für die Vorzüge der einheimischen Frauenbildung unempfänglich gemacht haben, während sie ihm die fremdländischen Bestrebungen in bengalischer Beleuchtung erscheinen lassen. Wenn der von ihnen verfolgte Zweck der von dem Verfasser des Ar¬ tikels angegebne ist, „die Frauen in erster Linie zu ihrem ersten, ernstesten und für die Gesellschaft weitaus wichtigsten Beruf, dem der Mutter, fähig zu machen," so kann man ihnen nur aus vollstem Herzen gute Verrichtung wünschen, aber ein solcher Geleitwnnsch entspringt nicht, wie das bei dem Verfasser des Artikels der Fall zu sein scheint, aus der Meinung, daß die deutsche Frau gegenwärtig zur Ausfüllung dieses heiligen Berufs minder fähig als ihre ausländischen Schwestern oder gar uufühiger wäre, er hat uur den Sinn, daß einen, auch aus den Bestrebungen der Frauenbewegung ein Vor¬ wärts und Aufwärts eutgegentönt, dessen Verwirklichung für das Vaterland nur segensreich sein kann. Wenn der Verfasser des Artikels, um der Sache auf den Grund zu gehn, auch die Meinung des Auslands nochmals befragen Null, so wird er nnter hundert Fällen neunundnennzigmal zu hören bekommen, daß die vom Aus¬ land gemachten Anstrengungen, die ihm so sehr imponieren, und von deren analoger wunderbarer Wirkung bei uns er — Ein großer Borsatz scheint im Anfang toll — die moderne deutsche Mutter zu erwarten scheint, sämtlich den Zweck hatten, nicht hinter den deutschen Leistungen ans demselben Gebiete zurückzubleiben, und wie man bisweilen sagen horte, die Erziehung der Töchter auch der höhern Stäude von dem überall, wo es sich um Forschung und Erziehung handelt, w tke krönt strebenden Deutschland frei und unabhängig zu machen. Und ein sachverständiger, mitten im praktischen Leben stehender deutscher Professor sollte sich dieser unverblümten Anerkennung deutscher Erziehungsresultate gegenüber solange durch beredte Sirenen Hokuspokus vormachen lassen, bis er mit Wagner saate- Das kann man doch kaum glauben und noch weniger wünschen. Und die französischen Frauen, die wegen ihrer geistigen Ausbildung den unsern als unerreichbares Muster vorgestellt werden, wie steht es mit ihnen? Hat der Verfasser des Artikels nie in französischen Kreisen gelebt? Ich brauche "Abt hinzuzufügen, in guten und besten französischen Kreisen, denn das ver¬ steht sich, damit Gleichartiges verglichen werden kann, von selbst. Elegant, klug, gebildet, haushälterisch, geschmackvoll, unermüdlich ist ja die französische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/643>, abgerufen am 17.06.2024.