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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Es hat eine große Summe von Arbeit geleistet werden müssen. Sieben Jahre
(vom Oktober 1841 bis zum Juli 1848) hatte Kuranda die Zeitschrift herausgegeben,
zuletzt mit Julian Schmidt als Gehilfen; vom Juli 1848 um hatte sie dann dieser
bis 1861 mit Freytag zusammen geleitet, von da an Freytng allein mit wechselnden
Hilfskräften bis Ende 1870, also dreiundzwanzig Jahre, und ihm folgte bis Ende 1878
Hans Blum. Die Schicksale der Zeitschrift in diesem langen Zeitraume sind in
einem Erinnerungsheft erzählt worden, das bei ihrem funfzigjährigen Jubiläum, am
1. Oktober 1891 erschienen ist. Seit 1879 gibt sie nun ihr Verleger selbst heraus.

Die Grenzboten haben manche Wandlungen durchgemacht; es ist auf und ab
mit ihnen gegangen, gute und schlechte Zeiten haben sie erlebt, aber sie haben zähe
Lebenskraft bewiesen -- wieviele Blatter sind entstanden und wieder verweht, seit
sie ihren Stamm getrieben haben --; jahraus jahrein haben sie von neuem ihre
grünen Blätter gezeitigt, und in all den vielen Jahren hat jede Woche ihr Heft
gebracht.

Ob sich der Leser wohl eine Vorstellung davon macht, was es heißt, das Jahr
über jede Woche ein Heft zurechtzumachen, wie es die Grenzboten bringen? Und
was es bedeutet, das fünfundzwanzig Jahre lang getan zu haben, oder vollends
zwemndsechzig Jahre, wie es nun bei dieser Zeitschrift geschehen ist? Er ist gewohnt,
die Hefte als etwas sich selbstverständlich Wiederholendes in Empfang zu nehmen;
sie kommen regelmäßig wie der Stundenschlag mit jeder Woche, die ins Land geht,
an ihrem gewohnten Tage; sie sehen ihn mit dem ruhigen Auge ihrer Schrift an
und sagen ihm, was sie ihm zu sagen haben. Der Leser ist Wohl neugierig, was
sie ihm diesesmal und vielleicht über dies oder das sagen werden, aber er mag sich
nie gefragt haben, wie so ein Heft, und wie gerade dieses so zustande gekommen ist.
Er hält die gewohnte Bogenzahl in der Hand, was darin steht, fügt sich natürlich
und glatt aneinander, es steht auch alles in der gewohnten Reihenfolge. Aber wieviel
Arbeit sich hinter alledem verbirgt, wieviel Überlegung dazu notwendig war. wieviel
Unruhe und Hast die Arbeit mit sich brachte, das sieht er nicht. Schon allein das
^echenexempel. das der äußere Umfang der Beiträge aufgibt, verursacht oft schweres
Kopfzerbrechen. Die Grenzboten gehören nicht zu den Blättern, die ihre Artikel
nach der Elle bestellen: Bitte gefälligst umgehend soundsoviel Zeilen Neichstags-
ervffnnng! oder kurzerhand, wenn die Sache nicht paßt, den Schwanz oder den
Kopf oder ein Stück aus der Mitte weghacken. Was sie bringen, sind aufgetragne
und abgerundete Arbeiten, die sich weder auseinander ziehn noch zusammenpressen
"Mer. Da muß denn sorgfältig abgewogen werden, was sich auf dem gegebnen
^nun zusammenstellen läßt -- nicht nur nach dem Umfang, sondern auch nach dem
^"halt: das Heft soll bunt sein und womöglich aus allen Programmgebieten etwas
en halten. Bei wieviel Heften aber kommt es vor, daß plötzlich, nachdem alles schön
MImnmengebaut war. etwas Eiliges herausliegt, das keinen Aufschub erleiden kann,
"ann wird die schön abgemessene Reihenfolge wieder über den Haufen geworfen,
und fast jede Woche bringt solche Überraschungen. Das gibt oft ein qualvolles
0M und Herschieben des Stoffs und eine fieberhafte Arbeit bis zur letzten Minute --
"l-- endlich die letzte Autorenkorrektur ausgeführt ist, auf die oft mit der größten
"Ngst gewartet worden war, bis endlich der letzte Bogen in der Maschine rasselt,
"ut man den Trost hat: Nun kann keiner mehr etwas wollen! Wie oft war man
vahet ,n Heller Verzweiflung und in Heller Wild über die arme Druckerei, der natürlich
et der Hetzerei und dem Durcheinander auch allerhand Menschliches passiert. Es ist
manchmal ein Wunder, daß überhaupt ein Heft zur rechten Stunde zustande kommt.
ukämen

, Das gehört zu den äußern Nöten, mit denen der Herausgeber z pf
Mi. Daneben gibt es aber noch andre, und eine der größten ist das Ringen mit
o"-in Stoff überhaupt. Es sollen dein Leser nicht alle Redaktionsnöte und Redaktions-
geheimnisse verraten werden, nur das darf ihm anvertraut werden, daß hiermit nicht
le Form des Stoffs gemeint ist -- das ist eine zu diskrete Angelegenheit --, sondern
em das Ringen mit der Fülle des Segens. Alle Manuskripte, die sich einstellen,
Mven ,a das dringende Bedürfnis, alsbald in Druckerschwärze getaucht zu werden.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Es hat eine große Summe von Arbeit geleistet werden müssen. Sieben Jahre
(vom Oktober 1841 bis zum Juli 1848) hatte Kuranda die Zeitschrift herausgegeben,
zuletzt mit Julian Schmidt als Gehilfen; vom Juli 1848 um hatte sie dann dieser
bis 1861 mit Freytag zusammen geleitet, von da an Freytng allein mit wechselnden
Hilfskräften bis Ende 1870, also dreiundzwanzig Jahre, und ihm folgte bis Ende 1878
Hans Blum. Die Schicksale der Zeitschrift in diesem langen Zeitraume sind in
einem Erinnerungsheft erzählt worden, das bei ihrem funfzigjährigen Jubiläum, am
1. Oktober 1891 erschienen ist. Seit 1879 gibt sie nun ihr Verleger selbst heraus.

Die Grenzboten haben manche Wandlungen durchgemacht; es ist auf und ab
mit ihnen gegangen, gute und schlechte Zeiten haben sie erlebt, aber sie haben zähe
Lebenskraft bewiesen — wieviele Blatter sind entstanden und wieder verweht, seit
sie ihren Stamm getrieben haben —; jahraus jahrein haben sie von neuem ihre
grünen Blätter gezeitigt, und in all den vielen Jahren hat jede Woche ihr Heft
gebracht.

Ob sich der Leser wohl eine Vorstellung davon macht, was es heißt, das Jahr
über jede Woche ein Heft zurechtzumachen, wie es die Grenzboten bringen? Und
was es bedeutet, das fünfundzwanzig Jahre lang getan zu haben, oder vollends
zwemndsechzig Jahre, wie es nun bei dieser Zeitschrift geschehen ist? Er ist gewohnt,
die Hefte als etwas sich selbstverständlich Wiederholendes in Empfang zu nehmen;
sie kommen regelmäßig wie der Stundenschlag mit jeder Woche, die ins Land geht,
an ihrem gewohnten Tage; sie sehen ihn mit dem ruhigen Auge ihrer Schrift an
und sagen ihm, was sie ihm zu sagen haben. Der Leser ist Wohl neugierig, was
sie ihm diesesmal und vielleicht über dies oder das sagen werden, aber er mag sich
nie gefragt haben, wie so ein Heft, und wie gerade dieses so zustande gekommen ist.
Er hält die gewohnte Bogenzahl in der Hand, was darin steht, fügt sich natürlich
und glatt aneinander, es steht auch alles in der gewohnten Reihenfolge. Aber wieviel
Arbeit sich hinter alledem verbirgt, wieviel Überlegung dazu notwendig war. wieviel
Unruhe und Hast die Arbeit mit sich brachte, das sieht er nicht. Schon allein das
^echenexempel. das der äußere Umfang der Beiträge aufgibt, verursacht oft schweres
Kopfzerbrechen. Die Grenzboten gehören nicht zu den Blättern, die ihre Artikel
nach der Elle bestellen: Bitte gefälligst umgehend soundsoviel Zeilen Neichstags-
ervffnnng! oder kurzerhand, wenn die Sache nicht paßt, den Schwanz oder den
Kopf oder ein Stück aus der Mitte weghacken. Was sie bringen, sind aufgetragne
und abgerundete Arbeiten, die sich weder auseinander ziehn noch zusammenpressen
«Mer. Da muß denn sorgfältig abgewogen werden, was sich auf dem gegebnen
^nun zusammenstellen läßt — nicht nur nach dem Umfang, sondern auch nach dem
^"halt: das Heft soll bunt sein und womöglich aus allen Programmgebieten etwas
en halten. Bei wieviel Heften aber kommt es vor, daß plötzlich, nachdem alles schön
MImnmengebaut war. etwas Eiliges herausliegt, das keinen Aufschub erleiden kann,
«ann wird die schön abgemessene Reihenfolge wieder über den Haufen geworfen,
und fast jede Woche bringt solche Überraschungen. Das gibt oft ein qualvolles
0M und Herschieben des Stoffs und eine fieberhafte Arbeit bis zur letzten Minute —
»l-- endlich die letzte Autorenkorrektur ausgeführt ist, auf die oft mit der größten
"Ngst gewartet worden war, bis endlich der letzte Bogen in der Maschine rasselt,
«ut man den Trost hat: Nun kann keiner mehr etwas wollen! Wie oft war man
vahet ,n Heller Verzweiflung und in Heller Wild über die arme Druckerei, der natürlich
et der Hetzerei und dem Durcheinander auch allerhand Menschliches passiert. Es ist
manchmal ein Wunder, daß überhaupt ein Heft zur rechten Stunde zustande kommt.
ukämen

, Das gehört zu den äußern Nöten, mit denen der Herausgeber z pf
Mi. Daneben gibt es aber noch andre, und eine der größten ist das Ringen mit
o«-in Stoff überhaupt. Es sollen dein Leser nicht alle Redaktionsnöte und Redaktions-
geheimnisse verraten werden, nur das darf ihm anvertraut werden, daß hiermit nicht
le Form des Stoffs gemeint ist — das ist eine zu diskrete Angelegenheit —, sondern
em das Ringen mit der Fülle des Segens. Alle Manuskripte, die sich einstellen,
Mven ,a das dringende Bedürfnis, alsbald in Druckerschwärze getaucht zu werden.


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[0889] Maßgebliches und Unmaßgebliches Es hat eine große Summe von Arbeit geleistet werden müssen. Sieben Jahre (vom Oktober 1841 bis zum Juli 1848) hatte Kuranda die Zeitschrift herausgegeben, zuletzt mit Julian Schmidt als Gehilfen; vom Juli 1848 um hatte sie dann dieser bis 1861 mit Freytag zusammen geleitet, von da an Freytng allein mit wechselnden Hilfskräften bis Ende 1870, also dreiundzwanzig Jahre, und ihm folgte bis Ende 1878 Hans Blum. Die Schicksale der Zeitschrift in diesem langen Zeitraume sind in einem Erinnerungsheft erzählt worden, das bei ihrem funfzigjährigen Jubiläum, am 1. Oktober 1891 erschienen ist. Seit 1879 gibt sie nun ihr Verleger selbst heraus. Die Grenzboten haben manche Wandlungen durchgemacht; es ist auf und ab mit ihnen gegangen, gute und schlechte Zeiten haben sie erlebt, aber sie haben zähe Lebenskraft bewiesen — wieviele Blatter sind entstanden und wieder verweht, seit sie ihren Stamm getrieben haben —; jahraus jahrein haben sie von neuem ihre grünen Blätter gezeitigt, und in all den vielen Jahren hat jede Woche ihr Heft gebracht. Ob sich der Leser wohl eine Vorstellung davon macht, was es heißt, das Jahr über jede Woche ein Heft zurechtzumachen, wie es die Grenzboten bringen? Und was es bedeutet, das fünfundzwanzig Jahre lang getan zu haben, oder vollends zwemndsechzig Jahre, wie es nun bei dieser Zeitschrift geschehen ist? Er ist gewohnt, die Hefte als etwas sich selbstverständlich Wiederholendes in Empfang zu nehmen; sie kommen regelmäßig wie der Stundenschlag mit jeder Woche, die ins Land geht, an ihrem gewohnten Tage; sie sehen ihn mit dem ruhigen Auge ihrer Schrift an und sagen ihm, was sie ihm zu sagen haben. Der Leser ist Wohl neugierig, was sie ihm diesesmal und vielleicht über dies oder das sagen werden, aber er mag sich nie gefragt haben, wie so ein Heft, und wie gerade dieses so zustande gekommen ist. Er hält die gewohnte Bogenzahl in der Hand, was darin steht, fügt sich natürlich und glatt aneinander, es steht auch alles in der gewohnten Reihenfolge. Aber wieviel Arbeit sich hinter alledem verbirgt, wieviel Überlegung dazu notwendig war. wieviel Unruhe und Hast die Arbeit mit sich brachte, das sieht er nicht. Schon allein das ^echenexempel. das der äußere Umfang der Beiträge aufgibt, verursacht oft schweres Kopfzerbrechen. Die Grenzboten gehören nicht zu den Blättern, die ihre Artikel nach der Elle bestellen: Bitte gefälligst umgehend soundsoviel Zeilen Neichstags- ervffnnng! oder kurzerhand, wenn die Sache nicht paßt, den Schwanz oder den Kopf oder ein Stück aus der Mitte weghacken. Was sie bringen, sind aufgetragne und abgerundete Arbeiten, die sich weder auseinander ziehn noch zusammenpressen «Mer. Da muß denn sorgfältig abgewogen werden, was sich auf dem gegebnen ^nun zusammenstellen läßt — nicht nur nach dem Umfang, sondern auch nach dem ^"halt: das Heft soll bunt sein und womöglich aus allen Programmgebieten etwas en halten. Bei wieviel Heften aber kommt es vor, daß plötzlich, nachdem alles schön MImnmengebaut war. etwas Eiliges herausliegt, das keinen Aufschub erleiden kann, «ann wird die schön abgemessene Reihenfolge wieder über den Haufen geworfen, und fast jede Woche bringt solche Überraschungen. Das gibt oft ein qualvolles 0M und Herschieben des Stoffs und eine fieberhafte Arbeit bis zur letzten Minute — »l-- endlich die letzte Autorenkorrektur ausgeführt ist, auf die oft mit der größten "Ngst gewartet worden war, bis endlich der letzte Bogen in der Maschine rasselt, «ut man den Trost hat: Nun kann keiner mehr etwas wollen! Wie oft war man vahet ,n Heller Verzweiflung und in Heller Wild über die arme Druckerei, der natürlich et der Hetzerei und dem Durcheinander auch allerhand Menschliches passiert. Es ist manchmal ein Wunder, daß überhaupt ein Heft zur rechten Stunde zustande kommt. ukämen , Das gehört zu den äußern Nöten, mit denen der Herausgeber z pf Mi. Daneben gibt es aber noch andre, und eine der größten ist das Ringen mit o«-in Stoff überhaupt. Es sollen dein Leser nicht alle Redaktionsnöte und Redaktions- geheimnisse verraten werden, nur das darf ihm anvertraut werden, daß hiermit nicht le Form des Stoffs gemeint ist — das ist eine zu diskrete Angelegenheit —, sondern em das Ringen mit der Fülle des Segens. Alle Manuskripte, die sich einstellen, Mven ,a das dringende Bedürfnis, alsbald in Druckerschwärze getaucht zu werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/889>, abgerufen am 17.06.2024.