Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches auch die bemittelter" Kameraden zusammengelegt haben Aber "es Ver °ar s Knechtschaft nach unten. Die Erfahrung wiederholt sich bei einem nach¬ Als Student las ich einmal auf einem Buche Steinthals das Motto: Denken Zur Zeit vollzieht sich, wenn die Zeichen nicht trügen, auf dem Gebiete des Unter dem Eindruck der Enthüllungen des Dresdner Parteitags hat der Maßgebliches und Unmaßgebliches auch die bemittelter« Kameraden zusammengelegt haben Aber "es Ver °ar s Knechtschaft nach unten. Die Erfahrung wiederholt sich bei einem nach¬ Als Student las ich einmal auf einem Buche Steinthals das Motto: Denken Zur Zeit vollzieht sich, wenn die Zeichen nicht trügen, auf dem Gebiete des Unter dem Eindruck der Enthüllungen des Dresdner Parteitags hat der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293296"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2798" prev="#ID_2797"> auch die bemittelter« Kameraden zusammengelegt haben Aber "es Ver °ar s<lb/> jedenfalls, wenn Beurlaubungen, sei es. daß sie zur Be ohnnng. ^ ^ d ^ ^ „<lb/> Erkrankungs- oder in Todesfällen stattfinden, nicht mit einer S°M^ung ve^<lb/> bunten würden. Die freie Eiseubcchufahrt hätte ans Bescheinigung des Kompagui^<lb/> des Schwadron- oder des Batteriechefs hin zu erfolgen. Diese kleinen Op r kam<lb/> das Reich für seine Söhne bringen: kein Soldabzug und freie Fahrt, MS me<lb/> Eisenbahnen überhaupt eine Vergütung beanspruchen sollten, was kaum wahrschein¬<lb/><note type="byline"> S</note> lich ist. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Knechtschaft nach unten.</head> <p xml:id="ID_2799"> Die Erfahrung wiederholt sich bei einem nach¬<lb/> denklichen Menschen immer wieder, daß eine richtige Formulierung, wenn sie einmal<lb/> ausgesprochen ist, etwas befreieudcs hat. Was vorher undeutlich vorschwebte,<lb/> drückend empfunden wurde, tritt ins Licht. Die Zeit ist erfüllt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2800"> Als Student las ich einmal auf einem Buche Steinthals das Motto: Denken<lb/> ist schwer. Das hatte ich subjektiv wohl gespürt, wenn ich mich ehrlich mit den<lb/> höchsten Problemen quälte, die der Jüngling lösen will, und denen gegenüber sich<lb/> der Greis bescheidet. Aber diese Empfindung war mir wie ein Mißtrauensvotum<lb/> gegen meine Denkkraft vorgekommen. Die glatte, objektive Formulierung: „Denken<lb/> ist schwer," wurde mir Trost, Ermutigung, Klärung. Eben wenn das Denken dir<lb/> schwer wird, hast du das Kriterium dafür, daß du denken kannst.</p><lb/> <p xml:id="ID_2801"> Zur Zeit vollzieht sich, wenn die Zeichen nicht trügen, auf dem Gebiete des<lb/> öffentlichen Lebens auch eine Klärung, die wir den Schmutzexpektorationen des<lb/> sozialdemokratischen „Reichstags" in Dresden verdanken. Die Liebedienerei gegen<lb/> den großen Herrn „Niemand den Kündbaren" ist ebenso alt wie die Eitelkeit und der<lb/> Ehrgeiz der Menschen. Sie holt die Scheite zusammen für den Altar, auf dem<lb/> die Opfer der Selbstanbetung brennen. Zu einer geradezu technischen Ausbildung<lb/> ist diese Liebedienerei durch die Anforderungen des parlamentarischen Lebens ge¬<lb/> worden — solange es Dumme gibt, die vergessen, daß versprechen noch nicht<lb/> halten ist. Und wann sterben die aus? Insbesondre ists ein Kunstgriff zur Er¬<lb/> werbung der Popularität und zum Erraffen des Erfolgs, gewissen einflußreichen<lb/> Ständen zu schmeicheln, ihr Standesbewußtsein zu kitzeln. Als Wilhelm Jordan<lb/> sich in das Frankfurter Parlament wählen lassen wollte — er war damals Privat¬<lb/> dozent der flämischen Sprachen in Leipzig —, ging er, ich denke, nach Finster¬<lb/> walde. Dort stand ihm eine biedre, ungeschickte Lokalgröße gegenüber, die kurz<lb/> und bündig den Wählern ihr Sprüchlein Von Thron und Altar hersagte. Da trat<lb/> ihm der gärende Jüngling entgegen, allen unbekannt und doch siegesgewiß. „Ich<lb/> wende mich an euch, die eigentlichen Träger der Intelligenz, die Opfer euers<lb/> stillen, unscheinbaren Berufsfleißes; ihr habt die Entscheidung, wenn ihr wollt."<lb/> Er meinte die Schulmeister. Und diese setzten in der Tat die Wahl des damals<lb/> noch ganz unbekannten Jünglings durch.</p><lb/> <p xml:id="ID_2802"> Unter dem Eindruck der Enthüllungen des Dresdner Parteitags hat der<lb/> Reichskanzler das bezeichnende Wort „Volksschranzen" geprägt. Gewiß, es gibt<lb/> auch Volksschranzen, die durch Erweckung und Stärkung der niedern Instinkte derer,<lb/> die ihnen vertrauen, um die Macht buhlen. Der Rattenfänger von Hameln ist ihr<lb/> Typus. Dem ehrlichen Arbeiter wird von ihnen künstlich ein Märtyrerbewußtsein<lb/> angezüchtet. Er sei der Enterbte. „Die verdammte Zufriedenheit" muß ihm ver¬<lb/> leidet werden. Der Haß und der Neid seien die erste Arbeiterpflicht. Alles, was<lb/> geschieht, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß unsre wirtschaftlichen Verhältnisse<lb/> sich geändert haben, die großartige, opferwillige, soziale Gesetzgebung Deutschlands,<lb/> alles das wird als Angstprodukt des zitternden „Bourgeois" in Fratzen verwandelt.<lb/> Daß Produzenten, Arbeiter. Konsumenten dieselben Ansprüche an billige Berück¬<lb/> sichtigung haben, daß Unterschiede des Werth mich für die Arbeit gelten, die in<lb/> verwickelten Kulturverhältnissen geleistet werden muß, das wird verleugnet. Oth-den,<lb/> >is in, gue> ,jo w'x netto, das bleibt die Parole.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0499]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
auch die bemittelter« Kameraden zusammengelegt haben Aber "es Ver °ar s
jedenfalls, wenn Beurlaubungen, sei es. daß sie zur Be ohnnng. ^ ^ d ^ ^ „
Erkrankungs- oder in Todesfällen stattfinden, nicht mit einer S°M^ung ve^
bunten würden. Die freie Eiseubcchufahrt hätte ans Bescheinigung des Kompagui^
des Schwadron- oder des Batteriechefs hin zu erfolgen. Diese kleinen Op r kam
das Reich für seine Söhne bringen: kein Soldabzug und freie Fahrt, MS me
Eisenbahnen überhaupt eine Vergütung beanspruchen sollten, was kaum wahrschein¬
S lich ist.
Knechtschaft nach unten. Die Erfahrung wiederholt sich bei einem nach¬
denklichen Menschen immer wieder, daß eine richtige Formulierung, wenn sie einmal
ausgesprochen ist, etwas befreieudcs hat. Was vorher undeutlich vorschwebte,
drückend empfunden wurde, tritt ins Licht. Die Zeit ist erfüllt.
Als Student las ich einmal auf einem Buche Steinthals das Motto: Denken
ist schwer. Das hatte ich subjektiv wohl gespürt, wenn ich mich ehrlich mit den
höchsten Problemen quälte, die der Jüngling lösen will, und denen gegenüber sich
der Greis bescheidet. Aber diese Empfindung war mir wie ein Mißtrauensvotum
gegen meine Denkkraft vorgekommen. Die glatte, objektive Formulierung: „Denken
ist schwer," wurde mir Trost, Ermutigung, Klärung. Eben wenn das Denken dir
schwer wird, hast du das Kriterium dafür, daß du denken kannst.
Zur Zeit vollzieht sich, wenn die Zeichen nicht trügen, auf dem Gebiete des
öffentlichen Lebens auch eine Klärung, die wir den Schmutzexpektorationen des
sozialdemokratischen „Reichstags" in Dresden verdanken. Die Liebedienerei gegen
den großen Herrn „Niemand den Kündbaren" ist ebenso alt wie die Eitelkeit und der
Ehrgeiz der Menschen. Sie holt die Scheite zusammen für den Altar, auf dem
die Opfer der Selbstanbetung brennen. Zu einer geradezu technischen Ausbildung
ist diese Liebedienerei durch die Anforderungen des parlamentarischen Lebens ge¬
worden — solange es Dumme gibt, die vergessen, daß versprechen noch nicht
halten ist. Und wann sterben die aus? Insbesondre ists ein Kunstgriff zur Er¬
werbung der Popularität und zum Erraffen des Erfolgs, gewissen einflußreichen
Ständen zu schmeicheln, ihr Standesbewußtsein zu kitzeln. Als Wilhelm Jordan
sich in das Frankfurter Parlament wählen lassen wollte — er war damals Privat¬
dozent der flämischen Sprachen in Leipzig —, ging er, ich denke, nach Finster¬
walde. Dort stand ihm eine biedre, ungeschickte Lokalgröße gegenüber, die kurz
und bündig den Wählern ihr Sprüchlein Von Thron und Altar hersagte. Da trat
ihm der gärende Jüngling entgegen, allen unbekannt und doch siegesgewiß. „Ich
wende mich an euch, die eigentlichen Träger der Intelligenz, die Opfer euers
stillen, unscheinbaren Berufsfleißes; ihr habt die Entscheidung, wenn ihr wollt."
Er meinte die Schulmeister. Und diese setzten in der Tat die Wahl des damals
noch ganz unbekannten Jünglings durch.
Unter dem Eindruck der Enthüllungen des Dresdner Parteitags hat der
Reichskanzler das bezeichnende Wort „Volksschranzen" geprägt. Gewiß, es gibt
auch Volksschranzen, die durch Erweckung und Stärkung der niedern Instinkte derer,
die ihnen vertrauen, um die Macht buhlen. Der Rattenfänger von Hameln ist ihr
Typus. Dem ehrlichen Arbeiter wird von ihnen künstlich ein Märtyrerbewußtsein
angezüchtet. Er sei der Enterbte. „Die verdammte Zufriedenheit" muß ihm ver¬
leidet werden. Der Haß und der Neid seien die erste Arbeiterpflicht. Alles, was
geschieht, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß unsre wirtschaftlichen Verhältnisse
sich geändert haben, die großartige, opferwillige, soziale Gesetzgebung Deutschlands,
alles das wird als Angstprodukt des zitternden „Bourgeois" in Fratzen verwandelt.
Daß Produzenten, Arbeiter. Konsumenten dieselben Ansprüche an billige Berück¬
sichtigung haben, daß Unterschiede des Werth mich für die Arbeit gelten, die in
verwickelten Kulturverhältnissen geleistet werden muß, das wird verleugnet. Oth-den,
>is in, gue> ,jo w'x netto, das bleibt die Parole.
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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