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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

heit zu nähern. Dabei aber will es anscheinend doch die russische Verlegenheit aus¬
nutzen, um mit Rußlands aggressiven Vorgehn in Zentralasien einfürallemal ein
Ende zu machen. Die Reise des russischen Botschafters in London nach Petersburg
gerade im jetzigen Augenblick wird darum viel beachtet und als politisch bedeut¬
samer Vorgang angesehen, zumal angesichts der persönlichen Rücksichtslosigkeit, die
ihm durch das jüngst veröffentlichte Blaubuch über Tibet widerfahren ist. Nicht
minder bedeutsam, wenn sie sich bewahrheitet, ist die Nachricht, daß das Washingtoner
Kabinett ein neues Kabel von den Philippinen nach Japan herstellen läßt, "um
eine Isolierung Japans für den Fall zu verhindern, daß Nußland die beiden Kabel
von Schanghai nach Japan durchschneiden sollte," was vielleicht die Aufgabe des
jetzt in Schanghai festliegenden russischen Kreuzers "Mandschur" gewesen wäre.
Dieses neue Kabel wäre jedenfalls mit den bestehenden Auffassungen von Neutralität
nicht vereinbar, da "die Isolierung des Gegners" mit zu den zulässigen Kriegs¬
mitteln, ja Kriegsnotwendigkeiten gehört. Wohl aber liegt dieser Schritt in der
Richtung der Etablierung der amerikanischen Vorherrschaft auf dem Stillen Ozean
und läßt die Annahme zu, daß falls nicht heute schon ein geheimes Bündnis zwischen
Amerika und Japan besteht, es zweifellos eine der Folgen des Krieges sein wird.


Das preußische Abgeordnetenhaus

wird noch vor Ostern in die erste
Beratung der Kanalvorlage eintreten, und der Schwerpunkt des politischen
Interesses, soweit unsere innere Politik in Frage kommt, rückt damit für einige
Zeit in diese, hinter den Reichstag leider so stark zurückgetretene Körperschaft. Was
die Kanalvorlage an Kanalbauten im allgemeinen bringen soll, ist schon bekannt.
Ebenso ist bekannt, daß man auf liberaler Seite geneigt zu sein scheint, einstweilen
zu nehmen, was man bekommen kann, zumal ja der ganze Mittellandkanal doch
nicht an einem Tage gebaut werden kann. Aus diesem Grunde kann man auch
annehmen, daß die Provinz Hannover den ihr nach dem Gesetze zufallenden Zu¬
schuß auch für den einstweiligen Torso leisten wird. Bei den Konservativen über¬
wiegt in starkem Umfange das Bedürfnis, die Streitaxt mit der Krone endlich zu
begraben. Hierfür liegen nicht nur Anzeichen, sondern positive Erklärungen vor.
Man sieht sich jedoch in diesen Kreisen, wenigstens zum Teil, nach einer goldnen
Brücke um, und diese scheint in der Auflegung von Abgaben nicht nur auf die
künstlichen Wasserstraßen, sondern auch auf die Benutzung der Kunstbauten an den
natürlichen Wasserstraßen gefunden worden zu sein. Es mag dabei hier und da
auch wohl der Hintergedanke bestehn, durch diese Abgaben noch eine indirekte Zoll¬
erhöhung auf das auf diesen Wasserstraßen hereinkommende Getreide zu legen. Aber
die preußische Regierung wird einerseits keinen Abgaben zustimmen, die über die
Amortisierung oder die Verzinsung des Anlagekapitals hinausgehn, noch wird sie
andrerseits den Westen abgabenfrei lassen können, wie es dort mit großem Nach¬
druck verlangt wird, während die östlichen Provinzen die Zinsen für ihre Kanal¬
anlagen aufzubringen haben. So betragen zum Beispiel die Schiffahrtabgaben in
der Provinz Brandenburg bei nur zweiprozentiger Verzinsung des investierten
Kapitals jährlich über drei Millionen Mark, ebenso hat Pommern sie aufzubringen;
dort haften sogar die beteiligten Kreise und Kommunen für die Verzinsung. Findet
sich der Westen, namentlich die Rheinprovinz, bereitwillig in die verhältnismäßig
geringen und die Schiffahrt wenig betastenden Opfer, so darf das Zustandekommen
der Kanalvorlage als gesichert gelten; im andern Falle wird es harte Kämpfe
kosten, und der Erfolg wäre zweifelhaft. Selbstverständlich handelt es sich nicht
um Besteuerung der natürlichen Wasserstraßen, das ist schon durch die Reichs¬
verfassung ausgeschlossen, wohl aber um die Verzinsung der Anlagen, die zur
Verbesserung dieser Wasserstraßen ausgeführt werden, wie teilweise Kanalisierung,
Hafen- und Kaibauten, Loses- und Entlöscheinrichtungen usw.; auch da soll, wie
gesagt, nur der jährliche Kostenaufwand nebst einer Kapitalverzinsung aufgebracht
werden. In manchen konservativen Kreisen mag man freilich, wie gesagt, diese


Maßgebliches und Unmaßgebliches

heit zu nähern. Dabei aber will es anscheinend doch die russische Verlegenheit aus¬
nutzen, um mit Rußlands aggressiven Vorgehn in Zentralasien einfürallemal ein
Ende zu machen. Die Reise des russischen Botschafters in London nach Petersburg
gerade im jetzigen Augenblick wird darum viel beachtet und als politisch bedeut¬
samer Vorgang angesehen, zumal angesichts der persönlichen Rücksichtslosigkeit, die
ihm durch das jüngst veröffentlichte Blaubuch über Tibet widerfahren ist. Nicht
minder bedeutsam, wenn sie sich bewahrheitet, ist die Nachricht, daß das Washingtoner
Kabinett ein neues Kabel von den Philippinen nach Japan herstellen läßt, „um
eine Isolierung Japans für den Fall zu verhindern, daß Nußland die beiden Kabel
von Schanghai nach Japan durchschneiden sollte," was vielleicht die Aufgabe des
jetzt in Schanghai festliegenden russischen Kreuzers „Mandschur" gewesen wäre.
Dieses neue Kabel wäre jedenfalls mit den bestehenden Auffassungen von Neutralität
nicht vereinbar, da „die Isolierung des Gegners" mit zu den zulässigen Kriegs¬
mitteln, ja Kriegsnotwendigkeiten gehört. Wohl aber liegt dieser Schritt in der
Richtung der Etablierung der amerikanischen Vorherrschaft auf dem Stillen Ozean
und läßt die Annahme zu, daß falls nicht heute schon ein geheimes Bündnis zwischen
Amerika und Japan besteht, es zweifellos eine der Folgen des Krieges sein wird.


Das preußische Abgeordnetenhaus

wird noch vor Ostern in die erste
Beratung der Kanalvorlage eintreten, und der Schwerpunkt des politischen
Interesses, soweit unsere innere Politik in Frage kommt, rückt damit für einige
Zeit in diese, hinter den Reichstag leider so stark zurückgetretene Körperschaft. Was
die Kanalvorlage an Kanalbauten im allgemeinen bringen soll, ist schon bekannt.
Ebenso ist bekannt, daß man auf liberaler Seite geneigt zu sein scheint, einstweilen
zu nehmen, was man bekommen kann, zumal ja der ganze Mittellandkanal doch
nicht an einem Tage gebaut werden kann. Aus diesem Grunde kann man auch
annehmen, daß die Provinz Hannover den ihr nach dem Gesetze zufallenden Zu¬
schuß auch für den einstweiligen Torso leisten wird. Bei den Konservativen über¬
wiegt in starkem Umfange das Bedürfnis, die Streitaxt mit der Krone endlich zu
begraben. Hierfür liegen nicht nur Anzeichen, sondern positive Erklärungen vor.
Man sieht sich jedoch in diesen Kreisen, wenigstens zum Teil, nach einer goldnen
Brücke um, und diese scheint in der Auflegung von Abgaben nicht nur auf die
künstlichen Wasserstraßen, sondern auch auf die Benutzung der Kunstbauten an den
natürlichen Wasserstraßen gefunden worden zu sein. Es mag dabei hier und da
auch wohl der Hintergedanke bestehn, durch diese Abgaben noch eine indirekte Zoll¬
erhöhung auf das auf diesen Wasserstraßen hereinkommende Getreide zu legen. Aber
die preußische Regierung wird einerseits keinen Abgaben zustimmen, die über die
Amortisierung oder die Verzinsung des Anlagekapitals hinausgehn, noch wird sie
andrerseits den Westen abgabenfrei lassen können, wie es dort mit großem Nach¬
druck verlangt wird, während die östlichen Provinzen die Zinsen für ihre Kanal¬
anlagen aufzubringen haben. So betragen zum Beispiel die Schiffahrtabgaben in
der Provinz Brandenburg bei nur zweiprozentiger Verzinsung des investierten
Kapitals jährlich über drei Millionen Mark, ebenso hat Pommern sie aufzubringen;
dort haften sogar die beteiligten Kreise und Kommunen für die Verzinsung. Findet
sich der Westen, namentlich die Rheinprovinz, bereitwillig in die verhältnismäßig
geringen und die Schiffahrt wenig betastenden Opfer, so darf das Zustandekommen
der Kanalvorlage als gesichert gelten; im andern Falle wird es harte Kämpfe
kosten, und der Erfolg wäre zweifelhaft. Selbstverständlich handelt es sich nicht
um Besteuerung der natürlichen Wasserstraßen, das ist schon durch die Reichs¬
verfassung ausgeschlossen, wohl aber um die Verzinsung der Anlagen, die zur
Verbesserung dieser Wasserstraßen ausgeführt werden, wie teilweise Kanalisierung,
Hafen- und Kaibauten, Loses- und Entlöscheinrichtungen usw.; auch da soll, wie
gesagt, nur der jährliche Kostenaufwand nebst einer Kapitalverzinsung aufgebracht
werden. In manchen konservativen Kreisen mag man freilich, wie gesagt, diese


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[0562] Maßgebliches und Unmaßgebliches heit zu nähern. Dabei aber will es anscheinend doch die russische Verlegenheit aus¬ nutzen, um mit Rußlands aggressiven Vorgehn in Zentralasien einfürallemal ein Ende zu machen. Die Reise des russischen Botschafters in London nach Petersburg gerade im jetzigen Augenblick wird darum viel beachtet und als politisch bedeut¬ samer Vorgang angesehen, zumal angesichts der persönlichen Rücksichtslosigkeit, die ihm durch das jüngst veröffentlichte Blaubuch über Tibet widerfahren ist. Nicht minder bedeutsam, wenn sie sich bewahrheitet, ist die Nachricht, daß das Washingtoner Kabinett ein neues Kabel von den Philippinen nach Japan herstellen läßt, „um eine Isolierung Japans für den Fall zu verhindern, daß Nußland die beiden Kabel von Schanghai nach Japan durchschneiden sollte," was vielleicht die Aufgabe des jetzt in Schanghai festliegenden russischen Kreuzers „Mandschur" gewesen wäre. Dieses neue Kabel wäre jedenfalls mit den bestehenden Auffassungen von Neutralität nicht vereinbar, da „die Isolierung des Gegners" mit zu den zulässigen Kriegs¬ mitteln, ja Kriegsnotwendigkeiten gehört. Wohl aber liegt dieser Schritt in der Richtung der Etablierung der amerikanischen Vorherrschaft auf dem Stillen Ozean und läßt die Annahme zu, daß falls nicht heute schon ein geheimes Bündnis zwischen Amerika und Japan besteht, es zweifellos eine der Folgen des Krieges sein wird. Das preußische Abgeordnetenhaus wird noch vor Ostern in die erste Beratung der Kanalvorlage eintreten, und der Schwerpunkt des politischen Interesses, soweit unsere innere Politik in Frage kommt, rückt damit für einige Zeit in diese, hinter den Reichstag leider so stark zurückgetretene Körperschaft. Was die Kanalvorlage an Kanalbauten im allgemeinen bringen soll, ist schon bekannt. Ebenso ist bekannt, daß man auf liberaler Seite geneigt zu sein scheint, einstweilen zu nehmen, was man bekommen kann, zumal ja der ganze Mittellandkanal doch nicht an einem Tage gebaut werden kann. Aus diesem Grunde kann man auch annehmen, daß die Provinz Hannover den ihr nach dem Gesetze zufallenden Zu¬ schuß auch für den einstweiligen Torso leisten wird. Bei den Konservativen über¬ wiegt in starkem Umfange das Bedürfnis, die Streitaxt mit der Krone endlich zu begraben. Hierfür liegen nicht nur Anzeichen, sondern positive Erklärungen vor. Man sieht sich jedoch in diesen Kreisen, wenigstens zum Teil, nach einer goldnen Brücke um, und diese scheint in der Auflegung von Abgaben nicht nur auf die künstlichen Wasserstraßen, sondern auch auf die Benutzung der Kunstbauten an den natürlichen Wasserstraßen gefunden worden zu sein. Es mag dabei hier und da auch wohl der Hintergedanke bestehn, durch diese Abgaben noch eine indirekte Zoll¬ erhöhung auf das auf diesen Wasserstraßen hereinkommende Getreide zu legen. Aber die preußische Regierung wird einerseits keinen Abgaben zustimmen, die über die Amortisierung oder die Verzinsung des Anlagekapitals hinausgehn, noch wird sie andrerseits den Westen abgabenfrei lassen können, wie es dort mit großem Nach¬ druck verlangt wird, während die östlichen Provinzen die Zinsen für ihre Kanal¬ anlagen aufzubringen haben. So betragen zum Beispiel die Schiffahrtabgaben in der Provinz Brandenburg bei nur zweiprozentiger Verzinsung des investierten Kapitals jährlich über drei Millionen Mark, ebenso hat Pommern sie aufzubringen; dort haften sogar die beteiligten Kreise und Kommunen für die Verzinsung. Findet sich der Westen, namentlich die Rheinprovinz, bereitwillig in die verhältnismäßig geringen und die Schiffahrt wenig betastenden Opfer, so darf das Zustandekommen der Kanalvorlage als gesichert gelten; im andern Falle wird es harte Kämpfe kosten, und der Erfolg wäre zweifelhaft. Selbstverständlich handelt es sich nicht um Besteuerung der natürlichen Wasserstraßen, das ist schon durch die Reichs¬ verfassung ausgeschlossen, wohl aber um die Verzinsung der Anlagen, die zur Verbesserung dieser Wasserstraßen ausgeführt werden, wie teilweise Kanalisierung, Hafen- und Kaibauten, Loses- und Entlöscheinrichtungen usw.; auch da soll, wie gesagt, nur der jährliche Kostenaufwand nebst einer Kapitalverzinsung aufgebracht werden. In manchen konservativen Kreisen mag man freilich, wie gesagt, diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/562>, abgerufen am 25.05.2024.