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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

unverändert wiederbekommen kann. Daß im Laufe eines halben Jahrhunderts die
wirtschaftlichen Verhältnisse beider Länder und ihre wirtschaftlichen Beziehungen
zueinander nicht unbedeutende Veränderungen erfahren haben, ist selbstverständlich.
Die Ausfuhr Argentiniens an Getreide, Wolle und Häuten, den drei Hauptartikeln,
hat sich sehr bedeutend gehoben, wie denn überhaupt der Überschuß der Ausfuhr
über die Einfuhr recht groß ist. Für Deutschland beliefen sich die Zahlen in
Millionen Mark

der Einfuhr aus Argentinien der Ausfuhr dorthin
1901 200,8 54,2
1902 201,8 47,2

was eine Zunahme der Einfuhr von dort und eine hoffentlich nur vorübergehende
Abnahme unsrer Ausfuhr bedeutet; das Jahr 1992 litt unter einer allgemeinen
wirtschaftlichen Depression. Laut Artikel 14 ist der Vertrag jederzeit mit zwölf-
monatiger Frist kundbar, und die Konservativen haben durch den Mund des
Grafen Schwerin-Lowitz sowie des Abgeordneten von Kardorff in der Sitzung vom
3. Mai unumwunden erklärt, daß sie ihr Verhalten in der Frage der Zuschu߬
anleihe bei der dritten Lesung von der Kündigung der Handelsverträge, insbesondre
des argentinischen, abhängig machen würden. Es ist gewiß nicht richtig, daß eine
parlamentarische Partei in solcher Weise in geregelte internationale Beziehungen
oder in schwebende internationale Verhandlungen eingreift. Erleichtert wird die
Position der Regierung dadurch nicht, und für die Regierungen der andern kon¬
trahierenden Staaten wäre es jedenfalls ein Leichtes, sich ebenfalls durch ein die
Verhandlungen erschwerendes Parlamentsvotum vinkulieren zu lassen. Was dann?
Was hätte wohl Bismarck gesagt, wenn eine Reichstagsmehrheit bei internationalen
Verhandlungen eine solche Pression auf ihn versucht haben würde! Den von den
Konservativen ausgesprochnen Verdacht, daß an der Abneigung der Regierung, den
Vertrag zu kündigen, Reederei- und Schiffahrtintercssen beteiligt seien, halten wir
für ungerechtfertigt. Eine Kündigung müßte ja für die nächsten zwölf Monate
eine Steigerung des Frachtgeschäfts zur Folge haben, weil man sich hüben wie
drüben noch so viel wie möglich nach den alten Tarifen versorgen würde. Es
wäre deshalb zunächst auch mit einer gesteigerten Getreideeinfuhr zu rechnen!
Allerdings haben die Schiffahrtgesellschaften an gesicherten Handelsverträgen ein
großes Interesse, weil sie dann übersehen können, auf welchen Frachtverkehr sie sich
einrichten müssen, Den Konservativen hinwiederum liegt an einer möglichst voll¬
ständigen Ausschließung des fremden Getreides, an der Vermeidung und deshalb
beschleunigten Kündigung aller Meistbegünstigungsverträge. Darin liegt auch die
Erklärung für die Stellungnahme gegen einen Rhein-Elbekanal, die sofort aufhören
würde, wenn die preußische Negierung Garantien gegen die amerikanische Getreide¬
einfuhr geben könnte. Die deutsche Industrie dagegen hat ein berechtigtes Interesse
daran, daß ihr ein Ausfuhrmarkt von jährlich fünfzig Millionen Mark offen ge¬
halten wird, und man sollte meinen, daß die deutsche Landwirtschaft in der so hoch
gesteigerten Lebenshaltung der handarbeitenden Klassen schon ein hinreichendes
Äquivalent für die Einfuhr fremden Getreides empfinge. Der deutsche Konsument
bleibt doch der beste Freund der deutschen Landwirtschaft.

Gesetzt z. B. Deutschland verlöre den argentinischen Markt, so gingen damit
fünfzig Millionen Mark verloren, von denen zwanzig bis fünfundzwanzig Millionen
Arbeitslöhne sind, die also zum nicht geringen Teil auf den Getreidemarkt oder
doch in weitausgedehnte Gebiete der landwirtschaftlichen Produktion: Fleisch, Butter,
Eier, Zucker, Spiritus, Kartoffeln, Erdfrüchte aller Art zurückfließen. Auch von
dem Unternehmergewinn empfängt die Landwirtschaft doch einen großen Bruchteil,
und es wäre wohl einer genauen Berechnung wert, ob sich die deutsche Landwirt-
schaft bei einer Ausfuhr vou fünfzig Millionen Mark deutscher Jndustrievrodukte
nach Argentinien nicht besser steht als bei einer Erschwerung der argentinischen
Getreideeinfuhr durch hohe Zölle und einem allmählichen Versagen der deutschen
Ausfuhr dorthin.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

unverändert wiederbekommen kann. Daß im Laufe eines halben Jahrhunderts die
wirtschaftlichen Verhältnisse beider Länder und ihre wirtschaftlichen Beziehungen
zueinander nicht unbedeutende Veränderungen erfahren haben, ist selbstverständlich.
Die Ausfuhr Argentiniens an Getreide, Wolle und Häuten, den drei Hauptartikeln,
hat sich sehr bedeutend gehoben, wie denn überhaupt der Überschuß der Ausfuhr
über die Einfuhr recht groß ist. Für Deutschland beliefen sich die Zahlen in
Millionen Mark

der Einfuhr aus Argentinien der Ausfuhr dorthin
1901 200,8 54,2
1902 201,8 47,2

was eine Zunahme der Einfuhr von dort und eine hoffentlich nur vorübergehende
Abnahme unsrer Ausfuhr bedeutet; das Jahr 1992 litt unter einer allgemeinen
wirtschaftlichen Depression. Laut Artikel 14 ist der Vertrag jederzeit mit zwölf-
monatiger Frist kundbar, und die Konservativen haben durch den Mund des
Grafen Schwerin-Lowitz sowie des Abgeordneten von Kardorff in der Sitzung vom
3. Mai unumwunden erklärt, daß sie ihr Verhalten in der Frage der Zuschu߬
anleihe bei der dritten Lesung von der Kündigung der Handelsverträge, insbesondre
des argentinischen, abhängig machen würden. Es ist gewiß nicht richtig, daß eine
parlamentarische Partei in solcher Weise in geregelte internationale Beziehungen
oder in schwebende internationale Verhandlungen eingreift. Erleichtert wird die
Position der Regierung dadurch nicht, und für die Regierungen der andern kon¬
trahierenden Staaten wäre es jedenfalls ein Leichtes, sich ebenfalls durch ein die
Verhandlungen erschwerendes Parlamentsvotum vinkulieren zu lassen. Was dann?
Was hätte wohl Bismarck gesagt, wenn eine Reichstagsmehrheit bei internationalen
Verhandlungen eine solche Pression auf ihn versucht haben würde! Den von den
Konservativen ausgesprochnen Verdacht, daß an der Abneigung der Regierung, den
Vertrag zu kündigen, Reederei- und Schiffahrtintercssen beteiligt seien, halten wir
für ungerechtfertigt. Eine Kündigung müßte ja für die nächsten zwölf Monate
eine Steigerung des Frachtgeschäfts zur Folge haben, weil man sich hüben wie
drüben noch so viel wie möglich nach den alten Tarifen versorgen würde. Es
wäre deshalb zunächst auch mit einer gesteigerten Getreideeinfuhr zu rechnen!
Allerdings haben die Schiffahrtgesellschaften an gesicherten Handelsverträgen ein
großes Interesse, weil sie dann übersehen können, auf welchen Frachtverkehr sie sich
einrichten müssen, Den Konservativen hinwiederum liegt an einer möglichst voll¬
ständigen Ausschließung des fremden Getreides, an der Vermeidung und deshalb
beschleunigten Kündigung aller Meistbegünstigungsverträge. Darin liegt auch die
Erklärung für die Stellungnahme gegen einen Rhein-Elbekanal, die sofort aufhören
würde, wenn die preußische Negierung Garantien gegen die amerikanische Getreide¬
einfuhr geben könnte. Die deutsche Industrie dagegen hat ein berechtigtes Interesse
daran, daß ihr ein Ausfuhrmarkt von jährlich fünfzig Millionen Mark offen ge¬
halten wird, und man sollte meinen, daß die deutsche Landwirtschaft in der so hoch
gesteigerten Lebenshaltung der handarbeitenden Klassen schon ein hinreichendes
Äquivalent für die Einfuhr fremden Getreides empfinge. Der deutsche Konsument
bleibt doch der beste Freund der deutschen Landwirtschaft.

Gesetzt z. B. Deutschland verlöre den argentinischen Markt, so gingen damit
fünfzig Millionen Mark verloren, von denen zwanzig bis fünfundzwanzig Millionen
Arbeitslöhne sind, die also zum nicht geringen Teil auf den Getreidemarkt oder
doch in weitausgedehnte Gebiete der landwirtschaftlichen Produktion: Fleisch, Butter,
Eier, Zucker, Spiritus, Kartoffeln, Erdfrüchte aller Art zurückfließen. Auch von
dem Unternehmergewinn empfängt die Landwirtschaft doch einen großen Bruchteil,
und es wäre wohl einer genauen Berechnung wert, ob sich die deutsche Landwirt-
schaft bei einer Ausfuhr vou fünfzig Millionen Mark deutscher Jndustrievrodukte
nach Argentinien nicht besser steht als bei einer Erschwerung der argentinischen
Getreideeinfuhr durch hohe Zölle und einem allmählichen Versagen der deutschen
Ausfuhr dorthin.


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[0370] Maßgebliches und Unmaßgebliches unverändert wiederbekommen kann. Daß im Laufe eines halben Jahrhunderts die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Länder und ihre wirtschaftlichen Beziehungen zueinander nicht unbedeutende Veränderungen erfahren haben, ist selbstverständlich. Die Ausfuhr Argentiniens an Getreide, Wolle und Häuten, den drei Hauptartikeln, hat sich sehr bedeutend gehoben, wie denn überhaupt der Überschuß der Ausfuhr über die Einfuhr recht groß ist. Für Deutschland beliefen sich die Zahlen in Millionen Mark der Einfuhr aus Argentinien der Ausfuhr dorthin 1901 200,8 54,2 1902 201,8 47,2 was eine Zunahme der Einfuhr von dort und eine hoffentlich nur vorübergehende Abnahme unsrer Ausfuhr bedeutet; das Jahr 1992 litt unter einer allgemeinen wirtschaftlichen Depression. Laut Artikel 14 ist der Vertrag jederzeit mit zwölf- monatiger Frist kundbar, und die Konservativen haben durch den Mund des Grafen Schwerin-Lowitz sowie des Abgeordneten von Kardorff in der Sitzung vom 3. Mai unumwunden erklärt, daß sie ihr Verhalten in der Frage der Zuschu߬ anleihe bei der dritten Lesung von der Kündigung der Handelsverträge, insbesondre des argentinischen, abhängig machen würden. Es ist gewiß nicht richtig, daß eine parlamentarische Partei in solcher Weise in geregelte internationale Beziehungen oder in schwebende internationale Verhandlungen eingreift. Erleichtert wird die Position der Regierung dadurch nicht, und für die Regierungen der andern kon¬ trahierenden Staaten wäre es jedenfalls ein Leichtes, sich ebenfalls durch ein die Verhandlungen erschwerendes Parlamentsvotum vinkulieren zu lassen. Was dann? Was hätte wohl Bismarck gesagt, wenn eine Reichstagsmehrheit bei internationalen Verhandlungen eine solche Pression auf ihn versucht haben würde! Den von den Konservativen ausgesprochnen Verdacht, daß an der Abneigung der Regierung, den Vertrag zu kündigen, Reederei- und Schiffahrtintercssen beteiligt seien, halten wir für ungerechtfertigt. Eine Kündigung müßte ja für die nächsten zwölf Monate eine Steigerung des Frachtgeschäfts zur Folge haben, weil man sich hüben wie drüben noch so viel wie möglich nach den alten Tarifen versorgen würde. Es wäre deshalb zunächst auch mit einer gesteigerten Getreideeinfuhr zu rechnen! Allerdings haben die Schiffahrtgesellschaften an gesicherten Handelsverträgen ein großes Interesse, weil sie dann übersehen können, auf welchen Frachtverkehr sie sich einrichten müssen, Den Konservativen hinwiederum liegt an einer möglichst voll¬ ständigen Ausschließung des fremden Getreides, an der Vermeidung und deshalb beschleunigten Kündigung aller Meistbegünstigungsverträge. Darin liegt auch die Erklärung für die Stellungnahme gegen einen Rhein-Elbekanal, die sofort aufhören würde, wenn die preußische Negierung Garantien gegen die amerikanische Getreide¬ einfuhr geben könnte. Die deutsche Industrie dagegen hat ein berechtigtes Interesse daran, daß ihr ein Ausfuhrmarkt von jährlich fünfzig Millionen Mark offen ge¬ halten wird, und man sollte meinen, daß die deutsche Landwirtschaft in der so hoch gesteigerten Lebenshaltung der handarbeitenden Klassen schon ein hinreichendes Äquivalent für die Einfuhr fremden Getreides empfinge. Der deutsche Konsument bleibt doch der beste Freund der deutschen Landwirtschaft. Gesetzt z. B. Deutschland verlöre den argentinischen Markt, so gingen damit fünfzig Millionen Mark verloren, von denen zwanzig bis fünfundzwanzig Millionen Arbeitslöhne sind, die also zum nicht geringen Teil auf den Getreidemarkt oder doch in weitausgedehnte Gebiete der landwirtschaftlichen Produktion: Fleisch, Butter, Eier, Zucker, Spiritus, Kartoffeln, Erdfrüchte aller Art zurückfließen. Auch von dem Unternehmergewinn empfängt die Landwirtschaft doch einen großen Bruchteil, und es wäre wohl einer genauen Berechnung wert, ob sich die deutsche Landwirt- schaft bei einer Ausfuhr vou fünfzig Millionen Mark deutscher Jndustrievrodukte nach Argentinien nicht besser steht als bei einer Erschwerung der argentinischen Getreideeinfuhr durch hohe Zölle und einem allmählichen Versagen der deutschen Ausfuhr dorthin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/370>, abgerufen am 20.05.2024.