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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Das "Rotwelsch" des deutschen Ganners

gering an Zahl, daß sie hier im ganzen übergangen werden können. Nur der
Sprache der Zigeuner, an deren Herkunft aus dem Orient heute wohl kein Zweifel
mehr besteht -- mögen die Ansichten im einzelnen auch noch auseinander gehn --,
müssen hier einige Bemerkungen gewidmet werden. Daß auch sie einen Einfluß
auf unser Rotwelsch ausgeübt hat, wird man ziemlich leicht begreiflich finden. Es
hat ja der Zigeuner, dieser Wandervogel aus dem fernen Osten, jahrhunderte¬
lang ähnliche Verfolgungen erdulden müssen wie die Juden, während er zudem
als unverbesserlicher Langfinger dem Gauuertum noch ganz besonders nahe steht.
Trotzdem darf man die zigeunerischen Bestandteile der deutschen Gaunersprache, die in
den ältern Quellen überhaupt noch fehlen, nicht überschätzen, wie das frühere Schrift¬
steller häufig getan haben. Denn es sind im ganzen doch etwa nur einige Dutzend
Zigeunerwvrter, die wirklich zum festen Bestände des Rotwelsch geworden sind,
namentlich solche, die sich auf das Stehlen und die geläufigsten Diebstahlsobjekte
beziehen, wie zum Beispiel Maro, Brot, Knchni oder Gachni (Gachcue), Henne
(woran sich anch die deutsche Zusammensetzung "Gackeuscherr," gebildet wohl vom
Gackern und Scharren des Huhns, angelehnt haben mag), Pabing oder Vabing,
Gans, zig. Mr-in, Bako, Schwein, Gral oder Krey, Pferd, Löwen, Loben,
Taler (zig. lovo, Geldstück, Plur. Icnvo, Geld). Zuweilen hat man auch zigeunerische
Ausdrücke mit deutschen Endsilben versehen, so unter anderm vom zigeuu. Wor, der
Dieb, rotw. Tschor, Tschur, Schurer usw. (vgl. oxorav, stehlen) das Zeitwort
,,(t)schornen" für stehlen gebildet, oder sie mit deutschen zusammen zu einem Be¬
griffe verbunden, wie Mciroschieber, der Bäcker, Rattegänger, der Nachtdieb
(von zig. rat, Nacht; vgl. Leilegänger) oder Schurersprache (eigentl. Diebes¬
sprache) für das Rotwelsch. Übrigens hat dieses noch eine Reihe von Wörtern auf¬
zuweisen, die mau ans den ersten Blick leicht für zigeunerisch halten konnte und
früher wohl auch tatsächlich dafür ausgegeben hat (wie zum Beispiel Kcitschemme,
Schenke, Wirtshaus), die aber aus den Sprachen der slawischen Völker stammen
und nur insofern in eine gewisse Beziehung zu den Zigeunern gesetzt werden
dürfen, als sie zum Teil allerdings durch deren Vermittlung in unsre Gaunersprache
eingedrungen sein mögen. Die Franzosen haben ja die bekannte Vorliebe der
Zigeuner für die von Tschechen bewohnten Gegenden in dem Ausdrucke "Böse'mien"
festgelegt, der erst später auch auf die Studenten des (juartisr I^tin und andres
leichtlebiges Volk übertragen wurde, und kürzlich hat ein höherer kroatischer Jurist,
Bezirksrichter Caeie in Agram (im "Archiv für Kriminalanthropologie" usw., 1902)
darauf hingewiesen, daß gerade wohl durch Zigeuner eine nicht geringe Anzahl
kroatischer Vokabeln ins Notwelsch verschleppt worden sind.

Von den beiden Hauptsprachen des klassischen Altertums hat das Griechische
direkt nur einen geringen Einfluß auf den Wortbestand unsrer Gaunersprache aus¬
geübt (zu vgl. etwa: Quien, Quin, Hund, wohl eher vom griech. x6>^ als vom
franz. obion abzuleiten, vielleicht auch Kehr sHerr, Mcmnj, bes. in "Amtskehr,"
Amtmann, von x't^los, wenn nicht vom zig. Jahr, Haus), während sich auf das
Lateinische eine ziemlich große Anzahl von Ausdrücken zurückführen läßt. Dieser
Unterschied erklärt sich leicht daraus, daß das Griechische niemals, das Latei¬
nische dagegen bekanntlich lange Zeit in gewissen Kreisen auch eine gesprochne,
nicht bloß geschriebne Sprache gewesen ist. In das Rotwelsch aber sind die latei¬
nischen Brocken ganz ohne Zweifel durch die fahrenden Schüler gekommen, auf
deren nahen Zusammenhang mit den betrügerischen Bettlern schon der I^ibsr VaKg,-
eorum (an verschiednen Stellen) hinweist, indem er u. a. in einem besondern Ka¬
pitel (6) das Treiben der sogenannten "Kcnumesierer" oder "gelehrten Bettler"
schildert, verkommner, bettelnd herumstreichender Theologen, der direkten Nachkommen
der noch ältern "Vaganten" oder "Lotterpfaffen." Von diesen dürften namentlich
die sich auf die Kirche und geistliche Tätigkeit beziehenden Wörter lateinischen Ursprungs
herrühren, wie zum Beispiel Sancte (oder Sarthe) für Kirche (aus sanotg,), Priemer,
Priester (wohl von der prima nor-z, demi Messelesen), oren (von oiars) für beten,


Das „Rotwelsch" des deutschen Ganners

gering an Zahl, daß sie hier im ganzen übergangen werden können. Nur der
Sprache der Zigeuner, an deren Herkunft aus dem Orient heute wohl kein Zweifel
mehr besteht — mögen die Ansichten im einzelnen auch noch auseinander gehn —,
müssen hier einige Bemerkungen gewidmet werden. Daß auch sie einen Einfluß
auf unser Rotwelsch ausgeübt hat, wird man ziemlich leicht begreiflich finden. Es
hat ja der Zigeuner, dieser Wandervogel aus dem fernen Osten, jahrhunderte¬
lang ähnliche Verfolgungen erdulden müssen wie die Juden, während er zudem
als unverbesserlicher Langfinger dem Gauuertum noch ganz besonders nahe steht.
Trotzdem darf man die zigeunerischen Bestandteile der deutschen Gaunersprache, die in
den ältern Quellen überhaupt noch fehlen, nicht überschätzen, wie das frühere Schrift¬
steller häufig getan haben. Denn es sind im ganzen doch etwa nur einige Dutzend
Zigeunerwvrter, die wirklich zum festen Bestände des Rotwelsch geworden sind,
namentlich solche, die sich auf das Stehlen und die geläufigsten Diebstahlsobjekte
beziehen, wie zum Beispiel Maro, Brot, Knchni oder Gachni (Gachcue), Henne
(woran sich anch die deutsche Zusammensetzung „Gackeuscherr," gebildet wohl vom
Gackern und Scharren des Huhns, angelehnt haben mag), Pabing oder Vabing,
Gans, zig. Mr-in, Bako, Schwein, Gral oder Krey, Pferd, Löwen, Loben,
Taler (zig. lovo, Geldstück, Plur. Icnvo, Geld). Zuweilen hat man auch zigeunerische
Ausdrücke mit deutschen Endsilben versehen, so unter anderm vom zigeuu. Wor, der
Dieb, rotw. Tschor, Tschur, Schurer usw. (vgl. oxorav, stehlen) das Zeitwort
,,(t)schornen" für stehlen gebildet, oder sie mit deutschen zusammen zu einem Be¬
griffe verbunden, wie Mciroschieber, der Bäcker, Rattegänger, der Nachtdieb
(von zig. rat, Nacht; vgl. Leilegänger) oder Schurersprache (eigentl. Diebes¬
sprache) für das Rotwelsch. Übrigens hat dieses noch eine Reihe von Wörtern auf¬
zuweisen, die mau ans den ersten Blick leicht für zigeunerisch halten konnte und
früher wohl auch tatsächlich dafür ausgegeben hat (wie zum Beispiel Kcitschemme,
Schenke, Wirtshaus), die aber aus den Sprachen der slawischen Völker stammen
und nur insofern in eine gewisse Beziehung zu den Zigeunern gesetzt werden
dürfen, als sie zum Teil allerdings durch deren Vermittlung in unsre Gaunersprache
eingedrungen sein mögen. Die Franzosen haben ja die bekannte Vorliebe der
Zigeuner für die von Tschechen bewohnten Gegenden in dem Ausdrucke „Böse'mien"
festgelegt, der erst später auch auf die Studenten des (juartisr I^tin und andres
leichtlebiges Volk übertragen wurde, und kürzlich hat ein höherer kroatischer Jurist,
Bezirksrichter Caeie in Agram (im „Archiv für Kriminalanthropologie" usw., 1902)
darauf hingewiesen, daß gerade wohl durch Zigeuner eine nicht geringe Anzahl
kroatischer Vokabeln ins Notwelsch verschleppt worden sind.

Von den beiden Hauptsprachen des klassischen Altertums hat das Griechische
direkt nur einen geringen Einfluß auf den Wortbestand unsrer Gaunersprache aus¬
geübt (zu vgl. etwa: Quien, Quin, Hund, wohl eher vom griech. x6>^ als vom
franz. obion abzuleiten, vielleicht auch Kehr sHerr, Mcmnj, bes. in „Amtskehr,"
Amtmann, von x't^los, wenn nicht vom zig. Jahr, Haus), während sich auf das
Lateinische eine ziemlich große Anzahl von Ausdrücken zurückführen läßt. Dieser
Unterschied erklärt sich leicht daraus, daß das Griechische niemals, das Latei¬
nische dagegen bekanntlich lange Zeit in gewissen Kreisen auch eine gesprochne,
nicht bloß geschriebne Sprache gewesen ist. In das Rotwelsch aber sind die latei¬
nischen Brocken ganz ohne Zweifel durch die fahrenden Schüler gekommen, auf
deren nahen Zusammenhang mit den betrügerischen Bettlern schon der I^ibsr VaKg,-
eorum (an verschiednen Stellen) hinweist, indem er u. a. in einem besondern Ka¬
pitel (6) das Treiben der sogenannten „Kcnumesierer" oder „gelehrten Bettler"
schildert, verkommner, bettelnd herumstreichender Theologen, der direkten Nachkommen
der noch ältern „Vaganten" oder „Lotterpfaffen." Von diesen dürften namentlich
die sich auf die Kirche und geistliche Tätigkeit beziehenden Wörter lateinischen Ursprungs
herrühren, wie zum Beispiel Sancte (oder Sarthe) für Kirche (aus sanotg,), Priemer,
Priester (wohl von der prima nor-z, demi Messelesen), oren (von oiars) für beten,


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[0166] Das „Rotwelsch" des deutschen Ganners gering an Zahl, daß sie hier im ganzen übergangen werden können. Nur der Sprache der Zigeuner, an deren Herkunft aus dem Orient heute wohl kein Zweifel mehr besteht — mögen die Ansichten im einzelnen auch noch auseinander gehn —, müssen hier einige Bemerkungen gewidmet werden. Daß auch sie einen Einfluß auf unser Rotwelsch ausgeübt hat, wird man ziemlich leicht begreiflich finden. Es hat ja der Zigeuner, dieser Wandervogel aus dem fernen Osten, jahrhunderte¬ lang ähnliche Verfolgungen erdulden müssen wie die Juden, während er zudem als unverbesserlicher Langfinger dem Gauuertum noch ganz besonders nahe steht. Trotzdem darf man die zigeunerischen Bestandteile der deutschen Gaunersprache, die in den ältern Quellen überhaupt noch fehlen, nicht überschätzen, wie das frühere Schrift¬ steller häufig getan haben. Denn es sind im ganzen doch etwa nur einige Dutzend Zigeunerwvrter, die wirklich zum festen Bestände des Rotwelsch geworden sind, namentlich solche, die sich auf das Stehlen und die geläufigsten Diebstahlsobjekte beziehen, wie zum Beispiel Maro, Brot, Knchni oder Gachni (Gachcue), Henne (woran sich anch die deutsche Zusammensetzung „Gackeuscherr," gebildet wohl vom Gackern und Scharren des Huhns, angelehnt haben mag), Pabing oder Vabing, Gans, zig. Mr-in, Bako, Schwein, Gral oder Krey, Pferd, Löwen, Loben, Taler (zig. lovo, Geldstück, Plur. Icnvo, Geld). Zuweilen hat man auch zigeunerische Ausdrücke mit deutschen Endsilben versehen, so unter anderm vom zigeuu. Wor, der Dieb, rotw. Tschor, Tschur, Schurer usw. (vgl. oxorav, stehlen) das Zeitwort ,,(t)schornen" für stehlen gebildet, oder sie mit deutschen zusammen zu einem Be¬ griffe verbunden, wie Mciroschieber, der Bäcker, Rattegänger, der Nachtdieb (von zig. rat, Nacht; vgl. Leilegänger) oder Schurersprache (eigentl. Diebes¬ sprache) für das Rotwelsch. Übrigens hat dieses noch eine Reihe von Wörtern auf¬ zuweisen, die mau ans den ersten Blick leicht für zigeunerisch halten konnte und früher wohl auch tatsächlich dafür ausgegeben hat (wie zum Beispiel Kcitschemme, Schenke, Wirtshaus), die aber aus den Sprachen der slawischen Völker stammen und nur insofern in eine gewisse Beziehung zu den Zigeunern gesetzt werden dürfen, als sie zum Teil allerdings durch deren Vermittlung in unsre Gaunersprache eingedrungen sein mögen. Die Franzosen haben ja die bekannte Vorliebe der Zigeuner für die von Tschechen bewohnten Gegenden in dem Ausdrucke „Böse'mien" festgelegt, der erst später auch auf die Studenten des (juartisr I^tin und andres leichtlebiges Volk übertragen wurde, und kürzlich hat ein höherer kroatischer Jurist, Bezirksrichter Caeie in Agram (im „Archiv für Kriminalanthropologie" usw., 1902) darauf hingewiesen, daß gerade wohl durch Zigeuner eine nicht geringe Anzahl kroatischer Vokabeln ins Notwelsch verschleppt worden sind. Von den beiden Hauptsprachen des klassischen Altertums hat das Griechische direkt nur einen geringen Einfluß auf den Wortbestand unsrer Gaunersprache aus¬ geübt (zu vgl. etwa: Quien, Quin, Hund, wohl eher vom griech. x6>^ als vom franz. obion abzuleiten, vielleicht auch Kehr sHerr, Mcmnj, bes. in „Amtskehr," Amtmann, von x't^los, wenn nicht vom zig. Jahr, Haus), während sich auf das Lateinische eine ziemlich große Anzahl von Ausdrücken zurückführen läßt. Dieser Unterschied erklärt sich leicht daraus, daß das Griechische niemals, das Latei¬ nische dagegen bekanntlich lange Zeit in gewissen Kreisen auch eine gesprochne, nicht bloß geschriebne Sprache gewesen ist. In das Rotwelsch aber sind die latei¬ nischen Brocken ganz ohne Zweifel durch die fahrenden Schüler gekommen, auf deren nahen Zusammenhang mit den betrügerischen Bettlern schon der I^ibsr VaKg,- eorum (an verschiednen Stellen) hinweist, indem er u. a. in einem besondern Ka¬ pitel (6) das Treiben der sogenannten „Kcnumesierer" oder „gelehrten Bettler" schildert, verkommner, bettelnd herumstreichender Theologen, der direkten Nachkommen der noch ältern „Vaganten" oder „Lotterpfaffen." Von diesen dürften namentlich die sich auf die Kirche und geistliche Tätigkeit beziehenden Wörter lateinischen Ursprungs herrühren, wie zum Beispiel Sancte (oder Sarthe) für Kirche (aus sanotg,), Priemer, Priester (wohl von der prima nor-z, demi Messelesen), oren (von oiars) für beten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/166>, abgerufen am 28.05.2024.