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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Die kleine Marina und ihr Gemahl

bei der ganzen Sache -- schloß sie sich seit diesem Tage viel wärmer und inniger
an Maria Hedwig an.

Es war ein drückend warmer Tag zu Ende Juli, als sie wie gewöhnlich mit
Manolito einen Besuch bei der Herzogin machte. Es waren keine andern Gäste
da, und Marien ging sehr bald in den Garten. Es war ihr später, als sie ge¬
nauer darüber nachdachte, als habe sie jemand aufgefordert, das zu tun, aber auf
eine so feine Weise, daß sie selber es nicht gemerkt, sondern es ganz freiwillig getan
hatte. Während sie da draußen umherging und die künstlich zusammengeflochtne
Rosenpyramide bewunderte, die jetzt in Blüte stand, fing es plötzlich an sehr heftig
zu donnern. Die Sonne schien noch, aber große Regentropfen begannen auf die weißen
Marmorstufen zu fallen, als sie, die Röcke unterm Arm, so schnell sie konnte, die
Treppe hinauflief. Als sie in den Salon kam, sah sie die Herzogin aus den Knien
an der Erde liegen, mit gefalteten Händen, den Kopf an Salms Knie gelehnt.

Sie fürchtet sich vor dem Gewitter, sagte Salm ganz unbefangen und be¬
gegnete Mariens starrem, erstaunten und vorwurfsvollem Blick, während er leise,
gleichsam beruhigend seiner Freundin über das Haar strich.

Die Herzogin von Bouillon sah auf. Ihre großen Augen standen voll Tränen,
und die rote Schminke war über das Gesicht verwischt, sodaß sie einem rotgefleckten
Rüden glich. Aber so lieb wie in diesem Augenblick war sie noch nie gewesen, fand
Dona Marina.

Ein Blitzstrahl erhellte plötzlich das Zimmer, und gleich darauf kam das
Donnergetöse. Die Herzogin stieß einen durchdringenden Schrei aus und hielt
wieder die Hände vor die Augen.

Marina fürchtete sich nicht vor dem Donner. Sie saß ganz still auf dem
Rande ihres Stuhls und sah verwundert und verbittert zu, wie Salm die Herzogin
tröstete und liebkoste.

Ist sie wirklich so bange? flüsterte die kleine Marquise halb mitleidig, aber
doch mit einer gewissen Geringschätzung.

Cöcile ist nicht zuhause, antwortete Salm erklärend. Sie hat Erlaubnis er¬
halten, ein wenig im Tuileriengarten spazieren zu gehn.

Cecile, Mademoiselle de la Tour d'Auvergne war die einzige Tochter des
Herzogspaares. Sie war jetzt fünf Jahre alt, und wenn Besuch da war, erhielt
sie zuweilen Erlaubnis, mit ihrer Gouvernante in den Garten hinunter zu gehn.
Oft hatte Dona Marina sie dort jedoch nicht gesehen.

Am Tage nach dem Gewitter machte die Herzogin den Vorschlag -- sie tat
das ganz unbefangen und natürlich, ohne mit einem Worte des gestrigen Tages zu
erwähnen -->, daß Marina mit ihr zu der kleinen Cecile hinauf kommen solle.
Sie nahm es natürlich dankend an, und sie gingen zusammen die Treppe hinauf.

Das Zimmer, wo die Kleine mit ihrer Gouvernante saß, glich dem Boudoir
einer erwachsenen Dame -- dort waren viele hohe Spiegel an den Wänden, und
die Felder dazwischen waren mit mythologischen Bildern in klaren, hellen Farben
ausgefüllt: Ceres von Hirtinnen umgeben auf einer lenzgrünen Wiese, Hebe und
ihre Nymphen, den Tisch der Götter deckend usw. Als die Tür sich auftat, war
die Gouvernante gerade beschäftigt, ihrer Schülerin eine Geographiestunde an der
Hand kleiner gemalter Bilder zu geben, unter denen man die Peterskirche in Rom,
Schönbrunn, das neue Sanssouci, die Eremitage vor Petersburg und viele andre
lehrreiche Dinge sah. Beide erhoben sich sogleich, als die Herzogin mit der Marquise
von El Viso eintrat.

Es war äußerst selten, daß die Herzogin von Bouillon Zeit hatte, ihre Tochter
auf ihrem Zimmer zu besuchen -- auch war das in Frankreich in der feinen Welt
nicht Sitte und Gebrauch. Das kleine Mädchen kam jeden Morgen herein und
küßte ihre Mutter auf dem Bett bei ihrem Lever -- später am Tage sah sie sie
nur selten. Die Gouvernante und die Kammerjungfern nahmen sich ihrer an -- im
übrigen mußte sie für sich selber sorgen, so gut sie konnte.


Die kleine Marina und ihr Gemahl

bei der ganzen Sache — schloß sie sich seit diesem Tage viel wärmer und inniger
an Maria Hedwig an.

Es war ein drückend warmer Tag zu Ende Juli, als sie wie gewöhnlich mit
Manolito einen Besuch bei der Herzogin machte. Es waren keine andern Gäste
da, und Marien ging sehr bald in den Garten. Es war ihr später, als sie ge¬
nauer darüber nachdachte, als habe sie jemand aufgefordert, das zu tun, aber auf
eine so feine Weise, daß sie selber es nicht gemerkt, sondern es ganz freiwillig getan
hatte. Während sie da draußen umherging und die künstlich zusammengeflochtne
Rosenpyramide bewunderte, die jetzt in Blüte stand, fing es plötzlich an sehr heftig
zu donnern. Die Sonne schien noch, aber große Regentropfen begannen auf die weißen
Marmorstufen zu fallen, als sie, die Röcke unterm Arm, so schnell sie konnte, die
Treppe hinauflief. Als sie in den Salon kam, sah sie die Herzogin aus den Knien
an der Erde liegen, mit gefalteten Händen, den Kopf an Salms Knie gelehnt.

Sie fürchtet sich vor dem Gewitter, sagte Salm ganz unbefangen und be¬
gegnete Mariens starrem, erstaunten und vorwurfsvollem Blick, während er leise,
gleichsam beruhigend seiner Freundin über das Haar strich.

Die Herzogin von Bouillon sah auf. Ihre großen Augen standen voll Tränen,
und die rote Schminke war über das Gesicht verwischt, sodaß sie einem rotgefleckten
Rüden glich. Aber so lieb wie in diesem Augenblick war sie noch nie gewesen, fand
Dona Marina.

Ein Blitzstrahl erhellte plötzlich das Zimmer, und gleich darauf kam das
Donnergetöse. Die Herzogin stieß einen durchdringenden Schrei aus und hielt
wieder die Hände vor die Augen.

Marina fürchtete sich nicht vor dem Donner. Sie saß ganz still auf dem
Rande ihres Stuhls und sah verwundert und verbittert zu, wie Salm die Herzogin
tröstete und liebkoste.

Ist sie wirklich so bange? flüsterte die kleine Marquise halb mitleidig, aber
doch mit einer gewissen Geringschätzung.

Cöcile ist nicht zuhause, antwortete Salm erklärend. Sie hat Erlaubnis er¬
halten, ein wenig im Tuileriengarten spazieren zu gehn.

Cecile, Mademoiselle de la Tour d'Auvergne war die einzige Tochter des
Herzogspaares. Sie war jetzt fünf Jahre alt, und wenn Besuch da war, erhielt
sie zuweilen Erlaubnis, mit ihrer Gouvernante in den Garten hinunter zu gehn.
Oft hatte Dona Marina sie dort jedoch nicht gesehen.

Am Tage nach dem Gewitter machte die Herzogin den Vorschlag — sie tat
das ganz unbefangen und natürlich, ohne mit einem Worte des gestrigen Tages zu
erwähnen —>, daß Marina mit ihr zu der kleinen Cecile hinauf kommen solle.
Sie nahm es natürlich dankend an, und sie gingen zusammen die Treppe hinauf.

Das Zimmer, wo die Kleine mit ihrer Gouvernante saß, glich dem Boudoir
einer erwachsenen Dame — dort waren viele hohe Spiegel an den Wänden, und
die Felder dazwischen waren mit mythologischen Bildern in klaren, hellen Farben
ausgefüllt: Ceres von Hirtinnen umgeben auf einer lenzgrünen Wiese, Hebe und
ihre Nymphen, den Tisch der Götter deckend usw. Als die Tür sich auftat, war
die Gouvernante gerade beschäftigt, ihrer Schülerin eine Geographiestunde an der
Hand kleiner gemalter Bilder zu geben, unter denen man die Peterskirche in Rom,
Schönbrunn, das neue Sanssouci, die Eremitage vor Petersburg und viele andre
lehrreiche Dinge sah. Beide erhoben sich sogleich, als die Herzogin mit der Marquise
von El Viso eintrat.

Es war äußerst selten, daß die Herzogin von Bouillon Zeit hatte, ihre Tochter
auf ihrem Zimmer zu besuchen — auch war das in Frankreich in der feinen Welt
nicht Sitte und Gebrauch. Das kleine Mädchen kam jeden Morgen herein und
küßte ihre Mutter auf dem Bett bei ihrem Lever — später am Tage sah sie sie
nur selten. Die Gouvernante und die Kammerjungfern nahmen sich ihrer an — im
übrigen mußte sie für sich selber sorgen, so gut sie konnte.


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[0234] Die kleine Marina und ihr Gemahl bei der ganzen Sache — schloß sie sich seit diesem Tage viel wärmer und inniger an Maria Hedwig an. Es war ein drückend warmer Tag zu Ende Juli, als sie wie gewöhnlich mit Manolito einen Besuch bei der Herzogin machte. Es waren keine andern Gäste da, und Marien ging sehr bald in den Garten. Es war ihr später, als sie ge¬ nauer darüber nachdachte, als habe sie jemand aufgefordert, das zu tun, aber auf eine so feine Weise, daß sie selber es nicht gemerkt, sondern es ganz freiwillig getan hatte. Während sie da draußen umherging und die künstlich zusammengeflochtne Rosenpyramide bewunderte, die jetzt in Blüte stand, fing es plötzlich an sehr heftig zu donnern. Die Sonne schien noch, aber große Regentropfen begannen auf die weißen Marmorstufen zu fallen, als sie, die Röcke unterm Arm, so schnell sie konnte, die Treppe hinauflief. Als sie in den Salon kam, sah sie die Herzogin aus den Knien an der Erde liegen, mit gefalteten Händen, den Kopf an Salms Knie gelehnt. Sie fürchtet sich vor dem Gewitter, sagte Salm ganz unbefangen und be¬ gegnete Mariens starrem, erstaunten und vorwurfsvollem Blick, während er leise, gleichsam beruhigend seiner Freundin über das Haar strich. Die Herzogin von Bouillon sah auf. Ihre großen Augen standen voll Tränen, und die rote Schminke war über das Gesicht verwischt, sodaß sie einem rotgefleckten Rüden glich. Aber so lieb wie in diesem Augenblick war sie noch nie gewesen, fand Dona Marina. Ein Blitzstrahl erhellte plötzlich das Zimmer, und gleich darauf kam das Donnergetöse. Die Herzogin stieß einen durchdringenden Schrei aus und hielt wieder die Hände vor die Augen. Marina fürchtete sich nicht vor dem Donner. Sie saß ganz still auf dem Rande ihres Stuhls und sah verwundert und verbittert zu, wie Salm die Herzogin tröstete und liebkoste. Ist sie wirklich so bange? flüsterte die kleine Marquise halb mitleidig, aber doch mit einer gewissen Geringschätzung. Cöcile ist nicht zuhause, antwortete Salm erklärend. Sie hat Erlaubnis er¬ halten, ein wenig im Tuileriengarten spazieren zu gehn. Cecile, Mademoiselle de la Tour d'Auvergne war die einzige Tochter des Herzogspaares. Sie war jetzt fünf Jahre alt, und wenn Besuch da war, erhielt sie zuweilen Erlaubnis, mit ihrer Gouvernante in den Garten hinunter zu gehn. Oft hatte Dona Marina sie dort jedoch nicht gesehen. Am Tage nach dem Gewitter machte die Herzogin den Vorschlag — sie tat das ganz unbefangen und natürlich, ohne mit einem Worte des gestrigen Tages zu erwähnen —>, daß Marina mit ihr zu der kleinen Cecile hinauf kommen solle. Sie nahm es natürlich dankend an, und sie gingen zusammen die Treppe hinauf. Das Zimmer, wo die Kleine mit ihrer Gouvernante saß, glich dem Boudoir einer erwachsenen Dame — dort waren viele hohe Spiegel an den Wänden, und die Felder dazwischen waren mit mythologischen Bildern in klaren, hellen Farben ausgefüllt: Ceres von Hirtinnen umgeben auf einer lenzgrünen Wiese, Hebe und ihre Nymphen, den Tisch der Götter deckend usw. Als die Tür sich auftat, war die Gouvernante gerade beschäftigt, ihrer Schülerin eine Geographiestunde an der Hand kleiner gemalter Bilder zu geben, unter denen man die Peterskirche in Rom, Schönbrunn, das neue Sanssouci, die Eremitage vor Petersburg und viele andre lehrreiche Dinge sah. Beide erhoben sich sogleich, als die Herzogin mit der Marquise von El Viso eintrat. Es war äußerst selten, daß die Herzogin von Bouillon Zeit hatte, ihre Tochter auf ihrem Zimmer zu besuchen — auch war das in Frankreich in der feinen Welt nicht Sitte und Gebrauch. Das kleine Mädchen kam jeden Morgen herein und küßte ihre Mutter auf dem Bett bei ihrem Lever — später am Tage sah sie sie nur selten. Die Gouvernante und die Kammerjungfern nahmen sich ihrer an — im übrigen mußte sie für sich selber sorgen, so gut sie konnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/234>, abgerufen am 28.05.2024.