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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Die Landgrafen von Hessen-Homburg

die lcmdgräsliche Regierung am 19. Januar an das Reichsministerium des
Innern die Frage, ob die hohe Reichsgewalt in der Lage sei, noch vor
dem 1. Mai des laufenden Jahres die als Folge der projektierten Schließung
der öffentlichen Spielbanken gebührenden Entschädigungen wirklich zu leisten.
Die Homburger Regierung sei vollkommen berechtigt, dieselbe Rücksicht auf
ihre Finanzen, die bei dem Beschlusse über die Klasfenlotterien gegen
größere deutsche Staaten gewaltet hätten, für sich zu beanspruchen. Die
Lotterien, die nach Ansicht der Nationalversammlung ebenfalls gemeinschädlich
und und der Ehre Deutschlands unvereinbar seien, dürften, wie man erfahre,
fortbestehn.

Der Reichsminister der Justiz antwortete am 25. Januar, das Reich und
sein Fiskus könnten sich mit den Spielpüchtern in Rechtsstreitigkeiten über
Entschädigung nicht einlassen, auch von einer Verschiebung des Termins der
Aufhebung der Spielbanken könne nicht die Rede sein.

Nun stellte sich die landgräfliche Regierung auf den Standpunkt des
Bundesrechts, das, solange nicht eine neue Verfassung durch das Einverständnis
der deutsche" Staaten ins Leben getreten sei, die einzige staatsrechtliche
Grundlage für das Verhältnis der Einzelstaaten zur Zentralgewalt sei. Die
Souveränität des Landgrafen sei unvermindert. Der Fürst könne einer ander-
wärtiger Autorität die Einmischung in die innern Angelegenheiten seines
Landes nicht erlauben und sich nicht den Maßnahmen der Nationalversammlung
unbedingt und ohne bestimmte Grenzen unterwerfen, wo doch die künftige
Gestalt der politischen Verhältnisse Deutschlands erst in der Entwicklung be¬
griffen sei.

Dieses Schreiben wurde am 8. Februar vom Neichsminister der Justiz,
(gez.) R. Mohl, an den landgräflich hessischen Geheimen Rat zu Homburg
vor der Höhe zurückgeschickt mit dem Bemerken, daß weder Form noch Inhalt
der Schrift von der Art sei, daß sie Gegenstand einer Beratung der Regierung
Seiner Kaiserlichen Hoheit des Reichsverwesers sein könnte.

Der 1. Mai 1849 kam heran, ohne daß die homburgische Negierung die
Spielbank anhielt, ihre Tätigkeit einzustellen. Da entschloß man sich in dem
benachbarten Frankfurt zu einer Gewaltmaßregel. Am 7. Mai rückten acht¬
hundert Mann österreichische Exekutionstruppen vom Regiment Erzherzog
Rainer in Homburg ein und wurden bei den Bürgern einquartiert. So wurde
der Schluß des Spiels, das in den untern Räumen des Kurhauses stattfand,
erzwungen. Von den Unternehmern wurde jedoch sofort eine geschlossene
Gesellschaft gebildet, die im obern Stock, im sogenannten " Prinzensaal," das
Spiel fortsetzte, und die Ironie des Schicksals fügte es so, daß manche der
österreichischen Offiziere, die zur Unterdrückung des Spiels kommandiert worden
waren, noch an demselben Abend in dem Privatzirkel selbst der Glücks¬
göttin des Spieltisches huldigten. Nach drei Tagen zogen die Österreicher
wieder ab.

Die landgrüfliche Regierung protestierte gegen die Gewaltmaßregel der
Provisorischen Zentralregierung, der sie niemals eine unbegrenzte Allgewalt
zuerkannt habe, und von der sie, ihrer Würde zuwider, in die Stellung eines


Die Landgrafen von Hessen-Homburg

die lcmdgräsliche Regierung am 19. Januar an das Reichsministerium des
Innern die Frage, ob die hohe Reichsgewalt in der Lage sei, noch vor
dem 1. Mai des laufenden Jahres die als Folge der projektierten Schließung
der öffentlichen Spielbanken gebührenden Entschädigungen wirklich zu leisten.
Die Homburger Regierung sei vollkommen berechtigt, dieselbe Rücksicht auf
ihre Finanzen, die bei dem Beschlusse über die Klasfenlotterien gegen
größere deutsche Staaten gewaltet hätten, für sich zu beanspruchen. Die
Lotterien, die nach Ansicht der Nationalversammlung ebenfalls gemeinschädlich
und und der Ehre Deutschlands unvereinbar seien, dürften, wie man erfahre,
fortbestehn.

Der Reichsminister der Justiz antwortete am 25. Januar, das Reich und
sein Fiskus könnten sich mit den Spielpüchtern in Rechtsstreitigkeiten über
Entschädigung nicht einlassen, auch von einer Verschiebung des Termins der
Aufhebung der Spielbanken könne nicht die Rede sein.

Nun stellte sich die landgräfliche Regierung auf den Standpunkt des
Bundesrechts, das, solange nicht eine neue Verfassung durch das Einverständnis
der deutsche» Staaten ins Leben getreten sei, die einzige staatsrechtliche
Grundlage für das Verhältnis der Einzelstaaten zur Zentralgewalt sei. Die
Souveränität des Landgrafen sei unvermindert. Der Fürst könne einer ander-
wärtiger Autorität die Einmischung in die innern Angelegenheiten seines
Landes nicht erlauben und sich nicht den Maßnahmen der Nationalversammlung
unbedingt und ohne bestimmte Grenzen unterwerfen, wo doch die künftige
Gestalt der politischen Verhältnisse Deutschlands erst in der Entwicklung be¬
griffen sei.

Dieses Schreiben wurde am 8. Februar vom Neichsminister der Justiz,
(gez.) R. Mohl, an den landgräflich hessischen Geheimen Rat zu Homburg
vor der Höhe zurückgeschickt mit dem Bemerken, daß weder Form noch Inhalt
der Schrift von der Art sei, daß sie Gegenstand einer Beratung der Regierung
Seiner Kaiserlichen Hoheit des Reichsverwesers sein könnte.

Der 1. Mai 1849 kam heran, ohne daß die homburgische Negierung die
Spielbank anhielt, ihre Tätigkeit einzustellen. Da entschloß man sich in dem
benachbarten Frankfurt zu einer Gewaltmaßregel. Am 7. Mai rückten acht¬
hundert Mann österreichische Exekutionstruppen vom Regiment Erzherzog
Rainer in Homburg ein und wurden bei den Bürgern einquartiert. So wurde
der Schluß des Spiels, das in den untern Räumen des Kurhauses stattfand,
erzwungen. Von den Unternehmern wurde jedoch sofort eine geschlossene
Gesellschaft gebildet, die im obern Stock, im sogenannten „ Prinzensaal," das
Spiel fortsetzte, und die Ironie des Schicksals fügte es so, daß manche der
österreichischen Offiziere, die zur Unterdrückung des Spiels kommandiert worden
waren, noch an demselben Abend in dem Privatzirkel selbst der Glücks¬
göttin des Spieltisches huldigten. Nach drei Tagen zogen die Österreicher
wieder ab.

Die landgrüfliche Regierung protestierte gegen die Gewaltmaßregel der
Provisorischen Zentralregierung, der sie niemals eine unbegrenzte Allgewalt
zuerkannt habe, und von der sie, ihrer Würde zuwider, in die Stellung eines


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[0277] Die Landgrafen von Hessen-Homburg die lcmdgräsliche Regierung am 19. Januar an das Reichsministerium des Innern die Frage, ob die hohe Reichsgewalt in der Lage sei, noch vor dem 1. Mai des laufenden Jahres die als Folge der projektierten Schließung der öffentlichen Spielbanken gebührenden Entschädigungen wirklich zu leisten. Die Homburger Regierung sei vollkommen berechtigt, dieselbe Rücksicht auf ihre Finanzen, die bei dem Beschlusse über die Klasfenlotterien gegen größere deutsche Staaten gewaltet hätten, für sich zu beanspruchen. Die Lotterien, die nach Ansicht der Nationalversammlung ebenfalls gemeinschädlich und und der Ehre Deutschlands unvereinbar seien, dürften, wie man erfahre, fortbestehn. Der Reichsminister der Justiz antwortete am 25. Januar, das Reich und sein Fiskus könnten sich mit den Spielpüchtern in Rechtsstreitigkeiten über Entschädigung nicht einlassen, auch von einer Verschiebung des Termins der Aufhebung der Spielbanken könne nicht die Rede sein. Nun stellte sich die landgräfliche Regierung auf den Standpunkt des Bundesrechts, das, solange nicht eine neue Verfassung durch das Einverständnis der deutsche» Staaten ins Leben getreten sei, die einzige staatsrechtliche Grundlage für das Verhältnis der Einzelstaaten zur Zentralgewalt sei. Die Souveränität des Landgrafen sei unvermindert. Der Fürst könne einer ander- wärtiger Autorität die Einmischung in die innern Angelegenheiten seines Landes nicht erlauben und sich nicht den Maßnahmen der Nationalversammlung unbedingt und ohne bestimmte Grenzen unterwerfen, wo doch die künftige Gestalt der politischen Verhältnisse Deutschlands erst in der Entwicklung be¬ griffen sei. Dieses Schreiben wurde am 8. Februar vom Neichsminister der Justiz, (gez.) R. Mohl, an den landgräflich hessischen Geheimen Rat zu Homburg vor der Höhe zurückgeschickt mit dem Bemerken, daß weder Form noch Inhalt der Schrift von der Art sei, daß sie Gegenstand einer Beratung der Regierung Seiner Kaiserlichen Hoheit des Reichsverwesers sein könnte. Der 1. Mai 1849 kam heran, ohne daß die homburgische Negierung die Spielbank anhielt, ihre Tätigkeit einzustellen. Da entschloß man sich in dem benachbarten Frankfurt zu einer Gewaltmaßregel. Am 7. Mai rückten acht¬ hundert Mann österreichische Exekutionstruppen vom Regiment Erzherzog Rainer in Homburg ein und wurden bei den Bürgern einquartiert. So wurde der Schluß des Spiels, das in den untern Räumen des Kurhauses stattfand, erzwungen. Von den Unternehmern wurde jedoch sofort eine geschlossene Gesellschaft gebildet, die im obern Stock, im sogenannten „ Prinzensaal," das Spiel fortsetzte, und die Ironie des Schicksals fügte es so, daß manche der österreichischen Offiziere, die zur Unterdrückung des Spiels kommandiert worden waren, noch an demselben Abend in dem Privatzirkel selbst der Glücks¬ göttin des Spieltisches huldigten. Nach drei Tagen zogen die Österreicher wieder ab. Die landgrüfliche Regierung protestierte gegen die Gewaltmaßregel der Provisorischen Zentralregierung, der sie niemals eine unbegrenzte Allgewalt zuerkannt habe, und von der sie, ihrer Würde zuwider, in die Stellung eines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/277>, abgerufen am 06.06.2024.