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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Kriegsflagge zu verlassen hätten, würde nichts helfen. Wer soll die Jnne-
haltung dieser Bestimmung kontrollieren? Sie wäre auch nur zugunsten Englands,
das auf der ganzen Welt Häfen hat und die nach Plymouth, Southampton usw.
zuständigen Personendampfer auf den verschiedensten Punkten der Erde in Hilfs¬
kreuzer umwandeln kann. Ebenso würde Deutschland nicht behindert sein, die bei
Ausbruch eines Krieges in Ostasien liegenden oder dorthin gehenden Schnell¬
dampfer in Tsintau in Hilfskreuzer umzuwandeln. Jeder Flottenstützpunkt wäre
in einem solchen Falle Heimathafen. Die russischen Hilfskreuzer sind nur so unge¬
schickt gewesen, ihre Kräfte zuerst an deutschen und an englischen Schiffen unter
Überschreitung des Durchsuchungsrechts zu erproben, auf die Gefahr hin, mit eng¬
lischen Kriegsschiffen dabei in Konflikt zu kommen.

Die guten Freunde und schlechten Musikanten in der Politik werfen dem
Reichskanzler vor, daß er sich mit einem papiernen Proteste begnügt und nicht
"die Flotte losgeschickt" oder -- Wie die Sozialdemokraten es verlangen -- zu
einer englisch-deutschen Flottendemonstration gegen Kronstäbe die Hand geboten
habe. In einigen sozialdemokratischen Blättern kommt sogar -- frei nach Reineke
Fuchs -- ein Stück "Jlottenbegeisterung" zum Durchbruch, und es fehlt nicht
an Gimpeln, die in diesen "schönen Regungen" der sozialdemokratischen Seele
das nun endlich beginnende Morgenrot einer patriotischen Periode der Sozial¬
demokratie sehen. Nein, um das alles handelt es sich gar nicht, sondern allein
um Verhetzung gegen Rußland. Die Sozialdemokratie hätte gar zu gern einen
großen Druck der öffentlichen Meinung gegen Nußland zustande gebracht, obwohl
-- oder weil? -- ein drohendes Auftreten Deutschlands gegen seinen östlichen
Nachbarn den vagus kosäsris des Zweibundes sofort ins Leben gerufen hätte!
Graf Bülow hat das Säbelrasseln den Engländern überlassen und ist sehr gut
dabei gefahren. Wie man sieht, kann der russisch-japanische Krieg durch "uner¬
wartete Ereignisse" zu allerlei Überraschungen führen, um so mehr sollten die
öffentliche Meinung in Deutschland und die Presse auf der Hut sein, sich nicht von
tendenziösen Lärmmachern in eine falsche Richtung drängen zu lassen. Wie sehr
ein Teil der deutschen Presse heutigentags noch in den Auffassungen der politischen
Kinderstube befangen ist, ergibt sich unter andern, aus einem "Unparteiischen Organ
für Jedermann" in Hannover, das unter der Überschrift "Kosakisch" sich über "das
naive Vertrauen" beklagt, das die Reichsregierung Nußland entgegenbringe, und
dazu wörtlich folgenden Satz leistet: "Während andre Staatskanzleien und vor¬
dem auch das von Bismarck geleitete Deutschland immer die große asiatische Gefahr,
die dem Westen drohe, nicht in dem japanischen Kulturvolke, sondern in dem Ru߬
land, wie es regiert wird, und wie es internationale Politik treibt, gesehen haben
und alle Zeit su vsästw waren, hat die deutsche Reichsregierung um die Jahr¬
hundertwende und bis zu diesem Augenblick eine russische Freundschaft gesucht und
zu besitzen geglaubt, welche bei der Verschiedenheit der Kultur und des sittlichen
Standpunktes unmöglich war."

Dann folgen noch einige Faseleien von der "bescheidnen Bülowschen Be¬
schwerde" in Petersburg, der höhnenden Antwort Rußlands usw. Nun, die "be¬
scheidne Beschwerde" hat jedenfalls unverzüglich den gewünschten Erfolg gehabt,
und jeder vernünftige Deutsche wird mit dem Verhalten des Reichskanzlers gerade
in diesem Punkte durchaus einverstanden sein und ihm Dank wissen. Was aber
die russische Freundschaft anlangt, so hat doch Fürst Bismarck von seinem Amts¬
antritt im Jahre 1862 an bis an das Ende seiner Ministerlaufbahn die Pflege
und die Festigung dieser Freundschaft als die erste seiner Aufgaben behandelt, ob¬
wohl Fürst Gortschakow mit seinen französelnden Neigungen und seiner eiteln
Selbstbewundrung ihm das nicht wenig erschwert hat. Das Bündnis mit Österreich
im Jahre 1879 hat Bismarck erst infolge russischer Drohungen geschlossen, und es
ist zur Genüge bekannt, wie schwer Kaiser Wilhelm der Erste sich zur Ratifizierung
des Vertrags entschlossen hat. Aber nach Abschluß dieses Bündnisses hat gerade


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Kriegsflagge zu verlassen hätten, würde nichts helfen. Wer soll die Jnne-
haltung dieser Bestimmung kontrollieren? Sie wäre auch nur zugunsten Englands,
das auf der ganzen Welt Häfen hat und die nach Plymouth, Southampton usw.
zuständigen Personendampfer auf den verschiedensten Punkten der Erde in Hilfs¬
kreuzer umwandeln kann. Ebenso würde Deutschland nicht behindert sein, die bei
Ausbruch eines Krieges in Ostasien liegenden oder dorthin gehenden Schnell¬
dampfer in Tsintau in Hilfskreuzer umzuwandeln. Jeder Flottenstützpunkt wäre
in einem solchen Falle Heimathafen. Die russischen Hilfskreuzer sind nur so unge¬
schickt gewesen, ihre Kräfte zuerst an deutschen und an englischen Schiffen unter
Überschreitung des Durchsuchungsrechts zu erproben, auf die Gefahr hin, mit eng¬
lischen Kriegsschiffen dabei in Konflikt zu kommen.

Die guten Freunde und schlechten Musikanten in der Politik werfen dem
Reichskanzler vor, daß er sich mit einem papiernen Proteste begnügt und nicht
„die Flotte losgeschickt" oder — Wie die Sozialdemokraten es verlangen — zu
einer englisch-deutschen Flottendemonstration gegen Kronstäbe die Hand geboten
habe. In einigen sozialdemokratischen Blättern kommt sogar — frei nach Reineke
Fuchs — ein Stück „Jlottenbegeisterung" zum Durchbruch, und es fehlt nicht
an Gimpeln, die in diesen „schönen Regungen" der sozialdemokratischen Seele
das nun endlich beginnende Morgenrot einer patriotischen Periode der Sozial¬
demokratie sehen. Nein, um das alles handelt es sich gar nicht, sondern allein
um Verhetzung gegen Rußland. Die Sozialdemokratie hätte gar zu gern einen
großen Druck der öffentlichen Meinung gegen Nußland zustande gebracht, obwohl
— oder weil? — ein drohendes Auftreten Deutschlands gegen seinen östlichen
Nachbarn den vagus kosäsris des Zweibundes sofort ins Leben gerufen hätte!
Graf Bülow hat das Säbelrasseln den Engländern überlassen und ist sehr gut
dabei gefahren. Wie man sieht, kann der russisch-japanische Krieg durch „uner¬
wartete Ereignisse" zu allerlei Überraschungen führen, um so mehr sollten die
öffentliche Meinung in Deutschland und die Presse auf der Hut sein, sich nicht von
tendenziösen Lärmmachern in eine falsche Richtung drängen zu lassen. Wie sehr
ein Teil der deutschen Presse heutigentags noch in den Auffassungen der politischen
Kinderstube befangen ist, ergibt sich unter andern, aus einem „Unparteiischen Organ
für Jedermann" in Hannover, das unter der Überschrift „Kosakisch" sich über „das
naive Vertrauen" beklagt, das die Reichsregierung Nußland entgegenbringe, und
dazu wörtlich folgenden Satz leistet: „Während andre Staatskanzleien und vor¬
dem auch das von Bismarck geleitete Deutschland immer die große asiatische Gefahr,
die dem Westen drohe, nicht in dem japanischen Kulturvolke, sondern in dem Ru߬
land, wie es regiert wird, und wie es internationale Politik treibt, gesehen haben
und alle Zeit su vsästw waren, hat die deutsche Reichsregierung um die Jahr¬
hundertwende und bis zu diesem Augenblick eine russische Freundschaft gesucht und
zu besitzen geglaubt, welche bei der Verschiedenheit der Kultur und des sittlichen
Standpunktes unmöglich war."

Dann folgen noch einige Faseleien von der „bescheidnen Bülowschen Be¬
schwerde" in Petersburg, der höhnenden Antwort Rußlands usw. Nun, die „be¬
scheidne Beschwerde" hat jedenfalls unverzüglich den gewünschten Erfolg gehabt,
und jeder vernünftige Deutsche wird mit dem Verhalten des Reichskanzlers gerade
in diesem Punkte durchaus einverstanden sein und ihm Dank wissen. Was aber
die russische Freundschaft anlangt, so hat doch Fürst Bismarck von seinem Amts¬
antritt im Jahre 1862 an bis an das Ende seiner Ministerlaufbahn die Pflege
und die Festigung dieser Freundschaft als die erste seiner Aufgaben behandelt, ob¬
wohl Fürst Gortschakow mit seinen französelnden Neigungen und seiner eiteln
Selbstbewundrung ihm das nicht wenig erschwert hat. Das Bündnis mit Österreich
im Jahre 1879 hat Bismarck erst infolge russischer Drohungen geschlossen, und es
ist zur Genüge bekannt, wie schwer Kaiser Wilhelm der Erste sich zur Ratifizierung
des Vertrags entschlossen hat. Aber nach Abschluß dieses Bündnisses hat gerade


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[0307] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Kriegsflagge zu verlassen hätten, würde nichts helfen. Wer soll die Jnne- haltung dieser Bestimmung kontrollieren? Sie wäre auch nur zugunsten Englands, das auf der ganzen Welt Häfen hat und die nach Plymouth, Southampton usw. zuständigen Personendampfer auf den verschiedensten Punkten der Erde in Hilfs¬ kreuzer umwandeln kann. Ebenso würde Deutschland nicht behindert sein, die bei Ausbruch eines Krieges in Ostasien liegenden oder dorthin gehenden Schnell¬ dampfer in Tsintau in Hilfskreuzer umzuwandeln. Jeder Flottenstützpunkt wäre in einem solchen Falle Heimathafen. Die russischen Hilfskreuzer sind nur so unge¬ schickt gewesen, ihre Kräfte zuerst an deutschen und an englischen Schiffen unter Überschreitung des Durchsuchungsrechts zu erproben, auf die Gefahr hin, mit eng¬ lischen Kriegsschiffen dabei in Konflikt zu kommen. Die guten Freunde und schlechten Musikanten in der Politik werfen dem Reichskanzler vor, daß er sich mit einem papiernen Proteste begnügt und nicht „die Flotte losgeschickt" oder — Wie die Sozialdemokraten es verlangen — zu einer englisch-deutschen Flottendemonstration gegen Kronstäbe die Hand geboten habe. In einigen sozialdemokratischen Blättern kommt sogar — frei nach Reineke Fuchs — ein Stück „Jlottenbegeisterung" zum Durchbruch, und es fehlt nicht an Gimpeln, die in diesen „schönen Regungen" der sozialdemokratischen Seele das nun endlich beginnende Morgenrot einer patriotischen Periode der Sozial¬ demokratie sehen. Nein, um das alles handelt es sich gar nicht, sondern allein um Verhetzung gegen Rußland. Die Sozialdemokratie hätte gar zu gern einen großen Druck der öffentlichen Meinung gegen Nußland zustande gebracht, obwohl — oder weil? — ein drohendes Auftreten Deutschlands gegen seinen östlichen Nachbarn den vagus kosäsris des Zweibundes sofort ins Leben gerufen hätte! Graf Bülow hat das Säbelrasseln den Engländern überlassen und ist sehr gut dabei gefahren. Wie man sieht, kann der russisch-japanische Krieg durch „uner¬ wartete Ereignisse" zu allerlei Überraschungen führen, um so mehr sollten die öffentliche Meinung in Deutschland und die Presse auf der Hut sein, sich nicht von tendenziösen Lärmmachern in eine falsche Richtung drängen zu lassen. Wie sehr ein Teil der deutschen Presse heutigentags noch in den Auffassungen der politischen Kinderstube befangen ist, ergibt sich unter andern, aus einem „Unparteiischen Organ für Jedermann" in Hannover, das unter der Überschrift „Kosakisch" sich über „das naive Vertrauen" beklagt, das die Reichsregierung Nußland entgegenbringe, und dazu wörtlich folgenden Satz leistet: „Während andre Staatskanzleien und vor¬ dem auch das von Bismarck geleitete Deutschland immer die große asiatische Gefahr, die dem Westen drohe, nicht in dem japanischen Kulturvolke, sondern in dem Ru߬ land, wie es regiert wird, und wie es internationale Politik treibt, gesehen haben und alle Zeit su vsästw waren, hat die deutsche Reichsregierung um die Jahr¬ hundertwende und bis zu diesem Augenblick eine russische Freundschaft gesucht und zu besitzen geglaubt, welche bei der Verschiedenheit der Kultur und des sittlichen Standpunktes unmöglich war." Dann folgen noch einige Faseleien von der „bescheidnen Bülowschen Be¬ schwerde" in Petersburg, der höhnenden Antwort Rußlands usw. Nun, die „be¬ scheidne Beschwerde" hat jedenfalls unverzüglich den gewünschten Erfolg gehabt, und jeder vernünftige Deutsche wird mit dem Verhalten des Reichskanzlers gerade in diesem Punkte durchaus einverstanden sein und ihm Dank wissen. Was aber die russische Freundschaft anlangt, so hat doch Fürst Bismarck von seinem Amts¬ antritt im Jahre 1862 an bis an das Ende seiner Ministerlaufbahn die Pflege und die Festigung dieser Freundschaft als die erste seiner Aufgaben behandelt, ob¬ wohl Fürst Gortschakow mit seinen französelnden Neigungen und seiner eiteln Selbstbewundrung ihm das nicht wenig erschwert hat. Das Bündnis mit Österreich im Jahre 1879 hat Bismarck erst infolge russischer Drohungen geschlossen, und es ist zur Genüge bekannt, wie schwer Kaiser Wilhelm der Erste sich zur Ratifizierung des Vertrags entschlossen hat. Aber nach Abschluß dieses Bündnisses hat gerade

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/307>, abgerufen am 24.05.2024.