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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Bismarck dafür gesorgt, daß Rußland uns nicht entfremdet wurde. Im Jahre 1881
wurde in Danzig ein Geheimvertrag mit Kaiser Alexander dew Dritten geschlossen,
dem 1884 in Skiernewice ein auf die Dauer von drei Jahren von Deutschland,
Rußland, Österreich gezeichneter Dreikaiservertrag folgte, der der Erhaltung des
Status one> in Europa galt. 1837 wurde dann ein Vertrag zwischen Deutschland
und Rußland von neuem auf drei Jahre geschlossen, der gerade im Augenblick des
Rücktritts des Fürsten Bismarck verlängert werden sollte, bekanntlich aber nicht
verlängert worden ist. Wie Kaiser Wilhelm der Erste seinen Enkel auf dem
Sterbebett ermahnt hatte, er möge sich mit Rußland/ gut stellen, so hat Fürst
Bismarck nach seinem Rücktritt immer wieder das Abreißen des nach Petersburg
führenden Drahtes bedauert, seine Wiederanknüpfung dringend empfohlen und diesem
Rate noch in seinen "Gedanken und Erinnerungen" umfangreiche Betrachtungen
gewidmet.") >

Die Vorwürfe des hannoverschen Blattes für Jedermann gegen den jetzigen
Reichskanzler zeugen demnach von einer auffallenden politischen Unwissenheit und
Unkenntnis historisch feststehender, weltbekannter Tatsachen. Wir sind Nußland in
seiner Notlage während des Krimkriegs trotz divergierender Anschauungen ein wohl¬
wollender Freund und Nachbar geblieben, ebenso während des polnischen Aufstandes.
Ruszlcmd hat dafür mit seinem Verhalten während unsrer Einigungskämpfe quittiert.
Das Dankestelegramm Kaiser Wilhelms des Ersten an Alexander den Zweiten nach
dem Fall von Paris ist hierfür ein geschichtliches Zeugnis, ebenso der Besuch des
russischen Kaisers in Berlin und Koblenz kurz vor dem Einzuge der Sieger.
Wollten wir Rußland in seiner jetzigen Lage mit Rippenstößen statt mit freund¬
nachbarlichem Wohlwollen behandeln, so würde man in Petersburg mit Recht an¬
nehmen, daß die verbrecherische Gehässigkeit der deutschen Sozialdemokratie, die sich
von dem Verhalten ihrer französischen Gesinnungsgenossen nicht belehren läßt, der
Ausdruck der öffentlichen Meinung Deutschlands sei. Der Tag der Gegenleistung
würde, da der Krieg in Ostasien doch nicht ewig dauern wird, nicht auf sich
warten lassen. !

Die Belästigungen der deutschen Schiffe durch die russischen Kreuzer sielen
bekanntlich mitten in die Norderneyer Verhandlungen und sind da sicherlich von
beiden Teilen sehr unapgenehm empfunden worden, um so gewisser war aber auch
die Aussicht, daß wir mit Rußland sehr schnell zur Verständigung über diese Mi߬
griffe gelangen würden, um so schneller, je weniger wir mit der Faust auf den
Tisch schlugen. Der Erfolg der deutschen Politik ist sowohl hinsichtlich der Schiffe
als in bezug auf den Handelsvertrag ein vollständiger.

Daß der Handelsvertrag nicht ohne Zugeständnisse an Rußland zu erlangen war,
und daß dieses nicht zugleich auf landwirtschaftlichen und auf industriellem Gebiet
Konzessionen machen würde und konnte, ist selbstverständlich. Aber die deutsche
Industrie wird es versteh", sich mit der Situation abzufinden, um so mehr als das
Jmportbedürfnis in Rußland nach dem Kriege zunächst recht groß sein wird. Es
ist die Rede davon, daß der Reichstag schon demnächst wieder zusammentreten solle,
um den Vertrag zu genehmigen, der dann am 1. Januar in Kraft zu treten hätte.
Es solle das ein Druck auf die Verhandlungen mit Österreich sein, die noch stark
im Rückstände wären. Da die Verhandlungen im August wieder aufgenommen
werden -- die Wiederaufnahme war schon für Juli vorgesehen und wurde durch
den verlängerten Aufenthalt des Grafen Posadowsky in Norderney verzögert --, ist
eine Zusammenberufung des Reichstags zunächst wenig wahrscheinlich, aber sie könnte
immerhin viel früher geschehn, als ursprünglich in Aussicht genommen war.

Die Sozialdemokratie hält Siegesfeiern anläßlich des Ausganges des Königs¬
berger Prozesses. Sie hat von ihrem Standpunkt allen Grund dazu, denn sie hat
es durch geschickte Benutzung der Umstände erreicht, sich der eigentlichen Leitung



^) Graf Bülow bewegt sich mithin genau in der Richtung der Bismarckschen Politik.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Bismarck dafür gesorgt, daß Rußland uns nicht entfremdet wurde. Im Jahre 1881
wurde in Danzig ein Geheimvertrag mit Kaiser Alexander dew Dritten geschlossen,
dem 1884 in Skiernewice ein auf die Dauer von drei Jahren von Deutschland,
Rußland, Österreich gezeichneter Dreikaiservertrag folgte, der der Erhaltung des
Status one> in Europa galt. 1837 wurde dann ein Vertrag zwischen Deutschland
und Rußland von neuem auf drei Jahre geschlossen, der gerade im Augenblick des
Rücktritts des Fürsten Bismarck verlängert werden sollte, bekanntlich aber nicht
verlängert worden ist. Wie Kaiser Wilhelm der Erste seinen Enkel auf dem
Sterbebett ermahnt hatte, er möge sich mit Rußland/ gut stellen, so hat Fürst
Bismarck nach seinem Rücktritt immer wieder das Abreißen des nach Petersburg
führenden Drahtes bedauert, seine Wiederanknüpfung dringend empfohlen und diesem
Rate noch in seinen „Gedanken und Erinnerungen" umfangreiche Betrachtungen
gewidmet.") >

Die Vorwürfe des hannoverschen Blattes für Jedermann gegen den jetzigen
Reichskanzler zeugen demnach von einer auffallenden politischen Unwissenheit und
Unkenntnis historisch feststehender, weltbekannter Tatsachen. Wir sind Nußland in
seiner Notlage während des Krimkriegs trotz divergierender Anschauungen ein wohl¬
wollender Freund und Nachbar geblieben, ebenso während des polnischen Aufstandes.
Ruszlcmd hat dafür mit seinem Verhalten während unsrer Einigungskämpfe quittiert.
Das Dankestelegramm Kaiser Wilhelms des Ersten an Alexander den Zweiten nach
dem Fall von Paris ist hierfür ein geschichtliches Zeugnis, ebenso der Besuch des
russischen Kaisers in Berlin und Koblenz kurz vor dem Einzuge der Sieger.
Wollten wir Rußland in seiner jetzigen Lage mit Rippenstößen statt mit freund¬
nachbarlichem Wohlwollen behandeln, so würde man in Petersburg mit Recht an¬
nehmen, daß die verbrecherische Gehässigkeit der deutschen Sozialdemokratie, die sich
von dem Verhalten ihrer französischen Gesinnungsgenossen nicht belehren läßt, der
Ausdruck der öffentlichen Meinung Deutschlands sei. Der Tag der Gegenleistung
würde, da der Krieg in Ostasien doch nicht ewig dauern wird, nicht auf sich
warten lassen. !

Die Belästigungen der deutschen Schiffe durch die russischen Kreuzer sielen
bekanntlich mitten in die Norderneyer Verhandlungen und sind da sicherlich von
beiden Teilen sehr unapgenehm empfunden worden, um so gewisser war aber auch
die Aussicht, daß wir mit Rußland sehr schnell zur Verständigung über diese Mi߬
griffe gelangen würden, um so schneller, je weniger wir mit der Faust auf den
Tisch schlugen. Der Erfolg der deutschen Politik ist sowohl hinsichtlich der Schiffe
als in bezug auf den Handelsvertrag ein vollständiger.

Daß der Handelsvertrag nicht ohne Zugeständnisse an Rußland zu erlangen war,
und daß dieses nicht zugleich auf landwirtschaftlichen und auf industriellem Gebiet
Konzessionen machen würde und konnte, ist selbstverständlich. Aber die deutsche
Industrie wird es versteh», sich mit der Situation abzufinden, um so mehr als das
Jmportbedürfnis in Rußland nach dem Kriege zunächst recht groß sein wird. Es
ist die Rede davon, daß der Reichstag schon demnächst wieder zusammentreten solle,
um den Vertrag zu genehmigen, der dann am 1. Januar in Kraft zu treten hätte.
Es solle das ein Druck auf die Verhandlungen mit Österreich sein, die noch stark
im Rückstände wären. Da die Verhandlungen im August wieder aufgenommen
werden — die Wiederaufnahme war schon für Juli vorgesehen und wurde durch
den verlängerten Aufenthalt des Grafen Posadowsky in Norderney verzögert —, ist
eine Zusammenberufung des Reichstags zunächst wenig wahrscheinlich, aber sie könnte
immerhin viel früher geschehn, als ursprünglich in Aussicht genommen war.

Die Sozialdemokratie hält Siegesfeiern anläßlich des Ausganges des Königs¬
berger Prozesses. Sie hat von ihrem Standpunkt allen Grund dazu, denn sie hat
es durch geschickte Benutzung der Umstände erreicht, sich der eigentlichen Leitung



^) Graf Bülow bewegt sich mithin genau in der Richtung der Bismarckschen Politik.
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[0308] Maßgebliches und Unmaßgebliches Bismarck dafür gesorgt, daß Rußland uns nicht entfremdet wurde. Im Jahre 1881 wurde in Danzig ein Geheimvertrag mit Kaiser Alexander dew Dritten geschlossen, dem 1884 in Skiernewice ein auf die Dauer von drei Jahren von Deutschland, Rußland, Österreich gezeichneter Dreikaiservertrag folgte, der der Erhaltung des Status one> in Europa galt. 1837 wurde dann ein Vertrag zwischen Deutschland und Rußland von neuem auf drei Jahre geschlossen, der gerade im Augenblick des Rücktritts des Fürsten Bismarck verlängert werden sollte, bekanntlich aber nicht verlängert worden ist. Wie Kaiser Wilhelm der Erste seinen Enkel auf dem Sterbebett ermahnt hatte, er möge sich mit Rußland/ gut stellen, so hat Fürst Bismarck nach seinem Rücktritt immer wieder das Abreißen des nach Petersburg führenden Drahtes bedauert, seine Wiederanknüpfung dringend empfohlen und diesem Rate noch in seinen „Gedanken und Erinnerungen" umfangreiche Betrachtungen gewidmet.") > Die Vorwürfe des hannoverschen Blattes für Jedermann gegen den jetzigen Reichskanzler zeugen demnach von einer auffallenden politischen Unwissenheit und Unkenntnis historisch feststehender, weltbekannter Tatsachen. Wir sind Nußland in seiner Notlage während des Krimkriegs trotz divergierender Anschauungen ein wohl¬ wollender Freund und Nachbar geblieben, ebenso während des polnischen Aufstandes. Ruszlcmd hat dafür mit seinem Verhalten während unsrer Einigungskämpfe quittiert. Das Dankestelegramm Kaiser Wilhelms des Ersten an Alexander den Zweiten nach dem Fall von Paris ist hierfür ein geschichtliches Zeugnis, ebenso der Besuch des russischen Kaisers in Berlin und Koblenz kurz vor dem Einzuge der Sieger. Wollten wir Rußland in seiner jetzigen Lage mit Rippenstößen statt mit freund¬ nachbarlichem Wohlwollen behandeln, so würde man in Petersburg mit Recht an¬ nehmen, daß die verbrecherische Gehässigkeit der deutschen Sozialdemokratie, die sich von dem Verhalten ihrer französischen Gesinnungsgenossen nicht belehren läßt, der Ausdruck der öffentlichen Meinung Deutschlands sei. Der Tag der Gegenleistung würde, da der Krieg in Ostasien doch nicht ewig dauern wird, nicht auf sich warten lassen. ! Die Belästigungen der deutschen Schiffe durch die russischen Kreuzer sielen bekanntlich mitten in die Norderneyer Verhandlungen und sind da sicherlich von beiden Teilen sehr unapgenehm empfunden worden, um so gewisser war aber auch die Aussicht, daß wir mit Rußland sehr schnell zur Verständigung über diese Mi߬ griffe gelangen würden, um so schneller, je weniger wir mit der Faust auf den Tisch schlugen. Der Erfolg der deutschen Politik ist sowohl hinsichtlich der Schiffe als in bezug auf den Handelsvertrag ein vollständiger. Daß der Handelsvertrag nicht ohne Zugeständnisse an Rußland zu erlangen war, und daß dieses nicht zugleich auf landwirtschaftlichen und auf industriellem Gebiet Konzessionen machen würde und konnte, ist selbstverständlich. Aber die deutsche Industrie wird es versteh», sich mit der Situation abzufinden, um so mehr als das Jmportbedürfnis in Rußland nach dem Kriege zunächst recht groß sein wird. Es ist die Rede davon, daß der Reichstag schon demnächst wieder zusammentreten solle, um den Vertrag zu genehmigen, der dann am 1. Januar in Kraft zu treten hätte. Es solle das ein Druck auf die Verhandlungen mit Österreich sein, die noch stark im Rückstände wären. Da die Verhandlungen im August wieder aufgenommen werden — die Wiederaufnahme war schon für Juli vorgesehen und wurde durch den verlängerten Aufenthalt des Grafen Posadowsky in Norderney verzögert —, ist eine Zusammenberufung des Reichstags zunächst wenig wahrscheinlich, aber sie könnte immerhin viel früher geschehn, als ursprünglich in Aussicht genommen war. Die Sozialdemokratie hält Siegesfeiern anläßlich des Ausganges des Königs¬ berger Prozesses. Sie hat von ihrem Standpunkt allen Grund dazu, denn sie hat es durch geschickte Benutzung der Umstände erreicht, sich der eigentlichen Leitung ^) Graf Bülow bewegt sich mithin genau in der Richtung der Bismarckschen Politik.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/308>, abgerufen am 11.05.2024.