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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Das "Rotwelsch" des deutschen Gauners

des Posthorns ist das schon früher erwähnte "Trararum" oder "Trallarum"
für den Postwagen gebildet, dessen Übertragung auch auf den knarrenden Schub¬
karren allerdings reichlich kühn erscheint. Von rotwelschen Tiernamen, die auf solche
Weise zustande gekommen sind, seien erwähnt Meckes, die Ziege (von deren Meckern)
und Trappert, das Pferd, ein Seitenstück zu dem Wohl nach dem Klappern der
Hufe benannten "Klepper" unsrer Gemeinsprache, der übrigens gleichfalls im Rot¬
welsch vorkommt (vgl. auch noch "Brummert," Ochs, "Brummerling," Wespe). Ein
Zeitwort dieser Art ist endlich "klapastern," "klapattern" oder "klepeppern" für
dreschen, wobei man förmlich den eintönigen Takt der Dreschflegel zu hören meint.

Schon einen etwas fortgeschrittnern Standpunkt bekunden die rotwelschen
Begriffsbezeichnungen, für die nicht sowohl die Wahrnehmung der Ohren als die
der Augen maßgebend gewesen sind. Hierzu gehört eine große Menge solcher
Ausdrücke, wodurch die charakteristischsten Eigenschaften oder auch die wesentlichsten
Tätigkeiten belebter Wesen (besonders der Tiere) oder auch ihnen gleich geachteter
lebloser Gegenstände hervorgehoben werden. Danach heißt zum Beispiel die Gans
Breitfuß oder Plattfuß (übt. Mtvost), die Ziege Spitzfuß, die Katze Schmal¬
fuß oder auch Zwackohr, der Hase Langohr (oft genauer: kleines Langohr im
Gegensatze zum Esel, dem große" Langohr) oder auch Lang- oder Latschfuß,
der Maulesel Langlöffel, der Hammel Langschwanz, der Storch (oder die
Schnepfe) Langschnabel usw. Der Mantel wird als Windfang, der Magen als
Speisfang bezeichnet, das Bier in älterer Zeit durch Schürnbrand (--Schür
den Brand), der Schuh durch Sparfüß umschrieben (vgl. im italienischen ZsrKv:
eorriMllM's für den immer hin und her eilende" Kellner). Besonders häufig hat
man aber solche Begrisisbezeichmmgen so gebildet, daß man an den Stamm eines
deutschen Eigenschaft- oder Zeitworts (seltner auch eines Haupt- oder Zahlworts)
eine der typischen rotwelschen Endsilben angehängt hat, unter denen namentlich
drei ganz besonders stark hervortreten. Es sind dies die Endungen -hart (später
vielfach abgeschwächt zu -ert), -rieb (-crins, -erick) und -ling (-ing, -inger), von
denen die beiden letzten ja auch in unsrer Gemeinsprache heute noch vorkommen (wie
u. a. der Fähnrich, der Wüterich, der Gänserich und der volkstümliche "Tatterich,"
der Jüngling, der Feigling, der Höfling und der Schmetterling beweisen), wenn¬
gleich auch in weit geringerer Zahl als in der Vergangenheit, wo namentlich
die Bildungen auf -ling (-ing) recht beliebt gewesen zu sein scheinen. Aus dem
Rotwelsch vollends können hier für jede der drei Wortgruppen natürlich nur
einzelne, besonders lehrreiche Beispiele angeführt werde". Unter den schon sehr
früh auftretenden Formen auf -hart (-ert) sind u. a. von Eigenschaftswörtern ab¬
geleitet: Breithart, Weide, Feld, Glatthart, Tisch, Blankert, Milch, Wein
(vgl. nat. xsi-Ao: biimokillg.), Süßert, Honig; von Zeitwörtern: Fluckhart, Vogel,
Huhn (von fliegen), Floßhart, Flossert, Wasser (von fließen), Rauschert, Stroh,
Strohsack (von rauschen); von Hauptwörtern endlich wohl: Funkhart, Feuer (von
Funke) und Stupaert, Staupcrt, Mehl (von Staub). Häufig in den rotwelschen
Vokabularien wiederkehrende Wörter auf -(e)rieb usw. sind die von Adjektiven ge¬
bildeten Ausdrücke: Sänfterich (auch wohl verunstaltet zu Senfstrich), Bett (von
sanft, vgl. unsre "Sänfte"), Härterich, Hertrich, Messer (von hart), Bunterich,
Kattun (wohl von bunt, daneben auch Band crins, vielleicht von Band), während
von Zeitwörtern herstammen dürften etwa: Lieb crins, Frau (von lieben), Be-
schiederich, Amtmann (wahrscheinlich von bescheiden, d. h. Bescheid geben) und
Kräck erick, Flinte (vorn niederdeutschen kraaken, krachen). Nur ausnahmsweise
kommt bei dieser Endung die direkte Verbindung mit einem Hauptworte vor (so
z. B.: Mantelrich, der Tragbalken unter dem Dach s"Mantel"^). Unter den über¬
aus zahlreichen rotwelschen Bildungen auf-ling (-ing, -inger) finden sich zunächst
einzelne, die auch unsre Schriftsprache der Gegenwart noch kennt, die in dieser aber eine
andre Bedeutung haben als bei den Gaunern. So bedeutet Sper(r)ling im
Rotwelsch den Knebel (vom Zeitwort sperren), Zwilling (vom Zahlwort zwey


Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners

des Posthorns ist das schon früher erwähnte „Trararum" oder „Trallarum"
für den Postwagen gebildet, dessen Übertragung auch auf den knarrenden Schub¬
karren allerdings reichlich kühn erscheint. Von rotwelschen Tiernamen, die auf solche
Weise zustande gekommen sind, seien erwähnt Meckes, die Ziege (von deren Meckern)
und Trappert, das Pferd, ein Seitenstück zu dem Wohl nach dem Klappern der
Hufe benannten „Klepper" unsrer Gemeinsprache, der übrigens gleichfalls im Rot¬
welsch vorkommt (vgl. auch noch „Brummert," Ochs, „Brummerling," Wespe). Ein
Zeitwort dieser Art ist endlich „klapastern," „klapattern" oder „klepeppern" für
dreschen, wobei man förmlich den eintönigen Takt der Dreschflegel zu hören meint.

Schon einen etwas fortgeschrittnern Standpunkt bekunden die rotwelschen
Begriffsbezeichnungen, für die nicht sowohl die Wahrnehmung der Ohren als die
der Augen maßgebend gewesen sind. Hierzu gehört eine große Menge solcher
Ausdrücke, wodurch die charakteristischsten Eigenschaften oder auch die wesentlichsten
Tätigkeiten belebter Wesen (besonders der Tiere) oder auch ihnen gleich geachteter
lebloser Gegenstände hervorgehoben werden. Danach heißt zum Beispiel die Gans
Breitfuß oder Plattfuß (übt. Mtvost), die Ziege Spitzfuß, die Katze Schmal¬
fuß oder auch Zwackohr, der Hase Langohr (oft genauer: kleines Langohr im
Gegensatze zum Esel, dem große» Langohr) oder auch Lang- oder Latschfuß,
der Maulesel Langlöffel, der Hammel Langschwanz, der Storch (oder die
Schnepfe) Langschnabel usw. Der Mantel wird als Windfang, der Magen als
Speisfang bezeichnet, das Bier in älterer Zeit durch Schürnbrand (—Schür
den Brand), der Schuh durch Sparfüß umschrieben (vgl. im italienischen ZsrKv:
eorriMllM's für den immer hin und her eilende» Kellner). Besonders häufig hat
man aber solche Begrisisbezeichmmgen so gebildet, daß man an den Stamm eines
deutschen Eigenschaft- oder Zeitworts (seltner auch eines Haupt- oder Zahlworts)
eine der typischen rotwelschen Endsilben angehängt hat, unter denen namentlich
drei ganz besonders stark hervortreten. Es sind dies die Endungen -hart (später
vielfach abgeschwächt zu -ert), -rieb (-crins, -erick) und -ling (-ing, -inger), von
denen die beiden letzten ja auch in unsrer Gemeinsprache heute noch vorkommen (wie
u. a. der Fähnrich, der Wüterich, der Gänserich und der volkstümliche „Tatterich,"
der Jüngling, der Feigling, der Höfling und der Schmetterling beweisen), wenn¬
gleich auch in weit geringerer Zahl als in der Vergangenheit, wo namentlich
die Bildungen auf -ling (-ing) recht beliebt gewesen zu sein scheinen. Aus dem
Rotwelsch vollends können hier für jede der drei Wortgruppen natürlich nur
einzelne, besonders lehrreiche Beispiele angeführt werde». Unter den schon sehr
früh auftretenden Formen auf -hart (-ert) sind u. a. von Eigenschaftswörtern ab¬
geleitet: Breithart, Weide, Feld, Glatthart, Tisch, Blankert, Milch, Wein
(vgl. nat. xsi-Ao: biimokillg.), Süßert, Honig; von Zeitwörtern: Fluckhart, Vogel,
Huhn (von fliegen), Floßhart, Flossert, Wasser (von fließen), Rauschert, Stroh,
Strohsack (von rauschen); von Hauptwörtern endlich wohl: Funkhart, Feuer (von
Funke) und Stupaert, Staupcrt, Mehl (von Staub). Häufig in den rotwelschen
Vokabularien wiederkehrende Wörter auf -(e)rieb usw. sind die von Adjektiven ge¬
bildeten Ausdrücke: Sänfterich (auch wohl verunstaltet zu Senfstrich), Bett (von
sanft, vgl. unsre „Sänfte"), Härterich, Hertrich, Messer (von hart), Bunterich,
Kattun (wohl von bunt, daneben auch Band crins, vielleicht von Band), während
von Zeitwörtern herstammen dürften etwa: Lieb crins, Frau (von lieben), Be-
schiederich, Amtmann (wahrscheinlich von bescheiden, d. h. Bescheid geben) und
Kräck erick, Flinte (vorn niederdeutschen kraaken, krachen). Nur ausnahmsweise
kommt bei dieser Endung die direkte Verbindung mit einem Hauptworte vor (so
z. B.: Mantelrich, der Tragbalken unter dem Dach s„Mantel"^). Unter den über¬
aus zahlreichen rotwelschen Bildungen auf-ling (-ing, -inger) finden sich zunächst
einzelne, die auch unsre Schriftsprache der Gegenwart noch kennt, die in dieser aber eine
andre Bedeutung haben als bei den Gaunern. So bedeutet Sper(r)ling im
Rotwelsch den Knebel (vom Zeitwort sperren), Zwilling (vom Zahlwort zwey


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[0354] Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners des Posthorns ist das schon früher erwähnte „Trararum" oder „Trallarum" für den Postwagen gebildet, dessen Übertragung auch auf den knarrenden Schub¬ karren allerdings reichlich kühn erscheint. Von rotwelschen Tiernamen, die auf solche Weise zustande gekommen sind, seien erwähnt Meckes, die Ziege (von deren Meckern) und Trappert, das Pferd, ein Seitenstück zu dem Wohl nach dem Klappern der Hufe benannten „Klepper" unsrer Gemeinsprache, der übrigens gleichfalls im Rot¬ welsch vorkommt (vgl. auch noch „Brummert," Ochs, „Brummerling," Wespe). Ein Zeitwort dieser Art ist endlich „klapastern," „klapattern" oder „klepeppern" für dreschen, wobei man förmlich den eintönigen Takt der Dreschflegel zu hören meint. Schon einen etwas fortgeschrittnern Standpunkt bekunden die rotwelschen Begriffsbezeichnungen, für die nicht sowohl die Wahrnehmung der Ohren als die der Augen maßgebend gewesen sind. Hierzu gehört eine große Menge solcher Ausdrücke, wodurch die charakteristischsten Eigenschaften oder auch die wesentlichsten Tätigkeiten belebter Wesen (besonders der Tiere) oder auch ihnen gleich geachteter lebloser Gegenstände hervorgehoben werden. Danach heißt zum Beispiel die Gans Breitfuß oder Plattfuß (übt. Mtvost), die Ziege Spitzfuß, die Katze Schmal¬ fuß oder auch Zwackohr, der Hase Langohr (oft genauer: kleines Langohr im Gegensatze zum Esel, dem große» Langohr) oder auch Lang- oder Latschfuß, der Maulesel Langlöffel, der Hammel Langschwanz, der Storch (oder die Schnepfe) Langschnabel usw. Der Mantel wird als Windfang, der Magen als Speisfang bezeichnet, das Bier in älterer Zeit durch Schürnbrand (—Schür den Brand), der Schuh durch Sparfüß umschrieben (vgl. im italienischen ZsrKv: eorriMllM's für den immer hin und her eilende» Kellner). Besonders häufig hat man aber solche Begrisisbezeichmmgen so gebildet, daß man an den Stamm eines deutschen Eigenschaft- oder Zeitworts (seltner auch eines Haupt- oder Zahlworts) eine der typischen rotwelschen Endsilben angehängt hat, unter denen namentlich drei ganz besonders stark hervortreten. Es sind dies die Endungen -hart (später vielfach abgeschwächt zu -ert), -rieb (-crins, -erick) und -ling (-ing, -inger), von denen die beiden letzten ja auch in unsrer Gemeinsprache heute noch vorkommen (wie u. a. der Fähnrich, der Wüterich, der Gänserich und der volkstümliche „Tatterich," der Jüngling, der Feigling, der Höfling und der Schmetterling beweisen), wenn¬ gleich auch in weit geringerer Zahl als in der Vergangenheit, wo namentlich die Bildungen auf -ling (-ing) recht beliebt gewesen zu sein scheinen. Aus dem Rotwelsch vollends können hier für jede der drei Wortgruppen natürlich nur einzelne, besonders lehrreiche Beispiele angeführt werde». Unter den schon sehr früh auftretenden Formen auf -hart (-ert) sind u. a. von Eigenschaftswörtern ab¬ geleitet: Breithart, Weide, Feld, Glatthart, Tisch, Blankert, Milch, Wein (vgl. nat. xsi-Ao: biimokillg.), Süßert, Honig; von Zeitwörtern: Fluckhart, Vogel, Huhn (von fliegen), Floßhart, Flossert, Wasser (von fließen), Rauschert, Stroh, Strohsack (von rauschen); von Hauptwörtern endlich wohl: Funkhart, Feuer (von Funke) und Stupaert, Staupcrt, Mehl (von Staub). Häufig in den rotwelschen Vokabularien wiederkehrende Wörter auf -(e)rieb usw. sind die von Adjektiven ge¬ bildeten Ausdrücke: Sänfterich (auch wohl verunstaltet zu Senfstrich), Bett (von sanft, vgl. unsre „Sänfte"), Härterich, Hertrich, Messer (von hart), Bunterich, Kattun (wohl von bunt, daneben auch Band crins, vielleicht von Band), während von Zeitwörtern herstammen dürften etwa: Lieb crins, Frau (von lieben), Be- schiederich, Amtmann (wahrscheinlich von bescheiden, d. h. Bescheid geben) und Kräck erick, Flinte (vorn niederdeutschen kraaken, krachen). Nur ausnahmsweise kommt bei dieser Endung die direkte Verbindung mit einem Hauptworte vor (so z. B.: Mantelrich, der Tragbalken unter dem Dach s„Mantel"^). Unter den über¬ aus zahlreichen rotwelschen Bildungen auf-ling (-ing, -inger) finden sich zunächst einzelne, die auch unsre Schriftsprache der Gegenwart noch kennt, die in dieser aber eine andre Bedeutung haben als bei den Gaunern. So bedeutet Sper(r)ling im Rotwelsch den Knebel (vom Zeitwort sperren), Zwilling (vom Zahlwort zwey

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/354>, abgerufen am 06.06.2024.