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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Das "Rotwelsch" des deutschen Gauners

zustande gekommen sind. Dahin gehören u. a. Rotmeister für Hahn, Rothose
für Kirsche, Blauhose für Zwetsche, blaue Bohnen für Kugeln (wie in der
Soldatensprache), Blaukohl für die Strafe des Staupenschlags, Weißbirn für El,
Schwarzhaber für Speck, Schwarzmantel für den Schornstein. Auch der
Himmel wird mit einem blauen Mantel verglichen, der Winter (in der Kunden¬
sprache) poetisch "Vater Weiß," die Erde "Mutter Grün" genannt, bei der
der "Sonnenbruder" immer freies Quartier findet (daher "bei Mutter Grün
schlafen" soviel wie im Freien übernachten; vgl. auch noch Grünweher, Rasen;
Beiß grün, Brennessel). Der Pastor wird humoristisch Schwarzfärber (oder
schwarzer Gendarm), der Schornsteinfeger Schwarzkünstler (oder älter und gröber
"Schwarzarschkaffer"), der Floh aber -- gleichwie der ebenso behende und lästige
Zigeuner -- Schwarzreiter genannt. Ein auf Farbenbezeichnung begründetes
Wortspiel ist noch "Weisheitsschieber" für Bäcker. Von hier aus ist es endlich
nur noch ein Schritt dazu, bestimmte Ausdrücke für Gegenstände (oder Personen)
mit besonders hervorstechenden Farben auf andre Begriffe zu übertragen, auch wenn
in dem Worte die Farbe als solche keine Erwähnung gefunden hat. So zeigt
sich die weiße Farbe am reinsten wohl beim frischgefallnen Schnee. Da aber auch
ein Taschentuch, überhaupt Leinwand, ferner Papier und Wachs regelmäßig weiß
sind, so nennen die Gauner dies alles, ja auch Wohl Silber- oder gar Papiergeld,
ebenfalls schlechthin Schnee (daher z. B. auch Schneeschaufler, Wäschedieb, Schnee¬
pflanzer, Leineweber). Der Umstand, daß die Fichtenwälder von weitem fast schwarz,
"schwarz wie die Nacht" erscheinen, hat die Veranlassung dazu gegeben, den konkreten
Ausdruck Fichte auf den abstraktem Begriff Nacht zu übertragen (daher auch Fichte¬
gänger, Nachtdieb); aus dem meist grün uniformierten Jäger, Förster oder Feld¬
hüter aber hat man einen Specht (neben Grünspecht, Grünwedel) oder Laubfrosch
gemacht, da diese Tiere von der Natur ebenfalls mit einem grünen Gewände be¬
kleidet sind (vgl. noch: Fuchs für Goldstück und Knallhecht für Soldat, wohl mit
Anspielung auf eine hechtgraue Uniform fAve'-Lallemand); im engl. Carl: vsnar^biiä,
Gefangner, wegen seiner gelben Jacke, in der span. Asrw-mis,: eisns, Schwan für
öffentliche Dirne, vermutlich "wegen ihrer schwanenweißen Unschuld" fPotA

Die zuletzt erwähnten Beispiele enthalten zugleich den Übergang zu der großen Zahl
von Vergleichen, die das Notwelsch überhaupt aus dem Reiche der Natur entnommen
hat. Begegnen uns schon Ausdrücke aus dem Gebiete der Mineralogie oder Geo¬
logie sowie allerlei Pflanzennamen nicht selten sowohl zur Bezeichnung von Sachen
(wie Stein, Kissen jauch Gulden^, Stetnfalle, Berg, Steinhaufen, Haus, Stadt,
Kilometerstein, Branntweinflasche; Zwiebel, Uhr, fblaue^j Bohnen, Kugeln,
Pfeffer oder Kümmel, Pulver, Flachs, Haar und Markstück, Hanf, Brot,
Linsen, Kreuzer, Heu, Geld fauch Kupfer, das wohl auch seinerseits für Heu
vorkommt^, Hausstande, Hemd, Weißbirn, El, Blaukohl, Staupenschlag), als
auch (wenngleich seltner) von Tieren (Sand oder Kiennadeln, Ungeziefer), ja
sogar von Personen (Kleckstein, Verräter; Klette, Büttel u. a. in.). so ist doch
das Tierreich erklärlicherweise noch weit stärker vertreten. Hat doch schon unsre
gewöhnliche Umgangssprache aus der Tierwelt eine ganze Menge eigentümlicher Aus¬
drücke (und zwar keineswegs etwa bloß "Schimpfwörter") entlehnt, die dann in der
Sondersprache der Stände (Soldaten, Studenten) noch eine bedeutende Steigerung
erfahren haben. In seiner "Deutschen Studentensprache" hat z. B. Kluge der "burschi¬
kosen Zoologie" einen eignen Abschnitt gewidmet, der übrigens neben manchen sonder¬
baren, neuerdings in Vergessenheit geratnen Bezeichnungen auch solche enthält, die
schon in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen (!..in Backfisch, Spitz, Affe,
Kater) oder doch den Bewohnern von Universitätsstädten z!,'s lich geläufig geworden
sind (wie Fuchs straffer, Brand-, LeibfucW, Kamele, Fili^n, Salamanderreiben).
Weniger bekannt, aber nicht weniger reichhaltig besetzt ist der Z iergarten, den sich die
Phantasie der Gauner errichtet hat, und aus dem wenigstens einige der interessan¬
testen Exemplare vorgeführt zu werden verdienen. Da ist z. B. der Iltis, d. h. der


Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners

zustande gekommen sind. Dahin gehören u. a. Rotmeister für Hahn, Rothose
für Kirsche, Blauhose für Zwetsche, blaue Bohnen für Kugeln (wie in der
Soldatensprache), Blaukohl für die Strafe des Staupenschlags, Weißbirn für El,
Schwarzhaber für Speck, Schwarzmantel für den Schornstein. Auch der
Himmel wird mit einem blauen Mantel verglichen, der Winter (in der Kunden¬
sprache) poetisch „Vater Weiß," die Erde „Mutter Grün" genannt, bei der
der „Sonnenbruder" immer freies Quartier findet (daher „bei Mutter Grün
schlafen" soviel wie im Freien übernachten; vgl. auch noch Grünweher, Rasen;
Beiß grün, Brennessel). Der Pastor wird humoristisch Schwarzfärber (oder
schwarzer Gendarm), der Schornsteinfeger Schwarzkünstler (oder älter und gröber
„Schwarzarschkaffer"), der Floh aber — gleichwie der ebenso behende und lästige
Zigeuner — Schwarzreiter genannt. Ein auf Farbenbezeichnung begründetes
Wortspiel ist noch „Weisheitsschieber" für Bäcker. Von hier aus ist es endlich
nur noch ein Schritt dazu, bestimmte Ausdrücke für Gegenstände (oder Personen)
mit besonders hervorstechenden Farben auf andre Begriffe zu übertragen, auch wenn
in dem Worte die Farbe als solche keine Erwähnung gefunden hat. So zeigt
sich die weiße Farbe am reinsten wohl beim frischgefallnen Schnee. Da aber auch
ein Taschentuch, überhaupt Leinwand, ferner Papier und Wachs regelmäßig weiß
sind, so nennen die Gauner dies alles, ja auch Wohl Silber- oder gar Papiergeld,
ebenfalls schlechthin Schnee (daher z. B. auch Schneeschaufler, Wäschedieb, Schnee¬
pflanzer, Leineweber). Der Umstand, daß die Fichtenwälder von weitem fast schwarz,
„schwarz wie die Nacht" erscheinen, hat die Veranlassung dazu gegeben, den konkreten
Ausdruck Fichte auf den abstraktem Begriff Nacht zu übertragen (daher auch Fichte¬
gänger, Nachtdieb); aus dem meist grün uniformierten Jäger, Förster oder Feld¬
hüter aber hat man einen Specht (neben Grünspecht, Grünwedel) oder Laubfrosch
gemacht, da diese Tiere von der Natur ebenfalls mit einem grünen Gewände be¬
kleidet sind (vgl. noch: Fuchs für Goldstück und Knallhecht für Soldat, wohl mit
Anspielung auf eine hechtgraue Uniform fAve'-Lallemand); im engl. Carl: vsnar^biiä,
Gefangner, wegen seiner gelben Jacke, in der span. Asrw-mis,: eisns, Schwan für
öffentliche Dirne, vermutlich „wegen ihrer schwanenweißen Unschuld" fPotA

Die zuletzt erwähnten Beispiele enthalten zugleich den Übergang zu der großen Zahl
von Vergleichen, die das Notwelsch überhaupt aus dem Reiche der Natur entnommen
hat. Begegnen uns schon Ausdrücke aus dem Gebiete der Mineralogie oder Geo¬
logie sowie allerlei Pflanzennamen nicht selten sowohl zur Bezeichnung von Sachen
(wie Stein, Kissen jauch Gulden^, Stetnfalle, Berg, Steinhaufen, Haus, Stadt,
Kilometerstein, Branntweinflasche; Zwiebel, Uhr, fblaue^j Bohnen, Kugeln,
Pfeffer oder Kümmel, Pulver, Flachs, Haar und Markstück, Hanf, Brot,
Linsen, Kreuzer, Heu, Geld fauch Kupfer, das wohl auch seinerseits für Heu
vorkommt^, Hausstande, Hemd, Weißbirn, El, Blaukohl, Staupenschlag), als
auch (wenngleich seltner) von Tieren (Sand oder Kiennadeln, Ungeziefer), ja
sogar von Personen (Kleckstein, Verräter; Klette, Büttel u. a. in.). so ist doch
das Tierreich erklärlicherweise noch weit stärker vertreten. Hat doch schon unsre
gewöhnliche Umgangssprache aus der Tierwelt eine ganze Menge eigentümlicher Aus¬
drücke (und zwar keineswegs etwa bloß „Schimpfwörter") entlehnt, die dann in der
Sondersprache der Stände (Soldaten, Studenten) noch eine bedeutende Steigerung
erfahren haben. In seiner „Deutschen Studentensprache" hat z. B. Kluge der „burschi¬
kosen Zoologie" einen eignen Abschnitt gewidmet, der übrigens neben manchen sonder¬
baren, neuerdings in Vergessenheit geratnen Bezeichnungen auch solche enthält, die
schon in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen (!..in Backfisch, Spitz, Affe,
Kater) oder doch den Bewohnern von Universitätsstädten z!,'s lich geläufig geworden
sind (wie Fuchs straffer, Brand-, LeibfucW, Kamele, Fili^n, Salamanderreiben).
Weniger bekannt, aber nicht weniger reichhaltig besetzt ist der Z iergarten, den sich die
Phantasie der Gauner errichtet hat, und aus dem wenigstens einige der interessan¬
testen Exemplare vorgeführt zu werden verdienen. Da ist z. B. der Iltis, d. h. der


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[0356] Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners zustande gekommen sind. Dahin gehören u. a. Rotmeister für Hahn, Rothose für Kirsche, Blauhose für Zwetsche, blaue Bohnen für Kugeln (wie in der Soldatensprache), Blaukohl für die Strafe des Staupenschlags, Weißbirn für El, Schwarzhaber für Speck, Schwarzmantel für den Schornstein. Auch der Himmel wird mit einem blauen Mantel verglichen, der Winter (in der Kunden¬ sprache) poetisch „Vater Weiß," die Erde „Mutter Grün" genannt, bei der der „Sonnenbruder" immer freies Quartier findet (daher „bei Mutter Grün schlafen" soviel wie im Freien übernachten; vgl. auch noch Grünweher, Rasen; Beiß grün, Brennessel). Der Pastor wird humoristisch Schwarzfärber (oder schwarzer Gendarm), der Schornsteinfeger Schwarzkünstler (oder älter und gröber „Schwarzarschkaffer"), der Floh aber — gleichwie der ebenso behende und lästige Zigeuner — Schwarzreiter genannt. Ein auf Farbenbezeichnung begründetes Wortspiel ist noch „Weisheitsschieber" für Bäcker. Von hier aus ist es endlich nur noch ein Schritt dazu, bestimmte Ausdrücke für Gegenstände (oder Personen) mit besonders hervorstechenden Farben auf andre Begriffe zu übertragen, auch wenn in dem Worte die Farbe als solche keine Erwähnung gefunden hat. So zeigt sich die weiße Farbe am reinsten wohl beim frischgefallnen Schnee. Da aber auch ein Taschentuch, überhaupt Leinwand, ferner Papier und Wachs regelmäßig weiß sind, so nennen die Gauner dies alles, ja auch Wohl Silber- oder gar Papiergeld, ebenfalls schlechthin Schnee (daher z. B. auch Schneeschaufler, Wäschedieb, Schnee¬ pflanzer, Leineweber). Der Umstand, daß die Fichtenwälder von weitem fast schwarz, „schwarz wie die Nacht" erscheinen, hat die Veranlassung dazu gegeben, den konkreten Ausdruck Fichte auf den abstraktem Begriff Nacht zu übertragen (daher auch Fichte¬ gänger, Nachtdieb); aus dem meist grün uniformierten Jäger, Förster oder Feld¬ hüter aber hat man einen Specht (neben Grünspecht, Grünwedel) oder Laubfrosch gemacht, da diese Tiere von der Natur ebenfalls mit einem grünen Gewände be¬ kleidet sind (vgl. noch: Fuchs für Goldstück und Knallhecht für Soldat, wohl mit Anspielung auf eine hechtgraue Uniform fAve'-Lallemand); im engl. Carl: vsnar^biiä, Gefangner, wegen seiner gelben Jacke, in der span. Asrw-mis,: eisns, Schwan für öffentliche Dirne, vermutlich „wegen ihrer schwanenweißen Unschuld" fPotA Die zuletzt erwähnten Beispiele enthalten zugleich den Übergang zu der großen Zahl von Vergleichen, die das Notwelsch überhaupt aus dem Reiche der Natur entnommen hat. Begegnen uns schon Ausdrücke aus dem Gebiete der Mineralogie oder Geo¬ logie sowie allerlei Pflanzennamen nicht selten sowohl zur Bezeichnung von Sachen (wie Stein, Kissen jauch Gulden^, Stetnfalle, Berg, Steinhaufen, Haus, Stadt, Kilometerstein, Branntweinflasche; Zwiebel, Uhr, fblaue^j Bohnen, Kugeln, Pfeffer oder Kümmel, Pulver, Flachs, Haar und Markstück, Hanf, Brot, Linsen, Kreuzer, Heu, Geld fauch Kupfer, das wohl auch seinerseits für Heu vorkommt^, Hausstande, Hemd, Weißbirn, El, Blaukohl, Staupenschlag), als auch (wenngleich seltner) von Tieren (Sand oder Kiennadeln, Ungeziefer), ja sogar von Personen (Kleckstein, Verräter; Klette, Büttel u. a. in.). so ist doch das Tierreich erklärlicherweise noch weit stärker vertreten. Hat doch schon unsre gewöhnliche Umgangssprache aus der Tierwelt eine ganze Menge eigentümlicher Aus¬ drücke (und zwar keineswegs etwa bloß „Schimpfwörter") entlehnt, die dann in der Sondersprache der Stände (Soldaten, Studenten) noch eine bedeutende Steigerung erfahren haben. In seiner „Deutschen Studentensprache" hat z. B. Kluge der „burschi¬ kosen Zoologie" einen eignen Abschnitt gewidmet, der übrigens neben manchen sonder¬ baren, neuerdings in Vergessenheit geratnen Bezeichnungen auch solche enthält, die schon in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen (!..in Backfisch, Spitz, Affe, Kater) oder doch den Bewohnern von Universitätsstädten z!,'s lich geläufig geworden sind (wie Fuchs straffer, Brand-, LeibfucW, Kamele, Fili^n, Salamanderreiben). Weniger bekannt, aber nicht weniger reichhaltig besetzt ist der Z iergarten, den sich die Phantasie der Gauner errichtet hat, und aus dem wenigstens einige der interessan¬ testen Exemplare vorgeführt zu werden verdienen. Da ist z. B. der Iltis, d. h. der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/356>, abgerufen am 28.05.2024.