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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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ungen, nicht nur auf dieselbe Struktur in dem Charakter der beiderseitigen
Lebensauffassungen, sondern auch auf dieselben Grundlagen schließen zu lassen.

Wenn wir nun zum Schluß noch den Versuch machen, diesen Grundlagen
ans die Spur zu kommen, so müssen wir uns zunächst vor der Gefahr hüten,
gemeinsame Erscheinungsformen auch auf gemeinsamen Ursprung zurückzuführen.
Die Erfahrung lehrt vielmehr, daß äußerlich ganz verschiedne Ursachen durch
die Art ihrer Verknüpfung dieselben Ergebnisse auf getrennten Gebieten zur
Folge gehabt haben, daß also äußere Ähnlichkeit nicht immer auf innerer
Verwandtschaft beruhn müsse. Das heißt auf unsern Fall angewandt: daß die
Übereinstimmungen in dem Fühlen, dem Denken und dem Handeln der Sizilianer
und der Inselgriechen nicht ihren Grund zu haben brauchen in der Zusammen¬
setzung beider aus denselben ethnologischen Bestandteilen, sondern mir in dem¬
selben Mischnngsergebnis an sich ungleicher, aber in ihrem Wesen einander
entsprechender Bestandteile, kurz der Grund der Übereinstimmung darf nicht so
sehr in dem physischen Charakter wie in der Art der Umsetzung des Physischen
in das Psychische gesucht werden. Zwar wissen wir, daß der Grundstock der
heutigen Bevölkerung Siziliens griechisch ist, aber schon daraus, daß sie nicht
mehr griechisch spricht, geht hervor, daß sie an ihrem Volkstum starke Ein¬
buße erfahren hat durch das römische, daß dieses dann wieder zersetzt worden
ist durch sarazenische Einflüsse (im neunten Jahrhundert) einerseits und durch
normannische (im elften Jahrhundert) andrerseits. Nun ist es zwar bekannt,
daß sich die meisten dieser Rassebestandteile auf den griechischen Inseln zu¬
sammengefunden haben, wenn auch in anderm Verhältnis: das griechische
Element blieb hier immer das herrschende, wie schon die Erhaltung der
Sprache beweist, trotz der sich darüber lagernden römischen, arabischen, italienischen,
französischen und türkischen Schicht. Aber schon daß diese Schichten verhältnis¬
mäßig dünn waren und den Habitus der Urbewohner nicht von Grund aus
ummodeln konnten, darf uns nicht zu der Annahme verleiten, daß die Physische
Mischung dieser Bestandteile an sich zu demselben Produkt geführt habe wie
auf Sizilien. Es scheint mir überhaupt, wie in der individuellen so in der
Völkerpsychologie, ein höchst gefährliches Unternehmen zu sein, deu geistigen
Habitus eines Volkes aus seinem physischen erklären zu wollen; die mancherlei
offenbaren Entgleisungen, denen ein sonst so feiner Denker wie Chamberlain
gerade auf diesem schlüpfrigen Boden ausgesetzt war, sollten zur Vorsicht
mahnen. Die Engländer sind gewiß ein stärkeres Mischvolk als wir Deutschen,
sie haben viel mehr französisches Blut in ihren Adern, und doch haben sie
das germanische Wesen in ihrem privaten und öffentlichen Leben so viel treuer
und reiner bewahrt, während wir dem gallisch-romanischen Geiste mehr Zu¬
gestündnisse gemacht haben, als uns zu hören angenehm ist. Das erklärt sich
einfach aus "unsrer Kulturlage gegenüber Frankreich, die wieder eine Folge
unsrer Nachbarschaft ist: benachbarte Kultnrsphären müssen sich notwendig be¬
einflussen, gleichviel ob der "Rassengeist" dazu ja oder nein sagt. Der Grad
der Beeinflussung hängt nur ab von der Kulturhöhe des gebenden und der
Knlturtiefe des 'nehmenden Volks. Die Möglichkeit einer fruchtbaren Beein¬
flussung ist gegeben, sobald die Bestandteile beider Kulturen in ihrem Kern
übereinstimmen: Deutsche und Franzosen sind Glieder der westeuropäischem
Kultursphäre, beide fußen auf den Fundamenten, die die römische Kultur für
sie gelegt hat, sie sind kulturgeschichtlich verwandt.
'

Anders liegen die Dinge, wenn auf einem Gebiete zwei unverwandte
Kulturen zusammenstoßen; dann ist die Gefahr vorhanden, daß sie, anstatt
ineinander aufzugehn, sich entweder abstoßen oder, wenn einmal die äußere
Mischung vollzogen ist, sich gegenseitig paralysieren/") Dieser Fall scheint



Für Freunde physiologischer Parallelen zu psychologischen Vorgängen sei an das
Experiment erinnert, das vor einigen Jahren ein Physiologe in Erlangen (Dr. Hans Frieden-
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ungen, nicht nur auf dieselbe Struktur in dem Charakter der beiderseitigen
Lebensauffassungen, sondern auch auf dieselben Grundlagen schließen zu lassen.

Wenn wir nun zum Schluß noch den Versuch machen, diesen Grundlagen
ans die Spur zu kommen, so müssen wir uns zunächst vor der Gefahr hüten,
gemeinsame Erscheinungsformen auch auf gemeinsamen Ursprung zurückzuführen.
Die Erfahrung lehrt vielmehr, daß äußerlich ganz verschiedne Ursachen durch
die Art ihrer Verknüpfung dieselben Ergebnisse auf getrennten Gebieten zur
Folge gehabt haben, daß also äußere Ähnlichkeit nicht immer auf innerer
Verwandtschaft beruhn müsse. Das heißt auf unsern Fall angewandt: daß die
Übereinstimmungen in dem Fühlen, dem Denken und dem Handeln der Sizilianer
und der Inselgriechen nicht ihren Grund zu haben brauchen in der Zusammen¬
setzung beider aus denselben ethnologischen Bestandteilen, sondern mir in dem¬
selben Mischnngsergebnis an sich ungleicher, aber in ihrem Wesen einander
entsprechender Bestandteile, kurz der Grund der Übereinstimmung darf nicht so
sehr in dem physischen Charakter wie in der Art der Umsetzung des Physischen
in das Psychische gesucht werden. Zwar wissen wir, daß der Grundstock der
heutigen Bevölkerung Siziliens griechisch ist, aber schon daraus, daß sie nicht
mehr griechisch spricht, geht hervor, daß sie an ihrem Volkstum starke Ein¬
buße erfahren hat durch das römische, daß dieses dann wieder zersetzt worden
ist durch sarazenische Einflüsse (im neunten Jahrhundert) einerseits und durch
normannische (im elften Jahrhundert) andrerseits. Nun ist es zwar bekannt,
daß sich die meisten dieser Rassebestandteile auf den griechischen Inseln zu¬
sammengefunden haben, wenn auch in anderm Verhältnis: das griechische
Element blieb hier immer das herrschende, wie schon die Erhaltung der
Sprache beweist, trotz der sich darüber lagernden römischen, arabischen, italienischen,
französischen und türkischen Schicht. Aber schon daß diese Schichten verhältnis¬
mäßig dünn waren und den Habitus der Urbewohner nicht von Grund aus
ummodeln konnten, darf uns nicht zu der Annahme verleiten, daß die Physische
Mischung dieser Bestandteile an sich zu demselben Produkt geführt habe wie
auf Sizilien. Es scheint mir überhaupt, wie in der individuellen so in der
Völkerpsychologie, ein höchst gefährliches Unternehmen zu sein, deu geistigen
Habitus eines Volkes aus seinem physischen erklären zu wollen; die mancherlei
offenbaren Entgleisungen, denen ein sonst so feiner Denker wie Chamberlain
gerade auf diesem schlüpfrigen Boden ausgesetzt war, sollten zur Vorsicht
mahnen. Die Engländer sind gewiß ein stärkeres Mischvolk als wir Deutschen,
sie haben viel mehr französisches Blut in ihren Adern, und doch haben sie
das germanische Wesen in ihrem privaten und öffentlichen Leben so viel treuer
und reiner bewahrt, während wir dem gallisch-romanischen Geiste mehr Zu¬
gestündnisse gemacht haben, als uns zu hören angenehm ist. Das erklärt sich
einfach aus "unsrer Kulturlage gegenüber Frankreich, die wieder eine Folge
unsrer Nachbarschaft ist: benachbarte Kultnrsphären müssen sich notwendig be¬
einflussen, gleichviel ob der „Rassengeist" dazu ja oder nein sagt. Der Grad
der Beeinflussung hängt nur ab von der Kulturhöhe des gebenden und der
Knlturtiefe des 'nehmenden Volks. Die Möglichkeit einer fruchtbaren Beein¬
flussung ist gegeben, sobald die Bestandteile beider Kulturen in ihrem Kern
übereinstimmen: Deutsche und Franzosen sind Glieder der westeuropäischem
Kultursphäre, beide fußen auf den Fundamenten, die die römische Kultur für
sie gelegt hat, sie sind kulturgeschichtlich verwandt.
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Anders liegen die Dinge, wenn auf einem Gebiete zwei unverwandte
Kulturen zusammenstoßen; dann ist die Gefahr vorhanden, daß sie, anstatt
ineinander aufzugehn, sich entweder abstoßen oder, wenn einmal die äußere
Mischung vollzogen ist, sich gegenseitig paralysieren/") Dieser Fall scheint



Für Freunde physiologischer Parallelen zu psychologischen Vorgängen sei an das
Experiment erinnert, das vor einigen Jahren ein Physiologe in Erlangen (Dr. Hans Frieden-
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[0332] Rulturbilder von den kleinasicitischen Inseln ungen, nicht nur auf dieselbe Struktur in dem Charakter der beiderseitigen Lebensauffassungen, sondern auch auf dieselben Grundlagen schließen zu lassen. Wenn wir nun zum Schluß noch den Versuch machen, diesen Grundlagen ans die Spur zu kommen, so müssen wir uns zunächst vor der Gefahr hüten, gemeinsame Erscheinungsformen auch auf gemeinsamen Ursprung zurückzuführen. Die Erfahrung lehrt vielmehr, daß äußerlich ganz verschiedne Ursachen durch die Art ihrer Verknüpfung dieselben Ergebnisse auf getrennten Gebieten zur Folge gehabt haben, daß also äußere Ähnlichkeit nicht immer auf innerer Verwandtschaft beruhn müsse. Das heißt auf unsern Fall angewandt: daß die Übereinstimmungen in dem Fühlen, dem Denken und dem Handeln der Sizilianer und der Inselgriechen nicht ihren Grund zu haben brauchen in der Zusammen¬ setzung beider aus denselben ethnologischen Bestandteilen, sondern mir in dem¬ selben Mischnngsergebnis an sich ungleicher, aber in ihrem Wesen einander entsprechender Bestandteile, kurz der Grund der Übereinstimmung darf nicht so sehr in dem physischen Charakter wie in der Art der Umsetzung des Physischen in das Psychische gesucht werden. Zwar wissen wir, daß der Grundstock der heutigen Bevölkerung Siziliens griechisch ist, aber schon daraus, daß sie nicht mehr griechisch spricht, geht hervor, daß sie an ihrem Volkstum starke Ein¬ buße erfahren hat durch das römische, daß dieses dann wieder zersetzt worden ist durch sarazenische Einflüsse (im neunten Jahrhundert) einerseits und durch normannische (im elften Jahrhundert) andrerseits. Nun ist es zwar bekannt, daß sich die meisten dieser Rassebestandteile auf den griechischen Inseln zu¬ sammengefunden haben, wenn auch in anderm Verhältnis: das griechische Element blieb hier immer das herrschende, wie schon die Erhaltung der Sprache beweist, trotz der sich darüber lagernden römischen, arabischen, italienischen, französischen und türkischen Schicht. Aber schon daß diese Schichten verhältnis¬ mäßig dünn waren und den Habitus der Urbewohner nicht von Grund aus ummodeln konnten, darf uns nicht zu der Annahme verleiten, daß die Physische Mischung dieser Bestandteile an sich zu demselben Produkt geführt habe wie auf Sizilien. Es scheint mir überhaupt, wie in der individuellen so in der Völkerpsychologie, ein höchst gefährliches Unternehmen zu sein, deu geistigen Habitus eines Volkes aus seinem physischen erklären zu wollen; die mancherlei offenbaren Entgleisungen, denen ein sonst so feiner Denker wie Chamberlain gerade auf diesem schlüpfrigen Boden ausgesetzt war, sollten zur Vorsicht mahnen. Die Engländer sind gewiß ein stärkeres Mischvolk als wir Deutschen, sie haben viel mehr französisches Blut in ihren Adern, und doch haben sie das germanische Wesen in ihrem privaten und öffentlichen Leben so viel treuer und reiner bewahrt, während wir dem gallisch-romanischen Geiste mehr Zu¬ gestündnisse gemacht haben, als uns zu hören angenehm ist. Das erklärt sich einfach aus "unsrer Kulturlage gegenüber Frankreich, die wieder eine Folge unsrer Nachbarschaft ist: benachbarte Kultnrsphären müssen sich notwendig be¬ einflussen, gleichviel ob der „Rassengeist" dazu ja oder nein sagt. Der Grad der Beeinflussung hängt nur ab von der Kulturhöhe des gebenden und der Knlturtiefe des 'nehmenden Volks. Die Möglichkeit einer fruchtbaren Beein¬ flussung ist gegeben, sobald die Bestandteile beider Kulturen in ihrem Kern übereinstimmen: Deutsche und Franzosen sind Glieder der westeuropäischem Kultursphäre, beide fußen auf den Fundamenten, die die römische Kultur für sie gelegt hat, sie sind kulturgeschichtlich verwandt. ' Anders liegen die Dinge, wenn auf einem Gebiete zwei unverwandte Kulturen zusammenstoßen; dann ist die Gefahr vorhanden, daß sie, anstatt ineinander aufzugehn, sich entweder abstoßen oder, wenn einmal die äußere Mischung vollzogen ist, sich gegenseitig paralysieren/") Dieser Fall scheint Für Freunde physiologischer Parallelen zu psychologischen Vorgängen sei an das Experiment erinnert, das vor einigen Jahren ein Physiologe in Erlangen (Dr. Hans Frieden-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/332>, abgerufen am 14.06.2024.