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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ultima ratio der Gesetzgebung rekurrieren zu können, hat gerade Manteuffel am
wenigsten verzichten wollen und auch tatsächlich nicht verzichtet. In Summa: es
bleibt beim alten. Verfassungen sind doch nicht dazu da, aller fünfundzwanzig Jahre
geändert zu werden, am wenigsten, wenn sie sich wie die von Elsaß-Lothringen so
gut bewährt haben



Zu den Konfessionskämpfen in Deutschland.

Eine Schwalbe macht
noch keinen Sommer. Wo sich aber eine Schwalbe nach der andern einstellt, da
kann der Sommer nicht mehr allzu fern sein. Mehr und mehr bricht sich die
Erkenntnis Bahn, daß es so wie bisher nicht weiter gehn darf. Das deutsche Volk
hat nun genug gelitten unter den häßlichen konfessionellen Fehden und will Ruhe
haben. Jahrelang sind die Geister aufeinander geplatzt, ohne daß der geringste
Erfolg auf einer der beiden Seiten zu verzeichnen gewesen wäre. Endlich beginnt
man einzusehen, daß der nutzlose Kampf am besten eingestellt wird; und zwar sind
es vorzugsweise Mitglieder der Parlamente, Vertreter beider Konfessionen, die
zum Frieden mahnen: im Herrenhaus Manteuffel und Dr. Graf Zieten-Schwerin,
der Präsident der Generalsynode, im preußischen Abgeordnetenhaus Graf Douglas
und Graf Hoensbroech, im bayrischen Reichsrat Auer, Soden und Würtzburg,
die ihre ganze Kraft eingesetzt haben, friedlichere Zustände im Lande herbeizuführen.
Graf Hoensbroech, der Bruder des bekannten Exjesuiten, ist es besonders, der
einen Punkt hervorhebt, nämlich den Austrag der verschiednen Glaubensmeinungen
den wissenschaftlichen Kreisen zu überlassen und diese Dinge nicht immer in die
Volksversammlungen hineinzuwerfen. Er sagt: "Ich betrachte es für durchaus
unerwünscht, wenn die Stärkung der einen Konfession im Kampf gegen die andre
Konfession erfolgen soll; denn das muß unbedingt zur Schwächung der eignen
Konfession führen. Die Gewinnung zur eignen Anschauung kann bloß dadurch
erfolgen, daß man selbst die eigne Überzeugung hochhält und von dem Gegner
verlangt, daß die eigne Überzeugung geachtet und geehrt werde. Der Kampf gegen
die Anschauungen und Wahrheiten des Christentums ist so alt wie die Geschichte
des Christentums. Während der Kampf früher vielfach mit dem Schwert geführt
wurde, ist die Forschung und die Wissenschaft heutigentags in eine so günstige und
vornehme Lage versetzt worden, daß es wohl an der Zeit wäre, den Austrag
dieser Meinungsverschiedenheiten lediglich der Wissenschaft zu überlassen. Aber auch
auf dem Gebiet der Wissenschaft muß dieser Austrag der Meinungen geführt werden
in der vollen Achtung vor der Überzeugung des Gegners und mit der peinlichsten
Rücksichtnahme auf die religiösen Gefühle des andern. Wir sehen es ja leider,
daß dieser Grundgedanke vielfach in heutiger Zeit nicht zur Geltung kommt, sondern
daß vielfach eine gewisse Sucht religiöser Verhetzung in manchen Kreisen unsers
Volks besteht." Man sollte meinen, daß solche Äußerungen den Beifall der ruhig
darüber Nachdenkenden finden müßten; denn zweifellos ist hier auf einen Schaden
hingewiesen worden, der schon sehr viel Unheil angerichtet hat. Statt dessen weiß
die "Kirchliche Korrespondenz" nichts lieberes, als alle Versuche zum Frieden in
der hochmütigsten Weise zurückzuweisen. So wenn sie dem Grafen Douglas, der
auch zum Frieden gemahnt hat, jegliche Fähigkeit abspricht, Friedensvorschläge zu
machen. Auf diese Weise wird keine Besserung erreicht, und es hat wahrhaftig
manchmal den Anschein, als ob man den Kampf gegen Rom nicht aus Gewissens¬
überzeugung, sondern als Sportsache betreibe. Es ist ein gewaltiger Irrtum, zu
glauben, der Protestantismus erfahre eine Stärkung und Vertiefung, wenn nur
flott auf Rom losgeschlagen würde. Niemand wird es dem Protestantismus ver¬
denken, wenn er sich seiner Haut wehrt. Aber etwas andres ist es, im Lager der
Gegner in aufdringlicher Weise ungerufen evcmgelisieren zu wollen.

Wir haben uns oft gefragt, woher die Schärfe in den konfessionellen Kämpfen
Deutschlands rührt, die ähnlich in keinem Kulturstaat zu finden ist. Warum weiß
man in Holland, in England, in Amerika nichts davon? Hier sind ja auch genau


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ultima ratio der Gesetzgebung rekurrieren zu können, hat gerade Manteuffel am
wenigsten verzichten wollen und auch tatsächlich nicht verzichtet. In Summa: es
bleibt beim alten. Verfassungen sind doch nicht dazu da, aller fünfundzwanzig Jahre
geändert zu werden, am wenigsten, wenn sie sich wie die von Elsaß-Lothringen so
gut bewährt haben



Zu den Konfessionskämpfen in Deutschland.

Eine Schwalbe macht
noch keinen Sommer. Wo sich aber eine Schwalbe nach der andern einstellt, da
kann der Sommer nicht mehr allzu fern sein. Mehr und mehr bricht sich die
Erkenntnis Bahn, daß es so wie bisher nicht weiter gehn darf. Das deutsche Volk
hat nun genug gelitten unter den häßlichen konfessionellen Fehden und will Ruhe
haben. Jahrelang sind die Geister aufeinander geplatzt, ohne daß der geringste
Erfolg auf einer der beiden Seiten zu verzeichnen gewesen wäre. Endlich beginnt
man einzusehen, daß der nutzlose Kampf am besten eingestellt wird; und zwar sind
es vorzugsweise Mitglieder der Parlamente, Vertreter beider Konfessionen, die
zum Frieden mahnen: im Herrenhaus Manteuffel und Dr. Graf Zieten-Schwerin,
der Präsident der Generalsynode, im preußischen Abgeordnetenhaus Graf Douglas
und Graf Hoensbroech, im bayrischen Reichsrat Auer, Soden und Würtzburg,
die ihre ganze Kraft eingesetzt haben, friedlichere Zustände im Lande herbeizuführen.
Graf Hoensbroech, der Bruder des bekannten Exjesuiten, ist es besonders, der
einen Punkt hervorhebt, nämlich den Austrag der verschiednen Glaubensmeinungen
den wissenschaftlichen Kreisen zu überlassen und diese Dinge nicht immer in die
Volksversammlungen hineinzuwerfen. Er sagt: „Ich betrachte es für durchaus
unerwünscht, wenn die Stärkung der einen Konfession im Kampf gegen die andre
Konfession erfolgen soll; denn das muß unbedingt zur Schwächung der eignen
Konfession führen. Die Gewinnung zur eignen Anschauung kann bloß dadurch
erfolgen, daß man selbst die eigne Überzeugung hochhält und von dem Gegner
verlangt, daß die eigne Überzeugung geachtet und geehrt werde. Der Kampf gegen
die Anschauungen und Wahrheiten des Christentums ist so alt wie die Geschichte
des Christentums. Während der Kampf früher vielfach mit dem Schwert geführt
wurde, ist die Forschung und die Wissenschaft heutigentags in eine so günstige und
vornehme Lage versetzt worden, daß es wohl an der Zeit wäre, den Austrag
dieser Meinungsverschiedenheiten lediglich der Wissenschaft zu überlassen. Aber auch
auf dem Gebiet der Wissenschaft muß dieser Austrag der Meinungen geführt werden
in der vollen Achtung vor der Überzeugung des Gegners und mit der peinlichsten
Rücksichtnahme auf die religiösen Gefühle des andern. Wir sehen es ja leider,
daß dieser Grundgedanke vielfach in heutiger Zeit nicht zur Geltung kommt, sondern
daß vielfach eine gewisse Sucht religiöser Verhetzung in manchen Kreisen unsers
Volks besteht." Man sollte meinen, daß solche Äußerungen den Beifall der ruhig
darüber Nachdenkenden finden müßten; denn zweifellos ist hier auf einen Schaden
hingewiesen worden, der schon sehr viel Unheil angerichtet hat. Statt dessen weiß
die „Kirchliche Korrespondenz" nichts lieberes, als alle Versuche zum Frieden in
der hochmütigsten Weise zurückzuweisen. So wenn sie dem Grafen Douglas, der
auch zum Frieden gemahnt hat, jegliche Fähigkeit abspricht, Friedensvorschläge zu
machen. Auf diese Weise wird keine Besserung erreicht, und es hat wahrhaftig
manchmal den Anschein, als ob man den Kampf gegen Rom nicht aus Gewissens¬
überzeugung, sondern als Sportsache betreibe. Es ist ein gewaltiger Irrtum, zu
glauben, der Protestantismus erfahre eine Stärkung und Vertiefung, wenn nur
flott auf Rom losgeschlagen würde. Niemand wird es dem Protestantismus ver¬
denken, wenn er sich seiner Haut wehrt. Aber etwas andres ist es, im Lager der
Gegner in aufdringlicher Weise ungerufen evcmgelisieren zu wollen.

Wir haben uns oft gefragt, woher die Schärfe in den konfessionellen Kämpfen
Deutschlands rührt, die ähnlich in keinem Kulturstaat zu finden ist. Warum weiß
man in Holland, in England, in Amerika nichts davon? Hier sind ja auch genau


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[0063] Maßgebliches und Unmaßgebliches ultima ratio der Gesetzgebung rekurrieren zu können, hat gerade Manteuffel am wenigsten verzichten wollen und auch tatsächlich nicht verzichtet. In Summa: es bleibt beim alten. Verfassungen sind doch nicht dazu da, aller fünfundzwanzig Jahre geändert zu werden, am wenigsten, wenn sie sich wie die von Elsaß-Lothringen so gut bewährt haben Zu den Konfessionskämpfen in Deutschland. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Wo sich aber eine Schwalbe nach der andern einstellt, da kann der Sommer nicht mehr allzu fern sein. Mehr und mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß es so wie bisher nicht weiter gehn darf. Das deutsche Volk hat nun genug gelitten unter den häßlichen konfessionellen Fehden und will Ruhe haben. Jahrelang sind die Geister aufeinander geplatzt, ohne daß der geringste Erfolg auf einer der beiden Seiten zu verzeichnen gewesen wäre. Endlich beginnt man einzusehen, daß der nutzlose Kampf am besten eingestellt wird; und zwar sind es vorzugsweise Mitglieder der Parlamente, Vertreter beider Konfessionen, die zum Frieden mahnen: im Herrenhaus Manteuffel und Dr. Graf Zieten-Schwerin, der Präsident der Generalsynode, im preußischen Abgeordnetenhaus Graf Douglas und Graf Hoensbroech, im bayrischen Reichsrat Auer, Soden und Würtzburg, die ihre ganze Kraft eingesetzt haben, friedlichere Zustände im Lande herbeizuführen. Graf Hoensbroech, der Bruder des bekannten Exjesuiten, ist es besonders, der einen Punkt hervorhebt, nämlich den Austrag der verschiednen Glaubensmeinungen den wissenschaftlichen Kreisen zu überlassen und diese Dinge nicht immer in die Volksversammlungen hineinzuwerfen. Er sagt: „Ich betrachte es für durchaus unerwünscht, wenn die Stärkung der einen Konfession im Kampf gegen die andre Konfession erfolgen soll; denn das muß unbedingt zur Schwächung der eignen Konfession führen. Die Gewinnung zur eignen Anschauung kann bloß dadurch erfolgen, daß man selbst die eigne Überzeugung hochhält und von dem Gegner verlangt, daß die eigne Überzeugung geachtet und geehrt werde. Der Kampf gegen die Anschauungen und Wahrheiten des Christentums ist so alt wie die Geschichte des Christentums. Während der Kampf früher vielfach mit dem Schwert geführt wurde, ist die Forschung und die Wissenschaft heutigentags in eine so günstige und vornehme Lage versetzt worden, daß es wohl an der Zeit wäre, den Austrag dieser Meinungsverschiedenheiten lediglich der Wissenschaft zu überlassen. Aber auch auf dem Gebiet der Wissenschaft muß dieser Austrag der Meinungen geführt werden in der vollen Achtung vor der Überzeugung des Gegners und mit der peinlichsten Rücksichtnahme auf die religiösen Gefühle des andern. Wir sehen es ja leider, daß dieser Grundgedanke vielfach in heutiger Zeit nicht zur Geltung kommt, sondern daß vielfach eine gewisse Sucht religiöser Verhetzung in manchen Kreisen unsers Volks besteht." Man sollte meinen, daß solche Äußerungen den Beifall der ruhig darüber Nachdenkenden finden müßten; denn zweifellos ist hier auf einen Schaden hingewiesen worden, der schon sehr viel Unheil angerichtet hat. Statt dessen weiß die „Kirchliche Korrespondenz" nichts lieberes, als alle Versuche zum Frieden in der hochmütigsten Weise zurückzuweisen. So wenn sie dem Grafen Douglas, der auch zum Frieden gemahnt hat, jegliche Fähigkeit abspricht, Friedensvorschläge zu machen. Auf diese Weise wird keine Besserung erreicht, und es hat wahrhaftig manchmal den Anschein, als ob man den Kampf gegen Rom nicht aus Gewissens¬ überzeugung, sondern als Sportsache betreibe. Es ist ein gewaltiger Irrtum, zu glauben, der Protestantismus erfahre eine Stärkung und Vertiefung, wenn nur flott auf Rom losgeschlagen würde. Niemand wird es dem Protestantismus ver¬ denken, wenn er sich seiner Haut wehrt. Aber etwas andres ist es, im Lager der Gegner in aufdringlicher Weise ungerufen evcmgelisieren zu wollen. Wir haben uns oft gefragt, woher die Schärfe in den konfessionellen Kämpfen Deutschlands rührt, die ähnlich in keinem Kulturstaat zu finden ist. Warum weiß man in Holland, in England, in Amerika nichts davon? Hier sind ja auch genau

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/63>, abgerufen am 13.06.2024.