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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Salzburg und die Tauernpässe

das Gebiet von Windisch-Matrei erkauft, um das es gegen 1250 eine hart¬
näckige Fehde mit dem Grasen Meinhard von Görz und Tirol führen mußte.

Jenseits dieses geschlosseuen Landgebiets gehörten ihm schon seit dem
neunten und dem zehnten Jahrhundert, von kleinern Besitzungen abgesehen,
ausgedehnte Güter im obern Murtal auf der Strecke von Brück bis Knittel-
feld, wo dann 1213 das Bistum Seckau erwuchs, an der untern Mur die
große Herrschaft Leibnitz, an der mittlern Dran die Herrschaft Pettau, in Kärnten
Sachsenburg, ein Teil des Lavanttalcs und vor allem die ausgedehnte Herr¬
schaft Friesach nördlich vou der wüsten Ruinenstätte Virunum, der Hauptsache
nach das Erbe der Gräfin Emma von Friesach und Scandal (gestorben 1045),
das auch das Eisenrevier vou Hüttenberg umfaßte und groß genug war, auch
noch die Grundlage für die Stiftung des Klosters Gurk (1042) und damit des
spätern Bistums Gurk (1072) zu geben. So beherrschte Salzburg alle Pässe
der Hochtauern und den Radstadter Tauern mit seiner wichtigsten südlichen
Fortsetzung uach Kärnten hinein; nach Norden hin aber hatte es in der trotz
ihrem reißenden Lauf von Hallein an viel befahrnen Salzach eine Wasserstraße
zur Verfügung, für die 1267 in Laufen eine monopolisierte Schiffergesellschaft
von siebenundzwanzig Bürgern gegründet wurde, deren jeder zwei große und
ein kleines Schiff halten durfte. Es beherrschte ebenso die ostwestliche Ver¬
bindungslinie zwischen Obersteiermark und Tirol, schob sich also mitten hinein
zwischen die spätern Länder der Wittelsbacher und der Habsburger, für beide
ein Gegenstand des Begehrens, wie in Norddeutschland das Erzstift Magdeburg
zwischen den Hohenzollern und den Wettinern. Gerade durch diese Rivalität
aber blieb es lange erhalten, bis das eine wie das andre doch von dem mächtigern
der beiden Nachbarn verschlungen wurde.

Auch in den Beziehungen zum Reiche nahm das Erzstift eine hervorragende
Stellung ein. Im fürstlichen Kollegium des Reichstags führte der Erzbischof von
Salzburg abwechselnd mit dem Erzherzog von Österreich den Vorsitz, feit der
Durchführung der Kreiseinteilnng um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts war
er neben Bayern Direktor des bayrischen Neichskreises, er stand in seinen mili¬
tärischen und finanziellen Leistungen uach der Wormser Matrikel von 1521 für
das Reich auf einer Stufe mit den Kurfürsten, Bayern und Württemberg. Noch
viel weiter reichte sein geistlicher Einfluß. Er ernannte die landsüssigen Bischöfe
von Gurk, Seckau, Lavcmt (seit 1226) und Chiemsee (seit 1218), seine Suffra-
gane, sogar ohne päpstliche Bestätigung; seine Erzdiözese umfaßte die reichs¬
unmittelbaren Bistümer Passau (bis 1732), Regensburg, Freising und Brixen,
also das ganze ausgedehnte Gebiet des bayrischen Stammes vom Fichtelgebirge
bis an die obere Etsch, vom obern Jnn bis an die ungarische Grenze. Die poli¬
tische Einheit der Bayern war früh zerfallen, indem ihre KolvMailänder, die öst¬
lichen Marken zu selbständigen Territorien und zum Kern einer Großmacht wurden,
die kirchliche Einheit blieb bis gegen das Ende des alten Reichs unerschüttert.




Grenzboten IV 1905 24
Salzburg und die Tauernpässe

das Gebiet von Windisch-Matrei erkauft, um das es gegen 1250 eine hart¬
näckige Fehde mit dem Grasen Meinhard von Görz und Tirol führen mußte.

Jenseits dieses geschlosseuen Landgebiets gehörten ihm schon seit dem
neunten und dem zehnten Jahrhundert, von kleinern Besitzungen abgesehen,
ausgedehnte Güter im obern Murtal auf der Strecke von Brück bis Knittel-
feld, wo dann 1213 das Bistum Seckau erwuchs, an der untern Mur die
große Herrschaft Leibnitz, an der mittlern Dran die Herrschaft Pettau, in Kärnten
Sachsenburg, ein Teil des Lavanttalcs und vor allem die ausgedehnte Herr¬
schaft Friesach nördlich vou der wüsten Ruinenstätte Virunum, der Hauptsache
nach das Erbe der Gräfin Emma von Friesach und Scandal (gestorben 1045),
das auch das Eisenrevier vou Hüttenberg umfaßte und groß genug war, auch
noch die Grundlage für die Stiftung des Klosters Gurk (1042) und damit des
spätern Bistums Gurk (1072) zu geben. So beherrschte Salzburg alle Pässe
der Hochtauern und den Radstadter Tauern mit seiner wichtigsten südlichen
Fortsetzung uach Kärnten hinein; nach Norden hin aber hatte es in der trotz
ihrem reißenden Lauf von Hallein an viel befahrnen Salzach eine Wasserstraße
zur Verfügung, für die 1267 in Laufen eine monopolisierte Schiffergesellschaft
von siebenundzwanzig Bürgern gegründet wurde, deren jeder zwei große und
ein kleines Schiff halten durfte. Es beherrschte ebenso die ostwestliche Ver¬
bindungslinie zwischen Obersteiermark und Tirol, schob sich also mitten hinein
zwischen die spätern Länder der Wittelsbacher und der Habsburger, für beide
ein Gegenstand des Begehrens, wie in Norddeutschland das Erzstift Magdeburg
zwischen den Hohenzollern und den Wettinern. Gerade durch diese Rivalität
aber blieb es lange erhalten, bis das eine wie das andre doch von dem mächtigern
der beiden Nachbarn verschlungen wurde.

Auch in den Beziehungen zum Reiche nahm das Erzstift eine hervorragende
Stellung ein. Im fürstlichen Kollegium des Reichstags führte der Erzbischof von
Salzburg abwechselnd mit dem Erzherzog von Österreich den Vorsitz, feit der
Durchführung der Kreiseinteilnng um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts war
er neben Bayern Direktor des bayrischen Neichskreises, er stand in seinen mili¬
tärischen und finanziellen Leistungen uach der Wormser Matrikel von 1521 für
das Reich auf einer Stufe mit den Kurfürsten, Bayern und Württemberg. Noch
viel weiter reichte sein geistlicher Einfluß. Er ernannte die landsüssigen Bischöfe
von Gurk, Seckau, Lavcmt (seit 1226) und Chiemsee (seit 1218), seine Suffra-
gane, sogar ohne päpstliche Bestätigung; seine Erzdiözese umfaßte die reichs¬
unmittelbaren Bistümer Passau (bis 1732), Regensburg, Freising und Brixen,
also das ganze ausgedehnte Gebiet des bayrischen Stammes vom Fichtelgebirge
bis an die obere Etsch, vom obern Jnn bis an die ungarische Grenze. Die poli¬
tische Einheit der Bayern war früh zerfallen, indem ihre KolvMailänder, die öst¬
lichen Marken zu selbständigen Territorien und zum Kern einer Großmacht wurden,
die kirchliche Einheit blieb bis gegen das Ende des alten Reichs unerschüttert.




Grenzboten IV 1905 24
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[0187] Salzburg und die Tauernpässe das Gebiet von Windisch-Matrei erkauft, um das es gegen 1250 eine hart¬ näckige Fehde mit dem Grasen Meinhard von Görz und Tirol führen mußte. Jenseits dieses geschlosseuen Landgebiets gehörten ihm schon seit dem neunten und dem zehnten Jahrhundert, von kleinern Besitzungen abgesehen, ausgedehnte Güter im obern Murtal auf der Strecke von Brück bis Knittel- feld, wo dann 1213 das Bistum Seckau erwuchs, an der untern Mur die große Herrschaft Leibnitz, an der mittlern Dran die Herrschaft Pettau, in Kärnten Sachsenburg, ein Teil des Lavanttalcs und vor allem die ausgedehnte Herr¬ schaft Friesach nördlich vou der wüsten Ruinenstätte Virunum, der Hauptsache nach das Erbe der Gräfin Emma von Friesach und Scandal (gestorben 1045), das auch das Eisenrevier vou Hüttenberg umfaßte und groß genug war, auch noch die Grundlage für die Stiftung des Klosters Gurk (1042) und damit des spätern Bistums Gurk (1072) zu geben. So beherrschte Salzburg alle Pässe der Hochtauern und den Radstadter Tauern mit seiner wichtigsten südlichen Fortsetzung uach Kärnten hinein; nach Norden hin aber hatte es in der trotz ihrem reißenden Lauf von Hallein an viel befahrnen Salzach eine Wasserstraße zur Verfügung, für die 1267 in Laufen eine monopolisierte Schiffergesellschaft von siebenundzwanzig Bürgern gegründet wurde, deren jeder zwei große und ein kleines Schiff halten durfte. Es beherrschte ebenso die ostwestliche Ver¬ bindungslinie zwischen Obersteiermark und Tirol, schob sich also mitten hinein zwischen die spätern Länder der Wittelsbacher und der Habsburger, für beide ein Gegenstand des Begehrens, wie in Norddeutschland das Erzstift Magdeburg zwischen den Hohenzollern und den Wettinern. Gerade durch diese Rivalität aber blieb es lange erhalten, bis das eine wie das andre doch von dem mächtigern der beiden Nachbarn verschlungen wurde. Auch in den Beziehungen zum Reiche nahm das Erzstift eine hervorragende Stellung ein. Im fürstlichen Kollegium des Reichstags führte der Erzbischof von Salzburg abwechselnd mit dem Erzherzog von Österreich den Vorsitz, feit der Durchführung der Kreiseinteilnng um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts war er neben Bayern Direktor des bayrischen Neichskreises, er stand in seinen mili¬ tärischen und finanziellen Leistungen uach der Wormser Matrikel von 1521 für das Reich auf einer Stufe mit den Kurfürsten, Bayern und Württemberg. Noch viel weiter reichte sein geistlicher Einfluß. Er ernannte die landsüssigen Bischöfe von Gurk, Seckau, Lavcmt (seit 1226) und Chiemsee (seit 1218), seine Suffra- gane, sogar ohne päpstliche Bestätigung; seine Erzdiözese umfaßte die reichs¬ unmittelbaren Bistümer Passau (bis 1732), Regensburg, Freising und Brixen, also das ganze ausgedehnte Gebiet des bayrischen Stammes vom Fichtelgebirge bis an die obere Etsch, vom obern Jnn bis an die ungarische Grenze. Die poli¬ tische Einheit der Bayern war früh zerfallen, indem ihre KolvMailänder, die öst¬ lichen Marken zu selbständigen Territorien und zum Kern einer Großmacht wurden, die kirchliche Einheit blieb bis gegen das Ende des alten Reichs unerschüttert. Grenzboten IV 1905 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/187>, abgerufen am 19.05.2024.