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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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verwischte Spuren

Studentenjahren dort gewesen -- die schöne Betty! Ich sehe sie so deutlich vor
mir, sehe die Oberlippe, die immer in der Mitte ein wenig in die Höhe gezogen
war, als wenn sie gerade etwas sagen wollte, und die Augen, die strahlenden
Augen mit dem feuchten Glanz -- wir machten ihr ja sämtlich den Hof, in aller
Unschuld natürlich.

Aber wie kommst du deun nur dazu, plötzlich an die zu denken? frage ich.

Ach, ich weiß nicht -- ja, es kam daher, daß du sagtest, der Schnee liege
so weich und rein da. -- Entsinnst du dich des Weihnachtsfestes von 1874, da
warst du nicht auf Arvedgaard?

Nein, ich büffelte zum Examen, und als ich das nttchstemal wieder hinkam,
war sie weg.

Ganz recht, es war das letzte Jahr gewesen, daß sie da war. Als ich zu Weih¬
nachten hinauskam -- es war so ein echter weißer Weihnachten mit Schlittenbahn und
Frost, so, wie wir es in unsrer Jugend gewohnt waren --, merkte ich sofort, daß
mit Betty nicht alles in Ordnung war. Sie war noch ebenso hübsch und ebenso
lieb und gut, aber der Humor war wie weggeblasen, und manchmal zerdrückte sie
auch eine heimliche Träne und zwang sich zu etwas, was einem Lächeln gleichen
sollte. Ich fragte Hilmar, was ihr fehle, und er erzählte mir, seine Mutter habe
Wind davon bekommen, daß sich das Mädchen mit dem Verwalter ans Knudsholm
verlobt habe, und daß der sie häufiger und länger und später am Abend besuche,
als es die alte Dame für passend hielt, und schließlich habe seine Mutter ihr denn
geradezu verboten, den Bräutigam bei sich zu sehen, und gesagt, wenn er trotzdem
"fensterte," würde sie Betty unverzüglich kündige". -- Du weißt ja selbst aus Er¬
fahrung, daß mit der alten Dame nicht zu scherzen war!

Da stehe ich denn eines Abends in jener Weihnachtszeit unten im Fremden¬
zimmer im Begriff, zu Bett zu gehn -- du erinnerst dich wohl noch, daß ich
immer nach dem Garten hinaus wohnte --, ich stehe also an dem offnen Fenster
und sehe über den großen, Weißen Rasenplatz hinaus und freue mich an dem
Mondschein und den Sternen. Da wende ich den Blick zufällig nach links, und
aus Bettys Fenster sehe ich einen Lichtschein auf den Schnee fallen. Daran war
ja nun an und für sich nichts besondres, obwohl es ziemlich spät war; das Schlimme
bei der Sache aber war, daß über den ganzen großen Rasenplatz eine deutliche
Fußspur lief, die, nach der Richtung zu urteilen, fehr wohl von Knudsholm her
führen konnte, die aber auf alle Fälle nach Bettys Fenster hin führte, und eine
Fußspur vom Fenster und wieder zurück, die war leider nicht vorhanden.

Ich kann dir sagen, ich habe die halbe Nacht dagelegen, ohne ein Auge zu
schließe", deun ich malte mir fortwährend den schrecklichen Augenblick aus, wo die
alte Dame -- sie sah ja alles! -- am Morgen die kriminellen Fußspuren ent¬
decken und Betty auf der Stelle den Laufpaß gebe" und sie unglücklich machen
würde. Großer Gott, sie war so schön und so sanft, und auch wenn sie -- nnn,
wer will da richten -- ich jedenfalls nicht!

Schließlich bin ich doch eingeschlafen, und ich erwachte dadurch, daß Hilmar
vor meinem Bette stand und sagte:

Heraus mit dir! Wir wollen einen Hasen schießen. Es ist überall voll von
frischen Spuren, denn gegen Morgen sind zwei, drei Zoll Schnee gefallen, ganz
eben und still -- sieh nur selbst!

Ich Sprung auf und stürzte um das Fenster -- ich hätte vor Freude jubeln
können! Weich und dicht lag der Schnee auf demi ganzen Nasen -- ja du kannst
ruhig finden, daß es lächerlich war, aber in demselben Augenblick bat ich im stillen
Betty jeden unfeinen Gedanken ab, den ich von ihr gehabt hatte, und sagte zu mir,
daß wenn sich der liebe Gott die Mühe mache, so einen Brautschleier vor ihrem
Fenster auszubreiten, so rein nud zart, und alles das auszulöschen, dem böse Menschen
eine häßliche Deutung beilegen könnten, ja, dann müsse sie es anch verdienen.

Nun, Hilmar und ich schössen an jenem Morgen jeder unsern Hasen, und im
Sommer heiratete Betty ihren Verwalter.


verwischte Spuren

Studentenjahren dort gewesen — die schöne Betty! Ich sehe sie so deutlich vor
mir, sehe die Oberlippe, die immer in der Mitte ein wenig in die Höhe gezogen
war, als wenn sie gerade etwas sagen wollte, und die Augen, die strahlenden
Augen mit dem feuchten Glanz — wir machten ihr ja sämtlich den Hof, in aller
Unschuld natürlich.

Aber wie kommst du deun nur dazu, plötzlich an die zu denken? frage ich.

Ach, ich weiß nicht — ja, es kam daher, daß du sagtest, der Schnee liege
so weich und rein da. — Entsinnst du dich des Weihnachtsfestes von 1874, da
warst du nicht auf Arvedgaard?

Nein, ich büffelte zum Examen, und als ich das nttchstemal wieder hinkam,
war sie weg.

Ganz recht, es war das letzte Jahr gewesen, daß sie da war. Als ich zu Weih¬
nachten hinauskam — es war so ein echter weißer Weihnachten mit Schlittenbahn und
Frost, so, wie wir es in unsrer Jugend gewohnt waren —, merkte ich sofort, daß
mit Betty nicht alles in Ordnung war. Sie war noch ebenso hübsch und ebenso
lieb und gut, aber der Humor war wie weggeblasen, und manchmal zerdrückte sie
auch eine heimliche Träne und zwang sich zu etwas, was einem Lächeln gleichen
sollte. Ich fragte Hilmar, was ihr fehle, und er erzählte mir, seine Mutter habe
Wind davon bekommen, daß sich das Mädchen mit dem Verwalter ans Knudsholm
verlobt habe, und daß der sie häufiger und länger und später am Abend besuche,
als es die alte Dame für passend hielt, und schließlich habe seine Mutter ihr denn
geradezu verboten, den Bräutigam bei sich zu sehen, und gesagt, wenn er trotzdem
„fensterte," würde sie Betty unverzüglich kündige». — Du weißt ja selbst aus Er¬
fahrung, daß mit der alten Dame nicht zu scherzen war!

Da stehe ich denn eines Abends in jener Weihnachtszeit unten im Fremden¬
zimmer im Begriff, zu Bett zu gehn — du erinnerst dich wohl noch, daß ich
immer nach dem Garten hinaus wohnte —, ich stehe also an dem offnen Fenster
und sehe über den großen, Weißen Rasenplatz hinaus und freue mich an dem
Mondschein und den Sternen. Da wende ich den Blick zufällig nach links, und
aus Bettys Fenster sehe ich einen Lichtschein auf den Schnee fallen. Daran war
ja nun an und für sich nichts besondres, obwohl es ziemlich spät war; das Schlimme
bei der Sache aber war, daß über den ganzen großen Rasenplatz eine deutliche
Fußspur lief, die, nach der Richtung zu urteilen, fehr wohl von Knudsholm her
führen konnte, die aber auf alle Fälle nach Bettys Fenster hin führte, und eine
Fußspur vom Fenster und wieder zurück, die war leider nicht vorhanden.

Ich kann dir sagen, ich habe die halbe Nacht dagelegen, ohne ein Auge zu
schließe», deun ich malte mir fortwährend den schrecklichen Augenblick aus, wo die
alte Dame — sie sah ja alles! — am Morgen die kriminellen Fußspuren ent¬
decken und Betty auf der Stelle den Laufpaß gebe» und sie unglücklich machen
würde. Großer Gott, sie war so schön und so sanft, und auch wenn sie — nnn,
wer will da richten — ich jedenfalls nicht!

Schließlich bin ich doch eingeschlafen, und ich erwachte dadurch, daß Hilmar
vor meinem Bette stand und sagte:

Heraus mit dir! Wir wollen einen Hasen schießen. Es ist überall voll von
frischen Spuren, denn gegen Morgen sind zwei, drei Zoll Schnee gefallen, ganz
eben und still — sieh nur selbst!

Ich Sprung auf und stürzte um das Fenster — ich hätte vor Freude jubeln
können! Weich und dicht lag der Schnee auf demi ganzen Nasen — ja du kannst
ruhig finden, daß es lächerlich war, aber in demselben Augenblick bat ich im stillen
Betty jeden unfeinen Gedanken ab, den ich von ihr gehabt hatte, und sagte zu mir,
daß wenn sich der liebe Gott die Mühe mache, so einen Brautschleier vor ihrem
Fenster auszubreiten, so rein nud zart, und alles das auszulöschen, dem böse Menschen
eine häßliche Deutung beilegen könnten, ja, dann müsse sie es anch verdienen.

Nun, Hilmar und ich schössen an jenem Morgen jeder unsern Hasen, und im
Sommer heiratete Betty ihren Verwalter.


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[0742] verwischte Spuren Studentenjahren dort gewesen — die schöne Betty! Ich sehe sie so deutlich vor mir, sehe die Oberlippe, die immer in der Mitte ein wenig in die Höhe gezogen war, als wenn sie gerade etwas sagen wollte, und die Augen, die strahlenden Augen mit dem feuchten Glanz — wir machten ihr ja sämtlich den Hof, in aller Unschuld natürlich. Aber wie kommst du deun nur dazu, plötzlich an die zu denken? frage ich. Ach, ich weiß nicht — ja, es kam daher, daß du sagtest, der Schnee liege so weich und rein da. — Entsinnst du dich des Weihnachtsfestes von 1874, da warst du nicht auf Arvedgaard? Nein, ich büffelte zum Examen, und als ich das nttchstemal wieder hinkam, war sie weg. Ganz recht, es war das letzte Jahr gewesen, daß sie da war. Als ich zu Weih¬ nachten hinauskam — es war so ein echter weißer Weihnachten mit Schlittenbahn und Frost, so, wie wir es in unsrer Jugend gewohnt waren —, merkte ich sofort, daß mit Betty nicht alles in Ordnung war. Sie war noch ebenso hübsch und ebenso lieb und gut, aber der Humor war wie weggeblasen, und manchmal zerdrückte sie auch eine heimliche Träne und zwang sich zu etwas, was einem Lächeln gleichen sollte. Ich fragte Hilmar, was ihr fehle, und er erzählte mir, seine Mutter habe Wind davon bekommen, daß sich das Mädchen mit dem Verwalter ans Knudsholm verlobt habe, und daß der sie häufiger und länger und später am Abend besuche, als es die alte Dame für passend hielt, und schließlich habe seine Mutter ihr denn geradezu verboten, den Bräutigam bei sich zu sehen, und gesagt, wenn er trotzdem „fensterte," würde sie Betty unverzüglich kündige». — Du weißt ja selbst aus Er¬ fahrung, daß mit der alten Dame nicht zu scherzen war! Da stehe ich denn eines Abends in jener Weihnachtszeit unten im Fremden¬ zimmer im Begriff, zu Bett zu gehn — du erinnerst dich wohl noch, daß ich immer nach dem Garten hinaus wohnte —, ich stehe also an dem offnen Fenster und sehe über den großen, Weißen Rasenplatz hinaus und freue mich an dem Mondschein und den Sternen. Da wende ich den Blick zufällig nach links, und aus Bettys Fenster sehe ich einen Lichtschein auf den Schnee fallen. Daran war ja nun an und für sich nichts besondres, obwohl es ziemlich spät war; das Schlimme bei der Sache aber war, daß über den ganzen großen Rasenplatz eine deutliche Fußspur lief, die, nach der Richtung zu urteilen, fehr wohl von Knudsholm her führen konnte, die aber auf alle Fälle nach Bettys Fenster hin führte, und eine Fußspur vom Fenster und wieder zurück, die war leider nicht vorhanden. Ich kann dir sagen, ich habe die halbe Nacht dagelegen, ohne ein Auge zu schließe», deun ich malte mir fortwährend den schrecklichen Augenblick aus, wo die alte Dame — sie sah ja alles! — am Morgen die kriminellen Fußspuren ent¬ decken und Betty auf der Stelle den Laufpaß gebe» und sie unglücklich machen würde. Großer Gott, sie war so schön und so sanft, und auch wenn sie — nnn, wer will da richten — ich jedenfalls nicht! Schließlich bin ich doch eingeschlafen, und ich erwachte dadurch, daß Hilmar vor meinem Bette stand und sagte: Heraus mit dir! Wir wollen einen Hasen schießen. Es ist überall voll von frischen Spuren, denn gegen Morgen sind zwei, drei Zoll Schnee gefallen, ganz eben und still — sieh nur selbst! Ich Sprung auf und stürzte um das Fenster — ich hätte vor Freude jubeln können! Weich und dicht lag der Schnee auf demi ganzen Nasen — ja du kannst ruhig finden, daß es lächerlich war, aber in demselben Augenblick bat ich im stillen Betty jeden unfeinen Gedanken ab, den ich von ihr gehabt hatte, und sagte zu mir, daß wenn sich der liebe Gott die Mühe mache, so einen Brautschleier vor ihrem Fenster auszubreiten, so rein nud zart, und alles das auszulöschen, dem böse Menschen eine häßliche Deutung beilegen könnten, ja, dann müsse sie es anch verdienen. Nun, Hilmar und ich schössen an jenem Morgen jeder unsern Hasen, und im Sommer heiratete Betty ihren Verwalter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/742>, abgerufen am 19.05.2024.