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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

möglich. Eva fühlte es ganz genau, daß sie das nicht vermochte. Sie trug drei
eiserne Reifen ums Herz, und die erlaubten ihr nicht, das Herz aufzutun.

Nachdem Eva hierüber zum Schluß gekommen war, nämlich daß es unmöglich
sei, Tauenden aufzusuchen, bemerkte sie mit Erstaunen, daß sie ihren Hut aufgesetzt
hatte und auf einem Wege war, der klarlich zu Tauenden führte. "Er" war ja
nicht da. Es war Abend. Ein trübes gelbes und graues Licht erhellte den
Himmel, und vor ihm standen die dunkeln Schatten des Waldes wie ein Lichtschirm
vor einer verlöschenden Lampe. Der Weg, der durch den Wald zum Schlößchen
führte, gab in mattem Lichte den Schein des Himmels wieder, aber unter den
Bäumen war es Nacht. Dort am jenseitigen Rande des Waldes stand vor dunkeln
Bäumen das preußische Schlößchen. Und dort das rotleuchtende Mansardenfenster
gehörte zu Tantchens Zimmer. Bis zu dem Punkte, von dem aus das Fenster
gesehen werden konnte, reichte die Kraft, die Eva fast gegen ihren Willen herge¬
führt hatte, weiter nicht. Denn nun trat die Frage in den Weg: Darf ich so spät
um Abend noch anklopfen? Und was kann ich antworten, wenn sie fragt: Kind, was
willst du? Wußte sie es doch selbst nicht. Aber auch aus der Ferne das stille
rote Licht zu sehen war tröstlich, so wie es dem Schiffer auf stürmischer See
tröstlich ist, das Licht vorm Hafen zu sehen, den Stern, der still und treu über
dem Horizont steht und mit jedem Auftun seines Auges zu sagen scheint: Komm
nur, hier ist stille See und Ankergrund.

Wolfs Bohnenlaube, die im vorigen Jahre mit der Kiele niedergebrannt war,
war nicht wieder aufgebaut worden, dagegen hatte sich Wolf mit Hilfe des Herrn
Kandidaten um Waldrande und gerade da, wo Eva eben stand, ein Gebäude er¬
richtet, das halb Köhlerhütte und halb Jndicmerzelt war. In diese Hütte begab
sich Eva, und sie setzte sich, wie sie schon manchmal getan hatte, auf die Moos¬
bank, die im Innern erbaut war, um von da aus den Pharus ihres Lebensweges,
das erleuchtete Fenster von Tantchens Zimmer zu betrachten.

Sie hatte noch nicht lange da gesessen, als sie die Tritte und die halblaut
geführte Unterhaltung von zwei Mägden vernahm, die vom Hofe her kamen. Sie
setzten sich auf die Bank außerhalb der Hütte und redeten miteinander, die eine mit
weinerlicher, die andre mit tröstender Stimme. Sie sprachen litauisch. Aber Eva ver¬
stand so viel von dieser Sprache, daß sie den Inhalt des Gesprächs fassen konnte.

Du hättest dich mit demi schlechten Menschen nicht einlassen sollen, sagte die eine.

Ach Gott, ach Gott ja, erwiderte die andre, meine Mutter hat mir das auch
schon gesagt; aber man ist ja als Mädchen so dumm. Es war doch ein Inspektor,
und ich wäre gern Frau Jnspektorn geworden. Ich habe es auch selber gewußt,
daß der Mensch schlecht ist, aber für so schlecht habe ich ihn doch nicht gehalten. --
Damit fing sie an zu schluchzen.

Na, so rede doch, drängte die erste.

Er sagt jetzt, ich wäre ihm nicht gut genug. Er habe jetzt zehntausend Mark
und nehme täglich zehn Mark ein, und damit könne er eine ganz andre Frau
kriegen als mich. Ja, wie er nichts hatte, da war ich gut genug, für ihn Brot
und Wurst zu stehlen, und nun gibt er mir einen Tritt.

Das darfst du dir nicht gefallen lassen.

Ich habe es mir auch nicht gefallen lassen. Ich habe ihm gesagt, wenn er
mich nicht heiraten wolle, so würde ich meiner Herrschaft sagen, wo der Kontrakt
liegt. Da hat er gebrüllt wie ein Stier und hat mich an die Wand gedrängt
und gehauen, daß ich dachte, ich müßte am Leben verzagen.

Nein, das darfst du dir nicht gefallen lassen, wiederholte die andre eifrig.
Gib dem Herrn den Schein wieder, dann ist er gleich seine zehntausend Mark los.

Ich traue minds nicht.

Dann laß den Deckel aufstehn, so finden sie ihn von allein.

Nun wandte sich das Gespräch auf andre Dinge, und dann entfernten sich
die Mädchen.


Herrenmenschen

möglich. Eva fühlte es ganz genau, daß sie das nicht vermochte. Sie trug drei
eiserne Reifen ums Herz, und die erlaubten ihr nicht, das Herz aufzutun.

Nachdem Eva hierüber zum Schluß gekommen war, nämlich daß es unmöglich
sei, Tauenden aufzusuchen, bemerkte sie mit Erstaunen, daß sie ihren Hut aufgesetzt
hatte und auf einem Wege war, der klarlich zu Tauenden führte. „Er" war ja
nicht da. Es war Abend. Ein trübes gelbes und graues Licht erhellte den
Himmel, und vor ihm standen die dunkeln Schatten des Waldes wie ein Lichtschirm
vor einer verlöschenden Lampe. Der Weg, der durch den Wald zum Schlößchen
führte, gab in mattem Lichte den Schein des Himmels wieder, aber unter den
Bäumen war es Nacht. Dort am jenseitigen Rande des Waldes stand vor dunkeln
Bäumen das preußische Schlößchen. Und dort das rotleuchtende Mansardenfenster
gehörte zu Tantchens Zimmer. Bis zu dem Punkte, von dem aus das Fenster
gesehen werden konnte, reichte die Kraft, die Eva fast gegen ihren Willen herge¬
führt hatte, weiter nicht. Denn nun trat die Frage in den Weg: Darf ich so spät
um Abend noch anklopfen? Und was kann ich antworten, wenn sie fragt: Kind, was
willst du? Wußte sie es doch selbst nicht. Aber auch aus der Ferne das stille
rote Licht zu sehen war tröstlich, so wie es dem Schiffer auf stürmischer See
tröstlich ist, das Licht vorm Hafen zu sehen, den Stern, der still und treu über
dem Horizont steht und mit jedem Auftun seines Auges zu sagen scheint: Komm
nur, hier ist stille See und Ankergrund.

Wolfs Bohnenlaube, die im vorigen Jahre mit der Kiele niedergebrannt war,
war nicht wieder aufgebaut worden, dagegen hatte sich Wolf mit Hilfe des Herrn
Kandidaten um Waldrande und gerade da, wo Eva eben stand, ein Gebäude er¬
richtet, das halb Köhlerhütte und halb Jndicmerzelt war. In diese Hütte begab
sich Eva, und sie setzte sich, wie sie schon manchmal getan hatte, auf die Moos¬
bank, die im Innern erbaut war, um von da aus den Pharus ihres Lebensweges,
das erleuchtete Fenster von Tantchens Zimmer zu betrachten.

Sie hatte noch nicht lange da gesessen, als sie die Tritte und die halblaut
geführte Unterhaltung von zwei Mägden vernahm, die vom Hofe her kamen. Sie
setzten sich auf die Bank außerhalb der Hütte und redeten miteinander, die eine mit
weinerlicher, die andre mit tröstender Stimme. Sie sprachen litauisch. Aber Eva ver¬
stand so viel von dieser Sprache, daß sie den Inhalt des Gesprächs fassen konnte.

Du hättest dich mit demi schlechten Menschen nicht einlassen sollen, sagte die eine.

Ach Gott, ach Gott ja, erwiderte die andre, meine Mutter hat mir das auch
schon gesagt; aber man ist ja als Mädchen so dumm. Es war doch ein Inspektor,
und ich wäre gern Frau Jnspektorn geworden. Ich habe es auch selber gewußt,
daß der Mensch schlecht ist, aber für so schlecht habe ich ihn doch nicht gehalten. —
Damit fing sie an zu schluchzen.

Na, so rede doch, drängte die erste.

Er sagt jetzt, ich wäre ihm nicht gut genug. Er habe jetzt zehntausend Mark
und nehme täglich zehn Mark ein, und damit könne er eine ganz andre Frau
kriegen als mich. Ja, wie er nichts hatte, da war ich gut genug, für ihn Brot
und Wurst zu stehlen, und nun gibt er mir einen Tritt.

Das darfst du dir nicht gefallen lassen.

Ich habe es mir auch nicht gefallen lassen. Ich habe ihm gesagt, wenn er
mich nicht heiraten wolle, so würde ich meiner Herrschaft sagen, wo der Kontrakt
liegt. Da hat er gebrüllt wie ein Stier und hat mich an die Wand gedrängt
und gehauen, daß ich dachte, ich müßte am Leben verzagen.

Nein, das darfst du dir nicht gefallen lassen, wiederholte die andre eifrig.
Gib dem Herrn den Schein wieder, dann ist er gleich seine zehntausend Mark los.

Ich traue minds nicht.

Dann laß den Deckel aufstehn, so finden sie ihn von allein.

Nun wandte sich das Gespräch auf andre Dinge, und dann entfernten sich
die Mädchen.


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[0170] Herrenmenschen möglich. Eva fühlte es ganz genau, daß sie das nicht vermochte. Sie trug drei eiserne Reifen ums Herz, und die erlaubten ihr nicht, das Herz aufzutun. Nachdem Eva hierüber zum Schluß gekommen war, nämlich daß es unmöglich sei, Tauenden aufzusuchen, bemerkte sie mit Erstaunen, daß sie ihren Hut aufgesetzt hatte und auf einem Wege war, der klarlich zu Tauenden führte. „Er" war ja nicht da. Es war Abend. Ein trübes gelbes und graues Licht erhellte den Himmel, und vor ihm standen die dunkeln Schatten des Waldes wie ein Lichtschirm vor einer verlöschenden Lampe. Der Weg, der durch den Wald zum Schlößchen führte, gab in mattem Lichte den Schein des Himmels wieder, aber unter den Bäumen war es Nacht. Dort am jenseitigen Rande des Waldes stand vor dunkeln Bäumen das preußische Schlößchen. Und dort das rotleuchtende Mansardenfenster gehörte zu Tantchens Zimmer. Bis zu dem Punkte, von dem aus das Fenster gesehen werden konnte, reichte die Kraft, die Eva fast gegen ihren Willen herge¬ führt hatte, weiter nicht. Denn nun trat die Frage in den Weg: Darf ich so spät um Abend noch anklopfen? Und was kann ich antworten, wenn sie fragt: Kind, was willst du? Wußte sie es doch selbst nicht. Aber auch aus der Ferne das stille rote Licht zu sehen war tröstlich, so wie es dem Schiffer auf stürmischer See tröstlich ist, das Licht vorm Hafen zu sehen, den Stern, der still und treu über dem Horizont steht und mit jedem Auftun seines Auges zu sagen scheint: Komm nur, hier ist stille See und Ankergrund. Wolfs Bohnenlaube, die im vorigen Jahre mit der Kiele niedergebrannt war, war nicht wieder aufgebaut worden, dagegen hatte sich Wolf mit Hilfe des Herrn Kandidaten um Waldrande und gerade da, wo Eva eben stand, ein Gebäude er¬ richtet, das halb Köhlerhütte und halb Jndicmerzelt war. In diese Hütte begab sich Eva, und sie setzte sich, wie sie schon manchmal getan hatte, auf die Moos¬ bank, die im Innern erbaut war, um von da aus den Pharus ihres Lebensweges, das erleuchtete Fenster von Tantchens Zimmer zu betrachten. Sie hatte noch nicht lange da gesessen, als sie die Tritte und die halblaut geführte Unterhaltung von zwei Mägden vernahm, die vom Hofe her kamen. Sie setzten sich auf die Bank außerhalb der Hütte und redeten miteinander, die eine mit weinerlicher, die andre mit tröstender Stimme. Sie sprachen litauisch. Aber Eva ver¬ stand so viel von dieser Sprache, daß sie den Inhalt des Gesprächs fassen konnte. Du hättest dich mit demi schlechten Menschen nicht einlassen sollen, sagte die eine. Ach Gott, ach Gott ja, erwiderte die andre, meine Mutter hat mir das auch schon gesagt; aber man ist ja als Mädchen so dumm. Es war doch ein Inspektor, und ich wäre gern Frau Jnspektorn geworden. Ich habe es auch selber gewußt, daß der Mensch schlecht ist, aber für so schlecht habe ich ihn doch nicht gehalten. — Damit fing sie an zu schluchzen. Na, so rede doch, drängte die erste. Er sagt jetzt, ich wäre ihm nicht gut genug. Er habe jetzt zehntausend Mark und nehme täglich zehn Mark ein, und damit könne er eine ganz andre Frau kriegen als mich. Ja, wie er nichts hatte, da war ich gut genug, für ihn Brot und Wurst zu stehlen, und nun gibt er mir einen Tritt. Das darfst du dir nicht gefallen lassen. Ich habe es mir auch nicht gefallen lassen. Ich habe ihm gesagt, wenn er mich nicht heiraten wolle, so würde ich meiner Herrschaft sagen, wo der Kontrakt liegt. Da hat er gebrüllt wie ein Stier und hat mich an die Wand gedrängt und gehauen, daß ich dachte, ich müßte am Leben verzagen. Nein, das darfst du dir nicht gefallen lassen, wiederholte die andre eifrig. Gib dem Herrn den Schein wieder, dann ist er gleich seine zehntausend Mark los. Ich traue minds nicht. Dann laß den Deckel aufstehn, so finden sie ihn von allein. Nun wandte sich das Gespräch auf andre Dinge, und dann entfernten sich die Mädchen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/170>, abgerufen am 09.06.2024.