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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Deutsche Reichsanleihen und preußische Aonsols

der Betrüge in den Wohnungen der Kunden erleichtern und die Einzahlung
der kleinsten Summen bei sich ermöglichen.

Weitere Glieder in der Kette der die Kapitalbildung fördernden Mittel
sind der planmäßige weitere Ausbau der Genossenschaften aller Art und die
gesetzliche Regelung der Entschuldung des Grund- und Gebäudecigcntums.
Je mehr den Kleinbürgern und den arbeitenden Klassen die Ansammlung eines
kleinen Kapitals und der Erwerb einer eignen Feuerstelle ermöglicht wird, je
schneller die wirtschaftliche und die sittliche Erziehung dieser Kreise fort¬
schreitet, desto eher wird man auch den Zielen näher kommen, die in der
kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 in so idealer Weise ausge¬
sprochen worden sind.

Wie der staunenswerte Aufschwung der deutschen Industrie nur möglich
gewesen ist, weil die deutschen Bankiers, anstatt vor allem große Gewinne im
Auslande suchen zu wollen, ihre heimatliche Industrie immer mit Summen
unterstützt haben, wie sie von keinen Banken irgendeiner andern Großmacht zu
ähnlichem Zwecken hergegeben worden sind, so müssen wir jetzt den weitem
Schritt tun und prinzipiell dafür sorgen, daß auch die kleinern Kapitalien
regelmäßig in inländischen Anlagen untergebracht werden. In dieser Beziehung
können wir von den Engländern und den Franzosen so manche Maßnahmen
übernehmen, die von ihnen zur Beförderung der Anlagen der kleinen Kapitalien
in heimischer Rente und zur Anregung des Sparsinns getroffen worden sind.

Ferner müßten, ebenso wie die Sparkassen, auch die Genossenschaften und
die Versicherungsgesellschaften gesetzlich verpflichtet werden, einen bestimmten
Prozentsatz ihres Vermögens in Schuldverschreibungen des Deutschen Reichs
und Preußens anzulegen.

Ich komme nun auf einen andern wesentlichen Umstand zu sprechen, der
einen indirekten Einfluß auf die Kurse unsrer Renten ausübt, auf die weitere
Einschränkung des Bedarfs an Bargeld durch die Entwicklung der Geld er¬
sparenden Zahlungsmethoden. Es ist eine von allen Finanzleuten anerkannte
Tatsache, daß wir in Deutschland für den Verkehr noch immer viel zu viel
bares Geld verwenden und hin und her schicken, anstatt die seit langer Zeit
erprobten Methoden des Geldverkehrs anzuwenden, durch die eine Versendung
von barem Gelde möglichst vermieden wird. Eine bedeutende Erleichterung
würde es deshalb für das Bestreben der Neichsbank sein, ihren Barbestand
zu schützen, wenn sich in Deutschland der Scheck- und der Giroverkehr mehr
einbürgern wollten.

Das Deutsche Reich hat auch jetzt noch kein Scheckgcsetz, und die Bank¬
kreise drängen auch nicht auf den Erlaß eines solchen, weil sie, ob mit Recht
oder mit Unrecht mag hier dahingestellt bleiben, die gleichzeitige Einführung
einer Schcckstempelsteuer befürchten. Die Pflege des Giroverkehrs ruht jetzt in der
Hauptsache noch bei der Neichsbank und erstreckt sich bei ihr noch meist auf die
mittlern und die großem Gewerbetreibenden, Kaufleute und Industriellen.

Der Giroverkehr ist dagegen in Hamburg auf alle Geschäftsleute, unter
denen die kleinsten Krämer sind, und fast auf alle wohlhabenden Privatleute
ausgedehnt. Die auf diese Weise ermöglichten Überweisungen durch Ausfüllung


Deutsche Reichsanleihen und preußische Aonsols

der Betrüge in den Wohnungen der Kunden erleichtern und die Einzahlung
der kleinsten Summen bei sich ermöglichen.

Weitere Glieder in der Kette der die Kapitalbildung fördernden Mittel
sind der planmäßige weitere Ausbau der Genossenschaften aller Art und die
gesetzliche Regelung der Entschuldung des Grund- und Gebäudecigcntums.
Je mehr den Kleinbürgern und den arbeitenden Klassen die Ansammlung eines
kleinen Kapitals und der Erwerb einer eignen Feuerstelle ermöglicht wird, je
schneller die wirtschaftliche und die sittliche Erziehung dieser Kreise fort¬
schreitet, desto eher wird man auch den Zielen näher kommen, die in der
kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 in so idealer Weise ausge¬
sprochen worden sind.

Wie der staunenswerte Aufschwung der deutschen Industrie nur möglich
gewesen ist, weil die deutschen Bankiers, anstatt vor allem große Gewinne im
Auslande suchen zu wollen, ihre heimatliche Industrie immer mit Summen
unterstützt haben, wie sie von keinen Banken irgendeiner andern Großmacht zu
ähnlichem Zwecken hergegeben worden sind, so müssen wir jetzt den weitem
Schritt tun und prinzipiell dafür sorgen, daß auch die kleinern Kapitalien
regelmäßig in inländischen Anlagen untergebracht werden. In dieser Beziehung
können wir von den Engländern und den Franzosen so manche Maßnahmen
übernehmen, die von ihnen zur Beförderung der Anlagen der kleinen Kapitalien
in heimischer Rente und zur Anregung des Sparsinns getroffen worden sind.

Ferner müßten, ebenso wie die Sparkassen, auch die Genossenschaften und
die Versicherungsgesellschaften gesetzlich verpflichtet werden, einen bestimmten
Prozentsatz ihres Vermögens in Schuldverschreibungen des Deutschen Reichs
und Preußens anzulegen.

Ich komme nun auf einen andern wesentlichen Umstand zu sprechen, der
einen indirekten Einfluß auf die Kurse unsrer Renten ausübt, auf die weitere
Einschränkung des Bedarfs an Bargeld durch die Entwicklung der Geld er¬
sparenden Zahlungsmethoden. Es ist eine von allen Finanzleuten anerkannte
Tatsache, daß wir in Deutschland für den Verkehr noch immer viel zu viel
bares Geld verwenden und hin und her schicken, anstatt die seit langer Zeit
erprobten Methoden des Geldverkehrs anzuwenden, durch die eine Versendung
von barem Gelde möglichst vermieden wird. Eine bedeutende Erleichterung
würde es deshalb für das Bestreben der Neichsbank sein, ihren Barbestand
zu schützen, wenn sich in Deutschland der Scheck- und der Giroverkehr mehr
einbürgern wollten.

Das Deutsche Reich hat auch jetzt noch kein Scheckgcsetz, und die Bank¬
kreise drängen auch nicht auf den Erlaß eines solchen, weil sie, ob mit Recht
oder mit Unrecht mag hier dahingestellt bleiben, die gleichzeitige Einführung
einer Schcckstempelsteuer befürchten. Die Pflege des Giroverkehrs ruht jetzt in der
Hauptsache noch bei der Neichsbank und erstreckt sich bei ihr noch meist auf die
mittlern und die großem Gewerbetreibenden, Kaufleute und Industriellen.

Der Giroverkehr ist dagegen in Hamburg auf alle Geschäftsleute, unter
denen die kleinsten Krämer sind, und fast auf alle wohlhabenden Privatleute
ausgedehnt. Die auf diese Weise ermöglichten Überweisungen durch Ausfüllung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/69>, abgerufen am 16.06.2024.