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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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In der Residenz zu Rleinhausen

Ja, jetzt sag: sie so -- aber -- Sie müssen nämlich wissen, es ist ihr nicht
mehr gut genug bei uns, Herr Fetter, sie hat höhere Ideen!

Der Maler sah überrascht in Lisbeths ernstes Gesicht. Wie eigenartig war
es geworden, mit den feinen dunkeln Brauen! Und doch waren es noch die lieben
Kinderzüge, alles fand er darin wieder. Schöne, vergessene Erinnerungen stiegen
vor seiner Seele auf; ihm wurde so gut, so warm ums Herz, als sei er jetzt eben
erst aus der Fremde in die Heimat zurückgekehrt.

Das dürfen Sie nicht -- Lisbeth, sagte er und nahm ihre Hand.

Da tönte Pferdegetrappel, ein leichter Korbwagen flog vorüber.

Halten, Friedrich! rief eine Stimme, und gleich darauf sprang die Fürstin
leichtfüßig heraus.

Eine dunkle Blutwelle schlug Robert ins Gesicht. Hastig grüßte er die jungen
Mädchen und wandte sich Ihrer Durchlaucht entgegen, die die vorbeigefahrne kurze
Strecke zurückkam.

Freu mich, Sie zu treffen, Fetter! Der letzte Entwurf gefällt mir. Erinnert
an Feuerbach -- und doch eigenartig. Ich will zum Fischeschießen nach der Eremitage
hinüber. Haben Sie Zeit? Fahren Sie ein Stückchen mit.

Leicht taumelnd folgte ihr der junge Maler, und das zierliche Gefährt flog
mit beiden davon.

Die Mädchen hatten sich tief verneigt.

Nun sagte Betty. den Staubwölkchen nachblickend: Na, so 'n Mcinnerlackhut
tat ich mir als Fürstin auch nich aufsetzen -- und der kurze Seidenrock dazu.
Aber das muß jetzt modern sein, im letzten Wiener Journal war auch was ähn¬
liches. Hast dus gesehen?

Nein -- ich erinner mich nicht mehr.

Du, aber verteufelt weiß sie trotzdem, was steht! Wenn ich ein Mann wär,
rasend tat ich mich in sie verlieben -- na, was hast du denn? und sie sah ihre
Freundin verwundert an, wegen vorhin, mit der Krankenschwester, das nimmst du
mir doch nicht übel?

Lisbeth schritt wie nachtwandelnd vorwärts. Sie schüttelte den Kopf und
versuchte zu lächeln. Aber ihr Mund zuckte nur. Wie verblaßt sahen die jungen
Augen in den Glanz hinaus.

Mir fällt eben ein, Betty, sagte sie dann, ich muß ja noch zu Fräulein
Minette hinauf, ihr etwas von der Mutter auszurichten. Wir sehen uns wohl in
den nächsten Tagen wieder? Gehst du hier? dann leb wohl -- und hastig bog
sie, den schmalen Pfad an der Kirche entlang, aufwärts.

Betty sah ihr einen Augenblick nach, mit erhabnen Stumpfnäschen. Dann
zog sie die Augenbrauen in die Höhe, zuckte die Achseln und schwenkte am Super¬
intendentenhause vorüber, wo Scherwinsky zu Besuch war, ihrem Elternhause zu.

(Fortsetzung folgt)




In der Residenz zu Rleinhausen

Ja, jetzt sag: sie so — aber — Sie müssen nämlich wissen, es ist ihr nicht
mehr gut genug bei uns, Herr Fetter, sie hat höhere Ideen!

Der Maler sah überrascht in Lisbeths ernstes Gesicht. Wie eigenartig war
es geworden, mit den feinen dunkeln Brauen! Und doch waren es noch die lieben
Kinderzüge, alles fand er darin wieder. Schöne, vergessene Erinnerungen stiegen
vor seiner Seele auf; ihm wurde so gut, so warm ums Herz, als sei er jetzt eben
erst aus der Fremde in die Heimat zurückgekehrt.

Das dürfen Sie nicht — Lisbeth, sagte er und nahm ihre Hand.

Da tönte Pferdegetrappel, ein leichter Korbwagen flog vorüber.

Halten, Friedrich! rief eine Stimme, und gleich darauf sprang die Fürstin
leichtfüßig heraus.

Eine dunkle Blutwelle schlug Robert ins Gesicht. Hastig grüßte er die jungen
Mädchen und wandte sich Ihrer Durchlaucht entgegen, die die vorbeigefahrne kurze
Strecke zurückkam.

Freu mich, Sie zu treffen, Fetter! Der letzte Entwurf gefällt mir. Erinnert
an Feuerbach — und doch eigenartig. Ich will zum Fischeschießen nach der Eremitage
hinüber. Haben Sie Zeit? Fahren Sie ein Stückchen mit.

Leicht taumelnd folgte ihr der junge Maler, und das zierliche Gefährt flog
mit beiden davon.

Die Mädchen hatten sich tief verneigt.

Nun sagte Betty. den Staubwölkchen nachblickend: Na, so 'n Mcinnerlackhut
tat ich mir als Fürstin auch nich aufsetzen — und der kurze Seidenrock dazu.
Aber das muß jetzt modern sein, im letzten Wiener Journal war auch was ähn¬
liches. Hast dus gesehen?

Nein — ich erinner mich nicht mehr.

Du, aber verteufelt weiß sie trotzdem, was steht! Wenn ich ein Mann wär,
rasend tat ich mich in sie verlieben — na, was hast du denn? und sie sah ihre
Freundin verwundert an, wegen vorhin, mit der Krankenschwester, das nimmst du
mir doch nicht übel?

Lisbeth schritt wie nachtwandelnd vorwärts. Sie schüttelte den Kopf und
versuchte zu lächeln. Aber ihr Mund zuckte nur. Wie verblaßt sahen die jungen
Augen in den Glanz hinaus.

Mir fällt eben ein, Betty, sagte sie dann, ich muß ja noch zu Fräulein
Minette hinauf, ihr etwas von der Mutter auszurichten. Wir sehen uns wohl in
den nächsten Tagen wieder? Gehst du hier? dann leb wohl — und hastig bog
sie, den schmalen Pfad an der Kirche entlang, aufwärts.

Betty sah ihr einen Augenblick nach, mit erhabnen Stumpfnäschen. Dann
zog sie die Augenbrauen in die Höhe, zuckte die Achseln und schwenkte am Super¬
intendentenhause vorüber, wo Scherwinsky zu Besuch war, ihrem Elternhause zu.

(Fortsetzung folgt)




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[0122] In der Residenz zu Rleinhausen Ja, jetzt sag: sie so — aber — Sie müssen nämlich wissen, es ist ihr nicht mehr gut genug bei uns, Herr Fetter, sie hat höhere Ideen! Der Maler sah überrascht in Lisbeths ernstes Gesicht. Wie eigenartig war es geworden, mit den feinen dunkeln Brauen! Und doch waren es noch die lieben Kinderzüge, alles fand er darin wieder. Schöne, vergessene Erinnerungen stiegen vor seiner Seele auf; ihm wurde so gut, so warm ums Herz, als sei er jetzt eben erst aus der Fremde in die Heimat zurückgekehrt. Das dürfen Sie nicht — Lisbeth, sagte er und nahm ihre Hand. Da tönte Pferdegetrappel, ein leichter Korbwagen flog vorüber. Halten, Friedrich! rief eine Stimme, und gleich darauf sprang die Fürstin leichtfüßig heraus. Eine dunkle Blutwelle schlug Robert ins Gesicht. Hastig grüßte er die jungen Mädchen und wandte sich Ihrer Durchlaucht entgegen, die die vorbeigefahrne kurze Strecke zurückkam. Freu mich, Sie zu treffen, Fetter! Der letzte Entwurf gefällt mir. Erinnert an Feuerbach — und doch eigenartig. Ich will zum Fischeschießen nach der Eremitage hinüber. Haben Sie Zeit? Fahren Sie ein Stückchen mit. Leicht taumelnd folgte ihr der junge Maler, und das zierliche Gefährt flog mit beiden davon. Die Mädchen hatten sich tief verneigt. Nun sagte Betty. den Staubwölkchen nachblickend: Na, so 'n Mcinnerlackhut tat ich mir als Fürstin auch nich aufsetzen — und der kurze Seidenrock dazu. Aber das muß jetzt modern sein, im letzten Wiener Journal war auch was ähn¬ liches. Hast dus gesehen? Nein — ich erinner mich nicht mehr. Du, aber verteufelt weiß sie trotzdem, was steht! Wenn ich ein Mann wär, rasend tat ich mich in sie verlieben — na, was hast du denn? und sie sah ihre Freundin verwundert an, wegen vorhin, mit der Krankenschwester, das nimmst du mir doch nicht übel? Lisbeth schritt wie nachtwandelnd vorwärts. Sie schüttelte den Kopf und versuchte zu lächeln. Aber ihr Mund zuckte nur. Wie verblaßt sahen die jungen Augen in den Glanz hinaus. Mir fällt eben ein, Betty, sagte sie dann, ich muß ja noch zu Fräulein Minette hinauf, ihr etwas von der Mutter auszurichten. Wir sehen uns wohl in den nächsten Tagen wieder? Gehst du hier? dann leb wohl — und hastig bog sie, den schmalen Pfad an der Kirche entlang, aufwärts. Betty sah ihr einen Augenblick nach, mit erhabnen Stumpfnäschen. Dann zog sie die Augenbrauen in die Höhe, zuckte die Achseln und schwenkte am Super¬ intendentenhause vorüber, wo Scherwinsky zu Besuch war, ihrem Elternhause zu. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/122>, abgerufen am 16.05.2024.