Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unniaßgebliches

allmählich in steigenden! Maße das Vertrauen der unterrichteten Politiker zugewandt
hatte, und es schien, als ob im Dunkel eifrig gegen ihn gearbeitet würde. So
wurde ein neues Moment der Unsicherheit in die Lage hineingetragen.

Neben diesen besondern Ursachen der weitverbreiteten Unruhe und Verstimmung
darf man freilich eines nicht vergessen, was hervorzuheben gerade um des Kaisers
willen Pflicht ist. Die Nation konnte sich so schnell nicht daran gewöhnen, daß
die Zeiten Wilhelms des Ersten und Bismarcks vorüber sein sollten. Man hatte
für ein gutes Recht des Volkes und für einen normalen Zustand genommen, was
doch in Wahrheit ein Geschenk der Vorsehung war, wie es auch den, tüchtigsten
Volke nur in vielen Jahrhunderten einmal für die kurze Spanne eines Menschen¬
alters zuteil wird. Der Rückschlag mußte einmal kommen und dem deutschen Volke
zum Bewußtsein bringen, daß von ihm die weltgeschichtliche Gegenleistung für das
Geschenk des Genius verlangt wird. Es scheint, daß wir jetzt an dem Tiefpunkte
dieser Rückwirkung angekommen sind.

Ein solcher Tiefpunkt pflegt aber in einer ursprünglich gesunden Entwicklung
zugleich einen Wendepunkt zu bedeuten. Bisher hatten wir es mit stumpfer Gleich-
giltigkeit oder hämischer Unzufriedenheit zu tun. Jetzt aber sehen wir tüchtige
Volkskreise sich aufraffen und ihr Recht zur Mitarbeit fordern. Leute, die es ehr¬
lich meinen mit allem Guten, was uns die geschichtliche Entwicklung beschert hat,
ehrlich mit Monarchie und Verfassung, ehrlich aber auch mit dem Bestreben, die
im Dienste der Allgemeinheit wirkenden Kräfte nicht nach höfischen, sondern nach
politischen Rücksichten tätig zu sehen, haben eingesehen, welcher Fehler in dem
Schweigen, Bemänteln und Beschönigen liegt, das nur den grundsätzlichen Feinden
von Staat und Gesellschaft zugute kommt. Besserung ist nur von einer offnen und
freien Kritik von nationaler Seite zu erwarten.

Diese Grundstimmung war es, die im Reichstage schon am zweiten Tage nach
der Wiederaufnahme seiner Verhandlungen den Anlaß gab, daß in Form einer
Debatte über die auswärtige Politik des Reichs alle diese Fragen, deren Schwer¬
punkt eigentlich in der innern Politik liegt, besprochen wurden. Es war der erste
Versuch, der und der Jnterpellation Bassermann gemacht wurde, und er fiel nicht
ganz glücklich und befriedigend aus. Die vornehme und bescheidne Art Bnsser-
manns hielt sich zu eng um das Thema, an die Tatsachen der auswärtigen Politik
oder vielmehr an die Eindrücke, die diese Tatsachen, soweit sie bekannt und er¬
örtert worden waren, in der breiten Öffentlichkeit hervorgerufen hatten. Der Fest¬
stellung und Begründung der Stimmuugsmomente, auf die es in diesem Falle be¬
sonders ankam, wußte er nicht den rechten rednerischen Nachdruck zu geben.

Fürst Bülow selbst kounte kein Interesse daran haben, diese Fragen mehr in
den Vordergrund zu stellen, als es der Interpellant gewollt zu haben schien. Er
erschien nach seiner Erkrankung zum erstenmal wieder im Reichstage; für ihn war
es unendlich wichtiger, einmal überhaupt den Beweis seiner völlig wiedererlangten
geistigen Frische zu geben, und sodann die Beunruhignngen, die in der Zwischen¬
zeit wegen unsrer internationalen Beziehungen entstanden waren, vor allem nach
außen hin zu zerstreuen. Daß es ihm uicht darum zu tun war, den heilet" Fragen
des "persönlichen Regiments" grundsätzlich auszuweichen, zeigte er dadurch, daß er
noch ein zweites mal das Wort ergriff, um dem freisinnigen Abgeordneten Wiener
auf das zu antworten, was der Abgeordnete Bassermann nur angedeutet hatte.
So kam es aber doch, daß man in der ersten großen Rede des Fürsten Bülow
etwas vermißte, obwohl sie mit gewohnter Meisterschaft gehalten worden war. Der
Reichskanzler wußte sehr Wohl, daß man ihn nicht angreifen wollte. Nicht einmal
die Sozialdemokraten schienen es bei dieser Gelegenheit ernstlich zu wollen. Denn
sie hatten Herrn von Vollmar vorgeschickt, und der entledigte sich seiner Aufgabe
so lahm und matt, daß man erkennen konnte, wie es ihm nnr darauf ankam, seine


Maßgebliches und Unniaßgebliches

allmählich in steigenden! Maße das Vertrauen der unterrichteten Politiker zugewandt
hatte, und es schien, als ob im Dunkel eifrig gegen ihn gearbeitet würde. So
wurde ein neues Moment der Unsicherheit in die Lage hineingetragen.

Neben diesen besondern Ursachen der weitverbreiteten Unruhe und Verstimmung
darf man freilich eines nicht vergessen, was hervorzuheben gerade um des Kaisers
willen Pflicht ist. Die Nation konnte sich so schnell nicht daran gewöhnen, daß
die Zeiten Wilhelms des Ersten und Bismarcks vorüber sein sollten. Man hatte
für ein gutes Recht des Volkes und für einen normalen Zustand genommen, was
doch in Wahrheit ein Geschenk der Vorsehung war, wie es auch den, tüchtigsten
Volke nur in vielen Jahrhunderten einmal für die kurze Spanne eines Menschen¬
alters zuteil wird. Der Rückschlag mußte einmal kommen und dem deutschen Volke
zum Bewußtsein bringen, daß von ihm die weltgeschichtliche Gegenleistung für das
Geschenk des Genius verlangt wird. Es scheint, daß wir jetzt an dem Tiefpunkte
dieser Rückwirkung angekommen sind.

Ein solcher Tiefpunkt pflegt aber in einer ursprünglich gesunden Entwicklung
zugleich einen Wendepunkt zu bedeuten. Bisher hatten wir es mit stumpfer Gleich-
giltigkeit oder hämischer Unzufriedenheit zu tun. Jetzt aber sehen wir tüchtige
Volkskreise sich aufraffen und ihr Recht zur Mitarbeit fordern. Leute, die es ehr¬
lich meinen mit allem Guten, was uns die geschichtliche Entwicklung beschert hat,
ehrlich mit Monarchie und Verfassung, ehrlich aber auch mit dem Bestreben, die
im Dienste der Allgemeinheit wirkenden Kräfte nicht nach höfischen, sondern nach
politischen Rücksichten tätig zu sehen, haben eingesehen, welcher Fehler in dem
Schweigen, Bemänteln und Beschönigen liegt, das nur den grundsätzlichen Feinden
von Staat und Gesellschaft zugute kommt. Besserung ist nur von einer offnen und
freien Kritik von nationaler Seite zu erwarten.

Diese Grundstimmung war es, die im Reichstage schon am zweiten Tage nach
der Wiederaufnahme seiner Verhandlungen den Anlaß gab, daß in Form einer
Debatte über die auswärtige Politik des Reichs alle diese Fragen, deren Schwer¬
punkt eigentlich in der innern Politik liegt, besprochen wurden. Es war der erste
Versuch, der und der Jnterpellation Bassermann gemacht wurde, und er fiel nicht
ganz glücklich und befriedigend aus. Die vornehme und bescheidne Art Bnsser-
manns hielt sich zu eng um das Thema, an die Tatsachen der auswärtigen Politik
oder vielmehr an die Eindrücke, die diese Tatsachen, soweit sie bekannt und er¬
örtert worden waren, in der breiten Öffentlichkeit hervorgerufen hatten. Der Fest¬
stellung und Begründung der Stimmuugsmomente, auf die es in diesem Falle be¬
sonders ankam, wußte er nicht den rechten rednerischen Nachdruck zu geben.

Fürst Bülow selbst kounte kein Interesse daran haben, diese Fragen mehr in
den Vordergrund zu stellen, als es der Interpellant gewollt zu haben schien. Er
erschien nach seiner Erkrankung zum erstenmal wieder im Reichstage; für ihn war
es unendlich wichtiger, einmal überhaupt den Beweis seiner völlig wiedererlangten
geistigen Frische zu geben, und sodann die Beunruhignngen, die in der Zwischen¬
zeit wegen unsrer internationalen Beziehungen entstanden waren, vor allem nach
außen hin zu zerstreuen. Daß es ihm uicht darum zu tun war, den heilet» Fragen
des „persönlichen Regiments" grundsätzlich auszuweichen, zeigte er dadurch, daß er
noch ein zweites mal das Wort ergriff, um dem freisinnigen Abgeordneten Wiener
auf das zu antworten, was der Abgeordnete Bassermann nur angedeutet hatte.
So kam es aber doch, daß man in der ersten großen Rede des Fürsten Bülow
etwas vermißte, obwohl sie mit gewohnter Meisterschaft gehalten worden war. Der
Reichskanzler wußte sehr Wohl, daß man ihn nicht angreifen wollte. Nicht einmal
die Sozialdemokraten schienen es bei dieser Gelegenheit ernstlich zu wollen. Denn
sie hatten Herrn von Vollmar vorgeschickt, und der entledigte sich seiner Aufgabe
so lahm und matt, daß man erkennen konnte, wie es ihm nnr darauf ankam, seine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300949"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unniaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1873" prev="#ID_1872"> allmählich in steigenden! Maße das Vertrauen der unterrichteten Politiker zugewandt<lb/>
hatte, und es schien, als ob im Dunkel eifrig gegen ihn gearbeitet würde. So<lb/>
wurde ein neues Moment der Unsicherheit in die Lage hineingetragen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1874"> Neben diesen besondern Ursachen der weitverbreiteten Unruhe und Verstimmung<lb/>
darf man freilich eines nicht vergessen, was hervorzuheben gerade um des Kaisers<lb/>
willen Pflicht ist. Die Nation konnte sich so schnell nicht daran gewöhnen, daß<lb/>
die Zeiten Wilhelms des Ersten und Bismarcks vorüber sein sollten. Man hatte<lb/>
für ein gutes Recht des Volkes und für einen normalen Zustand genommen, was<lb/>
doch in Wahrheit ein Geschenk der Vorsehung war, wie es auch den, tüchtigsten<lb/>
Volke nur in vielen Jahrhunderten einmal für die kurze Spanne eines Menschen¬<lb/>
alters zuteil wird. Der Rückschlag mußte einmal kommen und dem deutschen Volke<lb/>
zum Bewußtsein bringen, daß von ihm die weltgeschichtliche Gegenleistung für das<lb/>
Geschenk des Genius verlangt wird. Es scheint, daß wir jetzt an dem Tiefpunkte<lb/>
dieser Rückwirkung angekommen sind.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1875"> Ein solcher Tiefpunkt pflegt aber in einer ursprünglich gesunden Entwicklung<lb/>
zugleich einen Wendepunkt zu bedeuten. Bisher hatten wir es mit stumpfer Gleich-<lb/>
giltigkeit oder hämischer Unzufriedenheit zu tun. Jetzt aber sehen wir tüchtige<lb/>
Volkskreise sich aufraffen und ihr Recht zur Mitarbeit fordern. Leute, die es ehr¬<lb/>
lich meinen mit allem Guten, was uns die geschichtliche Entwicklung beschert hat,<lb/>
ehrlich mit Monarchie und Verfassung, ehrlich aber auch mit dem Bestreben, die<lb/>
im Dienste der Allgemeinheit wirkenden Kräfte nicht nach höfischen, sondern nach<lb/>
politischen Rücksichten tätig zu sehen, haben eingesehen, welcher Fehler in dem<lb/>
Schweigen, Bemänteln und Beschönigen liegt, das nur den grundsätzlichen Feinden<lb/>
von Staat und Gesellschaft zugute kommt. Besserung ist nur von einer offnen und<lb/>
freien Kritik von nationaler Seite zu erwarten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1876"> Diese Grundstimmung war es, die im Reichstage schon am zweiten Tage nach<lb/>
der Wiederaufnahme seiner Verhandlungen den Anlaß gab, daß in Form einer<lb/>
Debatte über die auswärtige Politik des Reichs alle diese Fragen, deren Schwer¬<lb/>
punkt eigentlich in der innern Politik liegt, besprochen wurden. Es war der erste<lb/>
Versuch, der und der Jnterpellation Bassermann gemacht wurde, und er fiel nicht<lb/>
ganz glücklich und befriedigend aus. Die vornehme und bescheidne Art Bnsser-<lb/>
manns hielt sich zu eng um das Thema, an die Tatsachen der auswärtigen Politik<lb/>
oder vielmehr an die Eindrücke, die diese Tatsachen, soweit sie bekannt und er¬<lb/>
örtert worden waren, in der breiten Öffentlichkeit hervorgerufen hatten. Der Fest¬<lb/>
stellung und Begründung der Stimmuugsmomente, auf die es in diesem Falle be¬<lb/>
sonders ankam, wußte er nicht den rechten rednerischen Nachdruck zu geben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1877" next="#ID_1878"> Fürst Bülow selbst kounte kein Interesse daran haben, diese Fragen mehr in<lb/>
den Vordergrund zu stellen, als es der Interpellant gewollt zu haben schien. Er<lb/>
erschien nach seiner Erkrankung zum erstenmal wieder im Reichstage; für ihn war<lb/>
es unendlich wichtiger, einmal überhaupt den Beweis seiner völlig wiedererlangten<lb/>
geistigen Frische zu geben, und sodann die Beunruhignngen, die in der Zwischen¬<lb/>
zeit wegen unsrer internationalen Beziehungen entstanden waren, vor allem nach<lb/>
außen hin zu zerstreuen. Daß es ihm uicht darum zu tun war, den heilet» Fragen<lb/>
des &#x201E;persönlichen Regiments" grundsätzlich auszuweichen, zeigte er dadurch, daß er<lb/>
noch ein zweites mal das Wort ergriff, um dem freisinnigen Abgeordneten Wiener<lb/>
auf das zu antworten, was der Abgeordnete Bassermann nur angedeutet hatte.<lb/>
So kam es aber doch, daß man in der ersten großen Rede des Fürsten Bülow<lb/>
etwas vermißte, obwohl sie mit gewohnter Meisterschaft gehalten worden war. Der<lb/>
Reichskanzler wußte sehr Wohl, daß man ihn nicht angreifen wollte. Nicht einmal<lb/>
die Sozialdemokraten schienen es bei dieser Gelegenheit ernstlich zu wollen. Denn<lb/>
sie hatten Herrn von Vollmar vorgeschickt, und der entledigte sich seiner Aufgabe<lb/>
so lahm und matt, daß man erkennen konnte, wie es ihm nnr darauf ankam, seine</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0450] Maßgebliches und Unniaßgebliches allmählich in steigenden! Maße das Vertrauen der unterrichteten Politiker zugewandt hatte, und es schien, als ob im Dunkel eifrig gegen ihn gearbeitet würde. So wurde ein neues Moment der Unsicherheit in die Lage hineingetragen. Neben diesen besondern Ursachen der weitverbreiteten Unruhe und Verstimmung darf man freilich eines nicht vergessen, was hervorzuheben gerade um des Kaisers willen Pflicht ist. Die Nation konnte sich so schnell nicht daran gewöhnen, daß die Zeiten Wilhelms des Ersten und Bismarcks vorüber sein sollten. Man hatte für ein gutes Recht des Volkes und für einen normalen Zustand genommen, was doch in Wahrheit ein Geschenk der Vorsehung war, wie es auch den, tüchtigsten Volke nur in vielen Jahrhunderten einmal für die kurze Spanne eines Menschen¬ alters zuteil wird. Der Rückschlag mußte einmal kommen und dem deutschen Volke zum Bewußtsein bringen, daß von ihm die weltgeschichtliche Gegenleistung für das Geschenk des Genius verlangt wird. Es scheint, daß wir jetzt an dem Tiefpunkte dieser Rückwirkung angekommen sind. Ein solcher Tiefpunkt pflegt aber in einer ursprünglich gesunden Entwicklung zugleich einen Wendepunkt zu bedeuten. Bisher hatten wir es mit stumpfer Gleich- giltigkeit oder hämischer Unzufriedenheit zu tun. Jetzt aber sehen wir tüchtige Volkskreise sich aufraffen und ihr Recht zur Mitarbeit fordern. Leute, die es ehr¬ lich meinen mit allem Guten, was uns die geschichtliche Entwicklung beschert hat, ehrlich mit Monarchie und Verfassung, ehrlich aber auch mit dem Bestreben, die im Dienste der Allgemeinheit wirkenden Kräfte nicht nach höfischen, sondern nach politischen Rücksichten tätig zu sehen, haben eingesehen, welcher Fehler in dem Schweigen, Bemänteln und Beschönigen liegt, das nur den grundsätzlichen Feinden von Staat und Gesellschaft zugute kommt. Besserung ist nur von einer offnen und freien Kritik von nationaler Seite zu erwarten. Diese Grundstimmung war es, die im Reichstage schon am zweiten Tage nach der Wiederaufnahme seiner Verhandlungen den Anlaß gab, daß in Form einer Debatte über die auswärtige Politik des Reichs alle diese Fragen, deren Schwer¬ punkt eigentlich in der innern Politik liegt, besprochen wurden. Es war der erste Versuch, der und der Jnterpellation Bassermann gemacht wurde, und er fiel nicht ganz glücklich und befriedigend aus. Die vornehme und bescheidne Art Bnsser- manns hielt sich zu eng um das Thema, an die Tatsachen der auswärtigen Politik oder vielmehr an die Eindrücke, die diese Tatsachen, soweit sie bekannt und er¬ örtert worden waren, in der breiten Öffentlichkeit hervorgerufen hatten. Der Fest¬ stellung und Begründung der Stimmuugsmomente, auf die es in diesem Falle be¬ sonders ankam, wußte er nicht den rechten rednerischen Nachdruck zu geben. Fürst Bülow selbst kounte kein Interesse daran haben, diese Fragen mehr in den Vordergrund zu stellen, als es der Interpellant gewollt zu haben schien. Er erschien nach seiner Erkrankung zum erstenmal wieder im Reichstage; für ihn war es unendlich wichtiger, einmal überhaupt den Beweis seiner völlig wiedererlangten geistigen Frische zu geben, und sodann die Beunruhignngen, die in der Zwischen¬ zeit wegen unsrer internationalen Beziehungen entstanden waren, vor allem nach außen hin zu zerstreuen. Daß es ihm uicht darum zu tun war, den heilet» Fragen des „persönlichen Regiments" grundsätzlich auszuweichen, zeigte er dadurch, daß er noch ein zweites mal das Wort ergriff, um dem freisinnigen Abgeordneten Wiener auf das zu antworten, was der Abgeordnete Bassermann nur angedeutet hatte. So kam es aber doch, daß man in der ersten großen Rede des Fürsten Bülow etwas vermißte, obwohl sie mit gewohnter Meisterschaft gehalten worden war. Der Reichskanzler wußte sehr Wohl, daß man ihn nicht angreifen wollte. Nicht einmal die Sozialdemokraten schienen es bei dieser Gelegenheit ernstlich zu wollen. Denn sie hatten Herrn von Vollmar vorgeschickt, und der entledigte sich seiner Aufgabe so lahm und matt, daß man erkennen konnte, wie es ihm nnr darauf ankam, seine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/450
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/450>, abgerufen am 15.05.2024.