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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die Meiterentwicklung der Binnenschiffahrt in Deutschland

Die Kanalisation der Fulda von Münden bis Kassel hat nicht ganz so viel
gehalten, wie man sich von ihr versprochen hatte. Dazu haben die unglücklichen
Bahnhofsverhältnisse viel beigetragen.

Nun will man aber alles Ernstes auch an die Kanalisation der Werra
herantreten, ein Beweis, wie der neuzeitliche Strombau seine Kräfte wachsen
fühlt. Früher wurde die Werra regelmäßig befahren bis Eschwege, bis Wan-
fried und selbst bis Hörschel, 6 Kilometer von Eisenach. Dann ist wie vieler-
orten so auch hier die Schiffahrt zugrunde gegangen, weil man nicht mit der
Zeit fortschreiten konnte. Die alten Schleusen waren zu klein für neuzeitliche
Schiffe, neue baute man nicht. Jetzt traut man sich zu, nicht nur technisch,
was keinem Zweifel unterliegt, sondern auch wirtschaftlich die Werra schiffbar
machen zu können. Und zwar nicht etwa bloß bis Wcmfried oder Hörschel,
sondern etwa 60 Kilometer (Eisenbahneutfernung) iveiter als Hörschel-Eisenach-
Man glaubt bis Werushausen im Meiningischen kommen zu können, einer Eisen¬
bahnstation an der Werra, die nur 7 Kilometer von Schmalkalden und 20 Kilo¬
meter von Meiningen liegt. Meiningen selbst liegt mit 298 Meter über dem
Meere zu hoch. Wernshausen liegt auch etwa 250 Meter über dem Meere,
und vou hier aus geht die Werra in gleichmäßigem Gefälle bis Münden, das
noch 197 Meter hat. Man denkt dies Werk durch Anlegung von Sperrschleusen
und Talsperren überwinden zu können.

Ziemlich eingeschlafen sind leider die Pläne, Leipzig an die Elbschiffahrt
anzuschließen. An der technischen Möglichkeit ist gar nicht zu zweifeln. Es
bieten sich sogar vier Wege dafür dar: der südlichste ist Leipzig-Torgau, nur
55 Kilometer lang, jedoch an der Elbe zu weit stromaufwärts liegend. Der
zweite, Leipzig-Wallwitzhafen, ist 63,5 Kilometer, der dritte nach Köthen-Aker,
80,5 Kilometer, und der vierte über Halle und der zu kannlisierendeu Saale bis
zu deren Mündung folgend, 130 Kilometer lang. Die preußische Regierung
interessiert sich nur für diesen letzten Weg, der jedoch Leipzig und dem sächsischen
Staat nicht genehm ist.

Mag nun das eine oder andre dieser Projekte noch längere Zeit bis zu
seiner Ausführung bedürfen oder gar ganz scheitern: es ist keine Frage, daß
sich diese außerordentliche Unternehmungslust betätigen wird, und daß wir ihr
große Werke zu verdanken haben werden. Wenn die Binnenschiffahrt bis ins
Herzogtum Meiningen gelangt oder gar bis Nürnberg, so liegt ihr Endpunkt
recht im Herzen Deutschlands. Das muß auf die Transportverhältnisse und die
Transportkosten in Deutschland geradezu umwälzend wirken.




Die Meiterentwicklung der Binnenschiffahrt in Deutschland

Die Kanalisation der Fulda von Münden bis Kassel hat nicht ganz so viel
gehalten, wie man sich von ihr versprochen hatte. Dazu haben die unglücklichen
Bahnhofsverhältnisse viel beigetragen.

Nun will man aber alles Ernstes auch an die Kanalisation der Werra
herantreten, ein Beweis, wie der neuzeitliche Strombau seine Kräfte wachsen
fühlt. Früher wurde die Werra regelmäßig befahren bis Eschwege, bis Wan-
fried und selbst bis Hörschel, 6 Kilometer von Eisenach. Dann ist wie vieler-
orten so auch hier die Schiffahrt zugrunde gegangen, weil man nicht mit der
Zeit fortschreiten konnte. Die alten Schleusen waren zu klein für neuzeitliche
Schiffe, neue baute man nicht. Jetzt traut man sich zu, nicht nur technisch,
was keinem Zweifel unterliegt, sondern auch wirtschaftlich die Werra schiffbar
machen zu können. Und zwar nicht etwa bloß bis Wcmfried oder Hörschel,
sondern etwa 60 Kilometer (Eisenbahneutfernung) iveiter als Hörschel-Eisenach-
Man glaubt bis Werushausen im Meiningischen kommen zu können, einer Eisen¬
bahnstation an der Werra, die nur 7 Kilometer von Schmalkalden und 20 Kilo¬
meter von Meiningen liegt. Meiningen selbst liegt mit 298 Meter über dem
Meere zu hoch. Wernshausen liegt auch etwa 250 Meter über dem Meere,
und vou hier aus geht die Werra in gleichmäßigem Gefälle bis Münden, das
noch 197 Meter hat. Man denkt dies Werk durch Anlegung von Sperrschleusen
und Talsperren überwinden zu können.

Ziemlich eingeschlafen sind leider die Pläne, Leipzig an die Elbschiffahrt
anzuschließen. An der technischen Möglichkeit ist gar nicht zu zweifeln. Es
bieten sich sogar vier Wege dafür dar: der südlichste ist Leipzig-Torgau, nur
55 Kilometer lang, jedoch an der Elbe zu weit stromaufwärts liegend. Der
zweite, Leipzig-Wallwitzhafen, ist 63,5 Kilometer, der dritte nach Köthen-Aker,
80,5 Kilometer, und der vierte über Halle und der zu kannlisierendeu Saale bis
zu deren Mündung folgend, 130 Kilometer lang. Die preußische Regierung
interessiert sich nur für diesen letzten Weg, der jedoch Leipzig und dem sächsischen
Staat nicht genehm ist.

Mag nun das eine oder andre dieser Projekte noch längere Zeit bis zu
seiner Ausführung bedürfen oder gar ganz scheitern: es ist keine Frage, daß
sich diese außerordentliche Unternehmungslust betätigen wird, und daß wir ihr
große Werke zu verdanken haben werden. Wenn die Binnenschiffahrt bis ins
Herzogtum Meiningen gelangt oder gar bis Nürnberg, so liegt ihr Endpunkt
recht im Herzen Deutschlands. Das muß auf die Transportverhältnisse und die
Transportkosten in Deutschland geradezu umwälzend wirken.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/462>, abgerufen am 15.05.2024.