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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Das Lüde des Deutschen Bundestags

nicht okkupierte Staaten Norddeutschlands beigetreten. Es sind dies, mit Ein¬
schluß Preußens und Schleswig-Holsteins, 18 Staaten der frühern Deutschen
Bundes: Anhalt, Sachsen-Altenburg, Snchsen-Koburg-Gotha, Sachsen-Weimar,
Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Lippe-Detmold,
Schaumburg-Lippe, Reuß-Gera, Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-
Strelitz, Lübeck, Bremen und Hamburg. Diese Staaten repräsentieren mit der
Bevölkerung der von Preußen besetzten Länder eine Vereinigung von dreißig
Millionen Deutschen in einem vollkommen geschlossenen Territorialverbande, die
in ihren gewichtigsten politischen und materiellen Interessen aufeinander ange¬
wiesen und in ihrer Entwicklung wie in ihrem religiösen Bekenntnis überwiegend
homogen siud. In vielen dieser Staaten sind die Einleitungen zur Berufung
des gemeinsamen Parlaments, das die Zusammengehörigkeit derselben am besten
darlegen wird, auf Grund des Neichswahlgesetzes vom 12. April 1819 bereits
getroffen."

Während so in der Vereinigung der norddeutschen Staaten, dem "Souder-
bunde", wie sie von der alten Bundesversammlung und dieser folgend von
der damaligen Augsburger Allgemeinen Zeitung genannt wurde, schon die
Grundlagen geschaffen wurden, auf denen im Laufe weniger Jahre der Ban des
neuen Deutschen Reiches entstehn sollte, suchten die Vertreter der "bundes¬
treuen" Regierungen, die sich in deu "Drei Mohren" zu Augsburg versammelten,
noch dein alten Bunde ein Scheindasein zu sichern. Am 20. Juli waren nach
einer Mitteilung der Allgemeinen Zeitung als Mitglieder des deutschen Rumpf¬
bundestags in Augsburg anwesend: für Österreich Freiherr von Kübeck, für
Bayern Freiherr von Schrenck auf Notzing, für Sachsen Freiherr von Bose,
für Hannover Herr von Heimbruch, für Württemberg Freiherr von Linden,
für Baden Geheimrat von Mohl, für Kurhessen Herr von Meyer, für das
Großherzogtum Hessen Freiherr von Biegeleben, denen sich am 20. Juli als
Bundestagsgesandter für Nassau noch der Staatsminister Fürst von Wittgen-
stein zugesellte. Vou den beim Bundestage beglaubigten Gesandten waren in
Augsburg Sir Alexander Mallet für England, Freiherr von Ungern-Sternberg
für Rußland, Graf Neculot für Frankreich, Herr von Rivera für Spanien und
der Vertreter Belgiens.

Nach Abschluß des Prälinnnarvertrags von Nikvlsburg am 26. Juli,
worin Österreich die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes ausdrücklich
anerkannt hatte, berief es seinen Präsidialgesandten Freiherrn von Kübeck nach
Wien. Er reiste am 28. Juli von Augsburg ab, indem er den bayrischen
Gesandten Freiherrn von Schrenck im Präsidium und in der Führung der
österreichischen Stimme "für die Dauer seiner Abwesenheit" substituierte. Aber
schon unterm 30. Juli meldete die Allgemeine Zeitung aus Wien: "Freiherr
von Kübeck ist hier eingetroffen, sein Posten ist eingezogen. Der Deutsche
Bund hat zu existiere" aufgehört." So ging das Präsidium des Augsburger
Numpfbundestags auf Bayern über.


Das Lüde des Deutschen Bundestags

nicht okkupierte Staaten Norddeutschlands beigetreten. Es sind dies, mit Ein¬
schluß Preußens und Schleswig-Holsteins, 18 Staaten der frühern Deutschen
Bundes: Anhalt, Sachsen-Altenburg, Snchsen-Koburg-Gotha, Sachsen-Weimar,
Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Lippe-Detmold,
Schaumburg-Lippe, Reuß-Gera, Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-
Strelitz, Lübeck, Bremen und Hamburg. Diese Staaten repräsentieren mit der
Bevölkerung der von Preußen besetzten Länder eine Vereinigung von dreißig
Millionen Deutschen in einem vollkommen geschlossenen Territorialverbande, die
in ihren gewichtigsten politischen und materiellen Interessen aufeinander ange¬
wiesen und in ihrer Entwicklung wie in ihrem religiösen Bekenntnis überwiegend
homogen siud. In vielen dieser Staaten sind die Einleitungen zur Berufung
des gemeinsamen Parlaments, das die Zusammengehörigkeit derselben am besten
darlegen wird, auf Grund des Neichswahlgesetzes vom 12. April 1819 bereits
getroffen."

Während so in der Vereinigung der norddeutschen Staaten, dem „Souder-
bunde", wie sie von der alten Bundesversammlung und dieser folgend von
der damaligen Augsburger Allgemeinen Zeitung genannt wurde, schon die
Grundlagen geschaffen wurden, auf denen im Laufe weniger Jahre der Ban des
neuen Deutschen Reiches entstehn sollte, suchten die Vertreter der „bundes¬
treuen" Regierungen, die sich in deu „Drei Mohren" zu Augsburg versammelten,
noch dein alten Bunde ein Scheindasein zu sichern. Am 20. Juli waren nach
einer Mitteilung der Allgemeinen Zeitung als Mitglieder des deutschen Rumpf¬
bundestags in Augsburg anwesend: für Österreich Freiherr von Kübeck, für
Bayern Freiherr von Schrenck auf Notzing, für Sachsen Freiherr von Bose,
für Hannover Herr von Heimbruch, für Württemberg Freiherr von Linden,
für Baden Geheimrat von Mohl, für Kurhessen Herr von Meyer, für das
Großherzogtum Hessen Freiherr von Biegeleben, denen sich am 20. Juli als
Bundestagsgesandter für Nassau noch der Staatsminister Fürst von Wittgen-
stein zugesellte. Vou den beim Bundestage beglaubigten Gesandten waren in
Augsburg Sir Alexander Mallet für England, Freiherr von Ungern-Sternberg
für Rußland, Graf Neculot für Frankreich, Herr von Rivera für Spanien und
der Vertreter Belgiens.

Nach Abschluß des Prälinnnarvertrags von Nikvlsburg am 26. Juli,
worin Österreich die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes ausdrücklich
anerkannt hatte, berief es seinen Präsidialgesandten Freiherrn von Kübeck nach
Wien. Er reiste am 28. Juli von Augsburg ab, indem er den bayrischen
Gesandten Freiherrn von Schrenck im Präsidium und in der Führung der
österreichischen Stimme „für die Dauer seiner Abwesenheit" substituierte. Aber
schon unterm 30. Juli meldete die Allgemeine Zeitung aus Wien: „Freiherr
von Kübeck ist hier eingetroffen, sein Posten ist eingezogen. Der Deutsche
Bund hat zu existiere» aufgehört." So ging das Präsidium des Augsburger
Numpfbundestags auf Bayern über.


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[0644] Das Lüde des Deutschen Bundestags nicht okkupierte Staaten Norddeutschlands beigetreten. Es sind dies, mit Ein¬ schluß Preußens und Schleswig-Holsteins, 18 Staaten der frühern Deutschen Bundes: Anhalt, Sachsen-Altenburg, Snchsen-Koburg-Gotha, Sachsen-Weimar, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Lippe-Detmold, Schaumburg-Lippe, Reuß-Gera, Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg- Strelitz, Lübeck, Bremen und Hamburg. Diese Staaten repräsentieren mit der Bevölkerung der von Preußen besetzten Länder eine Vereinigung von dreißig Millionen Deutschen in einem vollkommen geschlossenen Territorialverbande, die in ihren gewichtigsten politischen und materiellen Interessen aufeinander ange¬ wiesen und in ihrer Entwicklung wie in ihrem religiösen Bekenntnis überwiegend homogen siud. In vielen dieser Staaten sind die Einleitungen zur Berufung des gemeinsamen Parlaments, das die Zusammengehörigkeit derselben am besten darlegen wird, auf Grund des Neichswahlgesetzes vom 12. April 1819 bereits getroffen." Während so in der Vereinigung der norddeutschen Staaten, dem „Souder- bunde", wie sie von der alten Bundesversammlung und dieser folgend von der damaligen Augsburger Allgemeinen Zeitung genannt wurde, schon die Grundlagen geschaffen wurden, auf denen im Laufe weniger Jahre der Ban des neuen Deutschen Reiches entstehn sollte, suchten die Vertreter der „bundes¬ treuen" Regierungen, die sich in deu „Drei Mohren" zu Augsburg versammelten, noch dein alten Bunde ein Scheindasein zu sichern. Am 20. Juli waren nach einer Mitteilung der Allgemeinen Zeitung als Mitglieder des deutschen Rumpf¬ bundestags in Augsburg anwesend: für Österreich Freiherr von Kübeck, für Bayern Freiherr von Schrenck auf Notzing, für Sachsen Freiherr von Bose, für Hannover Herr von Heimbruch, für Württemberg Freiherr von Linden, für Baden Geheimrat von Mohl, für Kurhessen Herr von Meyer, für das Großherzogtum Hessen Freiherr von Biegeleben, denen sich am 20. Juli als Bundestagsgesandter für Nassau noch der Staatsminister Fürst von Wittgen- stein zugesellte. Vou den beim Bundestage beglaubigten Gesandten waren in Augsburg Sir Alexander Mallet für England, Freiherr von Ungern-Sternberg für Rußland, Graf Neculot für Frankreich, Herr von Rivera für Spanien und der Vertreter Belgiens. Nach Abschluß des Prälinnnarvertrags von Nikvlsburg am 26. Juli, worin Österreich die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes ausdrücklich anerkannt hatte, berief es seinen Präsidialgesandten Freiherrn von Kübeck nach Wien. Er reiste am 28. Juli von Augsburg ab, indem er den bayrischen Gesandten Freiherrn von Schrenck im Präsidium und in der Führung der österreichischen Stimme „für die Dauer seiner Abwesenheit" substituierte. Aber schon unterm 30. Juli meldete die Allgemeine Zeitung aus Wien: „Freiherr von Kübeck ist hier eingetroffen, sein Posten ist eingezogen. Der Deutsche Bund hat zu existiere» aufgehört." So ging das Präsidium des Augsburger Numpfbundestags auf Bayern über.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/644>, abgerufen am 31.05.2024.