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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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In der Residenz zu Aleinhausen

No no, Batterie! Mach uns int gcir so schlecht!

Hast Recht! Auf das Kapitel wollen wir lieber uicht auch noch kommen -- Ich
hab dir den Kopf so wie so schon vollgeredt heut Abend, Robert.

Wirklich, da rief die Kuckucksuhr schon elf! Im Städtchen war alles längst
zur Ruhe gegangen, mir ein Hund bellte in der Ferne.

Robert schritt unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Zu vieles drängte sich
ihm im Kopf und Herzen. Sein alter Vater dauerte ihn. Ob man ihm denn gar
nicht helfen konnte? Er würde den Minister uun ja auch kennen lernen, hatte seiner
Mutter versprochen, sich morgen bei Herrn von Krollinger für die Audienz im
Schloß zu melden. Denn schau, wenn dn der Abend nit mit beim Empfang
wcirsch, täte ja die Leut denke, der Vatter sei sür immer unde durch.

Robert öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus. In den Wiesen riefen
die Unken, und ein leises Rauschen klang herauf. Erst konnte er sich den Ton
nicht erklären ^- dann sah er, daß ein Mann unten im Mondlicht Gras mähte.
Kühl aufrauschend fiel es uuter der Sense nieder. Der Garten davor lag mit einem
weißen Schleier überdeckt. Wie süß duftete das Geißblatt durch die Sommernacht!
Warum fiel ihm dabei plötzlich die kleine Lisbeth Lenz ein? Richtig! sie hatte ihm
vor Jahren einmal eine Blüte davon gegeben. Ganz deutlich sah er ihre braunen
Augen auf einmal vor sich, wie von einen: Hcislein. Sie war eigentlich seine erste
Knabenschwärmerei gewesen! Mußte nun auch schon zwanzig Jahre sein! Mein
Gott, wie lief die Zeit!

Sie waren doch fast wie Geschwister zusammen gestanden, und er hatte sie so
völlig vergessen können? Nein, nicht völlig. Die ersten Jahre hatte ihr liebes Bild
ihn noch oft im Atelier besucht, und mancher Kartengruß war zu ihr hinübergeflogen,
aber dann, allmählich, hatte sich die Zeit darüber gelegt. Wie mochte es ihr gehen?
Danach wollte er doch gleich morgen fragen! Allmählich wurde er müde. Das süße
Gefühl, zu Hause zu sein, legte sich weich um all seine Sinne. Dort hingen noch
seine Schmetterlingskasten um der Wand! Die bunten Träume und Wünsche seiner
Knabenzeit! ach, wo waren sie hin?

Der junge Mann streckte die Arme aus, als wolle er sie noch einmal fuchsn,
in all ihrem Jugendglanz --

Da raschelte es leise an seiner Tür. Du, Robbert, wnchsch du "och?

Er öffnete. Seine Mutter stand in der Weißen Nachthaube vor ihm.

Ich hab mir "och frage wolle, ob dir auch die nugestrickte Füß von denn
Strumpf gepaßt habe -- weil du nie nix davon geschriebe bases?

, Ganz herrlich, Mutter! Genau, als hättest du mein Maß gehabt!

Und glücklich ging die alte Frau in ihre Schlafstube hinüber.

(Fortsetzung folgt)




In der Residenz zu Aleinhausen

No no, Batterie! Mach uns int gcir so schlecht!

Hast Recht! Auf das Kapitel wollen wir lieber uicht auch noch kommen — Ich
hab dir den Kopf so wie so schon vollgeredt heut Abend, Robert.

Wirklich, da rief die Kuckucksuhr schon elf! Im Städtchen war alles längst
zur Ruhe gegangen, mir ein Hund bellte in der Ferne.

Robert schritt unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Zu vieles drängte sich
ihm im Kopf und Herzen. Sein alter Vater dauerte ihn. Ob man ihm denn gar
nicht helfen konnte? Er würde den Minister uun ja auch kennen lernen, hatte seiner
Mutter versprochen, sich morgen bei Herrn von Krollinger für die Audienz im
Schloß zu melden. Denn schau, wenn dn der Abend nit mit beim Empfang
wcirsch, täte ja die Leut denke, der Vatter sei sür immer unde durch.

Robert öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus. In den Wiesen riefen
die Unken, und ein leises Rauschen klang herauf. Erst konnte er sich den Ton
nicht erklären ^- dann sah er, daß ein Mann unten im Mondlicht Gras mähte.
Kühl aufrauschend fiel es uuter der Sense nieder. Der Garten davor lag mit einem
weißen Schleier überdeckt. Wie süß duftete das Geißblatt durch die Sommernacht!
Warum fiel ihm dabei plötzlich die kleine Lisbeth Lenz ein? Richtig! sie hatte ihm
vor Jahren einmal eine Blüte davon gegeben. Ganz deutlich sah er ihre braunen
Augen auf einmal vor sich, wie von einen: Hcislein. Sie war eigentlich seine erste
Knabenschwärmerei gewesen! Mußte nun auch schon zwanzig Jahre sein! Mein
Gott, wie lief die Zeit!

Sie waren doch fast wie Geschwister zusammen gestanden, und er hatte sie so
völlig vergessen können? Nein, nicht völlig. Die ersten Jahre hatte ihr liebes Bild
ihn noch oft im Atelier besucht, und mancher Kartengruß war zu ihr hinübergeflogen,
aber dann, allmählich, hatte sich die Zeit darüber gelegt. Wie mochte es ihr gehen?
Danach wollte er doch gleich morgen fragen! Allmählich wurde er müde. Das süße
Gefühl, zu Hause zu sein, legte sich weich um all seine Sinne. Dort hingen noch
seine Schmetterlingskasten um der Wand! Die bunten Träume und Wünsche seiner
Knabenzeit! ach, wo waren sie hin?

Der junge Mann streckte die Arme aus, als wolle er sie noch einmal fuchsn,
in all ihrem Jugendglanz —

Da raschelte es leise an seiner Tür. Du, Robbert, wnchsch du »och?

Er öffnete. Seine Mutter stand in der Weißen Nachthaube vor ihm.

Ich hab mir »och frage wolle, ob dir auch die nugestrickte Füß von denn
Strumpf gepaßt habe — weil du nie nix davon geschriebe bases?

, Ganz herrlich, Mutter! Genau, als hättest du mein Maß gehabt!

Und glücklich ging die alte Frau in ihre Schlafstube hinüber.

(Fortsetzung folgt)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/66>, abgerufen am 15.05.2024.