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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Zlschabad und Umgegend

in Betrieb, manche Ruine ist in die von der Gutsverwaltung für junge Kul¬
turen, Baumschulen und Gärten in Nutzung genommncn Flächen verschlagen,
sonst bedeckt nur eine feste Grasnarbe Trümmerfelder und ehemalige Gurten
und wechselt ab mit so anmutigen Kräutern wie der stachligen Kameldistel.

Einem mohammedanischen Heiligen wurde in seiner Behausung bei einer
kleinen unansehnlichen Moschee neuern Datums, die wie alle bei den festen
Anis unschön graugelb aussah, ein Besuch gemacht. Er ließ es sich nicht
nehmen, Frau I. und uns mit Salz und Brot, einem eigentümlich säuerlichen
Gebäck, zu bewillkommnen und stellte sich anstandlos mit uns zum Bilde zu¬
sammen. Die Turkmenen machen sich eben auf die Satzungen des Korans ihren
eignen Vers. Auf Nachmittag wurde ein Besuch bei dem Sohne des letzten
selbständigen Khans verschoben. Ein schlauer alter Turkmene, hat er die Zeichen
der Zeit ebenso verstanden wie seine Mutter, die auf ihre alten Tage Russisch
lernt. Er hat die Hoheit des Zaren bedingungslos anerkannt und lebt nun
in seinem Ani in seiner Weise als Grandseigneur, angetan mit recht vielen
seidnen Chalaten -- schlafrockähnlichen Röcken -- übereinander, ohne durch
Regierungssorgen behelligt zu werden. Er hat Komaroff, den ersten Gebiets¬
chef, und Kuropatkin in seinem Zelt empfangen, beherbergt, Gastgeschenke ge¬
nommen und gegeben und steht mit den örtlichen Gewalten in den besten Be¬
ziehungen. Man suchte ihm unsre Heimat und unsre Neisezwecke zu erklären,
und er lud uns in sein Hauptzeit, das über kunstvollem Holzgestell innen mit
kostbaren Teppichen behängen und belegt und mit Truhen mit alten Waffen
und Wehrgehängen ausmöbliert war. Manches Stück wurde davon gezeigt.
Aber der alte Herr war sehr unzufrieden, daß wir seine Gastfreundschaft mir
wenig Minuten in Anspruch nehmen wollten. Als Beweis seiner Hochschätzung
verehrte er jedem von uns ein Persianerfell, zu welchem Zweck fünf Lümmlein
schnell ihr Leben lassen mußten. Fatales Geschenk übrigens, das sich in der
Wärme der Eisenbahnabteile zu einer übelriechenden, klebrigen Masse ver¬
wandeln sollte!

Besichtigungen des Betriebs, der Jrrigationsfeldcr. Gärten und Baum¬
schulen und der' Baumwollfabrik nahmen den übrigen Teil des Tages vollauf
in Anspruch, nachdem wir bei einem ausgezeichneten Diner die Ortsgenüsse,
ganz vorzüglichen Fisch und Kaviar vom Ann-Darja, kennen gelernt hatten.
Es war die letzte kulinarische Freude vor Moskau. Gern Hütte man uns lünger
behalten. Aber so ist die russische Gastfreundschaft: großartig, entgegenkommend,
will sie die einmal gefaßten Entschlüsse nicht stören.

Herzlichster Dank sei allen den Herrschaften, die uns so überaus gut.g auf¬
genommen haben, an dieser Stelle wiederholt!




Zlschabad und Umgegend

in Betrieb, manche Ruine ist in die von der Gutsverwaltung für junge Kul¬
turen, Baumschulen und Gärten in Nutzung genommncn Flächen verschlagen,
sonst bedeckt nur eine feste Grasnarbe Trümmerfelder und ehemalige Gurten
und wechselt ab mit so anmutigen Kräutern wie der stachligen Kameldistel.

Einem mohammedanischen Heiligen wurde in seiner Behausung bei einer
kleinen unansehnlichen Moschee neuern Datums, die wie alle bei den festen
Anis unschön graugelb aussah, ein Besuch gemacht. Er ließ es sich nicht
nehmen, Frau I. und uns mit Salz und Brot, einem eigentümlich säuerlichen
Gebäck, zu bewillkommnen und stellte sich anstandlos mit uns zum Bilde zu¬
sammen. Die Turkmenen machen sich eben auf die Satzungen des Korans ihren
eignen Vers. Auf Nachmittag wurde ein Besuch bei dem Sohne des letzten
selbständigen Khans verschoben. Ein schlauer alter Turkmene, hat er die Zeichen
der Zeit ebenso verstanden wie seine Mutter, die auf ihre alten Tage Russisch
lernt. Er hat die Hoheit des Zaren bedingungslos anerkannt und lebt nun
in seinem Ani in seiner Weise als Grandseigneur, angetan mit recht vielen
seidnen Chalaten — schlafrockähnlichen Röcken — übereinander, ohne durch
Regierungssorgen behelligt zu werden. Er hat Komaroff, den ersten Gebiets¬
chef, und Kuropatkin in seinem Zelt empfangen, beherbergt, Gastgeschenke ge¬
nommen und gegeben und steht mit den örtlichen Gewalten in den besten Be¬
ziehungen. Man suchte ihm unsre Heimat und unsre Neisezwecke zu erklären,
und er lud uns in sein Hauptzeit, das über kunstvollem Holzgestell innen mit
kostbaren Teppichen behängen und belegt und mit Truhen mit alten Waffen
und Wehrgehängen ausmöbliert war. Manches Stück wurde davon gezeigt.
Aber der alte Herr war sehr unzufrieden, daß wir seine Gastfreundschaft mir
wenig Minuten in Anspruch nehmen wollten. Als Beweis seiner Hochschätzung
verehrte er jedem von uns ein Persianerfell, zu welchem Zweck fünf Lümmlein
schnell ihr Leben lassen mußten. Fatales Geschenk übrigens, das sich in der
Wärme der Eisenbahnabteile zu einer übelriechenden, klebrigen Masse ver¬
wandeln sollte!

Besichtigungen des Betriebs, der Jrrigationsfeldcr. Gärten und Baum¬
schulen und der' Baumwollfabrik nahmen den übrigen Teil des Tages vollauf
in Anspruch, nachdem wir bei einem ausgezeichneten Diner die Ortsgenüsse,
ganz vorzüglichen Fisch und Kaviar vom Ann-Darja, kennen gelernt hatten.
Es war die letzte kulinarische Freude vor Moskau. Gern Hütte man uns lünger
behalten. Aber so ist die russische Gastfreundschaft: großartig, entgegenkommend,
will sie die einmal gefaßten Entschlüsse nicht stören.

Herzlichster Dank sei allen den Herrschaften, die uns so überaus gut.g auf¬
genommen haben, an dieser Stelle wiederholt!




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[0671] Zlschabad und Umgegend in Betrieb, manche Ruine ist in die von der Gutsverwaltung für junge Kul¬ turen, Baumschulen und Gärten in Nutzung genommncn Flächen verschlagen, sonst bedeckt nur eine feste Grasnarbe Trümmerfelder und ehemalige Gurten und wechselt ab mit so anmutigen Kräutern wie der stachligen Kameldistel. Einem mohammedanischen Heiligen wurde in seiner Behausung bei einer kleinen unansehnlichen Moschee neuern Datums, die wie alle bei den festen Anis unschön graugelb aussah, ein Besuch gemacht. Er ließ es sich nicht nehmen, Frau I. und uns mit Salz und Brot, einem eigentümlich säuerlichen Gebäck, zu bewillkommnen und stellte sich anstandlos mit uns zum Bilde zu¬ sammen. Die Turkmenen machen sich eben auf die Satzungen des Korans ihren eignen Vers. Auf Nachmittag wurde ein Besuch bei dem Sohne des letzten selbständigen Khans verschoben. Ein schlauer alter Turkmene, hat er die Zeichen der Zeit ebenso verstanden wie seine Mutter, die auf ihre alten Tage Russisch lernt. Er hat die Hoheit des Zaren bedingungslos anerkannt und lebt nun in seinem Ani in seiner Weise als Grandseigneur, angetan mit recht vielen seidnen Chalaten — schlafrockähnlichen Röcken — übereinander, ohne durch Regierungssorgen behelligt zu werden. Er hat Komaroff, den ersten Gebiets¬ chef, und Kuropatkin in seinem Zelt empfangen, beherbergt, Gastgeschenke ge¬ nommen und gegeben und steht mit den örtlichen Gewalten in den besten Be¬ ziehungen. Man suchte ihm unsre Heimat und unsre Neisezwecke zu erklären, und er lud uns in sein Hauptzeit, das über kunstvollem Holzgestell innen mit kostbaren Teppichen behängen und belegt und mit Truhen mit alten Waffen und Wehrgehängen ausmöbliert war. Manches Stück wurde davon gezeigt. Aber der alte Herr war sehr unzufrieden, daß wir seine Gastfreundschaft mir wenig Minuten in Anspruch nehmen wollten. Als Beweis seiner Hochschätzung verehrte er jedem von uns ein Persianerfell, zu welchem Zweck fünf Lümmlein schnell ihr Leben lassen mußten. Fatales Geschenk übrigens, das sich in der Wärme der Eisenbahnabteile zu einer übelriechenden, klebrigen Masse ver¬ wandeln sollte! Besichtigungen des Betriebs, der Jrrigationsfeldcr. Gärten und Baum¬ schulen und der' Baumwollfabrik nahmen den übrigen Teil des Tages vollauf in Anspruch, nachdem wir bei einem ausgezeichneten Diner die Ortsgenüsse, ganz vorzüglichen Fisch und Kaviar vom Ann-Darja, kennen gelernt hatten. Es war die letzte kulinarische Freude vor Moskau. Gern Hütte man uns lünger behalten. Aber so ist die russische Gastfreundschaft: großartig, entgegenkommend, will sie die einmal gefaßten Entschlüsse nicht stören. Herzlichster Dank sei allen den Herrschaften, die uns so überaus gut.g auf¬ genommen haben, an dieser Stelle wiederholt!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/671>, abgerufen am 16.05.2024.