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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Aufforderung zum Aampf gegen die unechten Farben

man bedenkt, daß die im Jahre 1662 gegründete Nanlltaowrö ach HodeHns
in Paris jetzt mehr als 15000 verschiedne Farbtöne in ihren Mustern besitzt,
die der Lichtechtheit und den sonstigen Echtheitseigcnschaften, die von einem
Gobelin erwartet werden, genügen müssen, so muß man sagen, daß es an echten
Wollfarben gewiß nicht fehlen kann.

Was wir verlangen müssen und billigerweise verlangen können (den"
es kann gemacht werden), ist, daß Kleiderstoffe mindestens drei, Möbelstoffe,
Teppiche, Gardinen, Vorhänge und Decken aber zehn bis fünfzehn Jahre
halten, ohne daß das Licht sie beschädigt. Buntwebereien für Tischdecken und
Hausgebrauch sollen fünfzehn bis zwanzig Jahre halten, wenn sie ans Baum¬
wolle, ein Menschenalter, wenn sie aus Leinwand gemacht sind. Kostbare
Kunstwebereien und -Stickereien sollten hundert Jahre halten, auch wenn sie in
normaler Weise gebraucht und dem Licht ausgesetzt werden.

Unter "halten" verstehe ich, daß die Sachen nicht mißfarbig werden und
nicht verschießen. Der Gebrauch und die Abreibung der Fasern Hunger von der
Schonung und der Neinlichhaltung durch den Besitzer ab, und gegen das Ab¬
schaben weiß ich auch kein Mittel. Es ist klar, daß der Postbote seinen Anzug
schneller abnützt als der am Schreibtisch sitzende Beamte. Die .Hausfrau, die
ihre Hauswäsche selbst besorgt und lieber auf das allerfeinste Schneeweiß ver¬
zichtet, als daß sie scharfe Mittel anwendete, wird ihre Aussteuer länger gut
und stark erhalten als die, die sie zum Waschen ausschickt, ohne ganz sicher
zu sein, daß die Wäscherin keinen Chlorkalk benutzt.

Wenn wir eiuen Stoff kaufen und einmal ausnahmsweise darauf aus
sind, etwas recht Gutes zu kaufen, dann fragen wir gewöhnlich, ob es auch
eine gute "Qualität" sei. Selbstverständlich versichert uns der Verkäufer, daß
die Qualität vorzüglich sei, und wir geben uns zufrieden. Aber was wir
eigentlich damit meinen, wissen wir gar nicht, denn es fehlt uns sowohl an
der Kenntnis, eine Qualität zu bestimmen, als auch am richtigen Verständnis
der Bedeutung des Worts. Der Verkäufer versteht unter einer bessern Qualität
gewöhnlich eine schwerere Ware (die auf deu Quadratmeter mehr Gewicht, mehr
Faserstoff oder auch mehr Beschwerung (!) enthält), aber weitaus in den meisten
Fällen ist die bessere Qualität genau so gefärbt und aufgeputzt wie die geringere.
Wir dürfen uns also nicht damit zufrieden geben, nur nach der Qualität ein¬
zukaufen, wir müssen weiter, genauer fragen und werden dann in den meisten
Füllen finden, daß der Verkäufer verlegen wird, denn auf solche Fragen ist er
nicht vorbereitet, weil sie fast nie an ihn gestellt werden. Es wäre, so wie
es jetzt steht, unnütze Mühe für ihn, sich genau zu unterrichten, wie echt die
Waren sind, die er verkauft. Hat schon jemand einen Verkäufer gesehen, der
mit seinen Waren Waschproben oder gar Belichtuugsproben macht? Ich nicht.
Höchstens unfreiwillige in den Schaufenstern, aber auch da wird so oft wie
möglich gewechselt ans Furcht, daß die Farben keine Woche am Licht beständig
sind, und sobald die Sonne kommt, werden die Vorhänge herabgelassen.


Aufforderung zum Aampf gegen die unechten Farben

man bedenkt, daß die im Jahre 1662 gegründete Nanlltaowrö ach HodeHns
in Paris jetzt mehr als 15000 verschiedne Farbtöne in ihren Mustern besitzt,
die der Lichtechtheit und den sonstigen Echtheitseigcnschaften, die von einem
Gobelin erwartet werden, genügen müssen, so muß man sagen, daß es an echten
Wollfarben gewiß nicht fehlen kann.

Was wir verlangen müssen und billigerweise verlangen können (den»
es kann gemacht werden), ist, daß Kleiderstoffe mindestens drei, Möbelstoffe,
Teppiche, Gardinen, Vorhänge und Decken aber zehn bis fünfzehn Jahre
halten, ohne daß das Licht sie beschädigt. Buntwebereien für Tischdecken und
Hausgebrauch sollen fünfzehn bis zwanzig Jahre halten, wenn sie ans Baum¬
wolle, ein Menschenalter, wenn sie aus Leinwand gemacht sind. Kostbare
Kunstwebereien und -Stickereien sollten hundert Jahre halten, auch wenn sie in
normaler Weise gebraucht und dem Licht ausgesetzt werden.

Unter „halten" verstehe ich, daß die Sachen nicht mißfarbig werden und
nicht verschießen. Der Gebrauch und die Abreibung der Fasern Hunger von der
Schonung und der Neinlichhaltung durch den Besitzer ab, und gegen das Ab¬
schaben weiß ich auch kein Mittel. Es ist klar, daß der Postbote seinen Anzug
schneller abnützt als der am Schreibtisch sitzende Beamte. Die .Hausfrau, die
ihre Hauswäsche selbst besorgt und lieber auf das allerfeinste Schneeweiß ver¬
zichtet, als daß sie scharfe Mittel anwendete, wird ihre Aussteuer länger gut
und stark erhalten als die, die sie zum Waschen ausschickt, ohne ganz sicher
zu sein, daß die Wäscherin keinen Chlorkalk benutzt.

Wenn wir eiuen Stoff kaufen und einmal ausnahmsweise darauf aus
sind, etwas recht Gutes zu kaufen, dann fragen wir gewöhnlich, ob es auch
eine gute „Qualität" sei. Selbstverständlich versichert uns der Verkäufer, daß
die Qualität vorzüglich sei, und wir geben uns zufrieden. Aber was wir
eigentlich damit meinen, wissen wir gar nicht, denn es fehlt uns sowohl an
der Kenntnis, eine Qualität zu bestimmen, als auch am richtigen Verständnis
der Bedeutung des Worts. Der Verkäufer versteht unter einer bessern Qualität
gewöhnlich eine schwerere Ware (die auf deu Quadratmeter mehr Gewicht, mehr
Faserstoff oder auch mehr Beschwerung (!) enthält), aber weitaus in den meisten
Fällen ist die bessere Qualität genau so gefärbt und aufgeputzt wie die geringere.
Wir dürfen uns also nicht damit zufrieden geben, nur nach der Qualität ein¬
zukaufen, wir müssen weiter, genauer fragen und werden dann in den meisten
Füllen finden, daß der Verkäufer verlegen wird, denn auf solche Fragen ist er
nicht vorbereitet, weil sie fast nie an ihn gestellt werden. Es wäre, so wie
es jetzt steht, unnütze Mühe für ihn, sich genau zu unterrichten, wie echt die
Waren sind, die er verkauft. Hat schon jemand einen Verkäufer gesehen, der
mit seinen Waren Waschproben oder gar Belichtuugsproben macht? Ich nicht.
Höchstens unfreiwillige in den Schaufenstern, aber auch da wird so oft wie
möglich gewechselt ans Furcht, daß die Farben keine Woche am Licht beständig
sind, und sobald die Sonne kommt, werden die Vorhänge herabgelassen.


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[0541] Aufforderung zum Aampf gegen die unechten Farben man bedenkt, daß die im Jahre 1662 gegründete Nanlltaowrö ach HodeHns in Paris jetzt mehr als 15000 verschiedne Farbtöne in ihren Mustern besitzt, die der Lichtechtheit und den sonstigen Echtheitseigcnschaften, die von einem Gobelin erwartet werden, genügen müssen, so muß man sagen, daß es an echten Wollfarben gewiß nicht fehlen kann. Was wir verlangen müssen und billigerweise verlangen können (den» es kann gemacht werden), ist, daß Kleiderstoffe mindestens drei, Möbelstoffe, Teppiche, Gardinen, Vorhänge und Decken aber zehn bis fünfzehn Jahre halten, ohne daß das Licht sie beschädigt. Buntwebereien für Tischdecken und Hausgebrauch sollen fünfzehn bis zwanzig Jahre halten, wenn sie ans Baum¬ wolle, ein Menschenalter, wenn sie aus Leinwand gemacht sind. Kostbare Kunstwebereien und -Stickereien sollten hundert Jahre halten, auch wenn sie in normaler Weise gebraucht und dem Licht ausgesetzt werden. Unter „halten" verstehe ich, daß die Sachen nicht mißfarbig werden und nicht verschießen. Der Gebrauch und die Abreibung der Fasern Hunger von der Schonung und der Neinlichhaltung durch den Besitzer ab, und gegen das Ab¬ schaben weiß ich auch kein Mittel. Es ist klar, daß der Postbote seinen Anzug schneller abnützt als der am Schreibtisch sitzende Beamte. Die .Hausfrau, die ihre Hauswäsche selbst besorgt und lieber auf das allerfeinste Schneeweiß ver¬ zichtet, als daß sie scharfe Mittel anwendete, wird ihre Aussteuer länger gut und stark erhalten als die, die sie zum Waschen ausschickt, ohne ganz sicher zu sein, daß die Wäscherin keinen Chlorkalk benutzt. Wenn wir eiuen Stoff kaufen und einmal ausnahmsweise darauf aus sind, etwas recht Gutes zu kaufen, dann fragen wir gewöhnlich, ob es auch eine gute „Qualität" sei. Selbstverständlich versichert uns der Verkäufer, daß die Qualität vorzüglich sei, und wir geben uns zufrieden. Aber was wir eigentlich damit meinen, wissen wir gar nicht, denn es fehlt uns sowohl an der Kenntnis, eine Qualität zu bestimmen, als auch am richtigen Verständnis der Bedeutung des Worts. Der Verkäufer versteht unter einer bessern Qualität gewöhnlich eine schwerere Ware (die auf deu Quadratmeter mehr Gewicht, mehr Faserstoff oder auch mehr Beschwerung (!) enthält), aber weitaus in den meisten Fällen ist die bessere Qualität genau so gefärbt und aufgeputzt wie die geringere. Wir dürfen uns also nicht damit zufrieden geben, nur nach der Qualität ein¬ zukaufen, wir müssen weiter, genauer fragen und werden dann in den meisten Füllen finden, daß der Verkäufer verlegen wird, denn auf solche Fragen ist er nicht vorbereitet, weil sie fast nie an ihn gestellt werden. Es wäre, so wie es jetzt steht, unnütze Mühe für ihn, sich genau zu unterrichten, wie echt die Waren sind, die er verkauft. Hat schon jemand einen Verkäufer gesehen, der mit seinen Waren Waschproben oder gar Belichtuugsproben macht? Ich nicht. Höchstens unfreiwillige in den Schaufenstern, aber auch da wird so oft wie möglich gewechselt ans Furcht, daß die Farben keine Woche am Licht beständig sind, und sobald die Sonne kommt, werden die Vorhänge herabgelassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/541>, abgerufen am 16.06.2024.