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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Deutschland in französischer Beleuchtung

gegenüber darauf hingewiesen, daß die Schissbarkeit der Elbe Hamburgs Werk
sei und bleiben müsse, daß schon im Jahre 1189 Friedrich Barbarossa Hamburg
das Schiffahrtsrecht ans der Elbe verliehen nud daß 1394 die Republik dieses
Recht von den Nachbarstaaten erkämpft habe. Wenn man berücksichtigt, daß
in der Tat Hamburg allein die ungeheuern Kapitalien für Verbesserung der
Elbe ausgegeben hat, während Rotterdam nur einen sehr geringen Beitrag
zu dem vom holländischen Staate gebauten "Nieuwen Waterweg" zu leisten
brauchte, und während Antwerpen einen Zuschuß von hundert Millionen
Franken zur Schelderegulierung von der belgischen Regierung erhält, so ist es
verstündlich, daß sich Hamburg nicht damit einverstanden erklären kann, daß
über die Elbe von Preußen über seinen Kopf hinweg verfügt werden, und
daß ein Kanal geschaffen werden soll, der die Verbindung mit dem Hinter¬
kante schwer gefährdet, denn der Kanal wird bessere Tiefenverhültnisse haben,
als die obere Elbe aufweist, und darum einen großen Teil des jetzigen Flu߬
verkehrs ablenken. Die Hamburger können sich dabei auf das Urteil Bismarcks
berufen, der ebenfalls der Idee des Mittellandkanals sehr skeptisch gegenüber¬
stand und anstatt dessen eine Fortsetzung des Kaiser-Wilhelms-Kanals zur
Wesermündung und zur Jade bis zur Emsmündung vorschlug, weil ein solcher
Kanal auch von unsrer Kriegsflotte verwendet werden könnte, und weil diese
dann drei Ausfallpforten mehr als bisher gegen einen blockierenden Feind
erhielte.

Huret hat mit Recht das Gedeihen Hamburgs mit der politischen Lage
Deutschlands in den letzten drei Jahrzehnten in logischen Zusammenhang ge¬
bracht. Er hat es aber unterlassen, darauf hinzuweisen, welchen unschätzbaren
Gewinn der englische Handel vorher daraus gezogen hat, daß der Heimatstaat
von keines Feindes Fuß betreten wurde, während die Nachbarstaaten fast ohne
Unterbrechung Kriege miteinander führten. Während des Deutsch-französischen
Krieges blühte der Handel von Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Erst
die lange Friedensarbeit hat den ungeheuern Aufschwung Hamburgs und ganz
Deutschlands ermöglicht. Man kann bei Huret zwischen den Zeilen lesen und
aus vielen seiner gelegentlichen Bemerkungen den Schluß ziehn, daß er nur
von einer kriegerischen Verwicklung Deutschlands eine Änderung der jetzigen
für uns so günstigen Lage erhofft.

Bei jeder Gelegenheit wird von Huret betont, daß Deutschland in allen
Zweigen des wirtschaftlichen Lebens sse srr trgln as inanMr l'^nglgterro. Sogar
das Kabelmonopol Großbritanniens habe Deutschland in den letzten fünfzehn
Jahren durch Legung eigner Kabel und durch geschickte Vertrüge mit nichtenglischen
Kabelgesellschaften beseitigt. Unsern vortrefflichen Marineoffizieren wird nach¬
gesagt, daß sie drülönt as niösursr avsc; I" llatt" g-n^l-UM. Von dem deutschen
Landheere, das für ihn als Franzosen doch zunächst in Betracht kommen sollte,
schweigt er und konstatiert nur die Tatsache, daß er wiederholt Truppen nach
anstrengenden Übungen in tadelloser Haltung und im Paradeschritt habe zurück-


Deutschland in französischer Beleuchtung

gegenüber darauf hingewiesen, daß die Schissbarkeit der Elbe Hamburgs Werk
sei und bleiben müsse, daß schon im Jahre 1189 Friedrich Barbarossa Hamburg
das Schiffahrtsrecht ans der Elbe verliehen nud daß 1394 die Republik dieses
Recht von den Nachbarstaaten erkämpft habe. Wenn man berücksichtigt, daß
in der Tat Hamburg allein die ungeheuern Kapitalien für Verbesserung der
Elbe ausgegeben hat, während Rotterdam nur einen sehr geringen Beitrag
zu dem vom holländischen Staate gebauten „Nieuwen Waterweg" zu leisten
brauchte, und während Antwerpen einen Zuschuß von hundert Millionen
Franken zur Schelderegulierung von der belgischen Regierung erhält, so ist es
verstündlich, daß sich Hamburg nicht damit einverstanden erklären kann, daß
über die Elbe von Preußen über seinen Kopf hinweg verfügt werden, und
daß ein Kanal geschaffen werden soll, der die Verbindung mit dem Hinter¬
kante schwer gefährdet, denn der Kanal wird bessere Tiefenverhültnisse haben,
als die obere Elbe aufweist, und darum einen großen Teil des jetzigen Flu߬
verkehrs ablenken. Die Hamburger können sich dabei auf das Urteil Bismarcks
berufen, der ebenfalls der Idee des Mittellandkanals sehr skeptisch gegenüber¬
stand und anstatt dessen eine Fortsetzung des Kaiser-Wilhelms-Kanals zur
Wesermündung und zur Jade bis zur Emsmündung vorschlug, weil ein solcher
Kanal auch von unsrer Kriegsflotte verwendet werden könnte, und weil diese
dann drei Ausfallpforten mehr als bisher gegen einen blockierenden Feind
erhielte.

Huret hat mit Recht das Gedeihen Hamburgs mit der politischen Lage
Deutschlands in den letzten drei Jahrzehnten in logischen Zusammenhang ge¬
bracht. Er hat es aber unterlassen, darauf hinzuweisen, welchen unschätzbaren
Gewinn der englische Handel vorher daraus gezogen hat, daß der Heimatstaat
von keines Feindes Fuß betreten wurde, während die Nachbarstaaten fast ohne
Unterbrechung Kriege miteinander führten. Während des Deutsch-französischen
Krieges blühte der Handel von Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Erst
die lange Friedensarbeit hat den ungeheuern Aufschwung Hamburgs und ganz
Deutschlands ermöglicht. Man kann bei Huret zwischen den Zeilen lesen und
aus vielen seiner gelegentlichen Bemerkungen den Schluß ziehn, daß er nur
von einer kriegerischen Verwicklung Deutschlands eine Änderung der jetzigen
für uns so günstigen Lage erhofft.

Bei jeder Gelegenheit wird von Huret betont, daß Deutschland in allen
Zweigen des wirtschaftlichen Lebens sse srr trgln as inanMr l'^nglgterro. Sogar
das Kabelmonopol Großbritanniens habe Deutschland in den letzten fünfzehn
Jahren durch Legung eigner Kabel und durch geschickte Vertrüge mit nichtenglischen
Kabelgesellschaften beseitigt. Unsern vortrefflichen Marineoffizieren wird nach¬
gesagt, daß sie drülönt as niösursr avsc; I» llatt« g-n^l-UM. Von dem deutschen
Landheere, das für ihn als Franzosen doch zunächst in Betracht kommen sollte,
schweigt er und konstatiert nur die Tatsache, daß er wiederholt Truppen nach
anstrengenden Übungen in tadelloser Haltung und im Paradeschritt habe zurück-


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[0356] Deutschland in französischer Beleuchtung gegenüber darauf hingewiesen, daß die Schissbarkeit der Elbe Hamburgs Werk sei und bleiben müsse, daß schon im Jahre 1189 Friedrich Barbarossa Hamburg das Schiffahrtsrecht ans der Elbe verliehen nud daß 1394 die Republik dieses Recht von den Nachbarstaaten erkämpft habe. Wenn man berücksichtigt, daß in der Tat Hamburg allein die ungeheuern Kapitalien für Verbesserung der Elbe ausgegeben hat, während Rotterdam nur einen sehr geringen Beitrag zu dem vom holländischen Staate gebauten „Nieuwen Waterweg" zu leisten brauchte, und während Antwerpen einen Zuschuß von hundert Millionen Franken zur Schelderegulierung von der belgischen Regierung erhält, so ist es verstündlich, daß sich Hamburg nicht damit einverstanden erklären kann, daß über die Elbe von Preußen über seinen Kopf hinweg verfügt werden, und daß ein Kanal geschaffen werden soll, der die Verbindung mit dem Hinter¬ kante schwer gefährdet, denn der Kanal wird bessere Tiefenverhültnisse haben, als die obere Elbe aufweist, und darum einen großen Teil des jetzigen Flu߬ verkehrs ablenken. Die Hamburger können sich dabei auf das Urteil Bismarcks berufen, der ebenfalls der Idee des Mittellandkanals sehr skeptisch gegenüber¬ stand und anstatt dessen eine Fortsetzung des Kaiser-Wilhelms-Kanals zur Wesermündung und zur Jade bis zur Emsmündung vorschlug, weil ein solcher Kanal auch von unsrer Kriegsflotte verwendet werden könnte, und weil diese dann drei Ausfallpforten mehr als bisher gegen einen blockierenden Feind erhielte. Huret hat mit Recht das Gedeihen Hamburgs mit der politischen Lage Deutschlands in den letzten drei Jahrzehnten in logischen Zusammenhang ge¬ bracht. Er hat es aber unterlassen, darauf hinzuweisen, welchen unschätzbaren Gewinn der englische Handel vorher daraus gezogen hat, daß der Heimatstaat von keines Feindes Fuß betreten wurde, während die Nachbarstaaten fast ohne Unterbrechung Kriege miteinander führten. Während des Deutsch-französischen Krieges blühte der Handel von Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Erst die lange Friedensarbeit hat den ungeheuern Aufschwung Hamburgs und ganz Deutschlands ermöglicht. Man kann bei Huret zwischen den Zeilen lesen und aus vielen seiner gelegentlichen Bemerkungen den Schluß ziehn, daß er nur von einer kriegerischen Verwicklung Deutschlands eine Änderung der jetzigen für uns so günstigen Lage erhofft. Bei jeder Gelegenheit wird von Huret betont, daß Deutschland in allen Zweigen des wirtschaftlichen Lebens sse srr trgln as inanMr l'^nglgterro. Sogar das Kabelmonopol Großbritanniens habe Deutschland in den letzten fünfzehn Jahren durch Legung eigner Kabel und durch geschickte Vertrüge mit nichtenglischen Kabelgesellschaften beseitigt. Unsern vortrefflichen Marineoffizieren wird nach¬ gesagt, daß sie drülönt as niösursr avsc; I» llatt« g-n^l-UM. Von dem deutschen Landheere, das für ihn als Franzosen doch zunächst in Betracht kommen sollte, schweigt er und konstatiert nur die Tatsache, daß er wiederholt Truppen nach anstrengenden Übungen in tadelloser Haltung und im Paradeschritt habe zurück-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/356>, abgerufen am 18.05.2024.