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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Zelbstcindigkeitsbewegung in Indien

von den Japanern besiegt wurden? Mit eurer Flotte könnt ihr uns weniganhaben. Die hoffnungslose Minderwertigkeit des Asiaten gegenüber dem
Europäer, von der ihr uns so oft erzählt habt, muß doch nicht vorhanden
sein. Also die Zeit naht, wo wir das ganz schwache englische Joch ab¬
schütteln können.

Den empfindlichen Mangel dieser Deduktion kann man leicht durch¬
schauen. Japan hatte eine wohlgedrillte, ausgezeichnet bewaffnete Armee von
600 000 Streitern und darüber hinaus noch viele Reserven. Es hatte eine
Rotte, die der russischen gewachsen war. Der einzelne Japaner ist von viel
größerer Körperkraft als der Inder, namentlich der Hindu, der kein Fleisch
ißt. Wo, so darf man fragen, sind denn die indischen Truppen, die es mit
den Engländern aufnehmen könnten? Wo sind die Arsenale, wo ist das Ver¬
pflegungswesen, wo sind die an der deutschen Kriegswifsenschaft herangebildeten
Offiziere? Von alledem ist nichts zu finden, außer den etwa 280000 Mann
indischer Truppen. Wenn deren Treue sich als ein Wahn erweisen sollte, so
könnte allerdings die Gefahr sehr groß werden. Aber davon hat man noch
kein Anzeichen.' Die kleinere Hälfte steht unter dem Befehl indischer Fürsten,
diese aber werden sich vor leichtsinniger Beteiligung an einem Aufstande Hüten,
weil dessen Fehlschlagen sicher, vielleicht sogar dessen Erfolg ihnen den Thron
kosten würde. Die größere Hälfte ist lange unter englischem Einfluß gewesen,
vielleicht in der Treue gegen die englischen Herren ganz unerschüttert. Auch
sie ist gespalten in Hindus und Mohammedaner, die Masse des Volkes ist
es erst recht. An dem für Revolutionen so wesentlichen einheitlichen Befehl
eines gewaltigen, tatkräftigen Mannes dürfte es vollständig mangeln, schon
aus demselben Grunde. Man kennt solche Leute auch in Indien kaum

Trotz alledem ist es für Außenstehende schwer, das Maß der Gefahr ab-
zuschätzen. Die Zeichen des Aufruhrs, die sich gerade einstellten, als sich der
Ausbruch der Revolution von 1357 jährte, wurden in England nicht als ver¬
ächtlich angesehen. Es war sehr auffüllig. daß die Sikhs die damals treu
weben und '
dadurch so wesentlich zum Mißerfolg des Aufruhrs beitrugen, fils
ZU den ersten gehörten, die Zeichen von Unruhe gaben. Man sah am 9 Ma
Haufen bewaffneter Landleute nach Lahore kommen und fürchtete einen Los¬
bruch. Nur durch das schnelle Zusammenraffen aller verfügbaren T upp n
und die Verhaftung des leitenden Mannes. ^Mat^verhütet worden zu sein. Doch dauerte die Erregung fort. Am 17. Ma erschienen
600 bewaffnete Bauern in Lahore. Ajil Singh. co Mvo^an. in größerer Zahl wiederzukommen, sämtlich mit Totschlägern b w ff"^ B -
deutlich erschein? es. daß zugleich auch in Bengalen "eme Ul^hen zu ^drücken waren, und daß die Boykottbewegung gegen englische Waren zunimmt.
Man mahnt dort die Europäer. Persönlich auf ihrer Hut S" sem.

In letzter Linie sind alle revolutionären Bewegungen unberechenbar. S e
hängen von den bischer verborgen gehaltnen Leidenschaften der Massen ab.


Die Zelbstcindigkeitsbewegung in Indien

von den Japanern besiegt wurden? Mit eurer Flotte könnt ihr uns weniganhaben. Die hoffnungslose Minderwertigkeit des Asiaten gegenüber dem
Europäer, von der ihr uns so oft erzählt habt, muß doch nicht vorhanden
sein. Also die Zeit naht, wo wir das ganz schwache englische Joch ab¬
schütteln können.

Den empfindlichen Mangel dieser Deduktion kann man leicht durch¬
schauen. Japan hatte eine wohlgedrillte, ausgezeichnet bewaffnete Armee von
600 000 Streitern und darüber hinaus noch viele Reserven. Es hatte eine
Rotte, die der russischen gewachsen war. Der einzelne Japaner ist von viel
größerer Körperkraft als der Inder, namentlich der Hindu, der kein Fleisch
ißt. Wo, so darf man fragen, sind denn die indischen Truppen, die es mit
den Engländern aufnehmen könnten? Wo sind die Arsenale, wo ist das Ver¬
pflegungswesen, wo sind die an der deutschen Kriegswifsenschaft herangebildeten
Offiziere? Von alledem ist nichts zu finden, außer den etwa 280000 Mann
indischer Truppen. Wenn deren Treue sich als ein Wahn erweisen sollte, so
könnte allerdings die Gefahr sehr groß werden. Aber davon hat man noch
kein Anzeichen.' Die kleinere Hälfte steht unter dem Befehl indischer Fürsten,
diese aber werden sich vor leichtsinniger Beteiligung an einem Aufstande Hüten,
weil dessen Fehlschlagen sicher, vielleicht sogar dessen Erfolg ihnen den Thron
kosten würde. Die größere Hälfte ist lange unter englischem Einfluß gewesen,
vielleicht in der Treue gegen die englischen Herren ganz unerschüttert. Auch
sie ist gespalten in Hindus und Mohammedaner, die Masse des Volkes ist
es erst recht. An dem für Revolutionen so wesentlichen einheitlichen Befehl
eines gewaltigen, tatkräftigen Mannes dürfte es vollständig mangeln, schon
aus demselben Grunde. Man kennt solche Leute auch in Indien kaum

Trotz alledem ist es für Außenstehende schwer, das Maß der Gefahr ab-
zuschätzen. Die Zeichen des Aufruhrs, die sich gerade einstellten, als sich der
Ausbruch der Revolution von 1357 jährte, wurden in England nicht als ver¬
ächtlich angesehen. Es war sehr auffüllig. daß die Sikhs die damals treu
weben und '
dadurch so wesentlich zum Mißerfolg des Aufruhrs beitrugen, fils
ZU den ersten gehörten, die Zeichen von Unruhe gaben. Man sah am 9 Ma
Haufen bewaffneter Landleute nach Lahore kommen und fürchtete einen Los¬
bruch. Nur durch das schnelle Zusammenraffen aller verfügbaren T upp n
und die Verhaftung des leitenden Mannes. ^Mat^verhütet worden zu sein. Doch dauerte die Erregung fort. Am 17. Ma erschienen
600 bewaffnete Bauern in Lahore. Ajil Singh. co Mvo^an. in größerer Zahl wiederzukommen, sämtlich mit Totschlägern b w ff"^ B -
deutlich erschein? es. daß zugleich auch in Bengalen »eme Ul^hen zu ^drücken waren, und daß die Boykottbewegung gegen englische Waren zunimmt.
Man mahnt dort die Europäer. Persönlich auf ihrer Hut S» sem.

In letzter Linie sind alle revolutionären Bewegungen unberechenbar. S e
hängen von den bischer verborgen gehaltnen Leidenschaften der Massen ab.


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[0503] Die Zelbstcindigkeitsbewegung in Indien von den Japanern besiegt wurden? Mit eurer Flotte könnt ihr uns weniganhaben. Die hoffnungslose Minderwertigkeit des Asiaten gegenüber dem Europäer, von der ihr uns so oft erzählt habt, muß doch nicht vorhanden sein. Also die Zeit naht, wo wir das ganz schwache englische Joch ab¬ schütteln können. Den empfindlichen Mangel dieser Deduktion kann man leicht durch¬ schauen. Japan hatte eine wohlgedrillte, ausgezeichnet bewaffnete Armee von 600 000 Streitern und darüber hinaus noch viele Reserven. Es hatte eine Rotte, die der russischen gewachsen war. Der einzelne Japaner ist von viel größerer Körperkraft als der Inder, namentlich der Hindu, der kein Fleisch ißt. Wo, so darf man fragen, sind denn die indischen Truppen, die es mit den Engländern aufnehmen könnten? Wo sind die Arsenale, wo ist das Ver¬ pflegungswesen, wo sind die an der deutschen Kriegswifsenschaft herangebildeten Offiziere? Von alledem ist nichts zu finden, außer den etwa 280000 Mann indischer Truppen. Wenn deren Treue sich als ein Wahn erweisen sollte, so könnte allerdings die Gefahr sehr groß werden. Aber davon hat man noch kein Anzeichen.' Die kleinere Hälfte steht unter dem Befehl indischer Fürsten, diese aber werden sich vor leichtsinniger Beteiligung an einem Aufstande Hüten, weil dessen Fehlschlagen sicher, vielleicht sogar dessen Erfolg ihnen den Thron kosten würde. Die größere Hälfte ist lange unter englischem Einfluß gewesen, vielleicht in der Treue gegen die englischen Herren ganz unerschüttert. Auch sie ist gespalten in Hindus und Mohammedaner, die Masse des Volkes ist es erst recht. An dem für Revolutionen so wesentlichen einheitlichen Befehl eines gewaltigen, tatkräftigen Mannes dürfte es vollständig mangeln, schon aus demselben Grunde. Man kennt solche Leute auch in Indien kaum Trotz alledem ist es für Außenstehende schwer, das Maß der Gefahr ab- zuschätzen. Die Zeichen des Aufruhrs, die sich gerade einstellten, als sich der Ausbruch der Revolution von 1357 jährte, wurden in England nicht als ver¬ ächtlich angesehen. Es war sehr auffüllig. daß die Sikhs die damals treu weben und ' dadurch so wesentlich zum Mißerfolg des Aufruhrs beitrugen, fils ZU den ersten gehörten, die Zeichen von Unruhe gaben. Man sah am 9 Ma Haufen bewaffneter Landleute nach Lahore kommen und fürchtete einen Los¬ bruch. Nur durch das schnelle Zusammenraffen aller verfügbaren T upp n und die Verhaftung des leitenden Mannes. ^Mat^verhütet worden zu sein. Doch dauerte die Erregung fort. Am 17. Ma erschienen 600 bewaffnete Bauern in Lahore. Ajil Singh. co Mvo^an. in größerer Zahl wiederzukommen, sämtlich mit Totschlägern b w ff"^ B - deutlich erschein? es. daß zugleich auch in Bengalen »eme Ul^hen zu ^drücken waren, und daß die Boykottbewegung gegen englische Waren zunimmt. Man mahnt dort die Europäer. Persönlich auf ihrer Hut S» sem. In letzter Linie sind alle revolutionären Bewegungen unberechenbar. S e hängen von den bischer verborgen gehaltnen Leidenschaften der Massen ab.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/503>, abgerufen am 18.05.2024.