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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die moderne chinesische Armee

und als Vorbild für diese Schule soll die Adelsschule in Tokio genommen
werden. Die nähern Bestimmungen sind abgefaßt und unterliegen zurzeit noch
der Prüfung des Vizepräsidenten des Armeedepartements Hsu-Chih-chang.
Nachdem auf diese Weise innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums
drei Militärerziehungsanstalten in Peking entstanden sind, rechnet man schon
jetzt in chinesischen Heereskreisen mit der Möglichkeit der baldigen Gründung
von Bezirksmilitärvorbereitungsschulen, einer Zentralmilitärvorbereitungsschule,
von Artillerie- und Ingenieurschulen und einer Militärmusikschule.

Über die Heranbildung des Offizierersatzes, den Stand des heutigen
Militürerziehungs- und Bildungswesens in China und vor allen Dingen über
die Ausbildung der Truppe kann man aber nicht hinweggehn, ohne nicht der
endigen Teilnahme zu gedenken, die deutsche Jnstruktionsoffiziere unter großen
Schwierigkeiten daran gehabt, und wenn auch nur in beschränktem Umfange,
auch heute noch haben.

Besonders Mitte der siebziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts wurden
die ersten Instrukteure eingestellt; ihre Zahl wuchs rasch, und bald waren sie
sowohl in Nord-, Mittel- wie in Südchina tütig.

Der für China unglückliche Krieg in Tonking machte den militärreforma-
torischen Bestrebungen der südlichen Provinzen ein Ende, da ein Sondervertrag
mit Frankreich andre europäische Offiziere als französische als Instrukteure an¬
zustellen untersagte. Später gelang es allerdings auch Rußland, sich dieselben
Vorteile in bezug auf die Provinz Petschili zu sichern.

Die höchste Zahl deutscher Jnstruktionsoffiziere war in den neunziger
Jahren in China tätig, und es ist nicht zuviel gesagt, daß mit ihrer Hilfe
die Grundlage eines brauchbaren Heerwesens geschaffen worden ist. Man schwang
sich in jener Zeit dazu auf, eine Lehrtruppe in Woosung zu formieren, bei der
fast sämtliche Offizierstellen durch deutsche Offiziere besetzt wurden.

Erst vor zwei Jahren ist der deutsche Militärinstrukteur im Norden ganz
verschwunden, und auch an allen übrigen Plätzen kann er sich nur mit Mühe
gegen den geschlossenen japanischen Ansturm halten. Heute sind nur noch an
drei Militürschulen Deutsche angestellt, und zwar in Wuchcmg drei, in Nanking,
in Tsinanfu zwei (davon ein Österreicher), außerdem befinden sich noch einige
Herren in Arsenälen und Pulverfabriken in Stellung.

Die Kontrakte dieser Instrukteure sind mit den Provinzialregimentern ab¬
geschlossen worden und laufen drei Jahre. Werden sie nach Ablauf dieser Zeit
nicht erneuert, so gilt das Verhältnis als gelöst. Was die Gehalte anlangt, so
haben sie sich in Wuchcmg und Nanking auf 1000 Mark monatlich gestellt, im
Norden dagegen und in Tsinanfu sind sie bis auf 700 Mark herunter-
gegangen. Zu dem baren Gelde treten noch einige Entschädigungen, wie freie
Wohnung, hier und dort Reitpferde und Dienstpersonal.

Die Anstellung dieses Lehrpersonals erfolgt fast ausschließlich an Militär¬
schulen -- nicht in Lagern --, und der zu erteilende Unterricht erstreckt sich


Die moderne chinesische Armee

und als Vorbild für diese Schule soll die Adelsschule in Tokio genommen
werden. Die nähern Bestimmungen sind abgefaßt und unterliegen zurzeit noch
der Prüfung des Vizepräsidenten des Armeedepartements Hsu-Chih-chang.
Nachdem auf diese Weise innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums
drei Militärerziehungsanstalten in Peking entstanden sind, rechnet man schon
jetzt in chinesischen Heereskreisen mit der Möglichkeit der baldigen Gründung
von Bezirksmilitärvorbereitungsschulen, einer Zentralmilitärvorbereitungsschule,
von Artillerie- und Ingenieurschulen und einer Militärmusikschule.

Über die Heranbildung des Offizierersatzes, den Stand des heutigen
Militürerziehungs- und Bildungswesens in China und vor allen Dingen über
die Ausbildung der Truppe kann man aber nicht hinweggehn, ohne nicht der
endigen Teilnahme zu gedenken, die deutsche Jnstruktionsoffiziere unter großen
Schwierigkeiten daran gehabt, und wenn auch nur in beschränktem Umfange,
auch heute noch haben.

Besonders Mitte der siebziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts wurden
die ersten Instrukteure eingestellt; ihre Zahl wuchs rasch, und bald waren sie
sowohl in Nord-, Mittel- wie in Südchina tütig.

Der für China unglückliche Krieg in Tonking machte den militärreforma-
torischen Bestrebungen der südlichen Provinzen ein Ende, da ein Sondervertrag
mit Frankreich andre europäische Offiziere als französische als Instrukteure an¬
zustellen untersagte. Später gelang es allerdings auch Rußland, sich dieselben
Vorteile in bezug auf die Provinz Petschili zu sichern.

Die höchste Zahl deutscher Jnstruktionsoffiziere war in den neunziger
Jahren in China tätig, und es ist nicht zuviel gesagt, daß mit ihrer Hilfe
die Grundlage eines brauchbaren Heerwesens geschaffen worden ist. Man schwang
sich in jener Zeit dazu auf, eine Lehrtruppe in Woosung zu formieren, bei der
fast sämtliche Offizierstellen durch deutsche Offiziere besetzt wurden.

Erst vor zwei Jahren ist der deutsche Militärinstrukteur im Norden ganz
verschwunden, und auch an allen übrigen Plätzen kann er sich nur mit Mühe
gegen den geschlossenen japanischen Ansturm halten. Heute sind nur noch an
drei Militürschulen Deutsche angestellt, und zwar in Wuchcmg drei, in Nanking,
in Tsinanfu zwei (davon ein Österreicher), außerdem befinden sich noch einige
Herren in Arsenälen und Pulverfabriken in Stellung.

Die Kontrakte dieser Instrukteure sind mit den Provinzialregimentern ab¬
geschlossen worden und laufen drei Jahre. Werden sie nach Ablauf dieser Zeit
nicht erneuert, so gilt das Verhältnis als gelöst. Was die Gehalte anlangt, so
haben sie sich in Wuchcmg und Nanking auf 1000 Mark monatlich gestellt, im
Norden dagegen und in Tsinanfu sind sie bis auf 700 Mark herunter-
gegangen. Zu dem baren Gelde treten noch einige Entschädigungen, wie freie
Wohnung, hier und dort Reitpferde und Dienstpersonal.

Die Anstellung dieses Lehrpersonals erfolgt fast ausschließlich an Militär¬
schulen — nicht in Lagern —, und der zu erteilende Unterricht erstreckt sich


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[0118] Die moderne chinesische Armee und als Vorbild für diese Schule soll die Adelsschule in Tokio genommen werden. Die nähern Bestimmungen sind abgefaßt und unterliegen zurzeit noch der Prüfung des Vizepräsidenten des Armeedepartements Hsu-Chih-chang. Nachdem auf diese Weise innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums drei Militärerziehungsanstalten in Peking entstanden sind, rechnet man schon jetzt in chinesischen Heereskreisen mit der Möglichkeit der baldigen Gründung von Bezirksmilitärvorbereitungsschulen, einer Zentralmilitärvorbereitungsschule, von Artillerie- und Ingenieurschulen und einer Militärmusikschule. Über die Heranbildung des Offizierersatzes, den Stand des heutigen Militürerziehungs- und Bildungswesens in China und vor allen Dingen über die Ausbildung der Truppe kann man aber nicht hinweggehn, ohne nicht der endigen Teilnahme zu gedenken, die deutsche Jnstruktionsoffiziere unter großen Schwierigkeiten daran gehabt, und wenn auch nur in beschränktem Umfange, auch heute noch haben. Besonders Mitte der siebziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts wurden die ersten Instrukteure eingestellt; ihre Zahl wuchs rasch, und bald waren sie sowohl in Nord-, Mittel- wie in Südchina tütig. Der für China unglückliche Krieg in Tonking machte den militärreforma- torischen Bestrebungen der südlichen Provinzen ein Ende, da ein Sondervertrag mit Frankreich andre europäische Offiziere als französische als Instrukteure an¬ zustellen untersagte. Später gelang es allerdings auch Rußland, sich dieselben Vorteile in bezug auf die Provinz Petschili zu sichern. Die höchste Zahl deutscher Jnstruktionsoffiziere war in den neunziger Jahren in China tätig, und es ist nicht zuviel gesagt, daß mit ihrer Hilfe die Grundlage eines brauchbaren Heerwesens geschaffen worden ist. Man schwang sich in jener Zeit dazu auf, eine Lehrtruppe in Woosung zu formieren, bei der fast sämtliche Offizierstellen durch deutsche Offiziere besetzt wurden. Erst vor zwei Jahren ist der deutsche Militärinstrukteur im Norden ganz verschwunden, und auch an allen übrigen Plätzen kann er sich nur mit Mühe gegen den geschlossenen japanischen Ansturm halten. Heute sind nur noch an drei Militürschulen Deutsche angestellt, und zwar in Wuchcmg drei, in Nanking, in Tsinanfu zwei (davon ein Österreicher), außerdem befinden sich noch einige Herren in Arsenälen und Pulverfabriken in Stellung. Die Kontrakte dieser Instrukteure sind mit den Provinzialregimentern ab¬ geschlossen worden und laufen drei Jahre. Werden sie nach Ablauf dieser Zeit nicht erneuert, so gilt das Verhältnis als gelöst. Was die Gehalte anlangt, so haben sie sich in Wuchcmg und Nanking auf 1000 Mark monatlich gestellt, im Norden dagegen und in Tsinanfu sind sie bis auf 700 Mark herunter- gegangen. Zu dem baren Gelde treten noch einige Entschädigungen, wie freie Wohnung, hier und dort Reitpferde und Dienstpersonal. Die Anstellung dieses Lehrpersonals erfolgt fast ausschließlich an Militär¬ schulen — nicht in Lagern —, und der zu erteilende Unterricht erstreckt sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/118>, abgerufen am 29.05.2024.