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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die moderne chinesische Armee

mit deutschen Manscrgewehren und Karabinern Modell 88 ausgerüstet, nur
die 1. und die 9, Division führen zurzeit noch das Meidji- oder 30-Jcchr-Gewehr
von 6,5 Millimeter Kaliber, mit dem gegenwärtig die japanische Armee bewaffnet
ist. Die Prüfungskommission soll sich aber jetzt endgiltig für das Mauser¬
gewehr entschieden haben, sodaß auch die 1. und die 9. Diviston schon alsbald mit
dieser Waffe versehen sein werden. Bei der Artillerie hat sich eine einheitliche
Bewaffnung bisher nicht durchführen lassen. Neben modernen Geschützen finden
sich bei einzelnen Divisionen noch alte Modelle verschiedner Herkunft aus den
siebziger und achtziger Jahren. Der hauptsächlichste Hinderungsgrund an der
Gleichmäßigkeit der artilleristischen Ausrüstung ist der Umstand, daß die Artillerie-
Prüfungskommission noch keine Wahl eines bestimmten Geschützmodells getroffen
hat. In Frage steht Material von Krupp, von Schneider-Creuzot und aus
Japan. Ganz besondre Anstrengungen macht Japan, seine durch den Krieg
mit Rußland stark angegriffnen Kanonen in China anzubringen, um sich dann
von diesem Erlös neues Material in Deutschland zu kaufen. Bei einem in
Wuchcmg abgehaltnen Probeschießcn haben sich jedoch diese Geschütze augen¬
scheinlich schlecht bewährt. Aus einem uns darüber vorliegenden Bericht geht
hervor, daß, obwohl an diesem Schießen ausschließlich Japaner unter Leitung
eines japanischen Oberstleutnants vom Hcmycmger Arsenal teilnahmen und ab¬
sichtlich kein Chinese an die Geschütze gelassen wurde, kein einziger Treffer ge¬
macht wurde. Auch die abgelagerten japanischen Geschosse scheinen nichts zu
taugen, da bei der Schießübung von zwanzig Granaten elf nicht krepierten; die
Kartusche und die Pulverladung waren nur angesengt. Da auch die französischen
Geschütze, angeblich ihres komplizierten Mechanismus wegen, der Prüfungs¬
kommission chinesischer Sachverständiger nicht gefallen sollen, so dürfte die
deutsche Industrie wohl die meiste Aussicht haben, mit größern Geschütz¬
bestellungen bedacht zu werden.

Es muß übrigens zur Kennzeichnung der Fortschritte, die China in mili¬
tärischer Hinsicht macht, am Schluß noch hinzugefügt werden, daß der Staat
fortgesetzt an der Arbeit ist, seine eignen Waffenarsenale zu vergrößern und zu
verbessern, vermutlich, um mit der Zeit in dieser Hinsicht zu völliger Un¬
abhängigkeit vom Auslande zu gelangen.

Große Arsenale sind zurzeit in China an folgenden Plätzen:

1. Hcmycmg in der Provinz Hupei,
2. Nanking in der Provinz Kiang su,
3. Kianghcm bei Schanghai in der Provinz Kiang si,
4. Futschou in der Provinz Fu lieu,
5. Canton in der Provinz Kwcmgtung.

Von diesen Wasserplätzen steht Hcmycmg am höchsten in Ansehen, da es
am besten mit Material und Personal ausgestattet ist und in seinen Leistungen
andauernd Fortschritte macht. Neben einem großen Dampfhammer, zwei Hoch¬
öfen, Bessemer- und Martinstahlwerk sind hier eine Geschützdreherei, eine


Grenzboten III 1907 16
Die moderne chinesische Armee

mit deutschen Manscrgewehren und Karabinern Modell 88 ausgerüstet, nur
die 1. und die 9, Division führen zurzeit noch das Meidji- oder 30-Jcchr-Gewehr
von 6,5 Millimeter Kaliber, mit dem gegenwärtig die japanische Armee bewaffnet
ist. Die Prüfungskommission soll sich aber jetzt endgiltig für das Mauser¬
gewehr entschieden haben, sodaß auch die 1. und die 9. Diviston schon alsbald mit
dieser Waffe versehen sein werden. Bei der Artillerie hat sich eine einheitliche
Bewaffnung bisher nicht durchführen lassen. Neben modernen Geschützen finden
sich bei einzelnen Divisionen noch alte Modelle verschiedner Herkunft aus den
siebziger und achtziger Jahren. Der hauptsächlichste Hinderungsgrund an der
Gleichmäßigkeit der artilleristischen Ausrüstung ist der Umstand, daß die Artillerie-
Prüfungskommission noch keine Wahl eines bestimmten Geschützmodells getroffen
hat. In Frage steht Material von Krupp, von Schneider-Creuzot und aus
Japan. Ganz besondre Anstrengungen macht Japan, seine durch den Krieg
mit Rußland stark angegriffnen Kanonen in China anzubringen, um sich dann
von diesem Erlös neues Material in Deutschland zu kaufen. Bei einem in
Wuchcmg abgehaltnen Probeschießcn haben sich jedoch diese Geschütze augen¬
scheinlich schlecht bewährt. Aus einem uns darüber vorliegenden Bericht geht
hervor, daß, obwohl an diesem Schießen ausschließlich Japaner unter Leitung
eines japanischen Oberstleutnants vom Hcmycmger Arsenal teilnahmen und ab¬
sichtlich kein Chinese an die Geschütze gelassen wurde, kein einziger Treffer ge¬
macht wurde. Auch die abgelagerten japanischen Geschosse scheinen nichts zu
taugen, da bei der Schießübung von zwanzig Granaten elf nicht krepierten; die
Kartusche und die Pulverladung waren nur angesengt. Da auch die französischen
Geschütze, angeblich ihres komplizierten Mechanismus wegen, der Prüfungs¬
kommission chinesischer Sachverständiger nicht gefallen sollen, so dürfte die
deutsche Industrie wohl die meiste Aussicht haben, mit größern Geschütz¬
bestellungen bedacht zu werden.

Es muß übrigens zur Kennzeichnung der Fortschritte, die China in mili¬
tärischer Hinsicht macht, am Schluß noch hinzugefügt werden, daß der Staat
fortgesetzt an der Arbeit ist, seine eignen Waffenarsenale zu vergrößern und zu
verbessern, vermutlich, um mit der Zeit in dieser Hinsicht zu völliger Un¬
abhängigkeit vom Auslande zu gelangen.

Große Arsenale sind zurzeit in China an folgenden Plätzen:

1. Hcmycmg in der Provinz Hupei,
2. Nanking in der Provinz Kiang su,
3. Kianghcm bei Schanghai in der Provinz Kiang si,
4. Futschou in der Provinz Fu lieu,
5. Canton in der Provinz Kwcmgtung.

Von diesen Wasserplätzen steht Hcmycmg am höchsten in Ansehen, da es
am besten mit Material und Personal ausgestattet ist und in seinen Leistungen
andauernd Fortschritte macht. Neben einem großen Dampfhammer, zwei Hoch¬
öfen, Bessemer- und Martinstahlwerk sind hier eine Geschützdreherei, eine


Grenzboten III 1907 16
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/121>, abgerufen am 31.05.2024.