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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische Stimmen zur zweiten Haager Konferenz

darin, daß das Privateigentum zur See uur dann geschützt werden kann, wenn
neue Bestimmungen getroffen werden über das Recht der Kriegsschiffe, die
Handelsschiffe zu durchsuchen, und das Recht, Ladung oder einen Teil der
Ladung als Kriegskonterbande oder wegen Blockadebrnchs wegzunehmen.

Jedenfalls darf man aber nicht übersehen, daß die ganze amerikanische
Marine in diesem Punkte andrer Meinung ist als die amerikanische Regierung,
deren Standpunkt Mr. Roberts wiedergegeben hat, und schon jetzt in der
Presse heftig dagegen protestiert, daß der Schutz des Privateigentums zur See
auf der zweiten Haager Konferenz beschlossen werden solle.

Mr. Benjamin Baker, der sich in zum Sprachrohr der ameri¬
kanischen Marinekreise gemacht hat, führt in einem längern Artikel die Gründe
aus, die dagegen sprechen. Auch near-Admiral Spcrrh, der amerikanische Marine¬
vertreter auf der zweiten Haager Konferenz, hat sich in einem Interview ab¬
lehnend geäußert. Mr. Baker führt aus: der Seehandel sei eine der wichtigsten
Einnahmequellen der kriegführenden Weltmächte und liefere der Nation nicht nur
ein Einkommen in Gestalt von Einfuhrzöllen, sondern auch einen Wertzuwachs
des Privateigentums, das den innern Steuern unterworfen sei. Die Fortdauer
des Handels während des Krieges würde direkt und unfehlbar die Widerstands¬
kraft des betreffenden Staates steigern. Es sei darum im Prinzip das klare
Recht einer jeden Macht, ihrem Feinde den überseeischen Handel zu verbieten
und dieses Verbot durch die Wegnahme feindlicher Schiffe wirksam zu machen,
da hierdurch die Fähigkeit des Feindes, den Krieg fortzusetzen, herabgesetzt
werde. Die Vereinigten Staaten hüllen nur einen geringen Außenhandel unter
eigner Flagge und könnten darum in einem Seekriege nnr wenig geschädigt
werden. Dagegen könnte die amerikanische Flotte in einem Kriege mit Gro߬
britannien den britischen Handelsschiffen und Ladungen sicher einen enormen
Schaden zufügen.

Viel wichtiger würde aber die Ausübung dieses Rechts im Falle eines
Krieges mit Japan sein. Die insulare Lage Japans und die Tatsache, daß die
Haupthandelsroute nach den japanischen Inseln von den amerikanischen Flotten-
stationcn auf den Philippinen, anf Hawai und an der Küste des Stillen Ozeans
überwacht werden konnte, würde die Zerstörung des japanischen Handels zu
einer wertvollen Kriegsmaßregel machen. Ein Krieg zwischen Japan und den
Vereinigten Staaten sei ja in den nächsten Jahren nicht zu erwarte", aber das
Verhältnis Japans und Chinas werde mit Sicherheit dermaleinst zu einer
Kette von Kriegen führen, an denen auch die Vereinigten Staaten teilnehmen
müßten.

Die Frage, ob der Krieg in Zukunft humaner gestaltet werden würde
als bisher, habe mit dem Schutze des Privateigentums zur See nichts zu tun.
Inhuman sei es, dem Feinde die Augen auszustechen oder Verwundete zu
quälen, aber man könne es doch nicht unhuman nennen, Privatgelder zu be¬
schlagnahmen und dadurch dem feindlichen Staat Einnahmequellen zu entziehen,


Amerikanische Stimmen zur zweiten Haager Konferenz

darin, daß das Privateigentum zur See uur dann geschützt werden kann, wenn
neue Bestimmungen getroffen werden über das Recht der Kriegsschiffe, die
Handelsschiffe zu durchsuchen, und das Recht, Ladung oder einen Teil der
Ladung als Kriegskonterbande oder wegen Blockadebrnchs wegzunehmen.

Jedenfalls darf man aber nicht übersehen, daß die ganze amerikanische
Marine in diesem Punkte andrer Meinung ist als die amerikanische Regierung,
deren Standpunkt Mr. Roberts wiedergegeben hat, und schon jetzt in der
Presse heftig dagegen protestiert, daß der Schutz des Privateigentums zur See
auf der zweiten Haager Konferenz beschlossen werden solle.

Mr. Benjamin Baker, der sich in zum Sprachrohr der ameri¬
kanischen Marinekreise gemacht hat, führt in einem längern Artikel die Gründe
aus, die dagegen sprechen. Auch near-Admiral Spcrrh, der amerikanische Marine¬
vertreter auf der zweiten Haager Konferenz, hat sich in einem Interview ab¬
lehnend geäußert. Mr. Baker führt aus: der Seehandel sei eine der wichtigsten
Einnahmequellen der kriegführenden Weltmächte und liefere der Nation nicht nur
ein Einkommen in Gestalt von Einfuhrzöllen, sondern auch einen Wertzuwachs
des Privateigentums, das den innern Steuern unterworfen sei. Die Fortdauer
des Handels während des Krieges würde direkt und unfehlbar die Widerstands¬
kraft des betreffenden Staates steigern. Es sei darum im Prinzip das klare
Recht einer jeden Macht, ihrem Feinde den überseeischen Handel zu verbieten
und dieses Verbot durch die Wegnahme feindlicher Schiffe wirksam zu machen,
da hierdurch die Fähigkeit des Feindes, den Krieg fortzusetzen, herabgesetzt
werde. Die Vereinigten Staaten hüllen nur einen geringen Außenhandel unter
eigner Flagge und könnten darum in einem Seekriege nnr wenig geschädigt
werden. Dagegen könnte die amerikanische Flotte in einem Kriege mit Gro߬
britannien den britischen Handelsschiffen und Ladungen sicher einen enormen
Schaden zufügen.

Viel wichtiger würde aber die Ausübung dieses Rechts im Falle eines
Krieges mit Japan sein. Die insulare Lage Japans und die Tatsache, daß die
Haupthandelsroute nach den japanischen Inseln von den amerikanischen Flotten-
stationcn auf den Philippinen, anf Hawai und an der Küste des Stillen Ozeans
überwacht werden konnte, würde die Zerstörung des japanischen Handels zu
einer wertvollen Kriegsmaßregel machen. Ein Krieg zwischen Japan und den
Vereinigten Staaten sei ja in den nächsten Jahren nicht zu erwarte», aber das
Verhältnis Japans und Chinas werde mit Sicherheit dermaleinst zu einer
Kette von Kriegen führen, an denen auch die Vereinigten Staaten teilnehmen
müßten.

Die Frage, ob der Krieg in Zukunft humaner gestaltet werden würde
als bisher, habe mit dem Schutze des Privateigentums zur See nichts zu tun.
Inhuman sei es, dem Feinde die Augen auszustechen oder Verwundete zu
quälen, aber man könne es doch nicht unhuman nennen, Privatgelder zu be¬
schlagnahmen und dadurch dem feindlichen Staat Einnahmequellen zu entziehen,


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[0014] Amerikanische Stimmen zur zweiten Haager Konferenz darin, daß das Privateigentum zur See uur dann geschützt werden kann, wenn neue Bestimmungen getroffen werden über das Recht der Kriegsschiffe, die Handelsschiffe zu durchsuchen, und das Recht, Ladung oder einen Teil der Ladung als Kriegskonterbande oder wegen Blockadebrnchs wegzunehmen. Jedenfalls darf man aber nicht übersehen, daß die ganze amerikanische Marine in diesem Punkte andrer Meinung ist als die amerikanische Regierung, deren Standpunkt Mr. Roberts wiedergegeben hat, und schon jetzt in der Presse heftig dagegen protestiert, daß der Schutz des Privateigentums zur See auf der zweiten Haager Konferenz beschlossen werden solle. Mr. Benjamin Baker, der sich in zum Sprachrohr der ameri¬ kanischen Marinekreise gemacht hat, führt in einem längern Artikel die Gründe aus, die dagegen sprechen. Auch near-Admiral Spcrrh, der amerikanische Marine¬ vertreter auf der zweiten Haager Konferenz, hat sich in einem Interview ab¬ lehnend geäußert. Mr. Baker führt aus: der Seehandel sei eine der wichtigsten Einnahmequellen der kriegführenden Weltmächte und liefere der Nation nicht nur ein Einkommen in Gestalt von Einfuhrzöllen, sondern auch einen Wertzuwachs des Privateigentums, das den innern Steuern unterworfen sei. Die Fortdauer des Handels während des Krieges würde direkt und unfehlbar die Widerstands¬ kraft des betreffenden Staates steigern. Es sei darum im Prinzip das klare Recht einer jeden Macht, ihrem Feinde den überseeischen Handel zu verbieten und dieses Verbot durch die Wegnahme feindlicher Schiffe wirksam zu machen, da hierdurch die Fähigkeit des Feindes, den Krieg fortzusetzen, herabgesetzt werde. Die Vereinigten Staaten hüllen nur einen geringen Außenhandel unter eigner Flagge und könnten darum in einem Seekriege nnr wenig geschädigt werden. Dagegen könnte die amerikanische Flotte in einem Kriege mit Gro߬ britannien den britischen Handelsschiffen und Ladungen sicher einen enormen Schaden zufügen. Viel wichtiger würde aber die Ausübung dieses Rechts im Falle eines Krieges mit Japan sein. Die insulare Lage Japans und die Tatsache, daß die Haupthandelsroute nach den japanischen Inseln von den amerikanischen Flotten- stationcn auf den Philippinen, anf Hawai und an der Küste des Stillen Ozeans überwacht werden konnte, würde die Zerstörung des japanischen Handels zu einer wertvollen Kriegsmaßregel machen. Ein Krieg zwischen Japan und den Vereinigten Staaten sei ja in den nächsten Jahren nicht zu erwarte», aber das Verhältnis Japans und Chinas werde mit Sicherheit dermaleinst zu einer Kette von Kriegen führen, an denen auch die Vereinigten Staaten teilnehmen müßten. Die Frage, ob der Krieg in Zukunft humaner gestaltet werden würde als bisher, habe mit dem Schutze des Privateigentums zur See nichts zu tun. Inhuman sei es, dem Feinde die Augen auszustechen oder Verwundete zu quälen, aber man könne es doch nicht unhuman nennen, Privatgelder zu be¬ schlagnahmen und dadurch dem feindlichen Staat Einnahmequellen zu entziehen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/14>, abgerufen am 14.05.2024.