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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische Stimmen zur zweiten Haager Konferenz

schiff bleiben muß, und daß es unzulässig sei, ein und dasselbe Schiff bald
als Handelsschiff, bald als Kriegsschiff zu verwenden, je nachdem es vorteilhaft
erscheinen möge.

Die Behandlung vou Schiffen der kriegführenden Staaten in neutralen
Häfen ist ebenfalls noch eine ungelöste Frage. Uneinigkeit herrscht insbesondre
darüber, wie lange solche Schiffe in neutralen Häfen bleiben dürfen, bis zu
welcher Ausdehnung sie bei Reparaturen unterstützt werden, und welches
Quantum Kohlen sie erhalten dürfen. Frankreich handelte während des
russisch-japanischen Krieges nach dem Grundsatz, daß ein neutraler Staat Kriegs¬
schiffen einer kriegführenden Partei jede verlangte Hilfe gewähren dürfe, voraus¬
gesetzt, daß die andre Partei genau in demselben Sinne behandelt würde,
während Großbritannien den Hafen von Weiheiwei für die Schiffe beider Parteien
schloß und in andern Häfen Ausbesserungen und Einnahme von Kohlen nur
im beschränktesten Umfange gestattete.

Mr. Roberts gibt an, daß Deutschland hierüber klare Regeln herbeiführen
wolle, damit die Neutralen soweit als möglich uicht in den Streit über die
Interpretation dieser Frage hineingezogen werden können. Deutschland sei
auch bereit, sein Einverständnis damit zu erklären, daß ein Unterschied gemacht
werde zwischen Häfen, die nahe bei, und solchen, die weitab von dem Kriegs¬
theater liegen.

Das Versenken von Seeschiffen, die als Prisen genommen worden sind, wird
nach Mr. Roberts Ansicht eingeschränkt werden, wenn der deutsche Vorschlag
angenommen würde, wonach das Versenken eines neutralen Schiffes nur unter
außerordentlichen und genau bestimmten Umständen zulässig sein solle, und
auch dann nur bei vollem Ersatz für Schiff und Ladung.

Der Begriff der Kriegskonterbande wird voraussichtlich zu großen
Meinungsverschiedenheiten Anlaß geben. Mr. Roberts erwähnt, daß man in
den Vereinigten Staaten über die russische Erklärung sehr erregt gewesen sei,
wonach Lebensmittel, rohe Baumwolle, Alkohol, Naphtha und Kohlen für absolute
Kriegskonterbande erklärt wurden, und daß auch Deutschland jetzt geneigt sei,
mitzuwirken, daß die Artikel, die als Kriegskonterbande erklärt werden können,
möglichst limitiert werden.

Zum Schluß bespricht Mr. Roberts den Schutz des Privateigentums der
Kriegführenden zur See. Diese Frage bildete den wichtigsten Punkt des
russischen Programms und ist von Großbritannien, dem sie sehr wenig gelegen
kommt, geflissentlich in den Hintergrund zu drängen versucht worden. Schon
auf der ersten Haager Konferenz stellte Mr. Andrew D. White, der damalige
erste amerikanische Delegierte, einen Antrag, daß der Schutz, den das feind¬
liche Privateigentum schon jetzt im Landkriege genießt, bis zu einem gewissen
Gabe auf den Seekrieg ausgedehnt werde, aber es kam trotz der Unterstützung
Deutschlands zu keinem Beschluß, weil England und Frankreich opponierten.
Die Schwierigkeiten, die zu überwinden sind, bestehn nach Mr. Roberts Ansicht


Amerikanische Stimmen zur zweiten Haager Konferenz

schiff bleiben muß, und daß es unzulässig sei, ein und dasselbe Schiff bald
als Handelsschiff, bald als Kriegsschiff zu verwenden, je nachdem es vorteilhaft
erscheinen möge.

Die Behandlung vou Schiffen der kriegführenden Staaten in neutralen
Häfen ist ebenfalls noch eine ungelöste Frage. Uneinigkeit herrscht insbesondre
darüber, wie lange solche Schiffe in neutralen Häfen bleiben dürfen, bis zu
welcher Ausdehnung sie bei Reparaturen unterstützt werden, und welches
Quantum Kohlen sie erhalten dürfen. Frankreich handelte während des
russisch-japanischen Krieges nach dem Grundsatz, daß ein neutraler Staat Kriegs¬
schiffen einer kriegführenden Partei jede verlangte Hilfe gewähren dürfe, voraus¬
gesetzt, daß die andre Partei genau in demselben Sinne behandelt würde,
während Großbritannien den Hafen von Weiheiwei für die Schiffe beider Parteien
schloß und in andern Häfen Ausbesserungen und Einnahme von Kohlen nur
im beschränktesten Umfange gestattete.

Mr. Roberts gibt an, daß Deutschland hierüber klare Regeln herbeiführen
wolle, damit die Neutralen soweit als möglich uicht in den Streit über die
Interpretation dieser Frage hineingezogen werden können. Deutschland sei
auch bereit, sein Einverständnis damit zu erklären, daß ein Unterschied gemacht
werde zwischen Häfen, die nahe bei, und solchen, die weitab von dem Kriegs¬
theater liegen.

Das Versenken von Seeschiffen, die als Prisen genommen worden sind, wird
nach Mr. Roberts Ansicht eingeschränkt werden, wenn der deutsche Vorschlag
angenommen würde, wonach das Versenken eines neutralen Schiffes nur unter
außerordentlichen und genau bestimmten Umständen zulässig sein solle, und
auch dann nur bei vollem Ersatz für Schiff und Ladung.

Der Begriff der Kriegskonterbande wird voraussichtlich zu großen
Meinungsverschiedenheiten Anlaß geben. Mr. Roberts erwähnt, daß man in
den Vereinigten Staaten über die russische Erklärung sehr erregt gewesen sei,
wonach Lebensmittel, rohe Baumwolle, Alkohol, Naphtha und Kohlen für absolute
Kriegskonterbande erklärt wurden, und daß auch Deutschland jetzt geneigt sei,
mitzuwirken, daß die Artikel, die als Kriegskonterbande erklärt werden können,
möglichst limitiert werden.

Zum Schluß bespricht Mr. Roberts den Schutz des Privateigentums der
Kriegführenden zur See. Diese Frage bildete den wichtigsten Punkt des
russischen Programms und ist von Großbritannien, dem sie sehr wenig gelegen
kommt, geflissentlich in den Hintergrund zu drängen versucht worden. Schon
auf der ersten Haager Konferenz stellte Mr. Andrew D. White, der damalige
erste amerikanische Delegierte, einen Antrag, daß der Schutz, den das feind¬
liche Privateigentum schon jetzt im Landkriege genießt, bis zu einem gewissen
Gabe auf den Seekrieg ausgedehnt werde, aber es kam trotz der Unterstützung
Deutschlands zu keinem Beschluß, weil England und Frankreich opponierten.
Die Schwierigkeiten, die zu überwinden sind, bestehn nach Mr. Roberts Ansicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/13>, abgerufen am 14.05.2024.