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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Zur Vorgeschichte des Burenkrieges

bis dahin wohlgeordneten Verwaltung die ärgste Konfusion an. Im Verlauf
der Verhandlungen schrieb der britische Kommissar einmal an den Staats¬
sekretär für die Kolonien: "Es scheint mir ganz unmöglich, die Fiktion, als
ob wir im Namen Waterboers gehandelt hätten, noch länger aufrecht zu er¬
halten." Waterboer trat seine "Rechte" an die Engländer ab für einen Jahres¬
gehalt von 1500 Pfund, von dem er jedoch nie einen Pfennig bekommen hat.
Vielmehr hat man ihm 3000 Pfund Gerichtskosten aufgeladen und ihn wegen
einer unbedeutenden Ursache eingesperrt. Einem Blaubuch ist ein Brief des
stellvertretenden Hohen Kommissars Hay einverleibt worden, in dem es heißt,
eine große Anzahl von britischen Untertanen habe in dem Distrikt mit Ein¬
willigung der Eingebornen ihren Wohnsitz aufgeschlagen. Kapitän Lindley
bemerkt dazu in seiner Geschichte der Diamantenfelder: "Wie diese farbigen
Eingebornen, die seit fünfzig Jahren ausgerottet waren, ihre Einwilligung
hätten geben können, hat General Hay zu erklären unterlassen. Ich selbst
habe mit Hunderten von Diamantsuchern in diesem Gebiete gewohnt. Ich sah
nie einen einzigen Eingebornen, wohl aber sah ich die alten Wohnstätten der
Freistaatburen und genoß den Schutz der Beamten des Freistaats, mit deren
Bewilligung wir uns dort aufhielten." Die englische Regierung annektierte
also einfach das Gebiet, und man muß es ihr hoch anrechnen, daß sie dem
Freistaat 90000 Pfund Entschädigung zahlte; sie Hütte ja das Land ganz
umsonst haben können, da die Buren zwar für ihre Freiheit, aber nicht für
Diamanten mit der Übermacht Krieg zu führen bereit waren. Die Diamant¬
sucher, die englischen nicht ausgenommen, haben schlecht abgeschnitten bei dem
Tausch, denn einer jener modernen Haie, die man Trusts nennt, frißt die
Niesengewinne der Ausbeutung allein. Kimberley bleibt nicht nur den unab¬
hängigen Diamantsuchern, sondern auch den unabhängigen Groß- und Klein¬
händlern verschlossen. Der beraubte Oranjestaat aber hat nach Leyds Ansicht
mehr gewonnen als der Räuber, nämlich einige Jahre ungestörten Daseins,
da die "anständige Armut", in die er zurückgeworfen worden war, die eng¬
lische Habgier nicht reizte.

Transvaal wurde seiner Goldfelder wegen 1877 ganz annektiert, und bei
dieser Gelegenheit wurde auch die Verleumdung wieder aufgewärmt, daß die
Buren die Eingebornen grausam behandelten; ja man behauptete, sie hätten
die gesetzlich abgeschaffte Sklaverei immer noch beibehalten. Der Geschicht¬
schreiber Südafrikas, Theal, konstatiert, daß bei der Annexion 1877 kein Sklave
freigelassen werden konnte, weil keiner gefunden wurde, und Bischof Colenso,
ein warmer Verfechter der Rechte der Eingebornen, hat beteuert, er habe sich
bemüht, diese ungerechten Anklagen gegen die Buren aus der Welt zu schaffen.
"Ich habe, schreibt er, auf die Tatsache hingewiesen, daß in Transvaal
800000 Farbige wohnten, ohne zu entfliehen und in Natal Schutz zu suchen,
daß sie also allem Anschein nach die Burenherrschaft der unsern vorziehen."
Die Verleumdung knüpfte an das von dem englischen verschiedne System an,


Zur Vorgeschichte des Burenkrieges

bis dahin wohlgeordneten Verwaltung die ärgste Konfusion an. Im Verlauf
der Verhandlungen schrieb der britische Kommissar einmal an den Staats¬
sekretär für die Kolonien: „Es scheint mir ganz unmöglich, die Fiktion, als
ob wir im Namen Waterboers gehandelt hätten, noch länger aufrecht zu er¬
halten." Waterboer trat seine „Rechte" an die Engländer ab für einen Jahres¬
gehalt von 1500 Pfund, von dem er jedoch nie einen Pfennig bekommen hat.
Vielmehr hat man ihm 3000 Pfund Gerichtskosten aufgeladen und ihn wegen
einer unbedeutenden Ursache eingesperrt. Einem Blaubuch ist ein Brief des
stellvertretenden Hohen Kommissars Hay einverleibt worden, in dem es heißt,
eine große Anzahl von britischen Untertanen habe in dem Distrikt mit Ein¬
willigung der Eingebornen ihren Wohnsitz aufgeschlagen. Kapitän Lindley
bemerkt dazu in seiner Geschichte der Diamantenfelder: „Wie diese farbigen
Eingebornen, die seit fünfzig Jahren ausgerottet waren, ihre Einwilligung
hätten geben können, hat General Hay zu erklären unterlassen. Ich selbst
habe mit Hunderten von Diamantsuchern in diesem Gebiete gewohnt. Ich sah
nie einen einzigen Eingebornen, wohl aber sah ich die alten Wohnstätten der
Freistaatburen und genoß den Schutz der Beamten des Freistaats, mit deren
Bewilligung wir uns dort aufhielten." Die englische Regierung annektierte
also einfach das Gebiet, und man muß es ihr hoch anrechnen, daß sie dem
Freistaat 90000 Pfund Entschädigung zahlte; sie Hütte ja das Land ganz
umsonst haben können, da die Buren zwar für ihre Freiheit, aber nicht für
Diamanten mit der Übermacht Krieg zu führen bereit waren. Die Diamant¬
sucher, die englischen nicht ausgenommen, haben schlecht abgeschnitten bei dem
Tausch, denn einer jener modernen Haie, die man Trusts nennt, frißt die
Niesengewinne der Ausbeutung allein. Kimberley bleibt nicht nur den unab¬
hängigen Diamantsuchern, sondern auch den unabhängigen Groß- und Klein¬
händlern verschlossen. Der beraubte Oranjestaat aber hat nach Leyds Ansicht
mehr gewonnen als der Räuber, nämlich einige Jahre ungestörten Daseins,
da die „anständige Armut", in die er zurückgeworfen worden war, die eng¬
lische Habgier nicht reizte.

Transvaal wurde seiner Goldfelder wegen 1877 ganz annektiert, und bei
dieser Gelegenheit wurde auch die Verleumdung wieder aufgewärmt, daß die
Buren die Eingebornen grausam behandelten; ja man behauptete, sie hätten
die gesetzlich abgeschaffte Sklaverei immer noch beibehalten. Der Geschicht¬
schreiber Südafrikas, Theal, konstatiert, daß bei der Annexion 1877 kein Sklave
freigelassen werden konnte, weil keiner gefunden wurde, und Bischof Colenso,
ein warmer Verfechter der Rechte der Eingebornen, hat beteuert, er habe sich
bemüht, diese ungerechten Anklagen gegen die Buren aus der Welt zu schaffen.
„Ich habe, schreibt er, auf die Tatsache hingewiesen, daß in Transvaal
800000 Farbige wohnten, ohne zu entfliehen und in Natal Schutz zu suchen,
daß sie also allem Anschein nach die Burenherrschaft der unsern vorziehen."
Die Verleumdung knüpfte an das von dem englischen verschiedne System an,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/250>, abgerufen am 29.05.2024.